Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - A 14 K 221/19

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage A 14 K 220/19 gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 02.01.2019 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
I.
Der Antrag, nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der am 17.01.2019 erhobenen Klage der Antragstellerin - A 14 K 220/19 - gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 02.01.2019 anzuordnen, sind zulässig (vgl. §§ 36 Abs. 3, 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Der Antrag ist insbesondere binnen der Wochenfrist gestellt worden. Mangels eines Rückscheins bestimmt sich der Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG. Laut Aktenvermerk (Bl. 120 der Akten des Bundesamts) wurde der Bescheid als Einschreiben am 09.01.2019 zur Post gegeben. Er gilt nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post - hier also am 12.01.2019 - als zugestellt.
II.
Der Antrag ist auch begründet.
1. Hat das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Anerkennung als Asylberechtigte und auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet abgelehnt, so darf das Gericht die Aussetzung der Abschiebung nur anordnen, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamts bestehen (Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Der Begriff der ernstlichen Zweifel ist mit Blick auf das unionsrechtliche Gebot, effektiven Rechtsschutz unter Wahrung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu gewährleisten (vgl. zum Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf Art. 13 RL 2008/115/EG [Rückführungsrichtlinie] sowie Art. 46 RL 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie]; vgl. zu offensichtlich unbegründeten Anträgen Art. 32 Abs. 2 i.V.m. Art. 31 Abs. 8 Verfahrensrichtlinie), weit auszulegen. Anknüpfungspunkt der gerichtlichen Prüfung muss die Frage sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat. Gemäß § 30 Abs. 1 AsylG ist ein Asylantrag offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. Dies ist unter anderem nach § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG - auf den die Antragsgegnerin vorliegend die Offensichtlichkeit stützt - dann der Fall, wenn der Ausländer den Asylantrag gestellt hat, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden, obwohl er zuvor ausreichend Gelegenheit hatte, einen Asylantrag zu stellen. Maßgeblich ist, ob an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich unter Zugrundelegung dieses Sachverhalts nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Asylantrags geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27.09.2007 - 2 BvR 1613/07 -, NVwZ 2008, 418 und vom 20.12.2006 - 2 BvR 2063/06 -, NVwZ 2007, 1046). Dann bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamts. Die Prüfung des Gerichts beschränkt sich nicht auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als (einfach) unbegründet, sondern umfasst auch die Rechtmäßigkeit des Offensichtlichkeitsurteils (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1516/93 -, juris).
2. Mit diesem Maßstab werden auch die Anforderungen des Unionsrechts eingehalten, das in allen Fällen, in denen ernsthafte Gründe befürchten lassen, dass tatsächlich eine Gefahr einer den Art. 18 GRC i.V.m. Art. 33 GK oder Art. 19 Abs. 2 GRC widersprechenden Behandlung besteht, die Gewährung wirksamen Rechtsschutzes verlangt (vgl. Art. 47 GRC; EuGH, Urteil vom 19.06.2018 - C-181/16 - [Gnandi] -, juris Rn. 54; Urteil vom 26.09.2018 - C-175/17 [X gegen Belastingdienst/Toeslagen] -, juris Rn. 32; s.a. Wittkopp, ZAR 2018, 325, 330 m.w.N.).
Das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bietet grundsätzlich wirksamen Rechtsschutz in diesem Sinne (vgl. hierzu auch VG Karlsruhe, Beschluss vom 24.09.2018 - A 11 K 8360/18 -; VG Münster, Beschluss vom 08.10.2018 - 9 L 976/18 -, juris; VG Berlin, Beschluss vom 28.08.2018 - 36 L 321.18 A -, juris; Wittkopp, ZAR 2018, 325, 330 f.; zu weitgehend demgegenüber Hruschka, Asylmagazin 2018, 290). Aus dem Grundsatz der Nichtzurückweisung in Verbindung mit Art. 47 GRC folgt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass dem Rechtsbehelf gegen eine Rückkehrentscheidung - hier in Gestalt der Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG (vgl. Art. 3 Nr. 4, Art. 6 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie) - aufschiebende Wirkung zukommen muss, soweit diese Entscheidung den Drittstaatsangehörigen der tatsächlichen Gefahr einer Behandlung aussetzen würde, die Art. 18 GRC i.V.m. Art. 33 GK oder Art. 19 Abs. 2 GRC verletzt (EuGH, Urteil vom 19.06.2018, - C-181/16 - [Gnandi] -, juris Rn. 56). Die Mitgliedstaaten haben daher zu gewährleisten, dass der Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz seine volle Wirksamkeit entfaltet, indem während der Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs und, falls er - wie hier - eingelegt wird, bis zur Entscheidung über ihn alle Wirkungen der Rückkehrentscheidung auszusetzen sind (vgl. EuGH, Urteile vom 19.06.2018, - C-181/16 - [Gnandi] -, juris Rn. 61 und vom 26.09.2018, - C-175/17 [X gegen Belastingdienst/Toeslagen] -, juris Rn. 33; vgl. ausdrücklich im Zusammenhang mit der Ablehnung eines Antrags auf internationalen Schutz als offensichtlich unbegründet den Beschluss vom 05.07.2018 - C-269/18 [PPU] -, juris Rn. 50 und 52; s.a. Wittkopp, ZAR 2018, 325, 328 m.w.N.). Das ist nach der Ausgestaltung des Asylgesetzes der Fall. Bis zur Entscheidung über den rechtzeitig gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist die Abschiebung der Antragstellerin gemäß § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG kraft Gesetzes ausgesetzt und mithin effektiver Rechtsschutz in der Sache gewährleistet.
3. Gemessen an diesem Maßstab bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Offensichtlichkeitsurteils der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin zieht die Angaben der Antragstellerin zu den von ihr geschilderten Ereignissen in Togo in der Sache nicht in Frage. Sie stützt ihr Offensichtlichkeitsurteil allein auf § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG. Es bestehen ernstliche Zweifel daran, dass nach dem von der Antragsgegnerin ermittelten Sachverhalt, wie er sich aus den dem Gericht vorliegenden Akten ergibt, die Antragstellerin „den Asylantrag gestellt hat, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden, obwohl [sie] zuvor ausreichend Gelegenheit hatte, einen Asylantrag zu stellen“.
Die Antragstellerin hat am 10.12.2018 einen Asylantrag gestellt. Sie war zuvor am 20.08.2018 mit einem Visum der deutschen Botschaft in Lomé, gültig vom 20.08.2018 bis zum 17.11.2018, in die Bundesrepublik eingereist, um als Au-Pair bei einer deutschen Familie tätig zu sein. Am 21.09.2018 erfuhr die Antragstellerin, dass sie schwanger ist, woraufhin seitens der Gastfamilie der Au-Pair-Vertrag zum 15.11.2018 gekündigt wurde. Am 15.11.2018 suchte sie eine Asylunterkunft auf. Weder aus der Akte noch aus den Angaben der Antragstellerin ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass im Hinblick auf den Ablauf des Visums zum Zeitpunkt der Asylantragstellung konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahmen seitens der hierfür zuständigen Ausländerbehörden vorbereitet oder ergriffen worden sind.
a) An einer ausreichenden Gelegenheit, einen Asylantrag zu stellen, fehlt es nicht nur dann, wenn objektiv eine solche Gelegenheit nicht gegeben war. Vielmehr fehlt es an diesem Tatbestandsmerkmal nach überzeugender Ansicht in der Literatur auch dann, wenn der Ausländer wegen eines anderweitig gesicherten Status keine subjektive Veranlassung gesehen hat, zu einem früheren Zeitpunkt einen Asylantrag zu stellen, um Schutz vor der von ihm befürchteten Verfolgung zu erhalten (vgl. Heusch, in: BeckOK, Ausländerrecht, 20. Edition, Stand: 01.11.2018, § 30 AsylG Rn. 45; Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 30 AsylG Rn. 15; Funke-Kaiser, in: Fritz/Vormeier, GK-AsylG, Lfg. 113, Stand: 01.10.2017, § 30 AsylG Rn. 116). Denn neben der objektiven Gelegenheit ist auch ein hinreichender Anlass für eine frühere Asylantragstellung vorauszusetzen, um eine Obliegenheitsverletzung des Ausländers begründen zu können, die ihrerseits ein Offensichtlichkeitsurteil rechtfertigt.
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Dies zu Grunde gelegt kann der Antragstellerin nicht vorgeworfen werden, nicht schon unmittelbar am 21.09.2018, dem Zeitpunkt der Kenntnis von der Schwangerschaft und der Kündigung des Au-Pair-Vertrags, eine Asylunterkunft aufgesucht und einen Asylantrag gestellt zu haben. Erstens besaß sie zu diesem Zeitpunkt noch einen bis zum 17.11.2018 gültigen Aufenthaltstitel in Gestalt eines nationalen Visums nach §§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 6 Abs. 3 AufenthG (vgl. Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 30 Rn. 57; a.A. im Hinblick auf nur befristete Aufenthaltserlaubnisse Hailbronner, Ausländerrecht, 107. Lfg. Stand: Dezember 2018, § 30 AsylG Rn. 80). Und Zweitens ist es nachvollziehbar, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer - nach ihren Angaben auch mit Beschwerden einhergehenden - Schwangerschaft die Unterkunft bei ihrer Gastfamilie so lange wie möglich in Anspruch nehmen wollte, bevor sie als Asylbewerberin nach §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 AsylG zum Aufenthalt in einer Aufnahmeeinrichtung verpflichtet wird.
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b) Ferner muss eine Aufenthaltsbeendigung drohen, um den Anwendungsbereich des § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG zu eröffnen. Dieses Tatbestandsmerkmal stellt einen engen zeitlichen Zusammenhang mit der Durchführung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme her und verlangt eine zeitliche Nähe zwischen Antragstellung und der drohenden Durchführung der Aufenthaltsbeendigung. Es ist dabei umstritten, ob hinsichtlich der drohenden Aufenthaltsbeendigung allein die subjektive Absicht des Ausländers (so etwa Heusch, in: BeckOK, Ausländerrecht, 20. Edition, Stand: 01.11.2018, § 30 AsylG Rn. 46) oder objektive Kriterien (Funke-Kaiser, in: Fritz/Vormeier, GK-AsylG, Lfg. 113, Stand: 01.10.2017, § 30 AsylG Rn. 109) maßgeblich sind. Die grammatikalische Auslegung spricht in Übereinstimmung mit Art. 31 Abs. 8 lit. g) der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Asylverfahrensrichtlinie) dafür, nicht (allein) auf die subjektive Vorstellung des Ausländers, sondern auf die Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht und die konkretisierte Absicht der für die Aufenthaltsbeendigung zuständigen Behörde, aufenthaltsbeendende Maßnahmen in naher Zukunft zu ergreifen (Funke-Kaiser, in: Fritz/Vormeier, GK-AsylG, Lfg. 113, Stand: 01.10.2017, § 30 AsylG Rn. 109), abzustellen.
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Der Wortlaut der Norm stellt mit der Wendung „um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden“, eine subjektive Mittel-Zweck-Relation allein zwischen der Asylantragstellung und der Abwendung einer drohenden Aufenthaltsbeendigung her. Die Aufenthaltsbeendigung, die der Ausländer mit seiner Asylantragstellung abwenden will, muss drohen. Hätte der Gesetzgeber auch hinsichtlich der Aufenthaltsbeendigung auf die subjektive Sicht des Ausländers abstellen wollen, hätte es nahe gelegen, das Adjektiv „befürchtete“ oder die Wendung „aus Furcht vor einer Aufenthaltsbeendigung“ zu verwenden. § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG geht zudem auf Art. 31 Abs. 8 lit. g) Asylverfahrensrichtlinie zurück. Dieser bestimmt, dass die Mitgliedstaaten festlegen können, dass das Prüfungsverfahren im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien der Asylverfahrensrichtlinie beschleunigt und/oder an der Grenze oder in Transitzonen nach Maßgabe von Art. 43 Asylverfahrensrichtlinie durchgeführt wird, wenn
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„der Antragsteller den Antrag nur zur Verzögerung oder Behinderung der Vollstreckung einer bereits getroffenen oder unmittelbar bevorstehenden Entscheidung stellt, die zu seiner Abschiebung führen würde“ (Hervorhebung durch das Gericht).
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Die Asylverfahrensrichtlinie geht also davon aus, dass die Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Entscheidung oder deren unmittelbares Bevorstehen Voraussetzung für eine beschleunigte Durchführung des Asylverfahrens ist. Diese Voraussetzung kann nur nach objektiven Kriterien bestimmt werden. Die grammatikalische Auslegung stimmt daher mit der maßgeblichen Bestimmung der Asylverfahrensrichtlinie überein. Schließlich spricht für dieses Auslegungsergebnis die exekutive Praktikabilität und die gerichtliche Überprüfbarkeit, weil die subjektive Vorstellung des Ausländers darüber, ob ihm eine Aufenthaltsbeendigung droht, naturgemäß nur schwer oder gar nicht feststellbar ist.
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Die Antragsgegnerin kann ferner von § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG nur dann Gebrauch machen, wenn sie zuverlässige Feststellungen getroffen hat, dass der Asylantrag mit der Absicht gestellt worden ist, eine objektiv drohende Aufenthaltsbeendigung zu verhindern (vgl. Funke-Kaiser, in: Fritz/Vormeier, GK-AsylG, Lfg. 113, Stand: 01.10.2017, § 30 AsylG Rn. 112; Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 30 Rn. 57). Sind keine Feststellungen dazu getroffen, ob dem Ausländer objektiv eine aufenthaltsbeendende Maßnahme droht und der Ausländer subjektiv auch Kenntnis von der Vorbereitung oder Einleitung einer solchen Maßnahme hat (zu diesem sog. intellektuellen Moment der Verhinderungsabsicht Funke-Kaiser, in: Fritz/Vormeier, GK-AsylG, Lfg. 113, Stand: 01.10.2017, § 30 AsylG Rn. 120), fehlt jegliche Grundlage für die Feststellung, der Asylantrag sei in der Absicht gestellt worden, eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden.
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Dies vorausgeschickt fehlen hier jegliche Ermittlungen zu der Frage, ob der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Asylantragstellung objektiv aufenthaltsbeendende Maßnahmen drohten und sie - subjektiv - hiervon auch Kenntnis hatte. Es ist weder aus den Akten noch aus den Angaben der Antragstellerin ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Asylantragstellung seitens der Ausländerbehörde im Hinblick auf den Ablauf des Visums konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahmen avisiert und der Antragstellerin zur Kenntnis gebracht worden sind.
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c) Die Voraussetzungen für eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 1 und 2 AsylG liegen ebenfalls nicht vor. Das Gericht lässt es dabei offen, ob eine begründete Furcht vor Verfolgung die Anwendung des § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG von vornherein ausschließt (dahingehend wohl Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 30 Rn. 56 f.), weil die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift - wie dargelegt - aus anderen Gründen nicht erfüllt sind.
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Nach den Angaben der Antragstellerin bei ihrer Anhörung vom 12.12.2018 ist eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. AsylG oder des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG jedenfalls nicht von vornherein unter jeglichem Gesichtspunkt offensichtlich ausgeschlossen. Der Vortrag der Antragstellerin wird in der Hauptsache jedenfalls Anlass zur Prüfung geben, ob die von ihr geschilderten Ereignisse und Misshandlungen - wenn sie zutreffen - die Schwelle des § 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 (sexuelle Gewalt) AsylG überschritten und an ihr Engagement bei einer politischen Studierendenorganisation anknüpften. Sollte letzteres nicht festgestellt werden, würde jedenfalls näher aufzuklären sein, ob ihr subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zu gewähren ist.
III.
19 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

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