Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 12 K 5984/16.A
Tenor
Soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00.0.1976 geborene Kläger zu 1. und die am 00.00.1985 geborene Klägerin zu 2. sind syrische Staatsangehörige. Sie reisten eigenen Angaben zufolge am 27. Januar 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie am 6. Januar 2016 Anträge auf die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz stellten.
3Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stellte auf der Grundlage von Eurodac-Treffern fest, dass Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit Bulgariens vorlagen (BG1BR108C1407250006 und BG1BR108C1407250007). Es richtete daraufhin am 3. März 2016 Wiederaufnahmegesuche gemäß Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-Verordnung an Bulgarien. Die bulgarischen Behörden lehnten mit Schreiben vom 15. März 2016 die Wiederaufnahme der Kläger nach der Dublin III-Verordnung mit der Begründung ab, den Klägern sei bereits am 22. Oktober 2014 der Flüchtlingsstatus in Bulgarien zuerkannt worden. Es werde deshalb auf einen Antrag nach dem Rückübernahmeabkommen verwiesen.
4Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 14. April 2016, den Klägern zugestellt am 19. April 2016, die Anträge der Kläger als unzulässig ab (Ziffer 1.) und forderte sie auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen; im Falle einer Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist wurde den Klägern die Abschiebung nach Bulgarien oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürften oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei, angedroht. Die Kläger dürften jedoch nicht nach Syrien abgeschoben werden (Ziffer 2.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 3.).
5Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus: Die Anträge auf Durchführung von Asylverfahren seien unzulässig, weil die Kläger auf Grund des in Bulgarien gewährten internationalen Schutzes keine weitere Schutzgewährung verlangen könnten. § 60 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG schlössen eine neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt aus. Die Unzulässigkeit der Asylanträge ergebe sich aus dem Schutzstatus im sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG). Da die Kläger dorthin abgeschoben werden sollten, ordne das Bundesamt nach § 34a AsylG grundsätzlich die Abschiebung an. Eine Abschiebungsandrohung sei allerdings ebenfalls zulässig, da es sich hierbei um das mildere Mittel gegenüber der Anordnung handele. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergebe sich aus § 38 Abs. 1 AsylG. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate sei im vorliegenden Fall angemessen. Der Vortrag der Kläger, dass ihre Brüder ebenfalls in Deutschland seien, führe zu keiner Fristverkürzung. Im Bundesgebiet lebende Verwandte könnten bei der Festsetzung einer kürzeren Frist nur berücksichtigt werden, wenn es sich um Angehörige der Kernfamilie handele, die sich legal im Bundesgebiet aufhielten. Zu den Angehörigen der Kernfamilie gehörten die Brüder der Kläger aber nicht.
6Die Kläger haben am 29. April 2016 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie zunächst die Aufhebung des Bescheides vom 14. April 2016 und die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hinsichtlich Bulgariens beantragt haben.
7Zur Begründung führen sie aus: Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Beschluss vom 23. Oktober 2015 (1 B 41/15) festgestellt, dass allein die Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen europäischen Land nicht dazu führe, dass der Antrag auf Asylanerkennung in Deutschland ohne weiteres als unzulässig abgelehnt werden könne. Vielmehr sei in diesem Fall eine materielle Prüfung notwendig. Diese habe die Beklagte nicht vorgenommen, so dass der Bescheid bereits aus diesem Grunde rechtswidrig sei.
8Für die von der Beklagten ausgesprochene Androhung der Abschiebung gebe es keine rechtliche Grundlage, denn sie lasse sich weder auf § 34a AsylG noch auf § 34 AsylG stützen. Durch die rechtswidrige Androhung der Abschiebung würden sie auch in ihren Rechten verletzt, denn anders als in § 34a AsylG vorgesehen, finde eine Prüfung inländischer Vollstreckungshindernisse durch das Bundesamt nicht statt. Dies führe zu einer verfassungswidrigen Lücke in den Rechtsschutzmöglichkeiten von Ausländern.
9Im Übrigen sei davon auszugehen, dass das bulgarische Asylsystem sowohl für Asylsuchende als auch für Asylberechtigte unter erheblichen systemischen Mängeln leide. Insoweit werde auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Juli 2015 hingewiesen.
10Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
11den Bescheid der Beklagten vom 14. April 2016 hinsichtlich Ziffer 2. aufzuheben, soweit darin die Abschiebung nach Bulgarien angedroht wird.
12Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
13die Klage abzuweisen.
14Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 7. November 2016 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Die Beklagte hat durch allgemeine Prozesserklärung auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Ausländerbehörde der Stadt E. Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Entscheidung kann im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).
18Nachdem die Kläger die Klage darauf beschränkt haben, den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes hinsichtlich Ziffer 2. aufzuheben, soweit darin die Abschiebung nach Bulgarien angedroht wird, war das Verfahren im Hinblick auf die darin liegende teilweise Klagerücknahme einzustellen (vgl. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
19Die Klage gegen die in Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes vom 14. April 2016 ausgesprochene Abschiebungsandrohung nach Bulgarien hat keinen Erfolg.
20Sie ist zulässig, insbesondere wurde die statthafte Anfechtungsklage fristgerecht erhoben. Der streitgegenständliche Bescheid wurde den Klägern am 19. April 2016 förmlich zugestellt. Die Erhebung der Klage am 29. April 2016 erfolgte mithin innerhalb der hier einschlägigen zweiwöchigen Klagefrist (vgl. § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG).
21Die Klage ist aber unbegründet. Die in Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides verfügte Abschiebungsandrohung nach Bulgarien erweist sich zu dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) im Ergebnis als rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22Rechtsgrundlage für die Abschiebungsandrohung ist § 35 AsylG in der am 6. August 2016 in Kraft getretenen Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939). Nach dieser Vorschrift droht das Bundesamt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.
23Hier liegt ein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Dies ist hier der Fall, denn den Klägern ist in Bulgarien bereits am 22. Oktober 2014 der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden.
24Aus der von den Klägern zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts folgt nichts anderes. Sie ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Zum einen betrifft sie Asylanträge, die – anders als im hier zu beurteilenden Fall – vor dem 20. Juli 2015 gestellt wurden. Zum anderen befasst sie sich mit den Rechtsfolgen der Zuerkennung subsidiären Schutzes, wohingegen den Klägern in Bulgarien der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde.
25Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2015 – 1 B 41/15 -, juris, Rdn. 11.
26Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung stehen keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote im Sinne von § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf Bulgarien entgegen (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG).
27Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
28Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der EMRK kein Abschiebungsverbot zugunsten der Kläger. Ihnen droht im Falle einer Abschiebung nach Bulgarien insbesondere keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK.
29Art. 3 EMRK bestimmt, dass niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Hieraus folgen neben Unterlassungs- auch staatliche Schutzpflichten. Eine Verletzung von Schutzpflichten kommt in Betracht, wenn sich die staatlich verantworteten Lebensverhältnisse von international Schutzberechtigten in Bulgarien allgemein als unmenschlich oder erniedrigend darstellen.
30Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris, Rdn. 86, und Beschluss vom 29. Januar 2015 – 14 A 134/15.A -, juris, Rdn. 11.
31Die hinsichtlich der allgemeinen Lebensverhältnisse von international Schutzberechtigen bestehenden Gewährleistungspflichten hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Einzelnen konkretisiert. Demnach kann die Verantwortlichkeit eines Staates aus Art. 3 EMRK begründet sein, wenn der Betroffene vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig ist und behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht, obwohl er sich in so ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befindet, dass dies mit der Menschenwürde unvereinbar ist.
32Vgl. EGMR, Urteil vom 4. November 2014 – 29217/12 (Tarakhel / Schweiz), NVwZ 2015, 127, 129, Rdn. 98 m.w.N.
33Dagegen verpflichtet Art. 3 EMRK die Vertragsstaaten nicht, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Art. 3 EMRK begründet auch keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen.
34Vgl. EGMR, Urteile vom 30. Juni 2015 – 39350/13 – (A.S. / Schweiz), juris, Rdn. 27, vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S. / Belgien u. Griechenland) -, EUGRZ 2011, 243, Rdn. 249, m. w. N., und Beschluss vom 2. April 2013 - 27725/10 (Mohammed Hussein u.a. / Niederlande u. Italien) -, ZAR 2013, 336 f., Rdn. 70; vgl. auch OVG NRW, Urteile vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris, Rdn. 91, und vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A -, juris, Rdn. 119.
35Es verstößt demnach grundsätzlich nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn international Schutzberechtigte den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sind und von ihnen erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen.
36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris, Rdn. 89 ff. m.w.N.
37Art. 3 EMRK gewährt von einer Überstellung betroffenen Ausländern grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Verbleib in einem Mitgliedstaat, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Sofern keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist allein die Tatsache, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse nach einer Überstellung erheblich verschlechtern würden, nicht ausreichend, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen.
38Vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013 – 27725/10 – (Mohammed Hussein u.a. / Niederlande u. Italien), ZAR 2013, 336 f., Rdn. 71; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris, Rdn. 93 m.w.N.
39Nach diesen Maßgaben steht nach dem im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismaterial zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Kläger im Falle einer Überstellung nach Bulgarien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden.
40International Schutzberechtigte haben in Bulgarien per Gesetz einen Anspruch auf Sozialhilfe. Bulgarien gewährt ihnen Sozialhilfeleistungen unter denselben Bedingungen und nach demselben Verfahren wie bulgarischen Staatsbürgern.
41Vgl. Auskunft der Frau Dr. Valeria Ilareva vom 27. August 2015 an den VGH Baden-Württemberg, zu Frage 3; Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Juli 2015 an das VG Stuttgart, zu Frage 2.
42International Schutzberechtigte haben auch Zugang zum bulgarischen Gesundheitssystem. Die Versicherung im nationalen Gesundheitssystem ist grundsätzlich auch für international Schutzberechtigte zugänglich. Voraussetzung ist – wie bei bulgarischen Staatsangehörigen – die Zahlung eines monatlichen Beitrags. Im Übrigen ist nach den vorliegenden Erkenntnissen auch beim Fehlen einer Krankenversicherung die gemäß Art. 3 EMRK gebotene medizinische Notfallversorgung gegeben.
43Vgl. Auskunft der Frau Dr. Valeria Ilareva vom 27. August 2015 an den VGH Baden-Württemberg, zu Frage 5.
44Das Gericht verkennt dabei nicht, dass sich die allgemeinen Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte in Bulgarien nach wie vor als sehr schwierig darstellen. Bulgarien verfügt – im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland – über kein ausdifferenziertes Sozialsystem, sondern ist durch eigenverantwortliches Verhalten jedes Einzelnen geprägt. Dementsprechend muss der jeweilige Schutzberechtigte grundsätzlich in der Lage sein, sich den unbestreitbar schwierigen Bedingungen zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen.
45Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 6. April 2016 – 13 K 4468/15.A, juris, Rdn. 91; VG Magdeburg, Urteil vom 2. September 2015 – 9 A 399/14 -, juris, Rdn. 46.
46Die Kläger erfüllen diese Voraussetzungen. Es sind keine individuellen, in der Person der Kläger liegenden besonderen Bedürfnisse ersichtlich, die auf eine Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK schließen lassen könnten. Der 40jährige Kläger und die 30jährige Klägerin sind gesund und erwerbsfähig. Sie haben keine Kinder. Es kann von ihnen erwartet werden, dass sie durch Eigeninitiative für eine Unterkunft sorgen und ihren Lebensunterhalt sicherstellen.
47Dem steht nicht entgegen, dass international Schutzberechtigte für die Durchsetzung der nach der nationalen Gesetzeslage bestehenden Ansprüche auf Unterstützungsleistungen erhebliche Hürden zu überwinden haben.
48So ist Voraussetzung für den Zugang zu staatlicher Unterstützung, dass der Nachweis über einen Unterkunft erbracht wird. Dieser Nachweis ist nur schwer zu erbringen, da es für international Schutzberechtigte schwierig ist, eine Unterkunft zu finden.
49International Schutzberechtigte können in kommunalen Obdachlosenunterkünften oder Sozialwohnungen kein Obdach finden, weil hierfür mindestens ein Familienmitglied die bulgarische Staatsangehörigkeit besitzen muss. Die einzig verbleibende Möglichkeit ist, auf dem freien Wohnungsmarkt eine Wohnung zu finden. Dies ist jedenfalls für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die keine Arbeit haben und über keine finanzielle Unterstützung durch Angehörige oder Freunde verfügen, nur schwer möglich. Unterstützung bei der Wohnungssuche erhält nur ein verschwindend geringer Teil.
50Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Juli 2015 an das VG Stuttgart, zu Frage 2.
51Zu den ohnehin bestehenden administrativen Hürden treten regelmäßig Schwierigkeiten aufgrund fehlender Kenntnisse der bulgarischen Sprache auf, wobei lediglich in den Aufnahmezentren für Asylbewerber Sprachkurse angeboten werden.
52Vgl. Auskunft der Frau Dr. Valeria Ilareva vom 27. August 2015 an den VGH Baden-Württemberg, zu Frage 7.
53Diese Hürden können in Einzelfällen aber durch Hilfe aus der Zivilgesellschaft oder Unterstützung z.B. durch andere Flüchtlinge überwunden werden. Das bulgarische Recht sieht zudem Rechtsschutzmöglichkeiten vor.
54Vgl. Auskunft der Frau Dr. Valeria Ilareva vom 27. August 2015 an den VGH Baden-Württemberg, zu Frage 6.
55Es ist den Klägern zumutbar, ihre Rechte in Bulgarien notfalls mithilfe eines bulgarischen Rechtsbeistands oder der Unterstützung der in Bulgarien tätigen Flüchtlingsorganisationen durchzusetzen – auch vor den dortigen Gerichten.
56Aus dem Vortrag der Kläger im Übrigen lässt sich ebenfalls kein Verstoß gegen Art. 3 EMRK entnehmen.
57Soweit die Kläger geltend machen, der Zugang zum Arbeitsmarkt in Bulgarien sei unzureichend, ist der Schutzbereich von Art. 3 EMRK nicht berührt.
58Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 6. April 2016 – 13 K 4468/15.A -, juris, Rdn. 89; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris, Rdn. 133.
59Unerheblich ist auch, dass Bulgarien die Richtlinie 2011/95/EU nur teilweise umgesetzt hat.
60Vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 23. September 2015, http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-5699_de.htm (abgerufen im November 2016); Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 9. September 2016 – 10 A 336/16 -, juris, Rdn. 34.
61Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass international Schutzberechtigte im Hinblick auf den Zugang zu Sozialhilfeleistungen (Art. 29), medizinischer Versorgung (Art. 30) und Wohnung (Art. 32) nicht anders als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt werden. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass anerkannte Flüchtlinge - anders als die Staatsangehörigen des Mitgliedstaats - regelmäßig weder über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen noch auf die Unterstützung von Familienangehörigen zurückgreifen können.
62Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris, Rdn. 96.
63Selbst wenn die fehlende Umsetzung der Richtlinie europäischen Rechtsvorschriften widersprechen sollte, so folgt daraus noch nicht, dass anerkannte Schutzberechtigte in Bulgarien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sind. Nicht jeder Verstoß gegen (europäische) Rechtsvorschriften ist gleichbedeutend mit einer Verletzung von Art. 3 EMRK.
64Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2015 – 14 A 134/15.A -, juris, Rdn. 15.
65Dies gilt auch im Hinblick auf das von den Klägern bemängelte Fehlen eines nationalen Integrationsplans, selbst wenn dies gegen europäische Rechtsvorschriften verstoßen sollte.
66Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2015 – 14 A 134/15.A -, juris, Rdn. 15.
67Das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylG lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger im Falle ihrer Rückführung nach Bulgarien einer solchen Gefahr ausgesetzt sein könnten, liegen nicht vor.
68Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse werden von den Klägern nicht geltend gemacht. Ihnen wäre im Übrigen auch erst anlässlich einer konkret in Aussicht genommenen Abschiebungsmaßnahme zunächst durch die zuständige Ausländerbehörde nachzugehen.
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1997 – 9 C 13/96 -, juris, Rdn. 8; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 2012 – A 2 S 1995/12 -, juris, Rdn. 15.
70Die Abschiebungsandrohung ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil die den Klägern gesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen nicht in Einklang mit § 36 Abs. 1 AsylG steht. Danach beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist in den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG lediglich eine Woche. Durch die den Klägern gewährte längere Ausreisepflicht (30 Tage) sind sie aber nicht in ihren Rechten verletzt, da das Bundesamt insoweit eine für sie günstigere Regelung getroffen hat – u.a. im Hinblick auf § 75 Abs. 1 AsylG.
71Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
72Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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