Urteil vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 3 K 1621/88
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar; der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
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Tatbestand:
2Der Kläger ist Steueroberamtsrat im Dienst des beklagtenLandes. Am 23. Juni 1987 beantragte er eine Beihilfe u. a. füreine Rechnung des Facharztes für Radiologie Dr.vom 05. Juni 1987, in der für eine Computertomographie desKörpers nach Gebührenziffer 5344 der Gebührenordnung für Ärzte- GOÄ - ein Faktor von 2,2 angegeben war. In der Liquidationdes Arztes heißt es dazu: "Sehr schwierige Differentialdiagnoseweit über das normale Maß hinausgehend Untersuchung. Tumorlei-den.“
3Mit Bescheid vom 26. Juni 1987 lehnte die den Beihilfeantrag des Klägers bezüglich dieses Punktes der Rechnung vom 05. Juni 1987 teilweise ab und führte zur Begründung aus, die Arztrechnung vom 05. Juni 1987 habe nur im Rahmen der Regelspanne gem. § 5 Abs. 2 u. 3 GOÄ abgerechnet werden können, da für das Überschreiten der Regelspanne eine ausreichende schriftliche Begründung i. S. d. § 12 Abs. 2 Satz 2 GOÄ fehle. Aus den allgemeinen Hinweisen in der Rechnung seien auf den Einzelfall bezogene Besonderheiten nicht ersichtlich, im übrigen dürfe bei den Leistungen aus den Abschnitten A, E, M, und D des Gebührenverzeichnisses das Überschreiten der Regelspanne nicht mit den Schwierigkeiten des Krankheitsfalles begründet werden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz (GOÄ).
4Es handele sich vorliegend um eine Leistung i. S. d. § 5 Abs. 3GOÄ, die Regelspanne für diese Leistung liege zwischen demeinfachen und dem l,8fachen Gebührensatz. Entsprechend wurdedie geltend gemachte Leistung des Arztes unter
5Anwendung des Faktors 1,8 um 128,— DM niedriger bewertet und die Beihilfe nach den so ermittelten Aufwendungen festgesetzt.
6Mit Schreiben vom 14. Juli 1987 legte der Kläger gegen diesenBescheid Widerspruch ein. Er reichte als Anlage die beanstan-dete Rechnung erneut ein und fügte hinzu, nach der ausführli-chen schriftlichen Begründung des Arztes vom 14. Juli 1987dürfte das Überschreiten der Regelspanne anzuerkennen sein. Indieser ärztlichen Bescheinigung heißt es: "Bei der am20.05.1987 bei Herrn durchgeführten Computertomo-
7graphie des Abdomens handelte es sich wie schon aus der ausführlichen Begründung in der Rechnung vom 5.6.87 erkennbar und bei der bekannten Diagnose um eine sehr schwierige und bis heute letztlich nicht klare Diagnose eines entzündlichen oder tumorösen Leberprozesses. Es war hierbei ein außerordentlich hoher Aufwand ärztlicherseits und technischerseits erforderlich. Da es sich hierbei um eine technische Leistung handelt, ist der technische Anteil im Vordergrund zu sehen. Es waren zeitintensive Rohdatenberechnungen erforderlich."
8Mit Schreiben vom 28. Juli 1987 wies die Festsetzungsstelle der
9den Kläger darauf hin, der
10Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen habe durch Erlaß vom 20. Juni 1985 mitgeteilt, er vertrete zur Frage des Überschreitens des Schwellenwertes bei der Gebührenziffer 5344 die Auffassung, daß ein deutlich über dem Durchschnitt liegender Zeitaufwand bei der Auswertung mit einem innerhalb des Schwellenwertes oberhalb des Mittelwertes von 1,4 liegenden Multiplikator ausreichend gewürdigt werden könne. Im übrigen könne eine berechtigte Überschreitung des Schwellenwertes bei den Leistungen nach Gebührenziffer 5344 nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Bei der Bewertung der Angemessenheit
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12von Gebühren sei in diesem Zusammenhang zu beachten, daß die
13vorstehenden Leistungen wegen des außerordentlichen technischen Aufwandes mit vergleichsweise hohen Punktzahlen bewertet seien. Die Überschreitung um 1/10 Punkt führe daher schon gemessen an den ärztlichen Leistungen z.B. nach den Gebührenziffern l und 65 zu einer nicht angemessenen erheblichen Mehrgebühr. Da die von Dr. geschilderten Umstände eine ausreichende Berücksichtigung im Rahmen der Regelspanne finden würden, liege eine begründete Überschreitung der Regelspanne nicht vor. Infolgedessen seien die Mehrbeträge beihilferechtlich nicht zu berücksichtigen. Der Kläger wurde gebeten, mitzuteilen, ob auf einen förmlichen Widerspruchsbescheid bestanden werde.
14Ergänzend wies die mit Schreiben
15vom 31. August 1987 noch darauf hin, daß der streitige Betrag von 128,— DM etwa das dreifache der Gebühr mache, die einem Arzt nach der Gebührenziffer 1b für eine eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Beratung - ggf. einschließlich Untersuchung - als einzige Leistung von mindestens 15 Minuten Dauer zustehe und mehr als das 5-fache der Untersuchungsgebühr nach der Gebührennummer 65. Eine berechtigte Überschreitung des Schwellenwertes bei den Leistungen nach der Gebührennummer 5344 sei daher nur in seltenen Ausnahmefällen anzunehmen. Es müsse davon ausgegangen werden, daß der Verordnungsgeber bei der Erstellung des Gebührenverzeichnisses die einzelnen Leistungen sachgerecht honoriert habe.
16Im übrigen sei noch darauf aufmerksam zu machen, daß nach der amtlichen Begründung zu § 12 GOÄ das Anführen der in § 5 Abs. 2 GOÄ genannten Bemessungskriterien (hier: Zeitaufwand der Leistung) allein nicht ausreiche, ein Überschreiten der Regelspanne zu rechtfertigen. Vielmehr müsse die Art der gegebenen Besonderheiten näher dargelegt werden, da nur so beurteilt werden könne, ob Umstände vorgelegen hätten, die über den Umfang der einzelnen Leistungsbeschreibungen der verwendeten Gebührennummern hinausgingen. Dies sei mit dem zusätzlichen allgemeinen Hinweis auf zeitintensive Rohdatenberechnungen nicht geschehen. Es sei nicht zu erkennen, daß im Fall des Klägers Umstände vorgelegen hätten, für deren Berücksichtigung die Regelspanne nicht genug Raum biete.
17Nachdem der Kläger auf einem förmlichen Widerspruchsbescheid
18bestanden hatte, wies die mit
19Widerspruchsbescheid vom 21. April 1988, dem Kläger zugestelltam 26. April 1988, den Widerspruch des Klägers als unbegründetunter Wiederholung der Rechtsauffassung aus dem vorangegangenenSchriftverkehr zurück.
20Hiergegen hat der Kläger am 16. Mai 1988 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er führt aus, er sei im Jahr 1986 wegen eines Karzinoms des Dickdarms operiert worden und befinde sich seither unter ärztlicher Kontrolle. Im April 1987 habe er Schmerzen in der rechten Flanke mit Fieberanfällen verspürt. Die entscheidende und für ihn lebenswichtige Frage sei gewesen, ob es sich um einen metastatischen oder um einen entzündlichen Prozeß gehandelt habe. Eine solche Differenzierung sei durch moderne Methoden heutzutage in den meisten Fällen möglich. Außerordentliche Probleme ergäben sich jedoch bei der exakten Differenzierung von lokalen gutartigen und bösartigen Prozessen in der Leber bei Tumorpatienten. Beim Kläger handele es sich um einen solchen Fall. Deshalb sei der Kläger von seinem Hausarzt zum Radiologen Dr.
21überwiesen worden, der beim Kläger am 25. Mai 1987 eine Computertomographie durchgeführt habe. Bei seiner Rechnung vom 05. Juni 1987 habe er gem. der Gebührennummer 5344 einen Betrag von 704,— DM in Rechnung gestellt, was einem Faktor von 2,2 entspreche. Für eine solche Überschreitung der Schwelle von 1,8 seien vorliegend Besonderheiten i. S. d. § 5 Abs. 2 Satz l GOÄ gegeben. Es habe sich um eine Flüssigkeitsansammlung außerhalb der Leber sowie einem Fokus rechts unterhalb des Zwerchfells und einem weiteren Fokus im linken Leberläppen gehandelt. Erst eine Doppeluntersuchung des Abdomens unter erhöhtem Zeit- und technischem Aufwand und eine zusätzliche Sonographie habe das Krankheitsgeschehen weiter einengen können, wobei nach aufwendigen Dichte- und Vergleichsmessungen außerhalb der Patienten-routine sich erst ergeben habe, daß es sich um einen kleinen Abszeß außerhalb der Leber sowie einen zusätzlichen kleinen Blutschwamm, im linken Leberlappen gehandelt habe. Dieses Krankheitsbild des Klägers sei außerordentlich selten und schwierig. Dr. habe zur Diagnosestellung ein umfangreiches Literaturstudium benötigt und weiterhin einen deutlich über der Norm liegenden technischen Aufwand gehabt. Damit seien die Kriterien des § 5 Abs. 2 Satz l GOÄ erfüllt, wonach die Schwierigkeiten der Leistung und der Zeitaufwand für die Leistung berücksichtigt werden könnten. Die Besonderheiten ergäben sich im vorliegenden Fall daraus, daß ein besonderer technischer Aufwand erforderlich und die Auswertung der Ergebnisse schwierig und zeitaufwendig gewesen sei. Diese Umstände würden nicht bereits durch die Leistungslegende der Ziffern 5343 - 5345 des Gebührenverzeichnisses erfaßt und begründeten daher die Überschreitung des l,8fachen Satzes. Die Regelsatzüberschreitung des l,8fachen Satzes sei gerechtfertigt, da der l,8fache Satz als Mittelwert für normale Leistungen zutreffenderweise zur Berechnung heranzuziehen sei. Daß der l,8fache Satz der Mittelwert sei, ergebe sich bereits aus der Entstehungsgeschichte der Gebührenordnung für Ärzte. Der Satz entspreche dem früheren 3,5fachen Satz als Mittelwert der Gebührenordnung für Ärzte von 1965. Zu der letztgenannten Gebührenordnung sei die Mittelwerttheorie vertreten worden, wonach der Arzt im Streitfall die Höhe eines Honorars nur begründen müsse, wenn er den 3,5fachen Satz überschritten habe. Eine Begründung sei heute dagegen für die GOÄ 1982 in jedem Fall vorgeschrieben. Ebenso wie der Arzt früher nach der GOÄ 1965 einen Normalfall zum Mittelwert von 3,5 habe abrechnen können, könne er nach der Gebührenordnung für Ärzte von 1982 einen entsprechenden Fall mit dem mittleren Schwierigkeits- und Zeitaufwandswert mit dem 2,3fachen bzw. l,8fachen Satz für technische Leistungen berechnen. Bei überdurchschnittlichen Leistungen hänge der anzusetzende Faktor in dem zur Verfügung stehenden Rahmen von 1,9 bis 2,5 vom Grad der Abweichung vom Normalen ab. Es gelte auch für Leistungen mit hohen Einfachsätzen wie z. B. den Ziffern 5343 bis 5345 wie die Computertomographie.
22Der Kläger beantragt,
23den Bescheid der
24vom 26. Juni 1987 in der
25Fassung des Widerspruchsbescheidesvom 21. April 1988 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, an den Klägereine weitere Beihilfe in Höhe von76,— DM zu zahlen.
26Das beklagte Land beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Zur Begründung verweist es auf die Angaben in den angefochtenenBescheiden.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.
30Entscheidungsgründe:
31Die zulässige Klage ist nicht begründet.
32Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung der begehrten(weiteren) Beihilfe. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
33Nach den Bestimmungen der §§ l Abs. l Nr. 1, 3 Abs. 1,4 Nr. lder Verordnung über die Gewährung von Beihilfen, in Krankheits-Geburts- und Todesfällen - BVO - hat der Kläger Anspruch aufBeihilfe zu notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang.Vorliegend ist zwischen den Beteiligten die Notwendigkeit derärztlichen Untersuchung nicht streitig, es geht lediglichdarum, ob die geltend gemachten Aufwendungen den angemessenenUmfang überschreiten.
34Als angemessen im Sinne des § 3 Abs. l BVO ist dabei regelmäßig eine ärztliche Liquidation anzusehen, die bei der Bemessung des ärztlichen Honorars den Regelungen der Gebührenordnung für Arzte - vorliegend in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Dezember 1984 - entspricht. Gemessen an diesen Voraussetzungen erweist sich die vom Kläger eingereichte Rechnung als überhöht, soweit mit der Anwendung des Faktors 2,2 der Schwellenwert von 1,8 gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 GOÄ überschritten worden ist. Die entsprechende Kürzung der beihilfefähigen Aufwendungen in den angefochtenen Bescheiden ist demgemäß nicht zu beanstanden.
35Dabei geht die Kammer zunächst nicht davon aus, daß dem geltend gemachten Anspruch bereits entgegensteht, die beanstandeten Aufwendungen seien gemäß § 12 Abs. l GOÄ nicht fällig, weil die unter dem 05. Juni 1987 erstellte Rechnung den angewendeten Bemessungsfaktor nicht hinreichend gemäß § 12 Abs. 3 GOÄ begründet und diese Begründung auch bisher noch nicht den Vorschriften entsprechend nachgeholt worden ist.
36Es kann allerdings kein Zweifel daran bestehen, daß die der Rechnung vom 05.06.1987 beigefügten stichwortartigen Kürzel dem Begründungserfordernis des § 12 Abs. 3 GOÄ nicht genügen. Denn auch wenn man zugunsten des Arztes davon ausgeht, daß die Begründung eines den Schwellenwert überschreitenden Bemessungsfaktors in Stichworten vorgenommen werden kann, müssen sich die Besonderheiten im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 Satz 4 GOÄ hieraus zumindest entnehmen lassen, wenn man zusätzlich die Angaben, in der - notwendig mitzuteilenden - Diagnose berücksichtigt. Davon kann vorliegend nicht die Rede sein. Die Angabe "sehr schwierige Differentialdiagnose" läßt gerade, wollte man darin den Versuch, eine besondere Schwierigkeit der Leistung geltend zu machen, sehen, die auf den Gebührentatbestand bezogenen Besonderheiten bei der Diagnose nicht erkennen. Dabei ist zu beachten, daß nach den Allgemeinen Bestimmungen zu Abschnitt 0 des Gebührenverzeichnisses die Beurteilung von Röntgenaufnahmen und Szintigrammen einschließlich des Befund-
37berichts als selbständige Leistung nicht abgerechnet werden darf, sondern Teil der ärztlichen Regelverrichtung im Zusammenhang mit der jeweiligen Gebührenziffer ist. Daß eine solche Tätigkeit nicht, undifferenziert erfolgen darf, ist ebenso offenkundig wie es auch auf der Hand liegt, daß die erläuternd beigefügten Wörter "sehr schwierig" für sich allein keinen Aussagewert bezüglich der geltend gemachten Besonderheit der ärztlichen Tätigkeit haben. Es handelt sich hier vielmehr ebenso um eine - möglicherweise weit verbreitete, unabhängig davon aber nichtssagende - Leerformel, die das vom Regeltatbestand abweichende Handeln des Arztes bei der konkreten ärztlichen Verrichtung ebensowenig erkennen läßt, wie dies den zusätzlich mitgeteilten Erläuterungen zu entnehmen ist, wonach, eine "weit über das normale Maß hinausgehende Untersuchung" stattgefunden hat. Auch hier wird in keiner Weise erkennbar, welcher Untersuchungsaufwand noch als "normal" anzusehen sein soll und worauf die Abweichung von dieser Normalität beruhen, soll. Gerade solche, auf den konkreten Einzelfall der ärztlichen Verrichtung individuell abstellende Hinweise sind es aber, die für eine den materiellen Anforderungen des § 5 Abs. 2, 3 GOÄ gerecht werdende Begründung verlangt werden müssen. Das gilt für den letzten Begründungsteil umso mehr, als hier im Bereich der interpretatorischen Beliebigkeit die Entscheidung getroffen werden müßte, ob diese Angabe, nun eine besondere Schwierigkeit der Leistung oder ob er einen besonders hohen Zeitaufwand oder gar beides begründen soll. Im übrigen, hat die
38zutreffend darauf hingewiesen,
39daß bei medizinisch-technischen Leistungen die Schwierigkeit des Krankheitsfalles als die Überschreitung des Schwellenwertes begründende Element nicht berücksichtigt werden darf. Schon unter diesem Gesichtspunkt verbietet es sich, die weitere Angabe „Tumorleiden" als hinreichende Begründung für die geltend gemachten Gebühren zu akzeptieren. Daß die Angabe im übrigen keinerlei Aussage zur konkreten ärztlichen Tätigkeit, deren erhöhte Abrechnung.in Rede steht, enthält, führt darüber hinaus ebenso zur Feststellung, daß die Angabe unzureichend ist, wie auch der weitere Umstand, daß ausweislich der Diagnose
40gerade ein entzündlicher Prozeß vorliegt und die bloße Angabe "Tumorleiden" vor diesen Hintergrund eher widersprüchlich ist.
41Im Ergebnis nichts anderes gilt von der Bescheinigung, die demKläger von seinem Arzt unter dem 14. Juli 1987 ausgehändigtworden ist. Abgesehen von Äußerungen, die nichts andereswiedergeben als den Unmut erneut um eine Begründung ange-gangen worden zu sein ("wie schon aus der ausführlichen Begründung in der Rechnung vom 5.6.87 erkennbar"), wiederholt dieseBescheinigung allein den Schwierigkeitsgrad des Krankheits-falles, der, wie oben dargelegt, nicht berücksichtigungsfähigist und erschöpft sich in einer Aneinanderreihung von Leer-formeln, deren konkrete, auf die Verrichtung des Arztes abstellende Ausfüllung gerade nicht vorgenommen wird. Von welchen
42Bezugsgrößen bei einem "außerordentlich hohen Aufwand ärztlicherseits und technischerseits" auszugehen ist, bleibt, ebenso unklar wie es zur Erläuterung der getätigten Besonderheiten unzureichend ist, sich auf "zeitintensive Rohdatenberechnungen" zu berufen, ohne auch nur andeutungsweise klarzustellen, was nun mit dem Begriff der "Rohdaten" gemeint ist, wie weit deren Ermittlung Teil der von der Gebührenziffer umfaßten Regelverrichtung ist und woraus sich im einzelnen ergeben hat, daß
43diese vorliegend besonders zeitintensiv waren. Daß Besonderheiten, die das Abweichen vom Regeltatbestand in diesem Sinne begründen können, von einem wissenschaftlich ausgebildeten Facharzt für Radiologie knapp, aber präzise dargestellt werden können, liegt nach Überzeugung, der Kammer auf der Hand. Den Anforderungen an eine nachvollziehbare Begründung genügen die Angaben in der Bescheinigung vom 14. Juli 1987 aber auch deshalb nicht, weil sie in einem nicht ohne weiteres aufklärbaren Widerspruch zu den Angaben in der Rechnung vom 5.6.87 stehen. Die in der Bescheinigung als besondere Schwierigkeit in den Vordergrund gestellten, zeitintensiven Rohdatenberechnungen lassen sich den in der Rechnung genannten Begriffen nämlich nur schwerlich zuordnen; es kann allenfalls davon ausgegangen werden, es habe sich hier um einen Teil der "weit über das normale Maß hinausgehenden Untersuchung" gehandelt.
44Die Angaben des Klägers in der Vergangenheit führen dagegen erstmals in die Nähe dessen, was vom Arzt zur Begründung der Überschreitung des Schwellenwertes nach den oben dargestellten Maßstäben verlangt werden muß. Zwar bleibt die breiten Raum innehabende Schwierigkeit des Krankheitsfalles wegen der Regelungen in § 5 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz GOÄ weiterhin unbeachtlich, und auch die ohne weitere konkrete Substantiierung vorgetragene Behauptung erhöhten zeitlichen und technischen Aufwands allein genügt den dargelegten Anforderungen nicht. Das gilt bezüglich der geltend gemachten "aufwendigen Dichte- und Vergleichsmessungen" im übrigen auch deshalb, weil ohne Angabe näherer Einzelheiten, nicht ersichtlich ist, daß die Tätigkeit des Arztes, über das hinausgegangen ist, was bereits von den Bemessungskriterien der Leistungsbeschreibung der Gebührenziffer 5344 umfaßt ist, und deshalb einen Einfluß auf die Gebührenermittlung über den Tatbestand der Gebührenziffer hinaus nach § 5 Abs. 2 Satz 3 GOÄ nicht haben darf. Berücksichtigt man aber, daß Nummer 5344 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ mehrere Untersuchungsgänge ggf. mit Spezialeinstellungen umfaßt, so ist ohne nähere konkretisierende Angaben überhaupt nicht ersichtlich, was insoweit die Anwendung eines höheren Bemessungsfaktors rechtfertigen könnte. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund, daß beim Kläger lediglich eine Computertomo- graphie des Brustkorbs und des Unterleibs durchgeführt wurde, wogegen die einschlägige Gebührenziffer diese ärztliche Verrichtung bezogen auf den ganzen Körper mit Ausnahme des Kopfes umfaßt.
45Die Kammer vermag aber aufgrund des weiteren Klagevortrages, wonach die Diagnose außergewöhnliche Schwierigkeiten, bereitet haben soll, nicht auszuschließen, daß bei einer - wie vom Kläger angebotenen – Vernehmung des behandelnden Arztes als Zeugen- sowohl Besonderheiten bei der Verrichtung als auch der Bewertung der Untersuchungsergebnisse dargestellt werden könnten, bei denen erwogen werden könnte, die Überschreitung des Schwellenwertes für gerechtfertigt zu erachten. Dabei geht die Kammer davon aus, daß das Beweisangebot nicht daran schei-
46tert, daß die unter Beweis zu stellenden Tatsachen nicht hinreichend genau bezeichnet sind. Im Verhältnis des Patienten zur Beihilfestelle kann mehr als eine Umschreibung der Umstände, die die Erhöhung des Bemessungsfaktors begründen sollen, schwerlich verlangt werden, wenn gleichzeitig die Einvernahme des behandelnden Arztes als Zeuge angeboten werden. Der Einvernahme als Zeuge stehen auch nicht Unstimmigkeiten in den bisherigen Begründungen entgegen oder Zweifel an der Beachtlichkeit der Zeugenaussage, die sich auch deshalb aufdrängen, weil der Kläger gleich am ersten Behandlungstag einer Computertomographie unterzogen wurde, über ihm auffällige besondere Schwierigkeiten zu keiner Zeit berichtet hat und damit objektive Anhaltspunkte für eine komplizierte und außergewöhnlich schwierige und aufwendige Einzeluntersuchung fehlen. Dies steht der beantragten Beweisaufnahme ebensowenig entgegen wie der Umstand, daß die unter dem 5.6.1989 erteilte Rechnung deshalb widersprüchlich ist, weil der Schwellenwert nur bei der Computertomographie überschritten ist, obwohl gerade, die Diagnose ganz besonders zeitaufwendig gewesen sein soll und nicht ohne weiteres erklärlich ist, warum bei den anderen diagnostischen Tätigkeiten eine Abrechnung mit dem Schwellenwert möglich war. Die hiermit zusammenhängenden sich aufdrängenden Fragestellungen waren zunächst bezüglich der tatsächlichen Grundlagen im Rahmen einer Beweisaufnahme abzuklären, eine dem vorhergehende Würdigung wäre mit dem Untersuchungsgrundsatz deshalb unvereinbar und damit unzulässig.
47Der Beweisaufnahme, steht auch nicht entgegen, daß im Verlauf des Verwaltungsverfahrens - wie dargelegt - eine den materiellen Anforderungen des § 5 Abs. 2, 3 GOÄ gerecht werdende Begründung der Beschreibung des Schwellenwertes nicht dargelegt worden ist. Dies führt nach der Überzeugung der Kammer nicht dazu, daß der Streitgegenstand auf diese Rechnung mit den dazu während des Verwaltungsverfahrens gegebenen Begründungen beschränkt wäre mit der Folge, daß während des Klagebegehrens weitere Erläuterungen oder Begründungen ausgeschlossen sind. Für eine solche mit dem Untersuchungsgrundsatz und der Ver-
48pflichtung des Gerichts, die Spruchreife einer Entscheidung soweit möglich herbeizuführen, schwerlich zu vereinbarende Interpretation des § 12 Abs. l GOÄ, fehlt es schon, an einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage. Im übrigen ist es mit allgemeinen Grundsätzen unvereinbar, die Richtigkeit einer Begründung zur Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der geltend, gemachten Forderung zu erklären. Wie im Verwaltungsverfahrensrecht kommt es bei der Begründung lediglich darauf an, daß sich aus ihr das ergibt, was ihr Verfasser für wesentlich hält, um die jeweilige Maßnahme zu erklären. Ob dies den materiellen gesetzlichen Anforderungen entspricht, ist allein Gegenstand der — wenn notwendig - gerichtlichen Überprüfung, kann aber der Geltendmachung einer entsprechenden Forderung nicht mehr entgegengehalten werden mit der Folge, daß eine gerichtliche Durchsetzung der Forderung ausgeschlossen wäre. Nur diese Sicht der Begründungspflicht des § 12 Abs. 3 GOÄ gibt auch hinreichend, Raum für das Verständnis der dort niedergelegten Pflicht des Arztes, die begründete Rechnung auf Verlangen zu erläutern. Daß diese Erläuterung auf die Fälligkeit keinen Einfluß mehr haben soll, erscheint offenkundig. Letztlich sprechen für das gefundene Ergebnis auch Gesichtspunkte der Verfahrens- bzw. Prozeßökonomie. Wollte man die materielle Richtigkeit der Begründung zur Voraussetzung für die Fälligkeit des ärztlichen Honorars erklären, hätte das zur Folge, daß die Beihilfestellen im Zweifel bis zur Verjährung der Arztforderungen immer wieder erneut mit der Abrechnung derselben Behandlung konfrontiert werden könnten, ohne sich bezüglich nachgereichter Begründungen auf bestandskräftige Festsetzungen oder gar rechtskräftige Entscheidungen berufen zu können.
49Die Vernehmung des behandelnden Arztes als Zeuge erweist sich aber vorliegend deshalb als überflüssig, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen für das vorliegende Verfahren unerheblich sind. Die Überschreitung des Schwellenwertes beruht nämlich, wie sich aus der Klagebegründung eindeutig ergibt und vom Vertreter des Klägers in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden ist, auf der Auffassung, der Schwellenwert sei der
50Bemessungsfaktor für eine ärztliche Leistung, die dem jeweiligen Gebührentatbestand bei mittlerer Schwierigkeit und durchschnittlichem Zeitaufwand angemessen sei, anders gesprochen, es handele sich hier um den regelmäßig anzuwendenden Wert für eine in jeder Hinsicht dem Durchschnitt entsprechende ärztliche Verrichtung, die einer Gebührenziffer des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ entspreche. Dieser Auffassung, die -nebenher - auch vom Oberlandesgericht Hamburg,
51Urteil vom 25. Juni 1987 - 3 V 221/86 -NJW 1987, 2937,
52und ausdrücklich vom Oberlandesgericht Koblenz,
53Urteil vom 19. Mai 1988 - 6 V 286/87 NJW 1988, 2309,
54vertreten worden ist, folgt die Kammer nicht.Die dort vorgenommene Interpretation der Worte "in der Regel" in § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ, die eine weitere Einschränkung, der Ermessensausübung danach nicht enthalten soll, sondern lediglich "Sinn" mache, wenn man davon ausgehe, daß „in der Regel" die zu erbringenden ärztlichen Leistungen einen Fall von mittlerer Schwierigkeit, durchschnittlichem Zeitaufwand und normalen Umständen der Ausführung entsprächen, bei dem die Gebühr in der Mitte des Gebührenrahmens des § 5 Abs. l Satz l bzw. Abs. 3 Satz l GOÄ anzusetzen seien, überzeugt die Kammer nicht. Sie folgt vielmehr der vom Oberlandesgericht verworfenen Auffassung, daß in einem solchen Fall nur die Gebührenbemessung innerhalb der von § 5 Abs. 2 Satz 4. GOÄ eröffneten Regelspanne zulässig ist, wobei bei technischen Leistungen ein Mittelwert bei 1,4 anzusetzen sei. Ausgehend von dieser Auffassung führt die Gebührenbemessung mit einem um 0,4 höheren Bewertungsfaktor vorliegend günstigstenfalls dazu, daß dem Kläger angemessene Aufwendungen in Höhe des l,8fachen Gebührensatzes entstanden sind. Da die angefochtenen Bescheide von dieser - allenfalls -zulässigen Gebührenbemessung ausgehen, kann der Kläger eine hierüber hinausgehende Beihilfe nicht verlangen.
55Dabei ist zunächst klarzustellen, daß die vom Oberlandesgericht Koblenz vertretene Auffassung insoweit nicht von der Kammer in Frage gestellt wird, als in der angeführten Entscheidung dargelegt worden ist, es sei den Ärzten verwehrt, für die ärztlichen Verrichtungen unabhängig vom Einzelfall schematisch den höchsten Satz der Regelspanne anzusetzen. Diese Kritik an der allgemein üblichen, allerdings auch unbestritten rechtswidrigen Praxis der Ärzteschaft, wird von der Kammer geteilt. Es
56kann auch nach der hier vertretenen Auffassung keinem Zweifel unterliegen, daß die Festsetzung der Gebühr eine Ermessensbetätigung, des Arztes - entsprechend den Regelungen der §§ 315 f BGB - voraussetzt, die zumindest die schematische Festlegung auf den Höchstsatz der Regelspanne, wie sie auch im übrigen wieder bei der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Liguidation zu entnehmen ist, verbietet. Fraglich kann daher nur sein, ob sich das Ermessen im Regelfall auf den Gebührenrahmen der § 5 Abs. l Satz l, Abs. 3. Satz l GOÄ bezieht, wie dies, nach dem Verständnis der Kammer der Rechtsauffassung des Oberlandes- gerichts Koblenz entspricht, oder ob § 5 GOÄ mehrere Ermessensbereiche eröffnet, innerhalb derer der Arzt jeweils nach den Gegebenheiten des Einzelfalles unter unterschiedlichen Voraussetzungen die Gebührenberechnung vorzunehmen hat.
57Hierzu ist zunächst festzuhalten, daß dem — zutreffend als mißverständlich gekennzeichneten - Wortlaut des § 5 GOÄ ein "Mittelwert" der Art, wie dies vom Oberlandesgericht Koblenz dargelegt ist, nicht zu entnehmen ist. Erst recht vermag die Kammer nicht zu erkennen, warum die Worte "in der Regel" allein auf die Gebührenbemessung bei Fallgestaltungen bezogen sein sollen, die ihren Schwierigkeitsgrad, Zeitaufwand und der Umstände der Ausführung nach unterhalb des Mittelfalls angesiedelt sind. Wäre das wirklich die Intention der Regelung, hätte es der gesetzlichen Fixierung einer Gebührenspanne, die als Regelspanne ausdrücklich bezeichnet worden ist, ganz sicher nicht bedurft. Denn es liegt auf der Hand, daß eine Ermessensausübung fehlerhaft ist, die unter Vernachlässigung der in § 5 Abs. 2 Satz I GOÄ benannten Bemessungskriterien, für eine
58einfache ärztliche Verrichtung den Höchstwert des Gebührenrahmens ausnutzt. Daß leichte Tätigkeiten im Gebührenrahmen weniger hoch bewertet werden dürfen als schwierigste und komplikationsbehaftete Verrichtungen, bedarf keiner rechts- satzmäßig fixierten Regelung.
59Der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 2 GOÄ setzt vielmehr nach Überzeugung der Kammer innerhalb des Gebührenrahmens des § 5 Abs. l Satz l, Abs. 3 Satz l GOÄ für die Gebührenrechnung des Regelfalles einen besonderen Rahmen, fest, wobei den Worten in der Regel zum einen die Bedeutung zukommt, daß innerhalb, und zwar nur zwischen den Grenzwerten, die Gebühr festgesetzt werden darf, und weiter, daß als Regelfall die Tätigkeit anzusehen ist, die Gegenstand der Leistungsbeschreibung der einzelnen Gebührenziffer des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ ist. Diese von § 5 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3, Satz 2 GOÄ vorgenommene Einführung eines Bereichs innerhalb des Gebührenrahmens macht nur Sinn, wenn damit, ein diesbezügliches gesondertes ärztliches Ermessen eröffnet wird, das im Regelfall die Grenze der ärztlichen Gebührenbemessung umfaßt. Um über diese Spanne hinauszugehen, bedarf es dagegen des Vorliegens von Besonderheiten, das heißt, es müssen besondere Schwierig-keiten der Leistung, ein besonderer Zeitaufwand oder besondere Umstände bei der Ausführung der Leistung geltend gemacht werden. Das heißt mit anderen Worten, es müssen im Einzelfall Umstände hinzutreten, die die Verrichtung der von der jeweiligen Gebührenziffer umschriebenen Tätigkeit besonders prägen, so daß allein aus der dort gegebenen Umschreibung das konkrete ärztliche Tun nicht mehr erfaßt wird. Anders gewendet bedeutet das, daß eine - auch schwierige und zeitaufwendige - ärztliche Verrichtung nur innerhalb der Regelspanne abgerechnet werden darf, solange im Einzelfall diese Tätigkeit von den Leistungen des Gebührenverzeichnisses umfassend beschrieben wird. Eine in diesem Sinne schwierige Leistung darf höchstens mit dem obersten Wert der Regelspanne berechnet werden.
60Vgl. dazu: Amtsgericht Braunschweig, Urteil vom 01, Oktober 1984 - 119 C 2119/84 - NJW 85, 689
61mit Anmerkung Dedie. Landgericht Düsseldorf, Urteil vom. 10. Juni 1986.- 5 S 96/86 -NJW 86, - 2887 (2888); Amtsgericht Essen, Urteil vom 19. November 1987 - 20 C 5/87 - NJW 88, 1525; Amtsgericht Lüdenscheid, Urteil vom 24. November 1987 - 8 C 892/87 - NJW 88, 1526; Nar, Rechtsprechung, NJW 84, 2624; Dörner, keine ärztlichen Honorarvereinbarungen im AGB, NJW 87, 699; Schwabe, Zur ärztlichen; Privatliquidation, ZRP 87, 270!; wohl auch Hess. ZRP: 1989, 274, Mayer, Nochmals: Der Gebührenrahmen des § 5 GOA, ZRP 1988, 142.
62Mit dieser Interpretation kommt den Worten "in der Regel" in§ 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ auch eine mit dem Wortsinn zu vereinba-rende Bedeutung zu. Wenn nämlich die Leistungsbeschreibung derGebührennummer des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ als Regeltatbestand, angesehen wird, läßt sich die Bedeutung der Regelspannezwanglos darin erkennen, daß sie einen Rahmen für die jeweils-geschilderte ärztliche Verrichtung von der leichtesten bis zurschwierigsten Fallgestaltung für die Gebührenberechnung eröff-net. Demgegenüber vermag die Kammer bei Zugrundelegung derAuffassung des Oberlandesgerichts Koblenz nicht zu erkennen,welche "Regelhaftigkeit" in einer Tätigkeit unterhalb des"Mittelfalls" den Arzt, verpflichten soll, den Bereich derRegelspanne auszunutzen, wenn gleichzeitig die mit durchschnitt-licher Leistung und durchschnittlichem Zeitaufwand erbrachteTätigkeit, also geradezu der typische oder regelmäßige Gesche-hensablauf, als "Mittelfall" dem Bereich der "Regel" entzogenwird.
63Die von der Kammer vertretene Auffassung hat zudem den Vorteil, daß der Gebührenbereich oberhalb des Schwellenwertes gerade für solche - und nur für diese - Umstände zur Verfügung steht, die in den Regelbeschreibungen der - Nummern des Gebührenverzeichnisses - wegen der Vielfältigkeit der denkbaren Komplikationen nicht erwähnt werden und auch nicht benannt werden können. Das gilt insbesondere für die erheblichen Schwierigkeiten, die im Verlauf chirurgischer oder sonstiger operativer Eingriffe auftreten können, kann aber auch durch sonstige Schwierigkeiten bei der Ausführung oder der Leistung begründet sein, wie dies
64zum Beispiel in einem Rechtsstreit der Fall war
65vgl. Urteil vom 24. Juni 1988 - 3 K 759/87 -,
66in dem die intensivmedizinische Betreuung eines extrem untergewichtigen Neugeborenen abgerechnet worden war. Wollte man der Auffassung folgen, der gesamte Gebührenrahmen des § 5 Abs. 1 Satz l, Abs. 3 Satz l GOÄ stehe für jede Verrichtung des Gebührenverzeichnisses zur Verfügung, bliebe für solche den Tatbestand des Gebührenverzeichnisses überschreitende Komplikationen keine korrekte Möglichkeit der ärztlichen Rechnungs- legung, obwohl sich gerade hier die Überzeugung aufdrängt, daß die erhöhten Anforderungen an die ärztliche Tätigkeit ein leistungsgerecht erhöhtes. Entgelt erfordern.
67Dieses Verständnis des § 5 GOÄ wird auch durch die Entstehungsgeschichte der Bestimmung gestützt. In der amtlichen Begründung (BR-Drcks. 295/82} ist stets und eindeutig von einer Regel-spanne in dem Sinne die Rede, daß der Schwellenwert gerade nicht der Regelwert sein sollte. Die Überschreitung des Schwellenwerts setzt vielmehr "begründete, besonders gelagerte Fälle voraus, wogegen "bei mittlerer Schwierigkeit und durchschnittlichem Zeitaufwand eine Gebühr innerhalb der Spanne des l -2,3fachen (für Leistungen i. S. d. § 5 Abs. 2 GOÄ) zu bemessen" sei. Auch werden die Besonderheiten im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ dahin konkretisiert, daß sie sich im Einzelfall von "üblicherweise vorliegenden Umständen" unterscheiden müßten und diesen besonderen Umständen "nicht bereits in der Leistungsbeschreibung Rechnung getragen" worden sein dürfte. Insbesondere der letztgenannten Voraussetzung kommt dabei Gewicht zu, weil hier qualitativ ein die Regelverrichtung überschreitendes Begründungselement verlangt wird, soll der Schwellenwert übersehritten werden. Nach dem Begründungstext ist damit der Schwellenwert gerade nicht der Regelwert für eine Leistung mittlerer Schwierigkeit und durchschnittlichen Zeitaufwands, es wird vielmehr das, aus dem Wortlaut der Norm gewonnene Ergebnis bestätigt, daß die Spanne des § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ auch
68schwierige und aufaufwendige Regelverrichtungen umfaßt und der Schwellenwert hierfür der Höchstwert ist.
69Diese Sicht wird im übrigen durch - sozusagen authentische -Äußerungen der Bundesregierung belebt. Diese hat nicht nur in ihrem Bericht über die praktischen Erfahrungen bei der Anwendung der GOÄ (BR-Drcks. 625/85) nochmals entschieden klargestellt, daß die regelmäßig festzustellende Anwendung des Schwellenwertes unzulässig ist. Insbesondere im Rahmen der Einführung der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ), die erklärtermaßen den Grundsätzen der GOÄ nachgestellt ist, ist nochmals die Ünzulässigkeit eines Regelwertes betont sowie ausdrücklich klargestellt worden, daß für einen "in Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittlichen Normalfall die Gebühren nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3fachen Gebührensatz bemessen werden dürfen".
70Die von der Kammer vertretene Auffassung führt auch nicht zu unvertretbaren Ergebnissen. Ziel der Neufassung der Gebührenordnung für Ärzte war es, die Vergütungsberechnung der wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen. Dem wurde zum einen dadurch Rechnung getragen, daß dem medizinisch-technischen Fortschritt entsprechend die Gebührenpositionen ausgeweitet wurden, zum anderen dadurch, daß Maßstäb für die Bemessung der einfachen Gebühr der Durchschnittsbetrag aus der gesetzlichen Krankenversicherung ist, wie er zwischen den Krankenkassen und den ärztlichen Standesorganisationen ausgehandelt worden ist. Dabei heißt es von diesem Durchschnittsbetrag in der Normbe-gründung ausdrücklich, durch ihn würden "sowohl leichtere als auch schwierigere Leistungen vergütet". Diese hier offen angesprochene Bezugsgröße macht deutlich, daß der geringste Steigerungssatz der Regelspanne den Ärzten - gegenüber den Privatpatienten für sämtliche Verrichtungen in der Praxis -mindestens soviel zugesteht, wie sie dies im Rahmen der kassen-ärztlichen Abrechnung erwarten dürfen. Dabei ist noch zu beachten, daß bei Privatpatienten keinerlei Begrenzungen der Forderungshöhe durch die Regelungen der kassenärztlichen
71Abrechnung (§ 368 f der Reichversicherungsordnung) zu erwarten sind. Das angesichts dieser Berechnungsgrundlagen den Ärzten die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, bei privater Abrechnung stets das Doppelte (und mehr) des bei Kassenpatienten von den ärztlichen Standesorgänisationen als angemessen akzeptierten Betrags zu liquidieren, läßt sich - auch unter Berücksichtigung eines höheren Verwaltungsaufwands und geringerer Sicherheit der Forderungsdurchsetzung - schwerlich rechtfertigen.
72Schließlich wird das Ergebnis bestätigt durch die Begründungspflicht in § 12 Abs. 3 GOÄ. Der Verordnungsgeber geht davon aus, daß eine besondere Begründung des Inhalts erforderlich, ist, weil der Patient hier mit den Begründungsanforderungen des § 12 Abs. 2 GOÄ keine hinreichende Kontrollmöglichkeit bei Überschreiten des Schwellenwertes eingeräumt erhält, kann er nämlich bei Ausnutzung der Regelspanne anhand des Gebührenverzeichnisses und seiner persönlichen Erfahrung regelmäßig sehr wohl beurteilen, ob die Gebührenbemessung angemessen vorgenommen wurde (insoweit instruktiv die Fallgestaltung, die dem Urteil des Amtsgerichts Braunschweig, a. a. O. zugrundelag), so ist dies bei Überschreiten des Schwellenwertes gerade deshalb nicht möglich, weil das Gebührenverzeichnis zur G0Ä als objektiver Maßstab für die Angemessenheit der ärztlichen Ermessensbetätigung bei der Festsetzung der Gebühr nicht ausreicht. Es müssen deshalb aus der Rechnung die gebührenerhöhenden Umstände zu entnehmen sein, die zu den Leistungsbeschreibungen des Gebührenverzeichnisses hinzutreten. Ob dagegen die Regellei-stung im Einzelfall aus vom Arzt nicht zu vertretenden Umständen besonders zeitaufwendig war oder sich als besonders schwierig darstellte, kann der Patient aus eigener Erfahrung beurteilen, ohne daß dies in der Rechnung noch gesondert begründet werden muß.
73Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. l der Verwaltungsgerichtsordnung, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 der Verwaltungsgerichtsordnung in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozeßordnung.
74Die Berufung wird zugelassen, da der Auslegung des § 5 GOÄgrundsätzliche Bedeutung zukommt und obergerichtliche Recht-sprechung hierzu nicht vorliegt.
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