Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 22 L 2222/21
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Eilantrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 1.250,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch den Einzelrichter, nachdem dem Berichterstatter das Verfahren durch Beschluss der Kammer vom 5. Januar 2022 zur Entscheidung übertragen worden ist.
3A. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt X. T. aus C. ist abzulehnen, weil der Eilantrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, vgl. § 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
4Hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffs einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst und nur dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss ist, andererseits auch, dass Prozesskostenhilfe versagt werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsschutzbegehrens darf dabei nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vor zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Schwierige, bislang nicht ausreichend geklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren geklärt werden.
5Vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 10. August 2001 - 2 BvR 569/01 -, DVBl. 2001, 1748, vom 30. Oktober 1991 - 1 BvR 1386/91 - , NJW 1992, 889, und vom 13. Juli 2005 - 1 BvR 175/05 -, NJW 2005, 3489; OVG NRW, Beschlüsse vom 20. August 2007 - 18 E 653/07 - und vom 14. September 2007 - 18 E 881/07 -.
6Gemessen hieran besteht aus folgenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
7B. Der am 7. Oktober 2021 bei Gericht sinngemäß gestellte Antrag,
8die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren 22 K 6878/21 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 7. September 2021 anzuordnen,
9hat keinen Erfolg.
10Der zulässige Antrag ist unbegründet.
11Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen.
12Diese gerichtliche Entscheidung hängt von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits ab. Bei der Abwägung sind die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Denn an der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme kann kein schutzwürdiges Interesse bestehen. Ist hingegen der angegriffene Bescheid rechtmäßig, überwiegt regelmäßig das – hier durch § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG und § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i. V. m. § 112 Satz 1 JustG NRW gesetzlich angeordnete – öffentliche Interesse am Bestand des Sofortvollzugs. Erweist sich der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen, hat eine Abwägung der wechselseitigen Interessen zu erfolgen.
13Nach diesen Maßstäben hat das Begehren der Antragstellerin keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Sonstige greifbare Anhaltspunkte, aufgrund derer das Suspensivinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollzugsinteresse entgegen der gesetzgeberischen Vorentscheidung überwiegen könnten, sind nicht ersichtlich.
14I. Es spricht alles dafür, dass die Abschiebungsandrohung in Ziffer II einschließlich der Fristbestimmung in Ziffer I des Bescheides rechtmäßig ist.
15Die Abschiebungsandrohung dürfte ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG finden.
161. Die Abschiebungsandrohung dürfte formell rechtmäßig sein. Insbesondere dürfte die Ausländerbehörde des Antragsgegners örtlich zuständig sein.
17In einem ausländerrechtlichen Verfahren, das mehr als ein Bundesland berührt, ist die zuständige Behörde in zwei Schritten zu bestimmen. In einem ersten Schritt ist festzustellen, welches Bundesland die Verbandskompetenz zur Sachentscheidung besitzt. Diese Frage ist – wenn keine speziellen koordinierten landesrechtlichen Kompetenzregelungen vorliegen – durch entsprechende Anwendung der mit § 3 VwVfG des Bundes übereinstimmenden Regelungen über die örtliche Zuständigkeit in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder zu beantworten. In einem zweiten Schritt ist auf der Grundlage des Landesrechts des zur Sachentscheidung befugten Bundeslandes zu ermitteln, welche Behörde innerhalb des Landes örtlich zuständig ist.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2020 - 18 E 285/19 -, juris Rn. 3.
19Danach dürfte das Bundesland Nordrhein-Westfalen die Verbandskompetenz zur Sachentscheidung besitzen und es dürfte innerhalb des Landes die Ausländerbehörde des Antragsgegners zuständig sein.
20a) Das Bundesland Nordrhein-Westfalen dürfte die Verbandskompetenz zur Sachentscheidung entsprechend § 3 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG des Bundes besitzen.
21Führen die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten aus, wie das beim Vollzug des Aufenthaltsgesetzes der Fall ist, so regeln sie gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich die Einrichtung der Behörden, das heißt den Ländern in ihrer Gesamtheit obliegt die Bestimmung der Verbandskompetenz und dem einzelnen Bundesland im Rahmen seiner Kompetenz die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit. Allerdings verlangt Bundesrecht, dass durch eine koordinierte Regelung der Länder, hilfsweise durch eine Regelung des Bundes, bestimmt ist, welches Land zur Ausführung der konkreten Aufgabe berechtigt und verpflichtet ist.
22Fehlen – wie hier – spezielle koordinierte landesrechtliche Zuweisungsregelungen zur Verwaltungskompetenz, ergibt sich ein aufeinander abgestimmtes System im Wege der entsprechenden Anwendung der zur örtlichen Zuständigkeit getroffenen Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder, die insoweit inhaltsgleich sind und mit § 3 VwVfG des Bundes übereinstimmen. Diese Regelungen finden daher entsprechende Anwendung, wenn das für die Ausführung einer bundesrechtlich begründeten Aufgabe zuständige Land auf andere Weise nicht zu ermitteln ist.
23Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2020 - 18 E 285/19 -, juris Rn. 4 f.
24Danach dürfte dem Land Nordrhein-Westfalen die Verbandskompetenz entsprechend § 3 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG des Bundes zukommen, da sich die Zuständigkeit nicht aus den Nummern 1 bis 3 ergeben dürfte und auf dem nordrhein-westfälischen Staatsgebiet der Anlass für die Amtshandlung hervorgetreten sein dürfte.
25aa) Es dürfte kein Fall der Nummern 1 bis 3 vorliegen. Insbesondere dürfte kein Fall der entsprechenden Anwendung der mit § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG des Bundes übereinstimmenden Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder Nordrhein-Westfalen und C. vorliegen. Denn die Antragstellerin dürfte im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides durch den Antragsgegner keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Rechtssinne gehabt haben.
26Entsprechend § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG des Bundes ist in Angelegenheiten, die eine natürliche Person betreffen, die Behörde zuständig, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte.
27Vgl. auch zum Vorstehenden: BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 1 C 5.11 -, juris Rn. 17 ff., OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2015 - 18 A 60/13 -.
28Eine Definition des Begriffs „gewöhnlicher Aufenthalt“ wird im VwVfG nicht gegeben, doch kann hier auf die Definition in § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I zurückgegriffen werden.
29Vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 13. Juli 2011 - 2 BvR 742/10 -, juris Rn. 29; BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1997 - 1 C 25.96 -, juris Rn. 16; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. April 2014 - OVG 3 B 33.11 -, juris Rn. 36; OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. Februar 2009- 13 PA 159/08 -, juris Rn. 3; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. August 2008- 11 S 1443/08 -, juris Rn. 3; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 10. Juli 2019 - 11 L 267/19 -, juris Rn. 11; Kastner, in: Fehling/Kastner/Störmer, HK-VerwR, 4. Aufl. 2016, § 3 Rn. 21; zusätzlich auf § 9 Satz 1 AO verweisend: Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 3 Rn. 24.
30Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.
31Die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts bestimmt sich dabei nicht nach dem inneren Willen des Betroffenen, sondern setzt eine aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse zu treffende Prognose voraus.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1997 - 1 C 25.96 -, juris Rn. 16; OVG Hamburg, Beschluss vom 27. August 2012 - 5 Bs 178/12 -, juris Rn. 13.
33Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen an einem Ort im Falle von Ausländern setzt dabei grundsätzlich voraus, dass dieses unter Berücksichtigung der maßgeblichen ausländerrechtlichen räumlichen (Aufenthalts)Beschränkungen auch zulässig ist. Nur in einem solchen Fall kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass der Ausländer an einem derartigen Ort dauerhaft – im Sinne von länger als nur vorübergehend – verweilt.
34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2020 - 18 E 285/19 -, juris Rn. 13; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 7. August 2020 - 4 MB 24/20, 4 O 19/20 -, juris Rn. 3 (für den Fall einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1c AufenthG); aufenthalts- oder asylrechtliche räumliche Beschränkungen lediglich berücksichtigend: OVG Hamburg, Beschlüsse vom 27. August 2012 - 5 Bs 178/12 -, juris Rn. 13 ff., und vom 26. April 2006 - 4 Bs 66/06 -, juris Rn. 12 ff.; materiell-rechtlich begründete Ausnahmen von der obigen Regel für möglich erachtend: OVG Bremen, Beschluss vom 9. Oktober 2006- 1 B 282/06, 1 S 283/06 -, juris Rn 21 ff.
35Hiernach dürfte die Antragstellerin im Bundesgebiet im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet haben. Es dürfte nicht hinreichend sicher gewesen sein, dass sie in C. dauerhaft verweilen wird bzw. darf. Denn es dürfte für die Antragstellerin zunächst das Verteilungsverfahren nach § 15a AufenthG durchzuführen sein, in dessen Rahmen die für die Aussetzung der Abschiebung zuständige Ausländerbehörde erst noch zu ermitteln ist. Denn sie dürfte unerlaubt in die Bundesrepublik eingereist sein und nicht nach Asyl nachgesucht haben (vgl. § 15a Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Ausländer, die dem Verteilungsverfahren unterliegen, dürften im Inland noch nicht an einem bestimmten Ort ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet haben. Vielmehr dürfte § 15a AufenthG gerade der Bestimmung der zuständigen Ausländerbehörde dienen.
36Vgl. VG Bremen, Beschluss vom 12. März 2021 - 4 V 136/21 -, juris Rn. 5; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 25. Januar 2018 - 18 B 1537/17 -, juris Rn. 15.
37Vor diesem Hintergrund dürfte es unerheblich sein, ob die Antragstellerin in C. gemeldet ist. Das Melderecht dürfte keinen Einfluss auf die hier zu bestimmende Zuständigkeit haben. Denn für das Melderecht ist es ohne Belang, ob die betreffende Person an einem bestimmten Ort unter ausländerrechtlichen Gesichtspunkten wohnen darf.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2021 - 18 B 16/21 -, juris Rn. 21.
39Ebenso dürfte es sich rechtlich nicht auswirken, dass sich die Antragstellerin – ihrem Vortrag zufolge – seit ihrer Einreise durchgehend in C. aufhält. Denn der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts dürfte – wie oben ausgeführt – normativ und nicht faktisch zu bestimmen sein.
40Schließlich dürften auch die Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG keine andere Beurteilung gebieten. Denn nach § 15a Abs. 1 Satz 6, Abs. 4 Satz 3 AufenthG dürfte nur eine gemeinsame Verteilung von Ehegatten gewährleistet sein; die Antragstellerin ist aber nicht verheiratet.
41bb) Es dürfte auch auf dem nordrhein-westfälischen Staatsgebiet der Anlass für die Amtshandlung hervorgetreten sein.
42Die Antragstellerin dürfte dort erstmals aufgegriffen worden sein, ohne sich zuvor der ausländerrechtlichen Überwachung unterstellt zu haben. Dieses Ergebnis dürfte sich auch aus § 15a AufenthG ableiten lassen, der von einer erstzuständigen Ausländerbehörde, das heißt von der Behörde, bei der sich der Ausländer erstmals meldet oder in deren Zuständigkeitsbereich er aufgegriffen wird, ausgeht.
43Vgl. Dollinger, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 31. Edition (Stand: 1. Juli 2020), § 15a AufenthG Rn. 20; Hess. VGH, Beschluss vom 30. März 2006 – 3 TG 556/06 -, NVwZ-RR 2006, 727 = juris Rn. 4.
44Es dürfte sich dagegen auf die Zuständigkeit der Ausländerbehörde des Antragsgegners nicht auswirken, dass von der Durchführung eines Verfahrens nach § 15a AufenthG abgesehen wurde. Denn es dürfte sich bei § 15a AufenthG um eine bloße Ordnungsvorschrift, die dem Schutz der Landesfinanzen dient, aber keine subjektiven Wirkungen zugunsten des Ausländers entfaltet, handeln.
45Vgl. VG Berlin, Beschluss vom 7. Januar 2015 - 13 L 353.14 -, juris Rn. 13; Hess. VGH, Beschluss vom 30. März 2006 – 3 TG 556/06 -, NVwZ-RR 2006, 727 = juris Rn. 4.
46b) Nach dem Landesrecht des zur Sachentscheidung befugten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen dürfte die Ausländerbehörde des Antragsgegners innerhalb des Landes örtlich zuständig sein (vgl. § 71 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 1 Satz 1 Nr. 4, 14 Abs. 3 Halbs. 2 ZustAVO, § 4 OBG NRW). Denn in ihrem Bezirk dürfte sich – wie oben dargelegt – erstmals die Notwendigkeit für eine ausländerbehördliche Maßnahme ergeben haben.
472. Die Abschiebungsandrohung dürfte auch materiell keinen Bedenken begegnen. Die Antragstellerin dürfte ausreisepflichtig gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG sein, da sie einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt, und die Ausreisepflicht dürfte auch gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vollziehbar sein. Schließlich dürfte der Antragstellerin mit der Ausreisefrist von 14 Tagen ab Zustellung des Bescheides eine den Vorgaben des § 59 Abs. 1 Satz 1 bis 4 AufenthG entsprechende, in Anbetracht der Dauer ihres Aufenthalts im Bundesgebiet angemessene Frist gesetzt worden sein. Zudem dürfte seit dem genannten Enddatum der Ausreisefrist bis jetzt ein weiterer, nicht unerheblicher Zeitraum verstrichen sein. Der vorrangige Zielstaat der Abschiebung ist gemäß § 59 Abs. 2 AufenthG benannt (Kamerun). Abschiebungshindernisse dürften gemäß § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht zu prüfen sein. Liegen Duldungsgründe nach § 60a AufenthG in der Form sogenannter inländischer Vollstreckungshindernisse wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung aus anderen Gründen oder Abschiebungshindernisse wegen tatsächlicher Unmöglichkeit der Abschiebung vor, so dürfte dies die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsandrohung in keiner Weise berühren.
48Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. April 2013 - OVG 12 S 25.13 -, juris Rn. 5; OVG NRW, Beschluss vom 6. Januar 2005 - 18 B 2801/04 -, juris Rn. 7.
49Einen Abschiebungsschutzantrag nach § 123 Abs. 1 VwGO hat die Antragstellerin nicht gestellt.
50Eine Umdeutung gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO eines durch einen anwaltlich vertretenen Beteiligten gestellten Antrags auf Regelung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist dem Gericht verwehrt. Die Antragstellerin hat ausdrücklich erklärt, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung begehrt, so dass sie sich hieran auch festhalten lassen muss.
51Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. Januar 2007 - 2 M 318/06 -, juris Rn. 4; Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, II-§ 81 Rn. 62, m. w. Nachw.; Hailbronner, AuslR, A 1, § 81 Rn. 33; vgl. zu § 69 Abs. 3 AuslG: BVerwG, Beschluss vom 1. Februar 2000 - 1 C 14.99 -, InfAuslR 2000, 274 (275); VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 13 S 1618/03 -, VBlBW 2003, 154.
52II. Es spricht alles dafür, dass die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer III des Bescheides nach § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 AufenthG rechtmäßig ist.
53Die Anordnung dürfte formell rechtmäßig sein; insbesondere dürfte der Antragsgegner zuständig sein. Es wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.
54Die Anordnung dürfte auch materiell rechtmäßig sein.
55Entsprechend dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gilt das Einreise- und Aufenthaltsverbot unter der aufschiebenden Bedingung der Abschiebung. Ermessensfehler bei der Bestimmung der Frist auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung dürften nicht festzustellen sein. Die Bestimmung der Frist ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich nur darauf, ob die Behörde das Ermessen in seiner Reichweite erkannt, ihre Erwägungen am Zweck der Ermessensermächtigung ausgerichtet und die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten hat, vgl. § 114 Satz 1 VwGO, § 40 VwVfG.
56Der Antragsgegner dürfte die Reichweite seines Ermessens nicht überschritten haben. Aus der Begründung dürfte zudem erkennbar sein, dass er seine Erwägungen am Zweck der Ermessensermächtigung ausgerichtet hat, indem er das öffentliche Interesse an dem Verbot einer kurzfristigen Wiedereinreise der Antragstellerin mit deren Interesse an einer erneuten Einreise in das Bundesgebiet abgewogen hat, und das öffentliche Interesse in nicht zu beanstandender Weise gewichtet hat.
57Vgl. zur Überprüfung der Ermessensentscheidung nach § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG auch: OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2017 ‑ 11 A 52/17.A ‑, juris Rn. 110.
58Schließlich dürfte auch nichts dafür ersichtlich sein, dass der Antragsgegner diese Abwägung auf der Grundlage eines falschen Sachverhalts vorgenommen hätte oder sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt nachträglich in einer Weise verändert hätte, die eine Ergänzung der Ermessensausübung erfordern würde. Insbesondere dürfte sich die Antragstellerin nicht auf ihr Verlöbnis mit Herrn D. G. berufen können. Denn aus der von Art. 6 GG umfassten Eheschließungsfreiheit dürfte sich nur ein Duldungsanspruch bei bevorstehender Eheschließung herleiten lassen, der allein über § 123 VwGO zu sichern ist. Die von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Eheschließungsfreiheit ist regelmäßig gewahrt, wenn einem Ausländer das kurzfristige Betreten des Bundesgebietes zum Zweck der Eheschließung ermöglicht wird.
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. November 1994 - 1 B 224.94 -, juris Rn. 5; OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Oktober 2009, - 18 B 918/09 -, juris Rn. 6, 20. Oktober 2011 - 18 B 1170/11 -, n. v., und vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris Rn. 5; OVG Bremen, Beschluss vom 28. September 2016 - 1 B 153/16 -, juris Rn. 2.
60Diese Situation dürfte sich grundlegend von der hier maßgeblichen Frage, ob einem Ausländer nach einer erfolgten Abschiebung durch die Ausländerbehörde die Wiedereinreise zu gestatten ist, unterscheiden. Im Übrigen wäre für die Einreise zum Zwecke der Eheschließung dann ein Visum erforderlich.
61Vgl. zur eingeschränkten Berücksichtigungsfähigkeit von Duldungsgründen bei § 11 AufenthG nunmehr auch BVerwG, Urteil vom 7. September 2021 - 1 C 46.20 -, juris Rn. 19 ff.
62Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
63Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG und orientiert sich an Nr. 1.5 und Nr. 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Danach ist bei einer isolierten Abschiebungsandrohung pro Person die Hälfte des für das Klageverfahren anzunehmenden, halbierten Auffangstreitwertes festzusetzen.
64Rechtsmittelbelehrung:
65(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
66Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
67Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
68Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
69Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
70Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
71(2) Prozesskostenhilfe bewilligende Beschlüsse sind für die Beteiligten unanfechtbar. Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe sind für die Beteiligten unanfechtbar, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint. Im Übrigen kann gegen Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. Insoweit ist die Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten, insbesondere eines Rechtsanwalts oder eines Rechtslehrers an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt im Beschwerdeverfahren nicht erforderlich. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
72Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
73Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
74(3) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
75Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
76Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
77Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
78Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
79War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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- § 9 Satz 1 AO 1x (nicht zugeordnet)
- 4 Bs 66/06 1x (nicht zugeordnet)
- § 15a Abs. 1 Satz 6, Abs. 4 Satz 3 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 569/01 1x (nicht zugeordnet)
- § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- § 15a AufenthG 2x (nicht zugeordnet)
- 3 TG 556/06 2x (nicht zugeordnet)
- § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- 18 B 1170/11 1x (nicht zugeordnet)
- 5 Bs 178/12 2x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 742/10 1x (nicht zugeordnet)
- § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I 1x (nicht zugeordnet)
- 2 M 318/06 1x (nicht zugeordnet)
- 11 L 267/19 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 175/05 1x (nicht zugeordnet)
- § 59 Abs. 2 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 3 Örtliche Zuständigkeit 3x
- 18 B 16/21 1x (nicht zugeordnet)
- 18 E 285/19 3x (nicht zugeordnet)
- 11 A 52/17 1x (nicht zugeordnet)
- 1 S 283/06 1x (nicht zugeordnet)