Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 17 L 440/13
Tenor
- 1
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
- 2
Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der sinngemäße Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage – 17 K 2897/13 – gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2013 hinsichtlich deren Ziffer I. (Untersagung) wiederherzustellen und hinsichtlich deren Ziffer III. (Zwangsgeldandrohung) anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Dieser Antrag ist zwar nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, insbesondere kommt der Anfechtungsklage abweichend von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu; hinsichtlich der Untersagungsverfügung aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung schon kraft Gesetzes nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 Justizgesetz NRW.
6Der Antrag ist aber unbegründet.
7Die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich Ziffer I. (Untersagung) der Ordnungsverfügung genügt den diesbezüglichen formellen Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Auf rund einer Seite hat die Antragsgegnerin darin ausgeführt, weshalb sie unter Berücksichtigung des Ziels einer funktionsfähigen Abfallentsorgung, der Interessen Dritter und der wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin im konkreten Einzelfall ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung sieht.
8Bei der vom Gericht vorzunehmenden Abwägung zwischen privatem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und öffentlichem Vollzugsinteresse überwiegt das letztere.
9A.
10Nach summarischer Prüfung ist die Ordnungsverfügung offenkundig rechtmäßig.
11I.
12Ermächtigungsgrundlage für die darin erfolgte Untersagung (Ziffer I.) der Sammlung von Bekleidung, Textilien und Verpackungen aus Textilien im gesamten Stadtgebiet ist § 18 Abs. 5 Satz 2 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG). Danach hat die zuständige Behörde die Durchführung der angezeigten Sammlung zu untersagen, wenn Tatsachen bekannt sind, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Anzeigenden oder der für die Leitung und Beaufsichtigung der Sammlung verantwortlichen Personen ergeben (erste Alternative), oder die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 oder Nummer 4 genannten Voraussetzungen anders nicht zu gewährleisten ist (zweite Alternative).
131.
14Von der Zuständigkeit der Antragsgegnerin als unterer Umweltschutzbehörde, § 38 Landesabfallgesetz NRW (LAbfG) i.V.m. § 1 Absätze 1, 2 Satz 1 Nr. 3 und Absatz 3 Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz, ist auszugehen.
15Zwar kann vor dem Hintergrund verfassungsrechtlich gebotener Distanz und Unabhängigkeit des Staates die darin geregelte Zuständigkeit der Kreise und kreisfreien Städte hinsichtlich des Anzeigeverfahrens nach § 18 KrWG problematisch sein, da diese als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger nach § 5 Abs. 1 LAbfG selbst Abfall sammeln (nur kreisfreie Städte, bei Kreisen ist die Sammlung und Beförderung hingegen grundsätzlich den kreisangehörigen Gemeinden übertragen, § 5 Abs. 6 Satz 1 LAbfG) oder zumindest für dessen Verwertung verantwortlich sind (§ 5 Abs. 2 LAbfG) und ggf. zugleich am Anzeigeverfahren betreffend gewerbliche/gemeinnützige Abfallsammlungen beteiligt werden, § 18 Abs. 4 Satz 1 KrWG.
16Ein derartiges „Neutralitätsgebot“ des Staates folgt zumindest aus dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, und zwar als Teil des Gebotes eines fairen Verfahrens,
17vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 2009 – 9 A 39/07 –, juris, Rn. 24; VG Würzburg, Beschluss vom 16. Oktober 2012 – W 4 S 12.833 –, juris, Rn. 21.
18Insoweit mag eine vollständige Trennung der Zuständigkeiten (untere Umweltschutzbehörde und öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger) wünschenswert sein, sie bildet aber keine notwendige Voraussetzung für die gebotene Distanz und Unabhängigkeit. Eine Behörde mit Doppelzuständigkeit hat als Teil der öffentlichen Verwaltung in beiden ihr übertragenen Funktionen dem Gemeinwohl zu dienen, ist an Recht und Gesetz gebunden und untersteht exekutiver Aufsicht. Angesichts dessen ist eine neutrale Aufgabenwahrnehmung durch sie jedenfalls dann in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Weise gesichert, wenn behördenintern für eine organisatorische und personelle Trennung beider Aufgabenbereiche gesorgt ist,
19vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 2009 – 9 A 39/07 –, juris, Rn. 24; VG Würzburg, Beschluss vom 16. Oktober 2012 – W 4 S 12.833 –, juris, Rn. 21; VG Hamburg, Urteil vom 9. August 2012 ‑ 4 K 1905/10 ‑, juris, Rn. 67.
20Letzteres ist bei der Antragsgegnerin der Fall. Die Aufgaben der unteren Umweltschutzbehörde und des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers hat sie unterschiedlichen „Teams“ und unterschiedlichen Personen (Sachbearbeitern) zugewiesen, deren Unabhängigkeit voneinander sie durch eine Trennung auch der jeweiligen Vorgesetzten- und Weisungsfunktion organisatorisch abgesichert hat (vgl. Organisationsverfügung des Herrn E vom 25. Mai 2012).
21Soweit in der Literatur vertreten wird, dass es vor dem Hintergrund von Art. 102 und 106 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) – ehemals Art. 82 und 86 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft – und deren Auslegung in der sogenannten MOTOE-Entscheidung,
22Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 1. Juli 2008 – C-49/07 –, juris,
23auch europarechtlich problematisch sei, wenn der Rechtsträger des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers über die Sammlungen von dessen Wettbewerbern entscheide,
24vgl. Diekmann/Ingerowski, AbfallR 2013, 12, 16; Dippel, in: Schink/Versteyl, KrWG, § 18, Rn. 8 f.; Weidemann, AbfallR 2013, 96, 100; Hurst, AbfallR 2013, 176, 177; ähnlich Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3.Aufl., § 18, Rn. 11; a.A. Wenzel, AbfallR 2013, 231, 233,
25begründet dies keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Zuständigkeit der Antragsgegnerin.
26Zum Einen spricht angesichts der dezentralen Betrauung der Landkreise und kreisfreien Städte mit den Aufgaben der Abfallbewirtschaftung schon einiges gegen eine marktbeherrschende Stellung i.S.v. Art. 102 AEUV,
27so wohl auch BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2009 – 7 C 16/08 –, juris, Rn. 39.
28Zum Anderen handelt es sich bei der Abfallbewirtschaftung als Aufgabe der Daseinsvorsorge – anders als bei der Veranstaltung von Motorrennen im Fall N – um eine unter die Ausnahmevorschrift des Art. 106 Abs. 2 AEUV fallende Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse,
29vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2009 – 7 C 16/08 –, juris, Rn. 40.
30Zudem unterliegen – anders als beim Fall N, in dem der im Wettbewerb stehende Veranstalter unkontrolliert über die Zulassung von anderen Wettbewerbern bestimmen konnte und das griechische Berufungsgericht selbst angegeben hatte, keinen effektiven innerstaatlichen Rechtsschutz gewähren zu können, – hier sowohl der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger als auch die erst nach eigener unabhängiger Prüfung entscheidende und allein vom Rechtsträger her, nicht aber personell und organisatorisch mit ihm identische untere Umweltschutzbehörde bei der Ausübung ihrer Befugnisse Beschränkungen, Bindungen und einer effektiven beim ersteren rechtsaufsichtlichen, bei letzterer sonderaufsichtlichen sowie nicht zuletzt auch verwaltungsgerichtlichen Kontrolle.
312.
32Ziffer I. der Ordnungsverfügung ist auch materiell rechtmäßig.
33Die Tatbestandsvoraussetzungen jedenfalls der ersten Alternative des § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG – auf die die Antragsgegnerin die Untersagung ausdrücklich auch gestützt hat – sind erfüllt. Der Antragsgegnerin sind Tatsachen bekannt, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Anzeigenden oder der für die Leitung und Beaufsichtigung der Sammlung verantwortlichen Personen ergeben.
34Zuverlässig ist, wer aufgrund seiner persönlichen Eigenschaften, seines Verhaltens und seiner Fähigkeiten zur ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben geeignet ist, wobei stets auf den konkreten Zusammenhang abzustellen ist,
35vgl. zur Zuverlässigkeit i.S.v. § 22 Satz 3 KrWG: Schomerus/Versteyl, in: Versteyl/Mann/ Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 22, Rn. 12.
36Es kann dahinstehen, ob bei systematischem Vorgehen (hartnäckig und in erheblichem Umfang) ausnahmsweise auch Verstöße gegen zivil- und wettbewerbsrechtliche Verpflichtungen gegenüber den Eigentümern privater Grundstücke, auf denen ohne Genehmigung Sammelbehälter aufgestellt werden, und gegenüber sich ordnungsgemäß verhaltenden Wettbewerbern eine auf mangelnde Zuverlässigkeit gestützte Untersagung der Sammlung rechtfertigen können,
37vgl. zu Gewerbeuntersagungen: VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. September 2012 – 3 L 2044/11 –, juris, Rn. 6 und 9 m.w.N.
38Nach summarischer Prüfung ist nämlich davon auszugehen, dass die Antragstellerin gerade durch ihr konkretes Sammlungsgebaren auch gegen öffentliches Recht verstößt, indem sie systematisch Sammelbehälter im öffentlichen Verkehrsraum aufstellt, ohne die dafür nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW erforderlichen Sondernutzungserlaubnisse einzuholen. Die mit den Verwaltungsvorgängen vorgelegten Fotodokumentationen der Antragsgegnerin zu den Standorten Ier Straße (vor den Hausnummern 8-12 neben den städtischen Glascontainern) und Ler Straße (Haltestelle der K-Bahn) sind glaubhaft und von der Antragstellerin nicht substantiiert angegriffen worden,
39vgl. zur Unzuverlässigkeit der Antragstellerin hinsichtlich der Vergabe von Sondernutzungserlaubnissen in einer Nachbarkommune der Antragsgegnerin: VG Düsseldorf, Urteil vom 19. März 2013 ‑ 16 K 673/13 ‑.
40Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob sich auch schon aus der den Geschäftsführer der Antragstellerin betreffenden Auskunft aus dem Gewerbezentralregister vom 20. August 2012 eine Untersagung rechtfertigende Bedenken gegen die Zuverlässigkeit im Sinne von § 18 Abs. 5 Satz 2 1. Alt. KrWG ergeben. Ebenso bedarf keiner Entscheidung, ob auch der Tatbestand der zweiten Alternative des § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG erfüllt ist.
41Ermessen ist der Antragsgegnerin in § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG nicht eingeräumt. Ausgehend von der ersten Alternative dieser Norm (Bedenken gegen die Zuverlässigkeit), musste die Antragsgegnerin auch nicht prüfen, ob statt der Untersagung mildere Maßnahmen nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG in Betracht kommen.
42II.
43Eigenständige Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der auf §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 und 63 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) NRW beruhenden Zwangsgeldandrohung sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Höhe des für jeden Tag der Zuwiderhandlung angedrohten Zwangsgeldes von 2.500,00 Euro erscheint vor dem Hintergrund der nur erschwert zu ermittelnden, da nicht ortsfesten Sammelbehälter, über deren Standorte die Antragstellerin auch keine Auskunft erteilt, bei summarischer Prüfung noch verhältnismäßig (§ 58 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW).
44B.
45Durchgreifende Gründe, die trotz offenkundiger Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung im Rahmen der Interessenabwägung für ein Überwiegen des privaten Aussetzungsinteresses sprechen, bestehen nicht.
46C.
47Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
48Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz, wobei das Gericht wegen des bloß vorläufigen Charakters der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, orientiert am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004, nur die Hälfte des in einem Klageverfahren maßgeblichen Streitwertes von 20.000,00 Euro für die Untersagungsverfügung (Streitwertkatalog Ziffern 1.5, 2.4.2) angesetzt hat. Der Zwangsgeldandrohung kam wegen der Verbindung mit der Grundverfügung hierbei keine eigenständige Bedeutung zu (Streitwertkatalog Ziffer 1.6.2).
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