Beschluss vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 17 L 289/01
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Der Antrag,
2den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragstellern für den Zeitraum ab Eingang des Antrags bei Gericht bis zum Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung Grundleistungen gemäß § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes - AsylbLG - zu gewähren,
3hat keinen Erfolg.
4Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Danach kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn ein Anordnungsgrund, d. h. die besondere Eilbedürftigkeit der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes, und das Bestehen des geltend gemachten Anspruches (sog. Anordnungsanspruch) glaubhaft gemacht worden sind (§ 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Daran fehlt es hier. Der Antrag hat jedenfalls mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches keinen Erfolg.
5Die 1966 und 1971 geborenen Antragsteller, Roma aus (Rest-)Jugoslawien, zählen zu dem in § 1 AsylbLG genannten Personenkreis, der (nur) nach diesem Gesetz leistungsberechtigt ist. Dies folgt bereits aus § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG. Denn der Aufenthalt der Antragsteller wird derzeit gemäß § 55 des Ausländergesetzes - AuslG - geduldet. Darüber hinaus ist auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG erfüllt, denn die Antragsteller sind - da sie nicht über eine erforderliche Aufenthaltsgenehmigung verfügen, vgl. § 42 Abs. 1 AuslG, und unerlaubt eingereist sind, vgl. § 58 Abs. 1 AuslG - vollziehbar ausreisepflichtig.
6Der demnach grundsätzlich gegebene Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG ist hier nach § 1a Nr. 1 AsylbLG eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 und ihre Familienangehörigen nach § 1 Nr. 6, die sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen, Leistungen nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist.
7Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Anspruchseinschränkung liegen nach Überzeugung der Kammer mit der in dem vorliegenden, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Verfahren erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit vor.
8Die dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnisse, die im wesentlichen auf eigenen Angaben der Antragsteller im Verwaltungsverfahren sowie im gerichtlichen Verfahren beruhen, lassen mit hinreichender Gewissheit den Schluss zu, dass die Antragsteller eingereist sind, um im Bundesgebiet Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Dabei geht die Kammer im Anschluss an die zu der inhaltsgleichen Regelungen in § 120 Abs. 3 Satz 1 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG - ergangene Rechtsprechung,
9vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 4. Juni 1992 - 5 C 22/87 -, BVerwGE 90, 212; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 27. November 1997 - 8 A 7050/95 -, FEVS 48, 541,
10davon aus, dass der auch nach § 1a Nr. 1 AsylbLG erforderliche finale Zusammenhang zwischen der Einreise und der Erlangung der Leistungen (um ... zu") nicht nur dann besteht, wenn der Wille, Sozialhilfeleistungen (hier: Leistungen nach dem AsylbLG) zu erlangen, der einzige Grund ist. Beruht die Einreise des Ausländers auf verschiedenen Motiven, ist das Erfordernis des finalen Zusammenhangs auch erfüllt, wenn der Zweck der Inanspruchnahme von Sozialhilfe für den Einreiseentschluss von prägender Bedeutung gewesen ist. Die Möglichkeit, auf Sozialhilfeleistungen (hier: Leistungen nach dem AsylbLG) angewiesen zu sein, muss, sei es allein, sei es neben anderen Gründen, in besonderer Weise prägend gewesen sein. Es genügt nicht etwa, dass der Sozialhilfebezug beiläufig verfolgt oder anderen Einreisezwecken untergeordnet und in diesem Sinne (nur) billigend in Kauf genommen wird.
11Hieran gemessen erweisen sich die im vorliegenden Fall zu würdigenden Indizien für die Annahme eines derartigen finalen Zusammenhanges als ausreichend. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Antragsteller eigenen Angaben zufolge nach Bezahlung des Schleppers, der sie in das Bundesgebiet geschleust hatte, nicht mehr über nennenswerte finanzielle Mittel verfügten, weshalb sie bereits 8 Tage nach ihrer Einreise beim Sozialamt des Antragsgegners vorstellig wurden. Das Vorbringen des Antragstellers zu 1., der lediglich fünf Schulklassen durchlaufen hat, er habe angenommen, möglichst bald erwerbstätig werden zu können, ist mit Rücksicht auf die seit langem - vor allem für ungelernte Arbeitskräfte ohne deutsche Sprachkenntnisse - schwierigen Arbeitsmarktverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland, die auch im Ausland kaum verborgen geblieben sein dürften, schon für sich genommen wenig nachvollziehbar. Der große Flüchtlingsstrom aus Jugoslawien in die Bundesrepublik Deutschland hat in jüngster Vergangenheit vielmehr verdeutlicht, dass in Jugoslawien weitreichende Kenntnisse über die die Einreisenden betreffenden Strukturen in Deutschland bestehen. Hinzu tritt im vorliegenden Fall, dass die Antragsteller sich - wiederum eigenen Angaben zufolge - direkt und ohne Zwischenaufenthalt zu in S. von Leistungen nach dem AsylbLG lebenden Verwandten begeben haben. Bestand mithin schon vor der Einreise Kontakt zu anderen im Bundesgebiet lebenden Ausländern, kann das Gericht den Antragstellern deren angebliche Unkenntnis der Hinderungsgründe für die sofortige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch in Ansehung der diesbezüglichen eidesstattlichen Versicherung nicht abnehmen. Dabei kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Ausreise allem Anschein nach nicht spontan erfolgte, sondern geplant und vorbereitet war; hierfür spricht maßgeblich der Umstand, dass die Antragsteller, die bereits seit dem Jahr 1990 verheiratet sind, sich am 12. September 2000, also einige Wochen vor der Ausreise, eine Heiratsurkunde haben ausstellen lassen.
12Waren sich die Antragsteller demnach bei der Einreise dessen bewusst, für einen unbestimmten, gewiss aber längeren Zeitraum auf Sozialleistungen angewiesen zu sein, so ist andererseits ein anderer, ihre Motivation prägender Grund für die Einreise nicht nachvollziehbar dargelegt, was indessen - da es sich insoweit um in das Wissen allein der Antragsteller gestellte Umstände handelt - diesen obliegen würde.
13Vgl. hierzu OVG Berlin, Beschluss vom 12. November 1999 - 6 SN 203.99 -, FEVS 51, 267; weitergehend Deibel, Leistungsausschluss und Leistungseinschränkung im Asylbewerberleistungsrecht, ZFSH/SGB 1998, 707 (712 f.), der für den hier nicht vorliegenden Fall eines non liquet sogar eine den Ausländer treffende Beweislast annimmt.
14Soweit die Antragsteller auf eine allgemeine Bedrohung der Roma in Jugoslawien hinweisen, ist dem zunächst entgegen zu halten, dass von einer in der Antragsschrift angesprochenen in Serbien bekanntermaßen bestehenden Roma- Verfolgung" keine Rede sein kann. Schon gar nicht kann eine solche Verfolgung als gerichtsbekannt" bezeichnet werden. Vielmehr ist dem Gericht bekannt, dass die mit den Asylverfahren (rest-) jugoslawischer, aus Serbien stammender Roma befassten Gerichte das Vorliegen einer an die Volkszugehörigkeit anknüpfenden Verfolgung in ständiger Rechtsprechung bislang stets verneint haben. Dass sich an den tatsächlichen Grundlagen dieser Einschätzung in jüngster Zeit zum Nachteil der Roma etwas geändert hätte, machen die Antragsteller selbst nicht geltend. Zudem müssen sie sich entgegen halten lassen, dass sie nach anwaltlicher Beratung bewusst von der Stellung eines Asylantrages abgesehen haben, weil sie einem derartigen Antrag keine Erfolgsaussichten beimessen. Die Kammer sieht keinen Anlass, von dieser eigenen Einschätzung der Antragsteller abzuweichen, zumal auch deren Familie - naheliegenderweise ebenfalls Roma - weiterhin in Serbien verblieben ist.
15Soweit der Antragsteller zu 1. ferner angibt, er werde polizeilich gesucht, weil er einer Einberufung des serbischen Militärs nicht gefolgt sei, und diese Behauptung in einen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Serben und Albanern im Kosovo zu stellen versucht, ist dies nicht nur unsubstantiiert, sondern auch deshalb in keiner Weise nachvollziehbar, weil die Ausreise lange Zeit nach dem Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen erfolgte und die Antragsteller nach eigenen Angaben und auch ausweislich der Eintragungen in der Heiratsurkunde nicht aus dem Kosovo, sondern aus dem serbischen Knjazevac stammen.
16Muss die Kammer mithin in Ermangelung eines anderen nachvollziehbar dargelegten oder sonst ersichtlichen Grundes davon ausgehen, dass die Antragsteller in das Bundesgebiet eingereist sind, um Leistungen nach dem AsylbLG zu erhalten, können sie gemäß § 1a AsylbLG nur die im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar gebotenen Leistungen" erhalten. Die Frage, was unter diesem unbestimmten Rechtsbegriff zu verstehen ist, wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und auch in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Dabei wird zum Teil angenommen, § 1a AsylbLG verpflichte die Behörde jedenfalls zur Gewährleistung des Existenzminimums im Inland, vgl. Gemeinschaftskommentar zum AsylbLG (GK-AsylbLG), § 1a Rdnrn. 140 ff.; Hess. VGH, Beschluss vom 17. Februar 1999 - 1 TZ 136/99 -, FEVS 51, 223; VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 14. September 1999 - 19 L 2044/99 -, abgedruckt in GK-AsylbLG, VII zu § 1a (VG - Nr. 16) und vom 21. Oktober 1999 - 19 L 2368/99 -, abgedruckt in GK- AsylbLG, VII zu § 1a (VG - Nr. 19),
17wohingegen sich die Leistungspflicht nach anderer Auffassung in der Übernahme der Reisekosten erschöpfen kann.
18Vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 12. November 1999 - 6 SN 203.99 -, FEVS 51, 267; VG Berlin, Beschluss vom 14. Januar 1999 - 18 A 712.98 -, NVwZ 1999 Beilage Nr. 4, S. 38;
19Das OVG NRW hat diese Frage - soweit ersichtlich - bislang offen gelassen.
20Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 16 B 1966/99 -; allerdings gehört jedenfalls der Geldbetrag gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG nicht zu den unabweisbar gebotenen Leistungen, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 1999 - 24 B 1088/99 -.
21Die Kammer teilt die Auffassung der 2. Kammer des beschließenden Gerichts,
22vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 12. Oktober 2000 - 2 L 1993/00 - und vom 5. Juli 2000 - 2 L 1281/00 -,
23wonach dann, wenn eine freiwillige Rückkehr in das Herkunftsland möglich und zumutbar ist, nicht Leistungen, die den Antragstellern ein Weiterleben im Bundesgebiet ermöglichen, sondern lediglich die vom Antragsgegner angebotenen Leistungen für eine Rückkehr nach Jugoslawien in Form einer Fahrkarte sowie einer Überbrückung für die Zeit bis zur Beschaffung einer solchen im Sinne des § 1a AsylbLG unabweisbar geboten sind.
24Diese Auslegung folgt aus einer Würdigung des gesetzgeberischen Zwecks der Regelung sowie aus systematischen Erwägungen und steht schließlich auch nicht in Widerspruch zum Wortlaut der Norm, die bewusst dem § 120 Abs. 3 BSHG nachgebildet worden ist.
25Vgl. BT-Drucks. 13/10155, S. 5.
26Danach haben Ausländer, auf die nicht die Vorschriften des AsylbLG, sondern die des - weiterreichende Leistungen vorsehenden - BSHG Anwendung finden, und die sich in die Bundesrepublik Deutschland begeben haben, um Sozialhilfe zu erlangen, keinen Anspruch auf Leistungen. Die Einführung einer eigenständigen gesetzlichen Regelung der Sozialleistungen für Asylbewerber und die weiteren in § 1 AsylbLG genannten Personengruppen durch das AsylbLG, in dem eine dem § 120 Abs. 3 BSHG vergleichbare Regelung zunächst fehlte, bewirkte eine Privilegierung des genannten Personenkreises, die dem Gesetzgeber aber nicht wünschenswert erschien, weil es sich gerade bei diesem Personenkreis, anders als bei denjenigen Ausländern, auf die die Vorschriften des BSHG Anwendung finden, (zumindest zum Teil) um solche Ausländer handelt, die sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Diese Erkenntnis war Anlass für die Einführung des § 1a AsylbLG im Jahr 1998.
27Vgl. BT-Drucks. 13/10155, S. 5.
28Auch wenn die gewählte Formulierung von der des § 120 Abs. 3 BSHG abweicht und auch die amtliche Überschrift nicht von einem Anspruchsausschluss, sondern von einer Anspruchseinschränkung spricht, zwingt dies nach Auffassung der Kammer nicht zu der Annahme, dass lediglich eine Kürzung der Leistungen, nicht jedoch eine Versagung der laufenden Unterstützung erfolgen dürfte. Denn es darf nicht verkannt werden, dass der Gesetzgeber sich bei der Fassung des § 1a AsylbLG eines sozialhilferechtlichen Fachbegriffes bedient hat, der bereits in anderen Vorschriften, etwa in § 120 Abs. 5 Satz 1 BSHG, § 11 Abs. 2 AsylbLG oder in § 3a Abs. 1 des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler - WoZuG -, Verwendung gefunden und durch Rechtsprechung und Schrifttum in dem Sinne eine klare Konturierung erfahren hatte, dass als unabweisbar geboten" in aller Regel nur die Reise- und Verpflegungskosten angesehen werden können.
29Vgl. Birk in: Lehr- und Praxiskommentar Bundessozialhilfegesetz (LPK-BSHG), 5. Auflage 1998, § 120 Rdnr. 36; Fasselt, in: Fichtner, BSHG, 1999, § 120 Rdrn. 16; BayVGH, Beschluss vom 14. August 1996 - 12 CE 96.1751 -, FEVS 47, 77; VGH Bd.-Wtt., Beschluss vom 17. Januar 1997 - 6 S 3007/96 -, FEVS 47, 564.
30Angesichts der Verwendung dieses spezifisch sozialhilferechtlichen Fachbegriffes muss es sich aufdrängen, bei der Anwendung des § 1a AsylbLG auf die Rechtsprechung zu den Parallelvorschriften zurückzugreifen.
31Vgl. Deibel, ZFSH/SGB 1998, 707 (714).
32Die hier vertretene Auslegung entspricht damit zugleich dem mit der Einfügung des § 1a AsylbLG verfolgten gesetzgeberischen Zweck, einer ungewollten Privilegierung sich illegal im Bundesgebiet aufhaltender, das hiesige System der sozialen Sicherung missbrauchender Ausländer wirksam zu begegnen. Wenn schon die genannten Parallelvorschriften ermöglichen, durch Beschränkung der Leistungen auf die Fahrtkosten auf den Willen von sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Ausländern, die sich über eine räumliche Zuweisung oder Beschränkung hinwegsetzen, Einfluss zu nehmen, so kann dies im Grundsatz erst recht für Ausländer gelten, die sich - wie die Antragsteller - illegal im Bundesgebiet aufhalten.
33Die amtliche Überschrift des § 1a AsylbLG (Anspruchseinschränkung"), deren Wortlaut sich im Normtext nicht wieder findet, gebietet nicht eine gegenteilige Sicht. Zum einen erscheint es begrifflich nicht ausgeschlossen, dass eine Einschränkung bis hin zu einer Einschränkung auf Null" reichen kann. Zum anderen vermag die beschließende Kammer auch nicht die Einschätzung zu teilen, dass die Verwendung des Begriffes Anspruchseinschränkung" statt Ausschluss" auf ein von § 120 Abs. 3 BSHG grundsätzlich abweichendes Regelungskonzept schließen ließe.
34So aber die 19. Kammer des Gerichts, vgl. Beschlüsse vom 14. September 1999 - 19 L 2044/99 - und vom 21. Oktober 1999 - 19 L 2368/99 -, jeweils a.a.O.
35Denn in Bezug auf § 120 Abs. 3 BSHG ist geklärt, dass die Behörde in den Fällen, in denen ein Anspruch auf Leistungen nach dem BSHG nicht besteht, gleichwohl nach Ermessen über eine weitere, ggf. eingeschränkte Leistung zu entscheiden hat.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1987 - 5 C 32.85 -, BVerwGE 78, 314.
37Die hierdurch gewährleistete, wohl auch verfassungsrechtlich gebotene Würdigung der Einzelfallumstände findet in § 1a AsylbLG insoweit eine Entsprechung, als es dort heißt: ... soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist". Regelungstechnisch unterscheidet sich diese Regelung von § 120 Abs. 3 BSHG dadurch, dass hier ein unbestimmter Rechtsbegriff gewählt wurde, der unabhängig von der Begründung der behördlichen Entscheidung voller gerichtlicher Überprüfung zugänglich ist , während § 120 Abs. 3 BSHG der Behörde Ermessen einräumt, was häufig zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit der Entscheidung führen kann. Trotz dieser unterschiedlichen Regelungstechnik unterscheiden sich die beiden Vorschriften mithin in materieller Hinsicht nicht.
38Die Kammer teilt die Einschätzung des Antragsgegners, dass eine über die Bereitstellung der Fahrtkosten hinausgehende Unterstützung im Falle der Antragsteller nicht im Sinne des § 1a AsylbLG unabweisbar geboten ist. Hierfür ist zunächst maßgeblich von Bedeutung, dass die derzeitige Duldung der Antragsteller ausweislich des in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Ausweisersatzes der Antragsteller ausschließlich auf einem tatsächlichen Abschiebungshindernis im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG, nicht aber auf einem rechtlichen Abschiebungshindernis, auf einem Duldungserlass gemäß §§ 53 Abs. 6, 54 AuslG oder gar auf dringenden persönlichen oder humanitären Gründen im Sinne von § 55 Abs. 3 AuslG beruht. Die Antragsteller haben auch sonst keine Umstände glaubhaft gemacht, aus denen sich ergeben würde, dass einer freiwilligen Rückkehr rechtliche oder tatsächliche Hinderungsgründe entgegen stünden oder diese unzumutbar erschiene. Auch wenn eine Abschiebung nach Serbien in Ermangelung eines diesbezüglichen Rückübernahmeabkommens tatsächlich nicht möglich ist und eine Abschiebung von Roma-Volkszugehörigen in den Kosovo nach derzeitiger Erlasslage nicht vorgesehen ist, stehen einer freiwilligen Rückkehr keine ernstlichen Hinderungsgründe entgegen, da nach Kenntnis des Gerichts durchaus (reger) Reiseverkehr zwischen den Bundesrepubliken Deutschland und Jugoslawien stattfindet, ohne dass es hierzu der Existenz eines Rückübernahmeabkommens bedürfte. Die Antragsteller vermögen diese Einschätzung schon deshalb nicht zu widerlegen, da sie augenscheinlich nicht einmal einen Versuch unternommen haben, in ihre Heimat zurückzukehren. Besondere persönliche Umstände, die einer Rückkehr gegenwärtig entgegen stehen könnten, sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Ebenso wenig haben sie Referenzfälle glaubhaft gemacht, die den Schluss auf eine fehlende Rückkehrmöglichkeit zulassen.
39Indem der Antragsgegner die Antragsteller bereits mit förmlichem Bescheid vom 22. Januar 2001 über die Leistungseinstellung zum 1. Februar 2001 in Kenntnis gesetzt hat, war zugleich sicher gestellt, dass die Antragsteller mit Hilfe des für den Rest des Monats bereits ausgezahlten Leistungsbetrages auch die Verpflegungskosten während der Heimreise hätten bestreiten können.
40Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
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