Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 2 K 3180/18
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger war Studierender im Bachelorstudiengang Polizeivollzugsdienst an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW (im Folgenden FHöV) im Einstellungsjahrgang 2016 und als solcher Kommissaranwärter sowie Beamter auf Widerruf. In diesem Rahmen absolvierte er den Leistungsnachweis des Moduls GS [Grundstudium] 2, „Eingriffsrecht und Staatsrecht“, eine Klausur. Die FHöV bewertete den Erstversuch mit der Note „nicht ausreichend“ (5,0). Der Kläger nahm per E-Mail persönlichen Kontakt zur Prüferin dieses Erstversuchs auf und bat um Nachbesprechung der Defizite seiner Klausur. Einer solchen Nachbesprechung erteilte letztere eine Absage. Am 2. November 2017 nahm der Kläger am Wiederholungsversuch teil. Nach Beginn der Bearbeitungszeit äußerte die Klausuraufsichtsperson, es liege ein Fehler der Aufgabenstellung in Form einer Personenverwechslung vor. An einer Stelle des zu bearbeitenden Sachverhalts müsse es „C“ statt „K“ heißen. Später nahm die Klausuraufsichtsperson diese Anmerkung zurück. Die Auswirkungen dieser Umstände sind zwischen den Beteiligten ebenso umstritten wie der Zeitraum zwischen der Äußerung und deren Rücknahme. Eine Beanstandung durch einen der Prüflinge fand nicht statt. Eine Schreibzeitverlängerung wurde den Prüflingen nicht gewährt.
3Mit Bescheid vom 8. Dezember 2017 teilte die FHöV dem Kläger als Ergebnis seines Wiederholungsversuchs die Note „nicht ausreichend“ (5,0) mit. Sie stellte in der Folge fest, dass der Kläger das Modul GS 2 und damit die gesamte Bachelorprüfung nicht bestanden hat. Alle an der Korrektur beteiligten Prüfer sind an der FHöV als hauptamtlich Lehrende tätig.
4Gegen die mit Bescheid vom 8. Dezember 2017 mitgeteilte Klausurbewertung wandte sich der Kläger mit am 21. Dezember 2017 bei der FHöV eingegangenem Widerspruch. Er führt aus, der Anmerkung der Klausuraufsichtsperson sei eine ca. zehnminütige Diskussion mit den Prüflingen nachgefolgt, ehe festgestellt worden sei, dass der Klausurtext doch korrekt war. Er habe bei der Klausurbearbeitung unter Zeitproblemen gelitten, weshalb ein besseres Ergebnis bei Einräumung einer Schreibzeitverlängerung nicht auszuschließen sei. Ferner liege ein Verstoß gegen die Chancengleichheit der Prüflinge vor. Dieser manifestiere sich in der Weigerung der Prüferin des Erstversuchs, die Defizite der klägerischen Klausur im Erstversuch nach zu besprechen. Die Gewährung einer solchen Nachbesprechung entspreche nämlich der ständigen Verfahrensweise der Prüfer der FHöV. Er sei daher in einer die Chancengleichheit beeinträchtigenden Art und Weise gegenüber Prüflingen anderer Standorte benachteiligt worden.
5Mit Widerspruchsbescheid vom 8. März 2018 wies die FHöV den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung brachte sie vor, die irrige Korrektur der Aufgabenstellung durch die Klausuraufsichtsperson sei nicht rechtzeitig, nämlich erst nach Ergebnisbekanntgabe als Verfahrensfehler gerügt worden. Darüber hinaus sei es unzutreffend, dass eine Diskussion aufgekommen sei. Die Klausuraufsichtsperson habe die entsprechende Äußerung bereits vor Klausurbeginn getätigt und kurz darauf – allerdings während der Bearbeitungszeit – zurückgenommen. Keiner der Studierenden habe sich über den vermeintlichen Sachverhaltsfehler beschwert, sodass in der Klausurniederschrift keine besonderen Vorkommnisse vermerkt worden seien. Weiterhin bestehe kein Anspruch auf die Nachbesprechung einer nicht erfolgreich absolvierten Klausur. Eine solche stelle auch keine übliche Praxis an der FHöV dar. Die Dozentin und Prüferin des Erstversuchs sei wegen privater Umstände seinerzeit nicht im Dienst gewesen. Schließlich gelte auch insoweit die Rügeobliegenheit, welcher der Kläger nicht rechtzeitig, nämlich erst nach Ergebnisbekanntgabe nachgekommen sei.
6Der Kläger hat am 5. April 2018 Klage erhoben.
7Er führt konkretisierend aus, es sei direkt nach der Äußerung der Klausuraufsichtsperson unruhig geworden, weil nicht jeder Prüfling verstanden habe, welcher Buchstabe bei welcher Aufgabe zu ersetzen sei. Alle Prüflinge hätten sich den Aufgabentext mehrfach durchgelesen, um die durch die Äußerung hervorgerufene Änderung der Aufgabenstellung zu erfassen. Es sei ausgiebig diskutiert worden, ob die Anmerkung der Klausuraufsichtsperson überhaupt zutreffe. Vor diesem Hintergrund sei eine „sofortige“ Rüge nicht nötig gewesen, weil die Störung ohne Zweifel die Chancengleichheit der Prüflinge verletzt habe und es in einem solchen Fall gar keiner Rüge bedürfe. Außerdem rügt er die ordnungsgemäße Bestellung der Prüfer.
8Der Kläger beantragt,
9das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheids vom 8. Dezember 2017 und des Widerspruchsbescheids vom 8. März 2018 der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW zu verpflichten, ihm einen neuen Versuch für die Klausur im Modul GS 2 zu gewähren,
10hilfsweise, das beklagte Land unter Aufhebung der bezeichneten Bescheide zu verpflichten, seine Klausur im Modul GS 2 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten,
11ferner, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
12Das beklagte Land beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Ergänzend zum Widerspruchsbescheid trägt die FHöV vor, es sei nach der Äußerung der Klausuraufsichtsperson nur zu einem kurzen Blickkontakt und einem Wortaustausch zwischen einigen der acht Studenten gekommen. Dies habe ca. eine Minute gedauert. Die Prüflinge hätten den Eindruck erweckt, dass die Aufgabenstellung für sie geklärt sei, indem sie unmittelbar weiter geschrieben hätten. Die Studierenden hätten auf eine angebotene Klärung durch eine Kontaktaufnahme mit der Verwaltung verzichtet. Auch bei der Rücknahme der Äußerung hätten die Prüflinge weiter geschrieben. Eine Diskussion sei nie aufgekommen. Die Beantragung einer Schreibzeitverlängerung sei nicht erforderlich gewesen. Unter diesen Umständen sei jedenfalls eine Rüge zu verlangen gewesen.
15Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.
16Entscheidungsgründe:
17Die zulässige Klage ist unbegründet.
18Der als Verpflichtungsantrag zulässige Hauptantrag ist unbegründet.
19Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gewährung eines weiteren Prüfungsversuchs im Modul GS 2 nicht zu. Der Bescheid in Form der Bewertung des Wiederholungsversuchs vom 8. Dezember 2017 sowie der Widerspruchsbescheid vom 8. März 2018 sind rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
20Nach den prüfungsrechtlichen Vorschriften hat der Kläger keinen Anspruch auf einen weiteren Wiederholungsversuch. Einschlägig sind hier die Vorschriften der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung Laufbahnabschnitt II Bachelor in der aktuellen Fassung seit dem 22. Juni 2018 (im Folgenden VAPPol II), Teil A der Studienordnung der Bachelorstudiengänge an der FHöV (im Folgenden StudO-BA Teil A) sowie die Regelungen für den Studiengang Polizeivollzugsdienst B.A. Ergänzende Regelungen in der aktuellen Fassung vom 5. Juni 2018 (im Folgenden StudO-BA Teil B). Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 VAPPol II und § 13 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 StudO-BA Teil A sowie mangels abweichender Vorschriften in der StudO-BA Teil B kann eine Klausur, die mit „nicht bestanden“ bewertet wurde, vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Regelung in § 12 Abs. 1 Satz 3 VAPPol II (nur) einmal wiederholt werden.
21Ein Anspruch auf Gewährung eines weiteren Prüfungsversuchs erwächst dem Kläger auch nicht daraus, dass der Wiederholungsversuch an einem Prüfungsmangel gelitten hätte, auf den er sich berufen kann.
22Den Prüfungsbehörden verbleibt bei prüfungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum. Die gerichtliche Kontrolle ist insoweit eingeschränkt. Der Bewertungsspielraum ist überschritten, wenn die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen.
23Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 2. November 2015 – 6 A 147/14 –, juris, Rn. 7.
24An der ordnungsgemäßen Bestellung der Prüfer bestehen entgegen der Rüge des Klägers keine Bedenken, weil alle Prüfer als hauptamtlich Lehrende an der FHöV tätig sind. Hauptamtlich Lehrende gelten nach § 9 Abs. 2 Satz 3 StudO-BA Teil A als durch den Prüfungsausschuss bestellt.
25Die Kammer lässt offen, ob aus der nach Klausurbeginn erfolgten Anmerkung der Aufsichtsperson, die Aufgabenstellung enthalte eine Personenverwechslung, ein Verfahrensmangel resultiert. Denn hierauf kann der Kläger sich nicht mit Erfolg berufen, weil er einen solchen etwaigen Verfahrensmangel nicht rechtzeitig geltend gemacht hat.
26Der Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangt, dass die Prüflinge ihre Prüfungsleistungen möglichst unter gleichen äußeren Prüfungsbedingungen erbringen können. Dieser Grundsatz verlangt aber nicht, die Sorge für einen ordnungsgemäßen Ablauf allein der Prüfungsbehörde und den Prüfern aufzuerlegen. Aus dem zwischen dem Prüfling und der Prüfungsbehörde begründeten Rechtsverhältnis ergibt sich für den Kandidaten nach dem auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Mitwirkungspflicht, die auch die Pflicht zur rechtzeitigen Geltendmachung von Mängeln des Prüfungsverfahrens beinhaltet. Denn es stellt ein widersprüchliches Verhalten dar, einerseits Rechte nicht voll in Anspruch zu nehmen und sich andererseits darauf zu berufen, sie seien nicht im erforderlichen Umfang gewährt worden. Der Prüfling ist daher nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gemäß § 242 BGB aufgrund seiner Mitwirkungsobliegenheit verpflichtet, Verfahrensmängel unverzüglich geltend zu machen, wenn er hieraus rechtliche Konsequenzen ziehen will. Diese Obliegenheit dient der Wahrung der Chancengleichheit in zweierlei Hinsicht: Sie soll zum einen verhindern, dass der Prüfling, indem er in Kenntnis des Verfahrensmangels zunächst die Prüfung fortsetzt und das Prüfungsergebnis abwartet, sich mit einer späteren Rüge eine zusätzliche – ihm nicht zustehende – Prüfungschance verschafft. Zum anderen soll der Prüfungsbehörde eine zeitnahe Überprüfung des gerügten Mangels mit dem Ziel einer noch rechtzeitigen Korrektur oder Kompensation ermöglicht werden.
27Siehe zu dieser Herleitung prüfungsrechtlicher Rügeobliegenheiten nur OVG NRW, Beschluss vom 7. August 2017 – 19 A 1451/15 –, juris, Rnrn. 9 f. m.w.N.
28Dabei sind bezüglich unvermittelt auftretender Störungen – um eine solche handelt es sich bei der irrigen Anmerkung einer Klausuraufsichtsperson zu einer in Wahrheit nicht vorhandenen Personenverwechslung im Klausursachverhalt – zwei verschiedene Rügeobliegenheiten des Prüflings zu unterscheiden.
29Zunächst besteht die Obliegenheit des Prüflings zur auf Abhilfe gerichteten und der Verlagerung der Handlungspflicht auf die Prüfungsbehörde dienenden Rüge. Diese hat der Prüfling nur dann unverzüglich zu erheben hat, wenn nicht die bekannt gewordene Störung nach Art und Ausmaß „ohne jeden Zweifel“ die Chancengleichheit der Prüflinge verletzt. Die so charakterisierte Rügeobliegenheit gilt also nur für Fälle, in denen es zweifelhaft ist, ob die fragliche Störung vom Durchschnittsprüfling als derart erheblich empfunden oder ein angeordneter Ausgleich als unzureichend erachtet wird, dass er deshalb in seiner Chancengleichheit verletzt ist, und in denen deshalb die Prüfungsbehörde zur Behebung dieser Zweifel auf die Mitwirkung der Prüflinge in Form von förmlichen Rügen angewiesen ist. Andernfalls hat die Prüfungsbehörde von Amts wegen die erforderlichen Maßnahmen der Abhilfe oder des Ausgleichs der Störung zu treffen.
30BVerwG, Urteil vom 11. August 1993 – 6 C 2/93 –, juris, Rn. 54.
31Von der Rüge einer Störung oder eines mangelhaften Störungsausgleichs zu unterscheiden ist aber nach der zu den juristischen Staatsprüfungen entwickelten Rechtsprechung des 14. Senats des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen die ebenfalls auf der Mitwirkungspflicht des Prüflings beruhende Pflicht zu erklären, ob er Konsequenzen aus der Störung ziehen oder die Prüfung trotz der Beeinträchtigung gelten lassen will. Diese Obliegenheit besteht unabhängig davon, ob die Störung ihre Relevanz von Amts wegen oder erst durch Rüge während der Prüfung erhalten hat. Auch kommt es nicht darauf an, ob die einschlägige Studienordnung diesbezügliche Ausschlussfristen ausdrücklich normiert. Vielmehr entspricht es dem verfassungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit im Prüfungsrecht, dass ein Prüfling mit der Berufung auf einen Verfahrensmangel nicht so lange warten darf, bis ihm das Ergebnis der Bewertung bekannt geworden ist. Denn dadurch, dass er von dem Ergebnis abhängig machen kann, ob er sich auf einen Verfahrensfehler – nachträglich – beruft oder nicht, verschafft er sich unter Umständen eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance.
32Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. August 2015 – 14 A 2119/14 –, juris, Rnrn. 22 ff.; Beschluss vom 3. Juni 2009 – 14 B 594/09 –, juris, Rnrn. 12 ff., 16 ff.; Beschluss vom 20. Juni 2003 – 14 E 203/02 –, juris, Rn. 13; VG Köln, Urteil vom 9. September 2010 – 6 K 3829/09 –, juris, Rn. 32; für das Laufbahnprüfungsrecht unter Stützung auf eine spezielle Norm der dort einschlägigen Prüfungsvorschriften und Heranziehung der Grundsätze über den Prüfungsrücktritt auch: OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2012 – 1 A 1540/11 –, juris, Rnrn. 7 ff.; mit Blick auf eine spezielle Vorschrift des Arztprüfungsrecht zudem BVerwG, Urteil vom 6. September 1995 – 6 C 16/93 –, juris, Rnrn. 24, 46 ff; anderer Ansicht: BVerwG, Beschluss vom 10. August 1994 – 6 B 60/93 –, juris, Rnrn. 6 f.
33Diese für die juristischen Staatsprüfungen entwickelte Rechtsprechung ist auf die Bachelorprüfung an der FHöV übertragbar.
34Dem steht nicht entgegen, dass die Rechtsprechung ursprünglich normativ an das Juristenausbildungsgesetz NRW angeknüpft hat. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat die Geltung der aufgezeigten Grundsätze mittlerweile von jeder normativen Grundlage im Juristenausbildungsgesetz NRW entkoppelt.
35OVG NRW, Beschluss vom 3. Juni 2009 – 14 B 594/09 –, juris, Rn. 18. Auch Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rnrn. 485 f. vertritt die Allgemeingültigkeit der oben dargestellten (zusätzlichen) Rügeobliegenheit.
36Für eine Anwendung der für die juristischen Staatsprüfungen entwickelten Rechtsprechung auf die Bachelorprüfung an der FHöV streitet auch folgende Gemeinsamkeit der beiden Prüfungen: Jeweils steht grundsätzlich nur ein Wiederholungsversuch zur Verfügung, sodass die Folgen einer Rügepräklusion einerseits, aber auch die Konsequenzen des treuwidrigen Verschaffens eines weiteren Prüfungsversuchs andererseits ähnlich schwer wiegen.
37Jedenfalls die zweite juristische Staatsprüfung erinnert zudem deshalb an die streitgegenständliche Bachelorprüfung, weil die Prüflinge parallel zu ihrer Ausbildung in einem besonderen Näheverhältnis zum Staat stehen. Während Rechtsreferendare ihren Dienst lediglich in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis verrichten, werden im streitgegenständlichen Bachelorstudiengang sogar ausschließlich nach beamtenrechtlichen Vorschriften zugelassene und auch besoldete Laufbahnbewerber und Aufstiegsbeamte bedarfsgerecht ausgebildet; bei erfolgreichem Studienabschluss besteht für sie eine Übernahmegarantie.
38Vgl. § 12 Abs. 2 der Verordnung über die Laufbahn der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des Landes Nordrhein-Westfalen und OVG NRW, Beschluss vom 10. November 2015 – 6 B 608/15 –, juris, Rn. 16.
39Von Prüflingen, die aus ihrer Nähe zum Staat erhebliche Vorteile in Form der Besoldung und Stellung als Beamter auf Widerruf (§ 5 VAPPol II) ziehen, darf also mindestens das gleiche Maß an treugemäßem Verhalten erwartet werden wie von Rechtsreferendaren. Das gilt umso mehr, als dass der Funktionsfähigkeit des Polizeivollzugsdienstes und den Staatsfinanzen als überragend wichtigen Gütern der Allgemeinheit besonderer Schutz gebührt. Dieser Schutz würde verfehlt, wenn man ungeeigneten Prüflingen des entsprechenden Bachelorstudiengangs erlaubte, ihr Bachelorstudium entgegen des aus ihrer Sonderstellung resultierenden Interesses an zeitlich straffer Durchführung durch treuwidriges Verhalten zu verlängern.
40Abschließend ist zu berücksichtigen, dass es im Einzelfall gute Gründe in der Person des Prüflings geben kann, trotz erheblicher Störung die Prüfungsarbeit "gelten" zu lassen. In Betracht kommt zum Beispiel, dass der Prüfling seine Leistung als besonders gelungen einschätzt oder dass eine (weitere) Verzögerung des Prüfungsverfahrens aus seiner Sicht vermieden werden soll. Insoweit muss es sich regelmäßig – und zwar selbst aus Sicht eines juristischen Laien – aufdrängen, alsbald nach Anfertigung der Aufsichtsarbeit bei der Prüfungsbehörde anzufragen, wie es mit der Wertung der Aufsichtsarbeit aus der Sicht des Prüfungsamtes bestellt sei, und gegebenenfalls zu erklären, dass er, der Prüfling, falls das Prüfungsamt nicht selbst die Leistung annullieren würde, selbst um Entsprechendes bitten werde.
41Vgl. VG Köln, Urteil vom 24. November 2003 – 6 K 1115/98 –, juris, Rn. 45.
42Nach alldem kann dahinstehen, ob sogar eine Anknüpfung an § 19 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 StudO-BA Teil A möglich ist, der vorgibt, dass für den Rücktritt geltend gemachte Gründe dem Prüfungsamt unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht werden müssen. Zwar ist die Subsumtion der Fälle äußerer Störungen unter die Rücktrittsregeln vertretbar.
43Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2012 – 1 A 1540/11 –, juris, Rnrn. 7 ff.
44Die „Hinweise zum Rücktritt aus triftigem Grund“, welche der Prüfungsausschuss aufgrund von § 19 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 StudO-BA Teil A erlassen hat, beschäftigen sich aber ausschließlich mit in der Person des Prüflings liegenden Gründen. Dies spricht gegen die Subsumtion der Fälle äußerer Störungen unter die Rücktrittsregel des § 19 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 StudO-BA Teil A.
45Der nach dem soeben Ausgeführten bestehenden Obliegenheit zur Geltendmachung des Verfahrensmangels vor Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse ist der Kläger nicht rechtzeitig nachgekommen. Er hat den Verfahrensmangel erstmals im Rahmen der Widerspruchsbegründung geltend gemacht, mit der er sich gegen den das Prüfungsergebnis mitteilenden Bescheid gerichtet hat. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, ob er auch die abhilfebezügliche Rüge nicht rechtzeitig erhoben hat oder ob er diese – wegen der Offensichtlichkeit des Mangels – gar nicht zu erheben brauchte. Über Dauer und Intensität der infolge der unrichtigen Anmerkung der Klausuraufsichtsperson entstandenen Irritation war kein Beweis zu erheben.
46Ebenso wenig kann sich der Kläger mit Erfolg darauf berufen, dass seine Klausurfehler im Erstversuch des streitgegenständlichen Moduls nicht durch die Dozentin nachbesprochen worden sind.
47Zweifelhaft ist bereits, ob er durch die fehlende Nachbesprechung dieser Klausur überhaupt in seiner prüfungsrechtlichen Chancengleichheit beeinträchtigt worden ist. Vieles spricht dafür, dass ein Anspruch auf eine solche Nachbesprechung im Rahmen eines auf Erwachsenenbildung gerichteten Fachhochschulstudiums selbst dann nicht besteht, wenn – was zwischen den Beteiligten umstritten ist – die Durchführung einer solchen Nachbesprechung der ständigen Verwaltungspraxis der FHöV entspräche.
48Jedenfalls hat der Kläger seine diesbezügliche Rügeobliegenheit ebenfalls nicht erfüllt, weshalb ihm eine Berufung auf den etwaigen Mangel verwehrt bleiben muss.
49Dem Kläger hätte unabhängig von der genauen Einordnung der als fehlend gerügten Nachbesprechung jedenfalls bereits vor Prüfungsantritt eine auf Abhilfe gerichtete Rüge oblegen.
50Für im Vorfeld von Prüfungen auftretende Verfahrensmängel gilt Folgendes: Um missbräuchlichen Vorteilsnahmen vorzubeugen, ist es Sache des Prüflings, diejenigen Umstände, die ihn zu der Einschätzung gelangen lassen, eine noch bevorstehende Prüfung werde nicht fehlerfrei verlaufen, vor Antritt der Prüfung gegenüber der Prüfungsbehörde geltend zu machen und der Prüfungsbehörde damit die Möglichkeit zur Abhilfe zu geben. Hierüber muss er auch nicht ausdrücklich belehrt werden. Unterlässt er eine rechtzeitige Rüge, kann er sich nach Abschluss der Prüfung auf denselben Mangel nicht mehr berufen. Anderenfalls würde ein Prüfling sich die Chance eines zusätzlichen Prüfungsversuchs verschaffen, indem er die Bewertung der Prüfungsleistung abwartet und sich im Falle eines unerwünschten Ergebnisses nachträglich auf den Fehler beruft.
51OVG NRW, Beschluss vom 29. Juli 2016 – 6 E 302/16 –, juris, Rn. 4.
52Mit Blick auf qualitative Mängel während der Ausbildung gilt, dass sie vorbehaltlich einer hier nicht ersichtlichen Verflochtenheit von vorangehender Ausbildung und Prüfungsvorgang nicht auf die Prüfungsentscheidung durchschlagen, deren Rechtswidrigkeit also nicht bedingen. Zudem sind auch Ausbildungsmängel vor Beginn der Prüfung hinreichend deutlich zu rügen.
53Vgl. nur Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rnrn. 388a, 628.
54Das Unterbleiben der Nachbesprechung war dem Kläger bereits vor Prüfungsantritt bekannt. Die Rüge war ihm auch ohne weiteres zumutbar, weil sie bereits vor der stressbelasteten und aufmerksamkeitserfordernden Prüfungssituation sowie ohne Konfrontation mit dem Prüfer hätte erfolgen können. Es war ausreichend Raum und Zeit, sie ohne negativen Einfluss auf seine Prüfungsleistung zu platzieren.
55Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. Juli 2014 – 19 B 1243/13 –, juris, Rnrn. 10 ff.
56Der als Verpflichtungsantrag zulässige Hilfsantrag ist unbegründet, weil nach dem zum Hauptantrag Ausgeführten keine prüfungsrechtlichen Mängel vorliegen, auf die sich der Kläger berufen kann.
57Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Wegen der alleinigen Kostentragungspflicht des Klägers kommt es auf die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nicht an.
58Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2 und 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 Var. 2, § 711 Sätze 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
59Rechtsmittelbelehrung:
60Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
61Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden.
62Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
63Die Berufung ist nur zuzulassen,
641. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
652. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
663. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
674. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
685. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
69Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen.
70Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
71Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –).
72Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
73Beschluss:
74Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
75Gründe:
76Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt. Dem Hilfsantrag hat die Kammer im Hinblick auf den Streitwert keine Relevanz beigemessen.
77Rechtsmittelbelehrung:
78Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
79Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
80Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
81Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
82Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
83War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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