Beschluss vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 11 L 178/00
Tenor
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Die Anträge der Antragstellerin,
3den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin bis zu einer bestandskräftigen, rechtskräftigen oder klageabweisenden Entscheidung in der Hauptsache monatliche Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe des Regelsatzes ab Eingang dieses Antrages zu gewähren, und ihr für diesen Antrag Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G. aus H. zu bewilligen,
4haben keinen Erfolg.
51. Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist gemäß § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- in Verbindung mit §§ 114 ff der Zivilprozeßordnung abzulehnen, da die Rechtsverfolgung keinen Erfolg hat, wie den nachfolgenden Ausführungen zu entnehmen ist. 2. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei dient die einstweilige Anordnung lediglich der Sicherung von Rechten, nicht aber ihrer Befriedigung. Sie kann deshalb nur ergehen, wenn die Antragstellerin glaubhaft macht, dass ihr ein bestimmter Anspruch zusteht (Anordnungsanspruch), dieser gefährdet ist und durch vorläufige Maßnahmen gesichert werden muß (Anordnungsgrund). Hierbei ist ein Abweichen von dem Grundsatz, dass die einstweilige Anordnung das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens nicht vorwegnehmen darf, nur für den Fall anzuerkennen, dass ein wirksamer Rechtsschutz in der Hauptsache nicht zu erreichen ist und dies für die Antragstellerin zu schlechthin unzumutbaren Folgen führen würde. Soweit die Antragstellerin mit dem zeitlich für die Zukunft nicht eingegrenzten Antrag die Bewilligung von Sozialhilfeleistungen über das Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren hinaus begehrt, ist kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Denn es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, dass es gegenwärtig einer Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen durch eine einstweilige Anordnung für einen Zeitraum in der Zukunft über das Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung hinaus bedarf. Sozialhilfe ist keine rentengleiche Dauerleistung. Sie dient lediglich der Behebung einer gegenwärtigen Notlage und wird daher von der Sozialhilfebehörde jeweils nur für einen bestimmten Zeitraum - in der Regel für einen Monat - bewilligt, weil sich die Anspruchsvoraussetzungen z.B. hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Hilfesuchenden ändern können. Dies muß von der Sozialhilfebehörde, soweit es darauf ankommt, bei der Entscheidung über die Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt berücksichtigt werden.
6Bezüglich des Zeitraums vom 27. Januar 2000 bis 30. Juni 2000 hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
7Gemäß § 2 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes -BSHG- erhält Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen kann. Eine Konkretisierung der Selbsthilfemöglichkeiten regelt § 18 Abs. 1 BSHG. Danach muß jeder Hilfesuchende seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich einsetzen.
8Die im Jahre 1962 geborene Antragstellerin ist nach Auffassung der Kammer gehalten, ihren Lebensunterhalt durch eigene Tätigkeit sicherzustellen.
9Der Anwendung des § 18 Abs. 1 BSHG steht vorliegend auch nicht § 18 Abs. 3 BSHG entgegen. Danach darf dem Hilfesuchenden u.a. eine Arbeit nicht zugemutet werden, wenn der Arbeit oder Arbeitsgelegenheit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht. Der Begriff des wichtigen Grundes" in § 18 Abs. 3 Satz 1 BSHG ist aus dem Regelungszusammenhang des Gesetzes und der Zielsetzung der Vorschrift heraus auszulegen, insbesondere also aus dem Grundsatz der Pflicht zur Beschaffung des Lebensunterhalts durch Arbeit (§ 18 Abs. 1 BSHG) und dem Gewicht der ausdrücklich in Absatz 3 genannten Ausnahmen von diesem Grundsatz.
10Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 4. März 1993 -5 C 13/89-, Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs-und Sozialgerichte 44,221.
11Nur wenn anderenfalls der Hilfesuchende nicht im Sinne von § 1 Abs. 2 BSHG in der Lage wäre, unter zumutbarem Einsatz seiner Kräfte unabhängig von Sozialhilfe ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht, kann die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt während einer Ausbildung in Betracht kommen. Das ist bei der inzwischen 37 Jahre alten Antragstellerin nicht der Fall.
12Die Antragstellerin, die seit dem Sommersemester 1984 Romanistik studiert hatte, absolvierte nach ihren am 4. Januar 2000 beim Antragsgegner gemachten Angaben dieses Studium seit 5 Jahren nicht mehr und stellte ihren Lebensunterhalt durch verschiedene Tätigkeiten sicher. Sofern die Antragstellerin als Grund für den Abbruch des Studiums die Krankheit ihres Vaters ins Feld führt, gilt diese Angabe nur bedingt. Denn zum Zeitpunkt der Erkrankung ihres Vaters -ausweislich des ärztlichen Attestes im Dezember 1991- befand sich die Antragstellerin schon im 16. Semester, hatte die Förderungshöchstdauer gemäß §§ 15a Abs. 1 Nr. 2a, 16 Abs. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bereits um 5 Semester überschritten, ohne einen Abschluß des Studiums zu erlangen. Die Antragstellerin war somit nach eigenen Angaben während eines Zeitraums von 5 Jahren bis zur Aufnahme der als berufliche Weiterbildungsmaßnahme durch das Arbeitsamt geförderten Ausbildung zur Mediengestalterin für Digital- und Printmedien in der Lage, ihren Lebensunterhalt durch diverse Tätigkeiten selbst sicherzustellen. Dass ihr dies nicht auch im entscheidungserheblichen Zeitraum möglich gewesen wäre, hat sie selbst nicht behauptet und dafür ist auch nichts ersichtlich. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner der Antragstellerin im Laufe dieses Verfahrens Arbeitsangebote unterbreitet hat, die zu einer einjährigen Beschäftigung geführt hätten, so dass die Antragstellerin dann in den Genuß von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch III -SGB III- gekommen wäre, sei es als Leistungen nach § 117 SGB III -Arbeitslosengeld-, sei es als Unterhaltsgeld gemäß § 153 SGB III bei einer Teilnahme an einer Weiterbildungsförderung.
13Der Antragstellerin ist es nach Auffassung der Kammer bei wertender Betrachtung ihres bisherigen Bildungsweges durchaus zuzumuten, zunächst einer versicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen, um hierdurch die Voraussetzungen zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB III zu schaffen. Denn sie hat mit dem Entschluß, eine andere Ausbildung zu betreiben, derart lange zugewartet, dass eine Notwendigkeit zur sofortigen Durchführung weder glaubhaft gemacht worden noch ersichtlich ist.
14Der Wunsch der Antragstellerin nach einer sinnvollen Ausbildung, die ihren Neigungen entspricht, hat auch nicht das gleiche Gewicht wie die ausdrücklich in § 18 Abs. 3 BSHG anerkannten Ausnahmetatbestände, bei denen persönliches Unvermögen des Hilfesuchenden, der Bestandsschutz seines Berufs oder eine familienbedingte Pflichtenkollision eine Arbeit als unzumutbar erscheinen lassen. Dies gilt selbst bei einbeziehender Würdigung des in Art. 12 des Grundgesetzes gewährleisteten Grundrechts auf freie Berufswahl. Denn die Antragstellerin muß ihren Wunsch auf eine Ausbildung nicht endgültig aufgeben, sondern nur solange zurückstellen bis sie durch weitere Berufstätigkeit die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen des SGB III erfüllt, um sodann mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung z.B. im folgenden Jahr die geplante Ausbildung aus möglicherweise dann zusätzlich gebildeten Rücklagen zu finanzieren bzw. Unterhaltsleistungen durch das Arbeitsamt zu erhalten.
15Auch der Hinweis der Antragstellerin, dass andere Kursteilnehmer Leistungen vom Sozialamt erhielten, verhilft ihrem Begehren nicht zum Erfolg. Denn die Frage, ob ein wichtiger Grund im Sinn des § 18 Abs. 3 BSHG vorliegt, ist jeweils am konkreten Einzelfall zu entscheiden, so dass schon offen ist, ob überhaupt eine Vergleichbarkeit mit der Situation der Antragstellerin vorliegt.
16Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 VwGO.
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