Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 14 K 5979/19
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.1977 geborene Kläger wehrt sich mit seiner Klage gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
3Der Kläger führte am Mittwoch, den 28. November 2018 gegen 10:35 Uhr in N. ein Fahrzeug im Straßenverkehr und wurde im Rahmen einer Verkehrskontrolle von der Polizei angehalten und überprüft. Da Anzeichen eines Drogenkonsums festgestellt werden konnten, wurde dem Kläger mit seinem Einverständnis eine Blutprobe entnommen. Bei der Untersuchung der Blutprobe wurde laut Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums F. vom 28. Januar 2019 ein Amphetaminwert von 36 ng/ml festgestellt.
4Die Beklagte erlangte von diesem Vorfall seitens des Polizeipräsidiums F. am 2. Januar 2019 Kenntnis. Nach Beiziehung einer Bußgeldakte der Stadt I. erlangte die Beklagte ebenfalls Kenntnis von einem Vorgang aufgrund einer Verkehrskontrolle des Klägers am 20. September 2017 gegen 4:15 Uhr in I. . Ausweislich des polizeilich festgehaltenen Sachverhalts sei der freiwillig durchgeführte Drogenvortest positiv auf Amphetamine ausgefallen. Die Untersuchung der dem Kläger daraufhin entnommenen Blutprobe ergab laut Gutachten des Landeskriminalamtes O. vom 11. Januar 2018 einen Amphetaminwert von 67,1 ng/ml.
5Die Beklagte hörte den Kläger zu dem beabsichtigten Entzug der Fahrerlaubnis an. Daraufhin bestellte sich der Verfahrensbevollmächtigte für den Kläger und nahm dahingehend Stellung, dass der Kläger keine Betäubungsmittel konsumiert habe, so dass der behauptete Amphetaminkonsum nicht erklärlich sei. Der Kläger bekomme monatliche Spritzen gegen seine Depressionen, deren Wirkstoff ebenso für das Testergebnis verantwortlich sein könne.
6Mit Ordnungsverfügung vom 4. Juli 2019, zugestellt am 12. Juli 2019, entzog die Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis, ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an und forderte den Kläger auf, den Führerschein spätestens 3 Tage nach Zustellung der Ordnungsverfügung zwecks Eintragung eines Aberkennunsvermerks vorzulegen, da er Inhaber einer polnischen Fahrerlaubnis sei. Außerdem setzte sie eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 95,00 Euro fest. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Kläger habe sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, weil er unter der berauschenden Wirkung von Amphetamin am Straßenverkehr teilgenommen habe.
7Der Kläger hat am 9. August 2019 Klage erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung gestellt. Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Anhörungsverfahren und führt ergänzend aus, dass im Bußgeldverfahren noch ein Termin zur Hauptverhandlung anstehe, der vor Erlass der Ordnungsverfügung abzuwarten gewesen wäre.
8Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das erkennende Gericht mit Beschluss vom 18. September 2019 – 14 L 2212/19 – mit der Begründung ab, dass die Ungeeignetheit des Klägers zum Führen von Fahrzeugen aufgrund des nachgewiesenen Amphetaminkonsums feststehe, da es sich bei den Substanzen um Betäubungsmittel im Sinne von § 1 Abs. 1 BtmG handele, so dass dem Kläger die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen war, ohne dass der Beklagten ein Ermessen eingeräumt sei. Es könne auch dahinstehen, ob der Kläger das Amphetamin über Spritzen aufgenommen habe. Jedenfalls habe er dies nicht durch entsprechende Belege (ärztliches Attest, Rezept o. ä.) glaubhaft gemacht. Zudem komme es auf die Umstände des Amphetaminkonsums am 28. November 2018 nicht entscheidungserheblich an, da der Kläger bereits im Rahmen einer Verkehrskontrolle am 20. September 2017 aufgefallen war, wobei die Untersuchung der an diesem Tag entnommenen Blutprobe einen Amphetaminwert von 67,1 ng/ml aufgewiesen habe. Allein die dadurch feststehende Amphetamineinnahme reiche aus, um die aktuelle Fahrungeeignetheit des Klägers festzustellen. Auch sei der Ausgang des Ordnungswidrigkeitenverfahrens vor der Entziehung der Fahrerlaubnis im Verwaltungsverfahren nicht abzuwarten gewesen, da eine analoge Anwendung von § 3 Abs. 3 StVG auf Ordnungswidrigkeiten nicht möglich sei.
9Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen wies die dagegen eingelegte Beschwerde mit Beschluss vom 6. Mai 2020 (16 B 1373/19) mit der Begründung zurück, dass der Vorfall vom 20. September 2017 entgegen der Auffassung des Klägers bei – wie hier - gebundenen Entscheidungen im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung herangezogen werden könne. Denn die Verwaltungsgerichte hätten von Amts wegen umfassend zu prüfen, ob das materielle Recht die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung trage oder nicht. Die Frage, ob ein angefochtener Bescheid materiell rechtmäßig oder rechtswidrig sei, richte sich nach dem Recht, das geeignet sei, die getroffene Regelung zu rechtfertigen. Erweise sich der Bescheid aus anderen als in dem Bescheid angegebenen Gründen als rechtmäßig, ohne dass er durch den Austausch der Begründung in seinem Wesen geändert werde, dann sei der Verwaltungsakt im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht rechtswidrig. Daher sei das Verwaltungsgericht an einem Austausch der Begründung bzw. an einer weiteren Begründung nicht gehindert gewesen, da der Regelungsgehalt der Entziehungsverfügung mit der weiteren vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Begründung gleich geblieben sei.
10Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
11die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 7. Juli 2019 aufzuheben.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem angegriffenen Bescheid.
15Mit Beschluss der Kammer vom 7. August 2020 ist das Verfahren der Vorsitzenden zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen worden.
16Auf die gerichtliche Anfrage vom 7. August 2020 hin, mit welcher Begründung der Kläger die Klage angesichts des ablehnenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts und der dagegen zurückgewiesenen Beschwerde durch das Oberverwaltungsgericht aufrechterhalten möchte, hat der Kläger nichts vorgetragen.
17Der auf den 11. November 2020 anberaumte Termin ist aufgehoben worden, nachdem sowohl der Kläger als auch die Beklagte auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil beide Parteien einen entsprechenden Verzicht erklärt haben, § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
21Die zulässige Klage ist unbegründet.
22Die angefochtene Entziehungsverfügung der Beklagten vom 4. Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
23Die Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 und Abs. 5 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung ‑ FeV ‑). Nach dieser Vorschrift hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Davon ist auszugehen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 (zu den §§ 11, 13 und 14 FeV) vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV ist ein Kraftfahrer, der Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) eingenommen hat, im Regelfall zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet. Dies ist vorliegend der Fall.
24Zur Begründung wird zur Vermeidung entbehrlicher Wiederholungen auf den ausführlich begründeten Beschluss des erkennenden Gerichts vom 18. September 2019 im Verfahren 14 L 2212/19 und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2020 (16 B 1373/19) Bezug genommen.
25Rechtliche Bedenken gegen die sonstigen im Bescheid vom 4. Juli 2019 getroffenen Entscheidungen bestehen nicht.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
27Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
28Rechtsmittelbelehrung:
29Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
30Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden.
31Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
32Die Berufung ist nur zuzulassen,
331. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
342. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
353. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
364. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
375. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
38Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen.
39Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
40Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
41Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
42Beschluss:
43Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
44Gründe:
45Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt.
46Rechtsmittelbelehrung:
47Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
48Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
49Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
50Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
51Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
52War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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Referenzen
- VwGO § 154 1x
- 14 L 2212/19 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 1 BtmG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 113 1x
- 14 L 2212/19 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 67 1x
- 16 B 1373/19 2x (nicht zugeordnet)
- StVG § 3 Entziehung der Fahrerlaubnis 1x