Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 40 K 4082/18.PVL
Tenor
Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird es eingestellt.
Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.
1
Gründe:
21. Das Land Nordrhein-Westfalen ist dabei, die Landesverwaltung zu digitalisieren. Näheres ergibt sich aus dem Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung in Nordrhein-Westfalen (E-Government-Gesetz Nordrhein-Westfalen - EGovG NRW). Die Landesregierung verfolgt das Ziel, landesweit eine möglichst einheitliche, zusammenarbeitsfähige Digital-Infrastruktur zu etablieren. Gemäß § 22 EGovG NRW steuert und koordiniert der Beauftragte der Landesregierung Nordrhein-Westfalen für Informationstechnik ("CIO") die Informationstechnik in der Landesverwaltung und legt insbesondere die technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen für den Einsatz der Informationstechnik in der Landesverwaltung in Abstimmung mit der Ministerpräsidentin oder dem Ministerpräsidenten und den Ministerien fest. Soweit Belange der Gemeinden und Gemeindeverbände berührt werden, beteiligt er den IT-Kooperationsrat NRW (§ 21 EGovG NRW). Der CIO ist organisatorisch beim Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW (WIDE) angesiedelt.
3Der Antragsteller nimmt gemäß § 52 Satz 2 LPVG NRW als Gesamtpersonalrat des Landesbetriebs T. die Aufgaben des Hauptpersonalrats im Bereich des Beteiligten wahr.
42. Am 17. November 2017 erbat das X. beim Hauptpersonalrat (HPR) des X. nach § 78 i.V.m. § 72 Abs. 3 LPVG NRW die Zustimmung dafür, das Computerprogramm "Governikus MultiMessenger (GMM)" den Behörden des Landes anzubieten. Der GMM ermöglicht den elektronischen Zugang zur Verwaltung durch verschlüsselte E-Mails und andere elektronische Kommunikationsformen. Im Antrag heisst es unter anderem:
5"Der GMM soll als zentrale Infrastruktur allen Behörden des Landes NRW zur Nutzung angeboten werden." (GA Bl. 12, Hervorhebung durch das Gericht).
6Der HPR X. beteiligte die übrigen Hauptpersonalräte, u.a. auch den Antragsteller. Dieser erklärte gegenüber dem HPR X. , dass er eine Arbeitsverdichtung durch den GMM befürchte und der Pilotierung nur zuzustimmen sei, wenn die personellen Auswirkungen des Programms berücksichtigt würden. Der HPR X. stimmte der Vorlage des X. am 21. Dezember 2017 zu. Zugleich wies er u.a. darauf hin, dass
7"eine Zustimmung zur Durchführung der Maßnahme beim entsprechenden örtlichen Personalrat zu erwirken" (GA Bl. 18, Hervorhebung durch das Gericht)
8sei.
9Bereits am 20. Dezember 2017 forderte der Beteiligte die Direktorin des Landesbetriebs T. NRW durch seinen Staatssekretär schriftlich auf, den Anforderungen des § 3 EGovG NRW zum 1. Januar 2018 zu genügen, also eine Zugangsmöglichkeit für elektronische Dokumente zu eröffnen. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:
10"Vorsorglich weise ich darauf hin, dass der Landesbetrieb alles zu veranlassen hat, um die oben genannten Zugänge zum 01.01.2018 zu eröffnen. Die damit verbundenen Regelungen der geänderten organisatorischen Abläufe inklusive ggf. notwendiger Beteiligung der örtlichen Personalvertretung und die Information der Beschäftigten sind in eigener Verantwortung durchzuführen." (GA Bl. 137, Hervorhebung durch das Gericht).
11Der Antragsteller forderte beim Beteiligten ab Anfang 2018 seine Beteiligung an der Einführung des GMM, dessen zeitweilige Aussetzung und den Abschluss einer Rahmendienstvereinbarung zur Einführung und Anwendung von E-Government-Projekten beim Landesbetrieb T. NRW. Der Beteiligte verweis indessen am 23. Januar 2018 auf das Beteiligungsverfahren nach § 78 LPVG NRW beim X. und die Beteiligung des örtlichen Personalrats. In dem an die Leitung von T1. .NRW gerichteten Schreiben heisst es auszugsweise:
12"… Aktuell ist nur zu erkennen, dass eine ggf. notwendige Beteiligung der Personalvertretung nicht erfolgt ist … Daher fordere ich Sie auf, umgehend eine Prüfung durchzuführen, ob in Ihrem Hause eine Beteiligung der Personalvertretung notwendig gewesen wäre und, im erforderlichen Fall, diese zeitnah durchzuführen." (GA Bl. 30, Hervorhebung durch das Gericht).
133. Entsprechend diesem Vorgehen erbat das X. mit Schreiben vom 6. Dezember 2017 nach § 78 LPVG NRW die Zustimmung des dortigen HPR zur Einführung des Formularmanagementsystems für Projektmanagementformulare "Lucom Interaction Platform (LIP)". Der Antragsteller bat den HPW X. um Ablehnung, die indessen nicht erfolgte.
14Der Antragsteller beantragt zuletzt,
15- 1.16
festzustellen, dass die Einführung des Programmsystems "Governikus MultiMessenger" zur Schaffung eines elektronischen Zugangs zur Verwaltung gemäß § 3 EGovG NRW seiner Mitbestimmung unterliegt,
- 2.17
festzustellen, dass die Einführung eines Formularmanagement-systems für Projektmanagementformulare "Lucom Interaction Platform" seiner Mitbestimmung unterliegt.
Der Beteiligte beantragt,
19die Anträge abzulehnen.
20Den ursprünglich angekündigten Antrag zu 3., die Mitbestimmungsbedürftigkeit der Erhebung von Daten als Basis für eine Wirtschaftlichkeitsberechnung zur Erstellung eines Gutachten zur Ermittlung von Posteingangs-Scanstellen für die elektronische Wiedergabe von Papierdokumenten gemäß § 10 EGovG NRW festzustellen, haben die Verfahrensbeteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt.
21II.
22Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war es gem. § 79 Abs. 2 LPVG NRW i. V. m. § 83a Abs. 2 Satz 1 ArbGG einzustellen.
23Im Übrigen konnte der Vorsitzende im Einverständnis der Verfahrensbeteiligten allein und – nach stattgefundenem Erörterungstermin – ohne mündliche Anhörung entscheiden, § 80 Abs. 3 Satz 2 LPVG NRW und § 79 Abs. 2 Satz 1 LPVG NRW i. V. m. § 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG.
24Die Anträge sind unbegründet. Der Beteiligte hat mit der Übernahme der Empfehlung des CIO, die Programme GMM und LIP in seinem Geschäftsbereich einzusetzen, keine Maßnahme getroffen, die nach § 72 Abs. 3 LPVG NRW der Mitbestimmung des Antragstellers in seiner Funktion als HPR nach § 52 Satz 2 LPVG NRW unterliegt.
25Die Entscheidung des Beteiligten, der Empfehlung des CIO zur Einführung der in den Anträgen genannten IT-Systeme für seinen eigenen (des Beteiligten) Geschäftsbereich zu folgen, ist keine Maßnahme i.S.d. § 66 Abs. 1 LPG NRW.
26Unter einer Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinn ist jede auf eine Veränderung des bestehenden Zustandes abzielende Handlung oder Entscheidung der Dienststelle zu verstehen, die den Rechtsstand der Beschäftigten berührt und durch deren Durchführung das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen eine Änderung erfahren.
27Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. März 2017 – 5 PB 1.16, PersV 2017, 381 Rn. 5; OVG NRW, Beschluss vom 25. September 2017 – 20 A 1562/16.PVL, PersR 2018, 62 Rn. 21.
28Angesichts dessen ist eine ministerielle Entscheidung, die an den nachgeordneten Bereich gerichtet ist, dann keine Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinn, wenn sie Rechte und Pflichten für die Beschäftigten des Geschäftsbereichs nicht begründet, sondern sich darin erschöpft, den nachgeordneten Dienststellen Instruktionen zu erteilen, und ihnen auf dieser Grundlage die Durchführung überlässt. Für Weisungen der obersten Dienstbehörde ist es geradezu typisch, dass sie die Dienststellen des nachgeordneten Bereichs darauf festlegen, organisatorische Gestaltungsspielräume in bestimmter Weise auszufüllen. Dadurch erfahren die Arbeitsverhältnisse und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten noch keine Änderung, solange die Umsetzung den nachgeordneten Dienststellen überlassen bleibt. Für diese Bewertung ist unerheblich, ob die von der Weisung betroffenen Spielräume durch Gesetz oder Tarifvertrag eröffnet worden sind.
29Vgl. beispielhaft BVerwG, Beschlüsse vom 17. Mai 2017 – 5 P 2.16, NZA-RR 2017, 565, und vom 2. September 2009 – 6 PB 22.09, PersV 2009, 474 Rn. 5; OVG NRW, Beschluss vom 25. September 2017 – 20 A 1562/16.PVL, PersR 2018, 62 Rn. 21.
30Selbst wenn der Dienststellenleiter von der ihm vorgesetzten Behörde zu einer Maßnahme angewiesen wird, beseitigt das die Entscheidungszuständigkeit der Dienststelle und mit ihr die Zuständigkeit der ihr zugeordneten (örtlichen) Personalvertretung durch die innerdienstliche Weisung nicht. Die Entscheidungszuständigkeit der nachgeordneten Dienststelle wird nicht dadurch berührt, dass sie eine strikte Weisung der übergeordneten Dienststelle befolgt. Eine das Mitbestimmungsrecht einer örtlichen Personalvertretung ausschließende Anordnung der übergeordneten Dienststelle ist allerdings dann gegeben, wenn sich die Anordnung nicht in einer internen Weisung erschöpft, sondern im Wege des Selbsteintritts der nachgeordneten Dienststelle die Zuständigkeit für die Regelung entzieht.
31Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. September 2012 – 6 P 3.11, PersR 2013, 34; SächsOVG, Beschluss vom 17. Januar 2019 – 8 A 677/18.PB, juris Rn. 31 m.w.N. der Rspr. des BAG; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 14. März 2013 – 62 PV 13.12, juris.
32Etwas anderes gilt nur, wenn die Nutzung und der Einsatz eines zentral verwalteten Informationstechnikverfahren unmittelbar und zwingend durch die oberste Dienstbehörde angeordnet wird. Wenn dem nachgeordneten Dienststellenleiter keinerlei Spielraum mehr zukommt, auch nicht bei der Umsetzung der Vorgabe, also der örtlichen Implementierung, kann die Entscheidung der obersten Dienstbehörde Maßnahmecharakter zuwachsen.
33Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. Juli 2019 – 5 PB 19.18, ZfPR online 2019, S. 24, und vom 17. Mai 2017 – 5 P 2.16, PersV 2017, 374; ; OVG NRW, Beschluss vom 1. September 2015 – 20 A 2311/13.PVB, PersV 2016, 99.
34Eine erweiternde Auslegung des Maßnahmebegriffs ist nicht mit Rücksicht darauf geboten, dass zahlreiche Mitbestimmungsverfahren auf örtlicher Ebene in der gesamten Landesverwaltung zu erwarten sein könnten. Das ist bei einem größeren Kreis von Beschäftigten, die von derselben Grundentscheidung betroffen sind, nicht ungewöhnlich. Das Gesetz sieht für derartige Fälle keine abweichende Gestaltung des Beteiligungsverfahrens vor.
35Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. September 2017 – 20 A 1562/16.PVL, PersR 2018, 62 Rn. 21.
36Der Beteiligte hat als oberste Dienstbehörde hinsichtlich der streitgegenständlichen beiden IT-Systems lediglich eine organisatorische Grundentscheidung – hier: die Vorgabe von den nachgeordneten Dienststellen tatsächlich einzuführenden IT-Systemen – getroffen. Ob es sich zugleich um eine bindende Weisung handelt, kann offen bleiben. Denn diese Grundentscheidung musste von den Dienststellen, die dem beteiligten Ministerium nachgeordnet sind, jeweils erst noch umgesetzt werden. Es handelt sich nicht um vom Beteiligten zentral verwaltete Verfahren. Die Arbeitsverhältnisse und die Arbeitsbedingungen ändern sich erst, wenn die nachgeordneten Dienststellen die ministeriellen Vorgaben tatsächlich umsetzen.
37Vgl. zu Softwaresystemen im Schulbereich: VG Köln, Beschluss vom 14. Februar 2007 – 34 K 2149/06.PVL, juris; OVG NRW, Beschuss vom 29. Januar 2007 – 1 A 152/06.PVL, juris;
38Auf die Pflicht zur Umsetzung auf der örtlichen Ebene und die daran geknüpften personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsrechte hat der Beteiligte im Übrigen zumindest in den unter I. auszugsweise wiedergegebenen Schreiben auch mehrmals hingewiesen.
39Die von den Verfahrensbeteiligten in den Mittelpunkt gerückte Frage, ob die Zustimmung des HPR X. nach § 78 LPVG NRW die Mitbestimmung bei der tatsächlichen Implementierung der IT-Systeme zur Digitalisierung der Landesverwaltung landesweit und über alle Verwaltungsebenen erledigt oder – näherliegend – nur das jeweilige IT-Angebot an die ihr Ressort selbstständig und unter eigener Verantwortung führenden anderen Ministerien (vgl. Art. 55 Abs. 2 LV NRW) erfasst, kann demzufolge offen bleiben.
40Zu § 78 LPVG NRW: OVG NRW, Beschlüsse vom 25. August 2004 – 1L A 1758/02.PVL, juris, und vom 17. Februar 2000 – 1 A 329/98.PVL, PersR 2001, 27; ähnlich zum hessischen Landesrecht: HessVGH, Beschluss vom 10. Juni 2005 – 22 TH 1496/05, NVwZ-RR 2006, 559.
41Eine Kostenentscheidung unterbleibt im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren.
42Der Gegenstandwert wäre entsprechend den drei ursprünglichen Streitgegenständen auf 3 x 5.000 € = 15.000 € festzusetzen.
43Rechtsmittelbelehrung:
44Gegen diesen Beschluss kann binnen eines Monats durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster) Beschwerde eingelegt werden. Die Beschwerde ist binnen zwei Monaten zu begründen.
45Die Einlegung und die Begründung können schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
46Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Bekanntgabe (§§ 87 Abs. 1, 2; 66 Abs. 1 ArbGG). Bei der Einlegung und Begründung der Beschwerde müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer den bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwälten Personen mit der Befähigung zum Richteramt zugelassen, sofern sie einer der in § 11 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 4 und 5 des ArbGG bezeichneten Organisationen angehören oder von dieser beauftragt sind. Ein vertretungsberechtigter Beteiligter kann sich selbst vertreten. Für Richter und ehrenamtliche Richter als Bevollmächtigte gilt § 11 Abs. 5 ArbGG. Die Beschwerdeschrift muss den Beschluss bezeichnen, gegen den die Beschwerde gerichtet ist und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss die Beschwerde eingelegt wird. Die Beschwerdebegründung muss angeben, auf welche im einzelnen anzugebenden Beschwerdegründe sowie auf welche neuen Tatsachen die Beschwerde gestützt wird (§ 89 ArbGG).
47Die Beschwerdeschrift soll möglichst einfach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
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