Urteil vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 8 K 6633/99
Tenor
Soweit die Klage zurückgenommen und soweit das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Die Ziffern 10 bis 19 der Nebenbestimmungen in dem Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 22. September 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E. vom 9. Dezember 1999 werden aufgehoben. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 2/5 und der Beklagte zu 3/5.
Berufung und Revision werden zugelassen.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Auflagen zu einem Genehmigungsbescheid nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG -, mit der der Beklagte der Klägerin kontinuierliche Messungen an der Entstaubungsanlage der Schredderanlage auf dem Betriebsgelände der Klägerin S. Straße in F. - L. aufgab.
3Mit Schreiben vom 17. Juni 1996 beantragte die Klägerin eine Genehmigung zur Änderung ihrer Schredderanlage auf dem Betriebsgelände S. Straße in F. - L. durch Errichtung und Betrieb einer zusätzlichen Entstaubungsanlage und einer Absiebanlage. Die Klägerin wollte zusätzlich zu der bestehenden Naßabscheidungsentstaubungsanlage eine Trockenentstaubungsanlage in den Schredder einbauen, da sie in dem Schredder zu 90 % Bleche und Elektromotoren verarbeitete, bei deren Verarbeitung keine Verpuffungen (wie beim Schredder von Altautos infolge von Benzinrückständen u.a.) zu erwarten seien, und sie daher für diese Materialien die Verwendung des Naßabscheiderverfahrens nicht für erforderlich hielt. Durch die Absiebanlage beabsichtigte die Klägerin, aus dem Schreddermaterial die Eisen- und Kupferfraktionen auszusieben und zu verwerten. Die Filteranlage beim Schredder sollte mit einem Volumenstrom von 50.000 m3/h, die bei der Absiebanlage mit 15.000 m3/h betrieben werden.
4In einem Untersuchungsbericht vom 1. Februar 1996 hatte das Umweltamt der Stadt F. festgestellt, daß Proben von ungewaschenem Grünkohl aus der dem Betriebsgelände benachbarten Kleingartenanlage F1. deutlich erhöhte PCB- Gehalte (gegenüber dem normalerweise im Ruhrgebiet zu erwartenden PCB-Gehalt) aufwiesen und daß dies in Anbetracht der geringen Bodenbelastungen (mit PCB) auf eine aktuell erhöhte Immission dieser Schadstoffe hindeute. Eine Gesundheitsgefährdung lasse sich aus den Untersuchungsergebnissen allerdings nicht unmittelbar ableiten. Als bedenklich würden aber insbesondere die deutlich erhöhten PCB-Konzentrationen der untersuchten Grünkohl- und Sedimentproben angesehen. In einer Besprechung mit Vertretern des Landesumweltamtes vom 22. August 1996 führten diese hierzu aus, daß für eine Immissionssituation Verpuffungen in einem Schredder mit den damit verbundenen Immissionen nicht entscheidend seien, sondern daß es der beständige tägliche Immissionsbeitrag bringe. Schredderleichtmüll sei, soweit die Möglichkeit von Verwehungen gegeben sei, schlechthin die PCB-Emissionsquelle und nicht der Betrieb des Schredders im engeren Sinne. Vor diesem Hintergrund sei die Umsetzung der Forderung, Schredderleichtmüll abzuplanen oder in geschlossenen Behältnissen zu lagern, zwingend. Seitdem im Fall einer anderen Firma in S1. der Schredderleichtmüll in einem Bunker gelagert würde, habe sich eine erhebliche Verminderung der PCB-Emissionen und -Immissionen ergeben. Das Landesumweltamt stellte in den Jahren 1996, 1997 und 1998 eigene Versuche mit Grünkohlpflanzen in der Umgebung des Betriebsgeländes S. Straße in F. -L. an. Nach einem Bericht vom 26. Februar 1997 über die Ergebnisse in der Vegetationsperiode 1996 waren die PCB-Gehalte in Grünkohlpflanzen, die nach einem standardisiertem Verfahren in sieben Gärten im Umgebungsbereich der Betriebsstätten im Herbst 1996 exponiert worden waren, gegenüber unbelasteten Standorten deutlich erhöht. Der zulässige Wert an Belastung mit PCB von einem Mykrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag werde jedoch bei einem unterstellten Gemüseverzehr von 20 g Trockensubstanz pro Tag und einem angenommen Körpergewicht von 60 kg nicht überschritten. Diese Aussagen wurden in den Berichten vom 3. März 1998 über die Untersuchung von Pflanzen der Vegetationsperiode 1997 und vom 8. April 1999 für die Anbauperiode 1998 im wesentlichen bestätigt.
5Nach einem Bericht der DMT-Gesellschaft für Forschung und Prüfung mbH vom 8. Januar 1997 betrug bei einer Messung am 3. Dezember 1996 der Volumenstrom in der Abluft der Schredderanlage beim Einsatz von Mischschrott tatsächlich 39.335 m3/h, beim Einsatz von Elektroschrott 35.433 m3/h. In der Absiebanlage betrug er 11.495 m3/h. Beim Einsatz von Elektroschrott (Fahrweise mit Schlauchfilter) wurde in 2 von 4 Proben eine Staubkonzentration von 0,7 mg/m3 gemessenen, in einer eine Konzentration von 0,5 mg/m3 und in einer eine Konzentration von 0,3 mg/m3.
6In einem ersten Entwurf des Genehmigungsbescheides vom 24. April 1997 sah der Beklagte bereits in den Nebenbestimmungen 10 bis 19 die Anordnung einer kontinuierlichen Abgasmessung unter Hinweis auf die Bestimmung des § 29 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und den Abgasvolumenstrom von 50.000 m3/h beim Schredder bzw. 15.000 m3/h beim Betrieb der Absiebanlage vor. Die Klägerin nahm hierzu mit Schreiben vom 20. Mai 1997 wie folgt Stellung: Die tatsächlichen Abgasvolumenströme seien geringer als die bauartlich möglichen, wie sich aus dem Bericht der DMT vom 8. Januar 1997 ergebe. Außerdem sei eine Addition der Abgasvolumenströme der Schredderanlage und der Absiebanlage nicht sachgerecht, da es sich im Hinblick auf das Emissionsverhalten um zwei selbständige Anlagen handele und darüber hinaus ausschließlich für eine der beiden Anlagen eine kontinuierliche Messung verlangt werde. Die Vorgaben der TA-Luft für die Anordnung kontinuierlicher Messungen beim Betrieb der Schredderanlage würden um ein vielfaches unterschritten. Die TA-Luft sehe kontinuierliche Messungen ab einem Immissionsmassenstrom an staubförmigen Stoffen von 2 kg/h als erforderlich an. Demgegenüber würde die vorliegende Anlage bei der überwiegenden Verarbeitung von Elektromotoren 0,035 kg/h Staub emittieren. Beim seltenen Einsatz von Mischschrott würden maximal 0,69 kg Staub pro Stunde emittiert. Außerdem würden die in der Zulassung des vorzeitigen Beginns festgelegten Grenzwerte für Staub im Reingas der Schredderentstaubungsanlage von 5 mg/m3 sehr deutlich unterschritten. Beim Einsatz von Elektromotoren betrüge der Maximalwert 0,7 mg/m3, beim Einsatz von Mischschrott weniger als die Hälfte. Außerdem verstoße die Anordnung einer kontinuierlichen Messung gegen den Gleichheitsgrundsatz. Bislang sei kein Schredderbetreiber in der Bundesrepublik Deutschland oder in Europa dazu verpflichtet worden, kontinuierliche Immissionsmessungen durchzuführen. Die Anlage gehöre zu den kleineren Schredderanlagen, für die die sensibelsten Immissionsgrenzwerte bundesweit gelten, die darüber hinaus bis zum Faktor 10 unterschritten würden. Immissionsmessungen in gewissen Abständen von ca. ein bis zwei Jahren seien ausreichend, um das Immissionsverhalten der Schredderanlage überprüfen und beurteilen zu können. Nach Angaben der Klägerin wird die Filteranlage (am Schredder) elektronisch überwacht, um einen störungsfreien Betrieb zu gewährleisten. Sollte es dennoch zu einer Störung innerhalb des Systems kommen, werde eine optische und akustische Störmeldung an das Bedienungspersonal weitergeleitet. Parallel dazu werde die weitere Produktion (durch elektrische Verriegelung) sofort gestoppt, damit keine erhöhten Immissionen aus der Anlage emittieren könnten. Erst nach vollständiger Behebung der Störung könne die Filteranlage wieder in Betrieb genommen und die Produktion wieder aufgenommen werden.
7Einem Vermerk des Beklagten vom 24. Juni 1997 zufolge ergab die Überprüfung der Absiebanlage, daß von ihr Staubemissionen verursacht würden, die über jedes tolerierbare Maß hinausgingen. Die Klägerin plante daraufhin die Absiebanlage zu ändern, indem sie den Aufgabebereich komplett umgestaltete. Die zu verarbeitenden kupferhaltigen Rückstände würden in einem allseits umschlossen Aufgabebunker aufgegeben. Vom Aufgabebunker sollte das Material dann mittels eines Radladers zur Absiebanlage befördert werden. In dem Aufgabebunker selbst sollte ebenfalls eine Entstaubungsanlage mit einem Betriebsvolumenstrom von 3.400 m3/h installiert werden.
8In einem weiteren Entwurf vom 29. August 1997 hielt der Beklagte an der Forderung einer kontinuierlichen Immissionsmessung fest. Die Klägerin merkte hierzu mit Schreiben vom 8. September 1997 an, daß bei sämtlichen in der Vergangenheit durchgeführten Immissionsmessungen am Abgaskamin der Schredderanlage die festgelegten Emissionsgrenzwerte erheblich unterschritten worden seien.
9Mit Bescheid vom 22. September 1997 erteilte der Beklagte daraufhin der Klägerin die Genehmigung zur Änderung der Schredderanlage zum Zerkleinern und Aufbereiten von Altautos, leichtem Sammelschrott, Verbundstoffen, Elektromotoren, Schalterschrott und Nichteisen-Metallschrott auf dem Grundstück S. Straße in F. -L. durch die Errichtung und den Betrieb einer zusätzlichen Entstaubungsanlage und einer Absiebanlage. Unter der Ziffer 9 der allgemeinen Nebenbestimmungen setzte er dabei fest, daß die Massenkonzentration luftverunreinigender Stoffe im Abgas der Schredderentstaubungsanlage die Werte von 5 mg/m3 (bei einer Fahrweise mit Schlauchfilter) bzw. von 30 mg/ m3 Staub bei einer Fahrweise mit Naßabscheider nicht überschreiten dürften. In den Punkten 10 bis 19 ordnete er an, daß in die Abgasleitung der Entstaubungsanlage (Schredderentstaubung BE 2) eine von der für den Umweltschutz zuständigen obersten Bundesbehörde im gemeinsamen Ministerialblatt als geeignet bekanntgegebene Meßeinrichtung zur kontinuierlichen Ermittlung der Massenkonzentration an Staub einzubauen sei, und legte Einzelheiten dieses Einbaus fest. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sollten bei einem Abgasstrom von mehr als 50.000 m3/h bestimmte Emissionen, in diesem Fall Staub, unter Verwendung aufzeichnender Meßgeräte fortlaufend ermittelt werden. Die Schredderanlage werde antragsgemäß mit einem Abgasvolumenstrom von 50.000 m3/h bezogen auf 20° C betrieben. Hierzu komme ein Abgasvolumenstrom von 18.400 m3/h, der beim Betrieb der Absiebanlage entstehe. Weiterhin sei beim Betrieb der Schredderanlage aufgrund der verschiedenen Fahrweisen und der verschiedenen Einsatzstoffe mit einem sich ständig ändernden Emissionsverhalten zu rechnen. Es sei daher notwendig, ein kontinuierlich aufzeichnendes Meßgerät zu installieren, um Art und Ausmaß der von der Schredderanlage ausgehenden Emissionen zu ermitteln.
10Die Klägerin legte unter dem 27. Oktober 1997 Widerspruch gegen die Nebenbestimmungen 2, 10 bis 26, 36, 37 Abs. 2, 39, 50 und 52 des Genehmigungsbescheides vom 22. September 1997 ein, den sie hinsichtlich der angegriffenen Nebenbestimmungen 10 bis 19 mit den bereits vorgebrachten Argumenten begründete.
11Ausweislich der vorgelegten Tagesberichte der Klägerin kam es in der Zeit von Mai bis Juli 1998 beim Betrieb der Schredderanlage wiederholt zu Störungen der Filteranlage. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beiakte Heft 4 Bezug genommen.
12Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 1999 änderte die Bezirksregierung E. die angefochtenen Nebenbestimmungen 36, 39 und 50 ab, strich die Nebenbestimmungen 20 bis 26 und 52 ersatzlos und wies im übrigen den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie hinsichtlich der Nebenbestimmungen 10 bis 19 im wesentlichen aus, die Abgasvolumenströme der Schredderanlage, der Absiebanlage und des Patronenfilters (des Aufgabebunkers) müßten addiert werden, da es sich bei der Absiebanlage nicht um ein selbständiges Anlagenteil handele, sondern dem Schredderbetrieb zugerechnet werden müsse. Die Absiebanlage stelle eine Nebeneinrichtung der Schredderanlage mit vergleichbarem Emissionsverhalten dar, wobei der Schredder den Hauptemittenten bilde. Auch nach den tatsächlich gemessenen Abgasvolumenströmen sei davon auszugehen, daß ein Abgasvolumenstrom von 50.000 m3/h bezogen auf trockenes Abgas überschritten werde. Das Emissionsverhalten der Schredderanlage sei von vielen Faktoren abhängig. Den größten Einfluß auf das Emissionsverhalten des Schredders habe das Vormaterial. Besonders auffällig beim Schreddern von Elektromotoren seien die damit verbundenen PCB-Emissionen. Das Emissionsverhalten der Anlage ändere sich aufgrund der beiden unterschiedlichen eingesetzten Reinigungseinrichtungen. Beim Schreddern von Karossen seien Verpuffungen und Brände nicht ausgeschlossen, so daß Störungen auch beim Betrieb des Naßfilters auftreten könnten. Auch beim Betrieb des ansonsten eingesetzten Schlauchfilters komme es immer wieder zu Störungen. Auch könnten bei Schlauchfiltern im allgemeinen - selbst bei einer turnusmäßigen und sachgerechten Wartung - nicht ausgeschlossen werden, daß Schläuche abrissen oder Undichtigkeiten durch (schleichenden) Verschleiß im Schlauchmaterial aufträten. Die infolge dieser Filtermängel auftretenden erhöhten Emissionen ließen sich aber nicht unbedingt erkennen. Zwar könnten die Meßergebnisse hinsichtlich der tatsächlichen Abreinigung der Abluft den Eindruck vermitteln, daß bei dieser Anlage auf die Anordnung einer kontinuierlichen Messung verzichtet werden könne, jedoch sei zu beachten, daß diese Einzelmessungen nur eine Momentaufnahme des Immisisonsverhaltens darstellten. Einzelmessungen seien jedoch aus den o.g. Gründen nicht dazu geeignet, mit ausreichender Sicherheit festzustellen, daß eine Überschreitung der festgelegten Emissionsbegrenzungen während des Betriebes der Schredderanlage (die ein diskontinuierliches Emissionsverhalten aufweise) auszuschließen. Bei einem Rohgasmassenstrom der Hauptemissionsquelle von bis zu 200 kg/h ließe sich erkennen, daß bei einem Defekt an der Filteranlage erhebliche Mengen an Schadstoffen, insbesondere PCB, freigesetzt werden könnten.
13Die Klägerin hat am 27. Dezember 1999 die vorliegende Klage erhoben und zunächst beantragt,
14die angefochtenen Nebenbestimmungen des Genehmigungsbescheides des Beklagten vom 22. September 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 1999 aufzuheben.
15Mit Schriftsatz vom 7. August 2001 hat die Klägerin hat die Klage hinsichtlich der Nebenbestimmungen 2, 36, 37 Abs. 2, 39 und 50 des Genehmigungsbescheides für erledigt erklärt. Mit Schriftsatz vom 5. November 2002 hat die Klägerin die Klage hinsichtlich der Nebenbestimmung Nr. 2 zurückgenommen. Die Nebenbestimmungen 36 und 39 seien auf ihren Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 1999 abgeändert worden und nicht Gegenstand des Verfahrens. Der Beklagte hat sich hinsichtlich der Nebenbestimmung 37 Abs. 2 in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2002 der Erledigungserklärung angeschlossen.
16Die Klägerin vertieft die bisher gegebene Begründung und mache weiterhin geltend, daß der Hersteller der Entstaubungsanlage einen Reststaubgehalt von maximal 2 mg/m³ garantiere. In technischer Hinsicht könne hiermit als gesichert angesehen werden, daß die in der Nebenbestimmung 9 angeordneten Grenzwerte von 5 mg/m3 bzw. 30 mg/m³ ganz erheblich unterschritten würden. Auch bei Störungen könne es nicht zu einer Erhöhung des Abgasvolumenstromes oder zu einer Überschreitung der Emissionsgrenzwerte kommen. Die Schredderanlage wie auch die Entstaubungsanlage schalteten bei einer betrieblichen Störung automatisch ab. Eine Abschaltung erfolge auch dann, wenn der von der Widerspruchsbehörde konstruierte Fall eines vollständigen Abrisses von Schläuchen eintrete.
17Die Klägerin betragt nunmehr,
18die Ziffern 10 bis 19 des Genehmigungsbescheides des Beklagten vom 22. September 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E. vom 9. Dezember 1999 aufzuheben.
19Der Beklagte beantragt,
20Die Klage abzuweisen.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung E. Bezug genommen.
22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
23Soweit die Klägerin die Klage mit Schriftsatz vom 5. November 2002 zurückgenommen hat, nämlich hinsichtlich der ursprünglich angefochtenen Nebenbestimmung Nr. 2 des Genehmigungsbescheides vom 22. September 1997, und soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, nämlich hinsichtlich der ursprünglich ebenfalls angefochtenen Nebenbestimmung Nr. 37 Abs. 2 des Genehmigungsbescheides, war das Verfahren in (analoger) Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - einzustellen.
24Soweit sich die Klage gegen die Nebenbestimmungen 36, 39 und 50 des Genehmigungsbescheides vom 22. September 1997 richtet, ist sie unzulässig. Die genannten Nebenbestimmungen sind Gegenstand der vorliegenden Klage. Gegenstand der Klage sind bzw. waren alle mit dem Widerspruch der Klägerin vom 27.10.1997 angefochtenen Nebenbestimmungen mit Ausnahme der Nebenbestimmungen 20 bis 26 und 52, die durch den Widerspruchsbescheid ersatzlos gestrichen worden sind. Dies ergibt sich aus der Klageschrift vom 23. Dezember 1999. Demnach wurde Klage erhoben mit dem Antrag, die angefochtenen Nebenbestimmungen des Genehmigungsbescheides des Beklagten vom 22.9.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.12.1999 aufzuheben. Ausweislich des der Klageschrift in Kopie beigefügten Widerspruches waren hiermit die Nebenbestimmungen 2, 10 bis 26, 36, 37 Abs. 2, 39, 50 und 52 des Genehmigungsbescheides vom 22. September 1997 angefochten worden. Daß die Klägerin nunmehr der Meinung ist, die Nebenbestimmungen 36, 39 und 50 hätten von Anfang an nicht Klagegegenstand sein sollen, ändert am objektiven Gehalt ihrer Klageschrift nichts. Die Einschätzung der Klägerin macht zugleich deutlich, daß sich der damit ausgedrückte Erklärungsgehalt einem Verständnis im Sinne einer Teilrücknahme oder -Erledigung verschließt. Die Klage ist hinsichtlich der Nebenbestimmungen 36, 39 und 50 nicht sachbescheidungsfähig, da die Klägerin insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2002 keinen Sachantrag gestellt und damit zu erkennen gegeben hat, daß insoweit bei ihr kein Rechtsschutzinteresse hinsichtlich der angefochtenen Nebenbestimmungen 36, 39 und 50 (mehr) gegeben ist.
25Im übrigen ist die Klage zulässig und begründet. Die Nebenbestimmungen 10 bis 19 des Genehmigungsbescheides des Beklagten vom 22. September 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E. vom 9. Dezember 1999 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
26Der Beklagte hat die Anordnung des Einbaus einer Meßeinrichtung zur kontinuierlichen Ermittlung der Massenkonzentration an Staub in die Abgasleitung der Entstaubungsanlage des Schredders in den Nebenbestimmungen 10 bis 19 des Genehmigungsbescheides vom 22. September 1997 zu Unrecht auf § 29 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes- Immissionsschutzgesetz - BImSchG) in der zum für die vorliegende Klage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 9. Dezember 1999 geltenden Fassung gestützt. Nach dieser Vorschrift sollen bei Anlagen mit erheblichen Emissionsmassenströmen luftverunreinigender Stoffe oder erheblichen Abgasströmen, insbesondere bei Anlagen mit einem Abgasstrom von mehr als 50.000 cbm je Stunde, Anordnungen nach Satz 1, nämlich daß bestimmte Emissionen oder Immissionen unter Verwendung aufzeichnender Meßgeräte fortlaufend ermittelt werden, getroffen werden, soweit eine Überschreitung der in Rechtsvorschriften, Auflagen oder Anordnungen festgelegten Emissionsbegrenzungen nach der Art der Anlage nicht ausgeschlossen werden kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, weil eine Überschreitung der in der Ziffer 9 des Genehmigungsbescheides vom 22. September 1997 festgelegten Emissionsbegrenzungen nach der Art der Anlage ausgeschlossen ist. Freilich liegen die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Satz 2 BImSchG insoweit vor, als es sich bei der von der Klägerin betriebenen Anlage um eine solche mit einem erheblichen Abgasstrom, nämlich einem von mehr als 50.000 cbm pro Stunde, handelt. Dabei mag dahinstehen, ob der nach § 29 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zugrundezulegende erhebliche Abgasstrom nach der Genehmigungslage oder nach den tatsächlichen Verhältnissen zu bestimmen ist. Denn auch unter Zugrundelegung der tatsächlichen Verhältnisse, wie sie die Klägerin unter Bezugnahme auf die Messungen der DMT am 3. Dezember 1996 hinsichtlich der Schredder- und der Absiebanlage bzw. die Messungen des Chemischen Laboratoriums E1. . S2. . G. vom 5.11.2000 für den Patronenfilter der Aufgabestation (Anhang 1 der Anlage K 9 zum Schriftsatz der Klägerin vom 5.11.2002) vorgetragen hat, wird der in § 29 Abs. 1 Satz 2 BImSchG geforderte Abgasvolumenstrom von 50.000 cbm pro Stunde überschritten. Die Angaben der Klägerin zugrundegelegt, ergibt sich ein Abgasvolumenstrom der (Gesamt-) Anlage von 50.225 m3/h. Den Messungen der DMT am 3. Dezember 1996 zufolge betrug der Abgasvolumenstrom an der Schredderanlage im günstigsten Fall, nämlich bei der Fahrweise mit Schlauchfilter, 35.433 m3/h und in der Absiebanlage 11.495 m3/h. Beim Betrieb des Patronenfilters in der Aufgabeeinrichtung beträgt der Hauptvolumenstrom laut des Berichtes des Chemischen Laboratoriums E1. . S2. . G. vom 27.11.2000 bezogen auf den Normzustand (trocken) 3.297 m3/h. Die Abgasvolumenströme aller drei Emissionsquellen sind auch bei der Ermittlung des Abgasvolumenstroms der Anlage gem. § 29 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zusammenzurechnen. Denn Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 Satz 2 BImSchG ist der aus dem Schredder, der Absiebanlage und dem Aufgabebunker bestehende Gesamtkomplex. Zur Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 Satz 2 BImSchG gehört nicht nur der Anlagekern, in dem der genehmigungsbedürftige Betriebsvorgang, hier das Zerkleinern von Schrott durch eine Rotormühle (vgl. Nr. 8.9 a) des Anhangs zur Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes), stattfindet, sondern auch Nebeneinrichtungen, die im Hinblick auf den primär verfolgten Betriebszweck keinen in einem engeren technischen Sinn notwendigen Verfahrensschritt zum Gegenstand haben, aber doch auf diesen Zweck hin ausgerichtet sind und damit eine im Verhältnis zur Haupteinrichtung dienende und insoweit untergeordnete Funktion haben. Sie müssen demgemäß mit dem eigentlichen Anlagekern in einem betrieblichen und darüber hinaus auch in einem räumlichen Zusammenhang stehen und für das Emissionsverhalten oder die Sicherheit der Anlage Bedeutung haben können.
27Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 6.7.1984 - 7 C 71.82 - , Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts 69, 351 (355).
28Die Absiebanlage und der Aufgabebunker stehen hier zum Schredder in einem derartigen betrieblichen und räumlichen Zusammenhang und können auch für das Emissionsverhalten der Anlage Bedeutung haben. Die Absiebanlage dient dem Aussieben der Eisen- und Kupferfraktion aus dem Schreddermaterial zum Zwecke der Verwertung und ist damit auf den Zweck des Schredders, nämlich die Beseitigung bzw. Verwertung von Elektroschrott u.a., hin ausgerichtet. Der Aufgabebunker dient wiederum der Zwischenlagerung des Schreddermaterials vor der Behandlung in der Absiebanlage. Sie stehen auch in einem räumlichen Zusammenhang mit dem Schredder, nämlich auf demselben Betriebsgelände der Klägerin an der S. Straße in F. -L. . Auch der Aufgabebunker kann schließlich für das Emissionsverhalten der Anlage Bedeutung erlangen, nämlich durch die während des Auf- und Abgabevorgangs des Schreddermaterials aufgewirbelten Stäube.
29Eine Überschreitung der in der Nebenbestimmung Nr. 9 des Genehmigungsbescheides vom 22. September 1997 festgelegten Emissionsbegrenzungen ist aber nach der Art der Anlage ausgeschlossen. Wie sich aus dem Wortlaut des § 29 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BImSchG ergibt, muß eine Überschreitung der in Rechtsvorschriften, Auflagen oder Anordnungen festgelegten Emissionsbegrenzungen, hier in der Ziffer 9 des Genehmigungsbescheides vom 22. September 1997 für den Schredder auf eine Staubkonzentration von 5 mg/m3 für die Fahrweise mit Schlauchfilter und 30 mg/m3 für die Fahrweise mit Naßabscheider, nicht schlechthin, sondern lediglich nach der Art der Anlage ausgeschlossen sein. Damit scheiden von vornherein alle diejenigen Überschreitungen aus, die nicht im normalen Betrieb der Anlage erfolgen, sondern auf außergewöhnlichen Ereignissen beruhen, etwa auf einem von der Bezirksregierung E. im Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 1999 angenommenen Abriß der Schläuche an der Schlauchfilteranlage. Im übrigen ist in einem solchen Falle eine Überschreitung auch deshalb ausgeschlossen, weil, wie die Klägerin überzeugend dargelegt hat, in einem derartigen Fall sowohl der Schredder wie auch die Filteranlage automatisch abschalten. Auch eine Überschreitung der Emissionsbegrenzungen aufgrund des normalen Betriebes des Schredders ist ausgeschlossen i.S.d. § 29 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BImSchG. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der beim Betrieb eines Schlauchfilters normalen Verschleißerscheinungen, wie etwa Haarrissen, die zu einer Minderung der Abreinigungsleistung des Filters führen können. Denn der Hersteller garantiert eine Abreinigungsleistung der Schlauchfilteranlage, die deutlich unter der vom Beklagten in der Ziffer 9 des Genehmigungsbescheides festgesetzten Emissionsgrenze für die Fahrweise mit Schlauchfilter von 5 mg/m3 Staub in der Abluft der Schredderanlage liegt, und es ist nichts dafür ersichtlich geworden, daß dieser Wert in der Praxis nicht eingehalten werden könnte. Der Hersteller garantiert eine Abreinigungsleistung des Schlauchfilters bis auf eine Staubkonzentration von 2 mg/m3 Abluft. Der Beklagte ist dem entsprechenden Vorbringen der Klägerin nicht entgegengetreten. Sie ergibt sich im übrigen auch aus dem Gutachten des Ingenieurbüros Hilker vom 27.11.1997. Demnach habe die Ventilatorenfabrik Oelde GmbH bestätigt, daß auch noch eine Gewährleistung von 2 mg/Nm3 möglich sei. Es ist auch nicht ersichtlich, daß diese Gewährleistung in der Praxis nicht eingehalten werden könnte. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß die Anlage dem Stand der Technik entspricht. Entspricht eine Anlage dem Stand der Technik, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß ihre praktische Eignung zur Begrenzung von Emissionen gesichert ist. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 6 Satz 1 BImSchG, demzufolge Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen ist, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen läßt. Daß die Anlage dem Stand der Technik entspricht, ergibt sich aus ihrer Genehmigung mit Bescheid des Beklagten vom 22. September 1997. Denn Genehmigungsvoraussetzung ist gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, daß sichergestellt ist, daß die sich aus § 5 ergebenden Pflichten erfüllt werden. Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, daß zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen. Darüber hinaus wurde bei der Messung der DMT vom 3. Dezember 1996 eine maximale Konzentration von Staub in der Abluft des Schredders von 0,7 mg/m3 gemessen. Auch unter Berücksichtigung dessen, daß diese Messung zu einem Zeitpunkt durchgeführt wurde, nachdem der Schlauchfilter gerade erst im Betrieb genommen worden war, zeigt dies, daß der vom Hersteller garantierte Wert in der Praxis eingehalten wird. Hinsichtlich der vom Beklagten für möglich gehaltenen Störungen beim Betrieb des Naßabscheiders infolge von Verpuffungen und Bränden der unter Zuhilfenahme des Naßabscheideverfahrens geschredderten Karosserien hat die Klägerin überzeugend dargelegt, daß der Schredder und die Filteranlage beim Auftreten einer derartigen Störung automatisch abschalten, sodaß schon aufgrund dessen eine Überschreitung des in der Ziffer 9 des Genehmigungsbescheides für den Betrieb mit Naßabscheider festgelegten Grenzwertes ausgeschlossen erscheint.
30Der Beklagte vermag die Anordnung kontinuierlicher Messungen auch nicht auf § 29 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zu stützen, da es in dem Genehmigungsbescheid vom 22. September 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 1999 an der gemäß dieser Vorschrift erforderlichen Ermessensausübung fehlt.
31Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 161 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich des von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage, nämlich der Nebenbestimmung Nr. 37 Abs. 2 des Genehmigungsbescheides vom 22. September 1997, entspricht es billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes, die Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Die Klage wäre mangels schutzwürdigen Interesses der Klägerin insoweit von vornherein unzulässig gewesen. Nach dem Vortrag der Klägerin hatte sich die Anordnung in der Ziffer 37 Abs. 2 des Genehmigungsbescheides, die bei der magnetischen Separation anfallende organische Restfraktion und anderes zu beseitigen, bereits vor Klageerhebung erledigt, indem ihr mit dem Änderungsgenehmigungsbescheid des Beklagten vom 1.2.1999 erlaubt worden ist, diese Fraktion in einem Schwerteileausleser zu verwerten.
32Berufung und Revision waren zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3, 134 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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