Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - 4 K 7058/18

Tenor

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller das Fahrzeug X mit dem amtlichen französischen Kennzeichen X herauszugeben.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller begehrt, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihm sein Fahrzeug herauszugeben.
Der Antragsteller ist Halter des Fahrzeugs X mit dem amtlichen französischen Kennzeichen X. Dieses war am Sonntag, den 08.04.2018, an der Schwarzwaldstraße in Freiburg auf Höhe des Anwesens X abgestellt. Dort war seit dem 03.04.2018 vorübergehend - unter Hinweis auf eine Sportveranstaltung (Stadtmarathon) - ein absolutes Halteverbot (Zeichen 283) angeordnet. Der Gemeindevollzugsdienst der Antragsgegnerin brachte am 08.04.2018 zunächst eine Verwarnung an dem Fahrzeug an. Etwa eine dreiviertel Stunde später, gegen 07:30 Uhr, veranlasste er, dass das Fahrzeug abgeschleppt wurde. Hierfür berechnete das Abschleppunternehmen der Antragsgegnerin unter dem 17.05.2018 Abschleppkosten und Standgebühren für die Zeit vom 08.04.2018 bis zum 09.05.2018 sowie Kosten für das Umsetzen auf einen Stellplatz der Antragsgegnerin am 09.05.2018 in Höhe von insgesamt 556,- EUR. Bereits am 18.04.2018 hatte die Antragsgegnerin den Antragsteller, der sich bis dahin nicht bei ihr gemeldet hatte, mit Schreiben an seine Adresse in Freiburg (bei seiner Ehefrau) darauf hingewiesen, welche Kosten anfielen und dass sie bis zur vollständigen Bezahlung aller angefallenen Kosten ihr Zurückbehaltungsrecht ausübe. Der Antragsteller hatte mit einem am 03.05.2018 eingegangenen Schreiben eingewandt, das Fahrzeug habe nicht im Halteverbot gestanden. Es genüge nicht, die mobilen Halteverbotszeichen erst vier Tage zuvor anzubringen. Eine Woche vorher habe er nach dem Fahrzeug anlässlich eines Fußballspiels geschaut. Mit Schreiben vom 07.06.2018 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu einem beabsichtigten Kostenbescheid an. Der Antragsteller äußerte sich nicht.
Mit Bescheid vom 08.08.2018 setzte die Antragsgegnerin Kosten und Gebühren wegen des Abschleppens und der weiteren Aufbewahrung des Fahrzeugs (ab dem 10.05.2018 auf einem städtischen Platz, jedoch maximal 90 Tage zu 8,50 EUR) in Höhe von insgesamt 1.415,10 EUR fest. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 10.08.2018 zugestellt. Dieser teilte am 28.08.2018 mit, dass er allenfalls 400 EUR zahlen könne, da sich in dem Fahrzeug alte Sachen befänden, die für das Ausland vorgesehen seien und die Auslandsfahrt noch einmal 1.000 EUR kosten würde. Weiter schrieb er: „In jedem anderen Fall werde ich … mein Rechtsanwalt … beauftragen“. Die Antragsgegnerin erwiderte unter dem 30.08.2018, dem Schreiben sei nicht zu entnehmen, ob der Antragsteller Widerspruch einlegen wolle, und forderte ihn auf, sein Fahrzeug abzuholen. Der Antragsteller meldete sich erst wieder unter dem 01.11.2018 und teilte mit, er habe vier Tage vor dem Stadtmarathon sein Fahrzeug wegfahren wollen, dies sei aber wegen Sicherheitsmaßnahmen anlässlich eines Fußballspiels nicht möglich gewesen. Er halte das Vorgehen der Antragsgegnerin für nicht verhältnismäßig. Die Antragsgegnerin antwortete unter dem 12.11.2018: Der Kostenbescheid vom 08.08.2018 sei „rechtskräftig“ geworden. Der Antragsteller solle sich bis zum 31.12.2018 äußern, ob er das Fahrzeug abholen wolle oder einer Verwertung bzw. Verschrottung zustimme. Sofern er das Fahrzeug nicht bis zum 31.12.2018 abhole, werde sie von einer Eigentumsauf-gabe ausgehen und das Fahrzeug ohne seine Zustimmung verwerten.
Nach weiterem Schriftwechsel hat der Antragsteller am 21.12.2018 vorläufigen Rechtsschutz beantragt mit dem Ziel, das Fahrzeug wiederzuerlangen. Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie trägt vor: Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei schon nicht statthaft, weil ihr Kosten- und Gebührenbescheid in Verbindung mit dem geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht „rechtskräftig“ geworden sei; sofern man davon ausgehe, dass der Antragsteller doch rechtzeitig Widerspruch eingelegt habe, sei der Bescheid jedenfalls vollziehbar. Der Antragsteller habe auch kein Rechtsschutzbedürfnis. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die begehrte vorläufige Herausgabe eilbedürftig sei, nachdem der Antragsteller in der ganzen Zeit von keinem Rechtsmittel Gebrauch gemacht habe. Sein Antrag sei im Übrigen auch unbegründet. Sie habe das Fahrzeug zu Recht abschleppen lassen. Die dafür und für die weitere Aufbewahrung anfallenden Kosten und Gebühren seien zutreffend berechnet. Solange der Antragsteller diese Kosten und Gebühren nicht entrichte, habe sie ein Zurückbehaltungsrecht.
Der Kammer liegt ein Heft Akten der Antragsgegnerin vor.
II.
Der Antrag ist statthaft und auch sonst zulässig; er ist auch begründet. Der Antragsgegnerin ist deshalb im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Antragsteller das bezeichnete Fahrzeug herauszugeben.
Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statthaft (vgl. § 123 Abs. 1 und 5 VwGO); denn das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers richtet sich auf eine Leistung, nämlich darauf, dass die Antragsgegnerin das Fahrzeug des Antragstellers an diesen herausgibt.
Der Antrag ist auch sonst zulässig. Die Antragsbefugnis des Antragstellers (entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO) folgt daraus, dass er möglicherweise einen Anspruch auf Herausgabe als Eigentümer oder zumindest rechtmäßiger Besitzer des Fahrzeugs gegen die Antragsgegnerin hat; das wäre der Fall, wenn diese ein Zurückbehaltungsrecht (gemäß § 83a Satz 1 PolG) nicht ausüben dürfte.
Dem Antragsteller fehlt nicht etwa deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil er sich nicht gegen den Kostenbescheid der Antragsgegnerin vom 08.08.2018 gewendet hätte und dieser bestandskräftig geworden wäre. Dabei spricht schon Überwiegendes dafür, dass sein Schreiben vom 28.08.2018 als - rechtzeitiger - Widerspruch auszulegen ist, über den bisher nicht entschieden worden ist (zur zuständigen Widerspruchsbehörde vgl. VG Freiburg, Urt. v. 05.04.2017 - 4 K 2347/16 -, juris) und den der Antragsteller auch nicht etwa später zurückgenommen hätte. Zwar hatte der Antragsteller jenes Schreiben damit eingeleitet, dass er „höchstens EUR 400 bezahlen“ könne, gegen Ende hatte er aber angekündigt, dass er ggf. einen Rechtsanwalt beauftragen würde. Insgesamt weckt jenes Schreiben deshalb den Eindruck, dass der Antragsteller den Kostenbescheid jedenfalls nicht habe bestandskräftig werden lassen wollen (was die Antragsgegnerin dann auch - ergebnislos - veranlasst hatte, nachzufragen, ob das Schreiben als Widerspruch zu verstehen sei). Unabhängig hiervon fehlt dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis für sein Herausgabeverlangen schon deshalb nicht, weil eine etwaige Bestandskraft des Kostenbescheids nicht ohne Weiteres, das heißt offensichtlich, dazu führte, dass die Antragsgegnerin ihre Zurückbehaltungsbefugnis gemäß § 83a Satz 1 PolG ausüben dürfte.
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Der Antrag ist auch begründet; denn der Antragsteller hat einen durch einstweiligen Anordnung zu sichernden Anspruch auf Herausgabe seines Fahrzeugs (Anordnungsanspruch) und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO).
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Sein Anordnungsanspruch ergibt sich aus Folgendem:
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Als Eigentümer oder jedenfalls rechtmäßiger Besitzer kann der Antragsteller grundsätzlich die Herausgabe des Fahrzeugs verlangen. Ein Zurückbehaltungsrecht steht der Antragsgegnerin nicht (mehr) zu.
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Gemäß § 83a Satz 1 PolG kann die Polizei die Herausgabe von Sachen, deren Besitz sie auf Grund einer polizeilichen Maßnahme nach § 8 Abs. 1, § 32 Abs. 1, § 33 Abs. 1 oder § 49 Abs. 1 PolG in Verbindung mit § 25 LVwVG erlangt hat, von der Zahlung der entstandenen Kosten abhängig machen.
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Die Ausübung der Zurückbehaltungsbefugnis gemäß § 83a Satz 1 PolG, die im Ermessen der Polizei steht, erfordert nach verbreiteter und nicht bestrittener Auffassung nicht etwa den Erlass eines entsprechenden Verwaltungsakts (§ 35 LVwVfG); es genügt vielmehr eine entsprechende schlichte Willenserklärung (Hamb. OVG, Beschl. v. 22.05.2007 - 3 Bs 94/07 -, NJW 2007, 3513 = juris, Rn. 14 m.w.N.; Neuhäuser, in: Beck OK Polizei- und Ordnungsrecht Niedersachsen, Möstl/Weiner, 12. Ausgabe, NdsSOG § 29, Rn. 20 m.w.N.; Jäckel, Zurückbehaltungsrecht an abgeschleppten Fahrzeugen wegen der Kostenforderung, Sächs. VBl. 2012, 53; vgl. ferner, zu einer durch eine Behörde erklärten Aufrechnungserklärung als Gestaltungsrecht des Schuldrechts, das dem Staat nicht anders als jedem anderen Teilnehmer am Rechtsverkehr zustehe, BVerwG, Urt. v. 20.11.2008 - 3 C 13.08 -, NJW 2009, 1099 m.w.N.). Daran ändert nichts, dass nach § 83a Satz 1 PolG die Polizei die Herausgabe von der Zahlung der entstandenen Kosten abhängig machen „kann“; denn dieses „kann“ ist als Befugnis zu verstehen und nicht als Einräumung eines Ermessens im Sinn von § 40 LVwVfG.
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Bei den von der Antragsgegnerin geltend gemachten Kosten und Gebühren handelt es sich um Kosten im Sinn von § 83a Satz 1 PolG; denn die Antragsgegnerin hat den Besitz des Fahrzeugs auf Grund einer polizeilichen Maßnahme nach § 49 Abs. 1 PolG i.V.m. § 25 LVwVG (Ersatzvornahme) und nach Abschluss des Abschleppvorgangs durch dessen Abstellen auf einem Stellplatz des Abstellunternehmens und anschließend auf einem eigenen Stellplatz aufgrund einer Sicherstellung des Fahrzeugs gemäß § 32 Abs. 1 PolG erlangt bzw. aufrechterhalten. Zu den Kosten gehören dabei nicht nur die Auslagen der Antragsgegnerin für den Abschleppunternehmer, sondern auch die für die Ersatzvornahme angefallen Gebühren (vgl. § 31 Abs. 1 LVwVG: Kosten für Amtshandlungen nach diesem Gesetz sind Gebühren und Auslagen) sowie die Gebühren für die weitere (sichere) Verwahrung des Fahrzeugs (vgl. Nr. 3.3.5.1 der Anlage 2 zu § 1 Abs. 1 der Verwaltungsgebührensatzung der Antragsgegnerin vom 11.04.2006, zuletzt geändert am 14.11.2017, wonach für die Verwahrung von Fahrzeugen im Freien eine Stellplatzgebühr von 8,50 EUR je Standtag erhoben werden kann; vgl. auch Stephan/Deger, PolG Baden-Württemberg, § 83a, Rn. 3).
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Offenlassen kann die Kammer, ob die von der Antragsgegnerin geltend gemachten Kosten gegenwärtig fällig sind; dies wäre wohl (nach soweit ersichtlich allgemeiner Auffassung) Voraussetzung für die Ausübung der Zurückhaltungsbefugnis. Insoweit ist von Folgendem auszugehen: Durch das Wirksamwerden des Kostenbescheids vom 08.08.2018 war Fälligkeit eingetreten. Diese könnte aber mit der Einlegung des - hier wie ausgeführt wohl eingelegten - Widerspruchs entfallen sein. Grundsätzlich führt die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen eine Geldschuld begründenden Abgabenbescheid dazu, dass deren Fälligkeit entfällt (BVerwG, Urt. v. 20.01.2016 - 9 C 1.15 -, NVwZ 2016, 1333 = juris, Rn. 16 m.w.N., unter teilweiser Abkehr vom Urt. v. 27.10.1982 - 3 C 6.82 -, BVerwGE 66, 218; so auch Hermesmeier, in: BeckOK Polizeirecht Baden-Württemberg, Möstl/Trurnit, 13. Ausgabe, § 83a, Rn. 6; Jäckel, a.a.O.; a.A. Stephan/Deger a.a.O., Rn. 3). Mithin fehlte es gegenwärtig an der Fälligkeit des Kostenanspruchs, es sei denn, der Widerspruch hätte gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung. Für die Festsetzung von Vollstreckungskosten ist fraglich, ob diese Kosten im Sinn von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sein können (bejahend, für Kosten des unmittelbaren Zwangs, VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 26.03.1984 - 14 S 2640/83 -, NVwZ 1985, 202; a.A. aber die wohl h.M., vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80, Rn. 144 ff. m.w.N.).
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Die Kammer kann weiter offenlassen, ob dann, wenn der Kostenbescheid bestandskräftig geworden wäre, der Antragsteller nicht mehr mit Erfolg einwenden könnte, dass das Abschleppen und die weitere Verwahrung seines Fahrzeugs gegen seinen Willen rechtswidrig gewesen seien. Im Übrigen bestehen allerdings keine ernstlichen Zweifel daran, dass das Fahrzeug des Antragstellers am 08.04.2018 verbotswidrig (entgegen dem angeordneten absoluten Halteverbot) abgestellt war, dass der Antragsteller am frühen Morgen jenes Tages nicht erreichbar war und dass die Antragsgegnerin deshalb befugt war, das Fahrzeug abschleppen zu lassen. Dabei war die Abschleppmaßnahme wohl auch nicht unverhältnismäßig. Insbesondere genügt es, dass die einschlägigen Verkehrszeichen (erst) am 03.04.2018 aufgestellt worden waren (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.02.2007 - 1 S 822/05 -, NJW 2007, 2058; BVerwG, Urt. v. 24.05.2018 - 3 C 25.16 -, NJW 2018, 2910: eine Vorlaufzeit von drei vollen Tagen, an denen das Verkehrszeichen angebracht ist, ist ausreichend). Der Antragsteller konnte sich deshalb nicht darauf verlassen, nur in längeren Abständen bei seinem Fahrzeug vorbeizuschauen. Dies gilt umso mehr, als die Antragsgegnerin und die örtlichen Medien die Wegstrecke des Stadtmarathons seit längerer Zeit angekündigt hatten. Damit lagen alle Voraussetzungen für eine vollstreckungsrechtliche Ersatzmaßnahme gemäß § 49 Abs. 1 PolG i.V.m. § 25 LVwVG vor; Ermessensfehler (vgl. § 40 LVwVfG) der Antragsgegnerin bei der Anordnung des Abschleppens zunächst auf einem Platz des Abschleppunternehmens und dann auf einem städtischen Platz sind nicht ersichtlich.
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Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ist jedoch jedenfalls nicht (mehr) verhältnismäßig.
19 
Dies ergibt sich allerdings noch nicht daraus, dass das Fahrzeug des Antragstellers nach dem Vorbringen des Antragstellers und seinem gesamten Verhalten wohl nur noch einen geringen Wert hat (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 22.05.2007 a.a.O., Rn. 15; vgl. auch LT-Drucks. 14/3165, S. 83). Vielmehr hätte dieser Umstand für den Antragsteller Anlass sein müssen, den Wagen schnellstmöglich auszulösen. Stattdessen hatte er sich um den Verbleib des Fahrzeugs zunächst wohl gar nicht gekümmert.
20 
Auch der Umstand, dass schließlich Auslagen und Gebühren von fast 1.500 EUR aufgelaufen waren, macht das Zurückbehaltungsrecht nicht unverhältnismäßig. Denn auch dieser Umstand liegt in der Sphäre des Antragstellers, der die Verwahrungszeit jederzeit durch ggf. vorläufige Zahlung der der Kosten bei gleichzeitiger Erhebung eines Widerspruchs gegen den Kostenbescheid hätte beenden können.
21 
Offenlassen kann die Kammer, ob ein Zurückbehaltungsrecht auch hinsichtlich der Ladung des Fahrzeugs des Antragstellers entstehen konnte. § 83a Satz 1 PolG bestimmt insoweit, dass die Polizei die Herausgabe von Sachen, deren Besitz sie auf Grund u.a. einer Vollstreckungsmaßnahme erlangt hat, von der Zahlung der Kosten abhängig machen kann. Dass davon auch Sachen erfasst werden, deren Besitz die Polizei nur gelegentlich einer Vollstreckungsmaßnahme erlangt, ist durchaus zweifelhaft (so dürfte die Polizei etwa wohl nicht berechtigt sein, einen im Handschuhfach zurückgelassen Führerschein zusammen mit dem Fahrzeug zurückzubehalten).
22 
Unverhältnismäßig geworden ist die Ausübung der Zurückbehaltungsbefugnis jedenfalls deshalb, weil die Antragsgegnerin unter Berufung auf sie das Fahrzeug nun schon länger als sechs Monate einbehält. § 83a Satz 1 PolG bestimmt zwar insoweit keine zeitliche Grenze. Aus anderen Regelungen des Polizeirechts zur vorübergehenden Entziehung des Besitzes an Sachen ergibt sich aber, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine solche Grenze gebietet (vgl. § 32 Abs. 4 PolG: Aufhebung einer Sicherstellung nach spätestens sechs Wochen; vgl. § 33 Abs. 4 PolG: eine Beschlagnahme darf vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Regelung nicht länger als sechs Monate andauern). Dem steht nicht entgegen, dass der Betroffene die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Zahlung der angeforderten Kosten (ggf. auch unter Vorbehalt) von sich aus beenden kann. Eine äußere zeitliche Grenze für die Ausübung der Zurückbehaltungsbefugnis liegt überdies auch im öffentlichen Interesse. Denn der Gesetzgeber hat keine Vorsorge für einen (atypischen) Fall wie dem vorliegenden getroffen, dass sich der Betreffende weigert, die Abschlepp- und Verwahrungskosten (jedenfalls unter Vorbehalt) zu zahlen. Insbesondere kann die Polizei - entgegen der nur auf Fälle des § 3 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 DVO PolG zutreffenden Annahme in der Begründung zum Gesetzentwurf (LT-Drucks. 14/3165, S. 83) - die Sache in einem solchen Fall wohl nicht ohne Einverständnis des Eigentümers bzw. rechtmäßigen Besitzers verwerten (so auch Zeitler/Trurnit a.a.O., Rn. 507; vgl dagegen § 14 Abs. 4 Hamb. SOG). Der Polizei bleibt nach baden-württembergischem Landesrecht in Fällen, in denen der Kostenschuldner – etwa wegen des geringen Werts der sichergestellten Sache – nicht bereit ist, diese gegen (vorläufige) Erstattung der Kosten auszulösen, als Möglichkeiten nur, entweder während der Dauer der Verwahrung für die Fälligkeit der Kostenforderung zu sorgen und in die verwahrte Sache zu vollstrecken oder aber diese freizugeben und die Vollstreckung der Kostenforderung selbständig zu betreiben.
23 
Der Antragsteller hat auch den erforderlichen Anordnungsgrund (§ 123 Abs. 1 VwGO) glaubhaft gemacht. Es ist ihm nicht zuzumuten, dass die Antragsgegnerin ihm auch für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens den Besitz an seinem Fahrzeug weiter vorenthält. Deshalb steht auch das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entgegen.
24 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Bemessung des Streitwerts richtet sich nach § 52 Abs. 1 und § 53 Abs. 1 Nr. 2 GKG. Dabei geht die Kammer davon aus, dass sich der Antrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache richtet, das zurückbehaltene Fahrzeug des Antragstellers aber, wie sich aus zahlreichen Hinweisen in den Akten ergibt, wohl nur noch einen recht geringen Wert hat.

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