Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 1 L 1675/10
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamt-schuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
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Der am 12. Oktober 2010 gestellte Antrag,
2dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Einstellung einer Dezernentin/eines Dezernenten gemäß dem Beschluss des Rates der Stadt E vom 8. Juli 2010 zu Tagesordnungspunkt x.x x/xxxx "Änderung Stellenplan 2010 – Einrichtung einer Dezernentenstelle" bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu unterlassen,
3hat keinen Erfolg.
4Ob die Antragsteller ihr Interesse an einer Offenhaltung der Hauptsacheentscheidung überhaupt mit einem gegen den Bürgermeister der Stadt E gerichteten Antrag verfolgen können, da sie in der Hauptsache einen gegen den Rat der Stadt E zu richtenden Anspruch auf Feststellung der Nichtigkeit des Ratsbeschlusses vom 8. Juli 2010 verfolgen dürften, kann dahinstehen. Denn der Antrag ist in jedem Fall unbegründet.
5Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt in beiden Fällen voraus, dass der zu Grunde liegende materielle Anspruch, der Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, der Anordnungsgrund, glaubhaft gemacht sind (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 294, 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
6Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Der Ratsbeschluss vom 8. Juli 2010, mit dem der Rat die Einrichtung einer Stelle nach Besoldungsgruppe A 16 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) im Stellenplan 2010 der Stadt E beschlossen hat, erweist sich voraussichtlich als rechtmäßig. Der Rat war an einer entsprechenden Beschlussfassung nicht durch den Ratsbeschluss vom 4. Februar 2010 gehindert, mit dem er dem von den Antragstellern vertretenen Bürgerbegehren zu der Frage, ob der Rat der Stadt E es unterlassen soll, einen weiteren Beigeordneten zu wählen, entsprochen hat.
7Hierbei bedarf es keiner Entscheidung, ob der Rat einen dem Bürgerbegehren entsprechenden Ratsbeschluss später wieder aufheben oder abändern kann und – wenn dies zu bejahen wäre – in entsprechender Anwendung des § 26 Abs. 8 Satz 2 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein Westfalen (GO NRW) in diesem Fall das Bürgerbegehren wieder aufleben würde und ein Bürgerentscheid durchzuführen wäre,
8in diesem Sinne Wansleben, in: Held/Becker u.a., Kommunalverfassungsrecht NRW, Bd. I, Losebl., Stand: Juni 2010, § 26 GO Anm. 5.4; ders., in: Held/Winkel, GO NRW, 2008, § 26 Anm. 5; s. auch Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, GO NRW, Bd. I, Losebl., Stand: Nov. 2009, § 26 Anm. VII 2.
9Der Ratsbeschluss vom 8. Juli 2010 lässt den dem Bürgerbegehren entsprechenden Ratsbeschluss vom 4. Februar 2010 unberührt. Die Einrichtung einer Dezernentenstelle nach Besoldungsgruppe A 16 BBesG im Stellenplan wird von dem Antragsgegenstand des Bürgerbegehrens nicht umfasst.
10Hierfür spricht – unabhängig von Wortlaut und Begründung des Bürgerbegehrens, die sich bereits nur auf die Wahl eines Beigeordneten beziehen bzw. Personal- und Sachkosten für eine Stelle nach Besoldungsgruppe B2/B3 BBesG angeben – die unterschiedliche Stellung von Dezernent und Beigeordnetem innerhalb der Gemeindeverfassung.
11Die Beigeordneten haben, anders als die Dezernenten, die Laufbahnbeamte sind, die Stellung eines kommunalen Wahlbeamten (§ 71 Abs. 1 Satz 2 GO NRW). Sie sind an der Führung der Gemeinde unmittelbar teilnehmende "Spitzenbeamte" bzw. "Spitzenkräfte",
12vgl. Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, GO NRW, Bd. I, Losebl., Stand: Nov. 2009, § 70 Anm. I 1; Collisi, in: Articus/Schneider, GO NRW, 3. Aufl. 2009, § 70 Anm. 1; Plückhahn, in: Held/Winkel, GO NRW, 2008, § 70 Anm. 3.
13Gemeindeverfassungsrechtlich nehmen sie eine herausgehobene Stellung ein, welche in den Vorschriften der §§ 68 bis 71 GO NRW über die Vertretung des Bürgermeisters im Amt, die Teilnahme an Sitzungen, die Mitwirkung im Verwaltungsvorstand und ihre Wahl zum Ausdruck kommt. Hervorzuheben ist insbesondere ihre Vertretungsbefugnis. Die Beigeordneten sind ständige Vertreter des Bürgermeisters in ihrem Arbeitsgebiet (§ 68 Abs. 2 GO NRW) und allgemeine Vertreter nach § 68 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 GO NRW. Sie vertreten damit den Bürgermeister nicht nur, wenn er an der Wahrnehmung seiner Aufgaben gehindert ist, sondern ständig. Die allgemeine Vertretung erstreckt sich nicht nur auf die Geschäfte innerhalb der Gemeindeverwaltung, sondern umfasst auch die Vertretung der Gemeinde nach außen (vgl. § 63 GO NRW). Die Befugnis ist damit zwar eine vom Bürgermeister abgeleitete, aber durch die Gemeindeordnung unentziehbar vorgegebene,
14vgl. zur Stellung des Beigeordneten auch VG Münster, Urteil vom 6. März 2009 – 1 K 2121/08 –, juris.
15Der Dezernent hingegen ist kein Bestandteil der kommunalverfassungsrechtlichen Struktur der Gemeindeverwaltung, sondern als Bediensteter der Gemeinde im Sinne des § 74 GO NRW Teil der nachgeordneten Verwaltung. Ihm kommen, im Gegensatz zum Beigeordneten, keine kommunalverfassungsrechtlichen Kompetenzen zu. Die unterschiedliche kommunalverfassungsrechtliche Stellung von Dezernent und Beigeordneten wird durch den in den Stellenanzeigen nahezu identisch beschriebenen Aufgabenbereich nicht relativiert. Dass durch die Einrichtung und Besetzung der Dezernentenstelle – wenn auch in einem geringeren Umfang – Folgekosten entstehen, auf deren Vermeidung das Bürgerbegehren gerichtet war, führt ebenfalls zu keiner anderen Bewertung.
16Die Einrichtung einer Dezernentenstelle im Stellenplan ist damit ein aliud zu dem Antragsgegenstand des Bürgerbegehrens.
17Es kann daher offen bleiben, ob die Wahl eines (weiteren) Beigeordneten – anders als die Festlegung der Anzahl der Beigeordneten –,
18vgl. hierzu HessVGH, Beschluss vom 30. September 2003 – 8 TG 2479/03 –, juris; VG Gießen, Beschluss vom 26. März 2004 – 8 G 539/04 –, juris; VG Münster, Urteil vom 6. März 2009 – 1 K 2121/08 –, juris,
19und/oder die Einrichtung einer Dezernentenstelle im Stellenplan die innere Organisation der Gemeindeverwaltung betreffen und damit nach § 26 Abs. 5 Nr. 1 GO NRW von vornherein nicht Gegenstand eines Bürgerbegehrens bzw. Bürgerentscheids sein können. Dies gilt, da der Stellenplan gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 GO NRW Anlage des zur Haushaltssatzung gehörenden Haushaltsplans ist, ebenso im Hinblick auf einen möglichen Ausschluss nach § 26 Abs. 5 Nr. 3 GO NRW.
20Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.
21Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Gericht geht hierbei von einem Hauptsachenstreitwert in Höhe des Auffangwerts aus. Dieser Wert war nicht entsprechend der Anzahl der Antragsteller zu erhöhen, da sich die Antragsteller als Vertreter des Bürgerbegehrens in Rechtsgemeinschaft gegen den Ratsbeschluss vom 8. Juli 2010 wenden (vgl. Nr. 1.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004). Das von den Antragstellern im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verfolgte Interesse an der vorläufigen Nichtbesetzung der Dezernentenstelle bemisst das Gericht mit der Hälfte des Hauptsachenstreitwerts.
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