Urteil vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 5 K 101/02
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d :
2Der Kläger ist Eigentümer der jeweils mit einem Wohnhaus bebauten benachbarten Grundstücke X. und in C. (Gemarkung C. , Flur , Flurstücke , ). Die Grundstücke liegen im Innenstadtbereich in der Nähe des Bochumer Hauptbahnhofs. In der näheren Umgebung befinden sich zahlreiche Verwaltungs- und Bürogebäude, Geschäfte, Schulen, ein Krankenhaus, Hotels und das Theater D. . Daneben finden sich noch im Bereich X1. /B.----straße / T.----------straße zahlreiche ältere und historische Wohnhäuser, die, wie auch die beiden Häuser des Klägers, weitgehend keine eigenen Stellplätze bzw. Garagen aufweisen. Auf der den klägerischen Grundstücken schräg gegenüberliegenden Seite der Straße X1. (Flurstücke und ) befand sich die ehemalige bis in das Jahr 2000 genutzte kaufmännische Berufsschule I mit ca. 50 Lehrern und 900 Schülern. Dieses Grundstück liegt innerhalb des seit dem wirksamen Bebauungsplan Nr. X1. . Den vom Kläger im Rahmen einer baurechtlichen Normenkontrolle beantragten vorläufigen Rechtsschutzantrag hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 30. April 2002 - 10a B 1561/01.NE - abgelehnt.
3Für den westlichen an der B.----straße gelegenen Flügel des ehemaligen Schulgebäudes stellte die Beigeladene am 26. September 2000 einen Bauantrag zur Sanierung und Nutzungsänderung in ein Bürogebäude. Hinsichtlich der erforderlichen Stellplätze sollte zunächst eine Verzichtsregelung gemäß § 3 der Ablösesatzung der Stadt C. herbeigeführt werden, wovon jedoch im Laufe des Baugenehmigungsverfahrens Abstand genommen wurde.
4Gegen die der Beigeladenen erteilten Teilbaugenehmigung vom 29. Dezember 2000 für die Erdarbeiten, Fundamentarbeiten, Rohbauarbeiten (Stahl und Stahlbeton) und Abbrucharbeiten legte der Kläger am 23. April 2001 Widerspruch ein.
5Am 16. Mai 2001 erteilte der Beklagte der Beigeladenen dann die streitgegenständliche Baugenehmigung zum Umbau und zur Nutzungsänderung des Schulgebäudes in ein Bürogebäude. Nach der Stellplatzermittlung war für je 40 m² Nutzfläche ein Stellplatz vorgesehen. Das ergab bei einer Gesamtnutzfläche von 1675 m² 42 Stellplätze. Davon wurde noch eine 30-prozentige Reduzierung wegen der guten Erreichbarkeit durch den öffentlichen Personennahverkehr vorgenommen. Die danach erforderlichen 30 Stellplätze sollten im östlich des Gebäudes gelegenen Hof, wie im Erdgeschossplan eingetragen, errichtet werden (vgl. Beiakte Heft 2 Bl. 77).
6Den gegen die Baugenehmigung erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung B1. mit Widerspruchsbescheid vom als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am zugestellt.
7Den vorläufigen Rechtsschutzantrag des Klägers hat die Kammer mit Beschluss vom 29. Juni 2001 - 5 L 1080/01 - abgelehnt. Den dagegen gestellten Antrag auf Zulassung der Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 30. August 2001 - 10 B 913/01 - abgelehnt.
8Der Kläger hat am 10. Januar 2002 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung macht er geltend, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen nicht die erforderlichen Stellplätze aufweise. So hätte der Beklagte pro 30 m² Nutzfläche einen erforderlichen Stellplatz zugrunde legen müssen, so dass für das Bürogebäude insgesamt 56 Stellplätze erforderlich gewesen wären. Außerdem hätte der 30-prozentige Abschlag wegen der Nähe zum öffentlichen Nahverkehrsnetz nicht vorgenommen werden dürfen. Daneben entspräche ein Teil der auf dem Baugrundstück ausgewiesenen Stellplätze nicht den an ordnungsgemäße Stellplätze zu stellenden Anforderungen. Danach führe die Errichtung des Bürogebäudes zu einer weiteren Verschärfung der ohnehin bereits angespannten Parkplatzsituation in diesem Bereich. Aufgrund der kerngebietstypischen Belastung sei schon bereits ohne das angegriffene Bauvorhaben kein Parkraum vorhanden. Die wenigen freien Parkplätze in den Straßen X1. /B.----straße /T.----------straße würden von den Besuchern der Industrie- und Handelskammer, des Theaters, der Schulen, des F. -Krankenhauses, der Stadtwerke und der sonstigen Innenstadtbesucher benutzt und seien bereits am frühen Morgen belegt. Den ganzen Tag über kreisten zahlreiche parkplatzsuchende Kraftfahrzeuge in dem Viertel. Daneben würden noch zahlreiche Pendler aus C. diesen Bereich nutzen, um dort ihr Fahrzeug abzustellen und anschließend vom C1. Hauptbahnhof mit dem Zug zu ihrer Arbeitsstätte zu fahren. So habe eine von ihm an einem normalen Werktag durchgeführte Zählung ergeben, dass in der Zeit zwischen 7.00 und 8.00 Uhr auf den vorbezeichneten Straßen mehr als 70 Kraftfahrzeuge gefahren seien, um einen Parkplatz zu suchen, die jedoch schon um 7.30 Uhr sämtlich belegt gewesen seien. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung führe zu einer weiteren Verschärfung der unzumutbaren Parksituation und damit zu einer unerträglichen Belastung für seine Wohngrundstücke. Dass er selbst keine eigenen Stellplätze für seine beiden Wohnhäuser habe, könne ihm nicht vorgehalten werden, da seine alten und historischen Wohnhäuser, wie auch die in der Nachbarschaft, schon seit jeher keinen eigenen Stellplätze bzw. Garagen besessen hätten. Die Bewohner dieser Häuser seien somit darauf angewiesen, ihre Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenraum abzustellen.
9Der Kläger beantragt,
10die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Beklagten vom 16. Mai 2001 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung B1. vom 5. Dezember 2001 aufzuheben.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung macht er geltend, dass das Bauvorhaben auch im Hinblick auf die vom Kläger geschilderte problematische Parkplatzsituation ihm gegenüber nicht rücksichtslos sei. So weise das Vorhaben die erforderliche Zahl eigener Stellplätze auf. Daneben befinde sich in geringer Entfernung sogar ein Überangebot an öffentlichen Parkplätzen in Tief- und Hochgaragen und zwar in den Parkhäusern H. am T1. , Am I. sowie L. -T2. -Platz" mit über 1300 Parkmöglichkeiten. Diese Einrichtungen seien auch nicht derart ausgelastet, dass sie weiteren Parkraumnachfragen nicht zur Verfügung stünden. Auch sei die bisherige Nutzung des Vorhabengrundstücks zu berücksichtigen. Es sei nicht erkennbar, dass die nunmehrige Nutzung als Bürogebäude gegenüber der vorherigen Nutzung als kaufmännische Berufsschule zu einer Verschärfung der Parkplatzsituation führe. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil dem früheren Schulgebäude im Gegensatz zum jetzigen Bürogebäude keine eigenen Stellplätze zur Verfügung gestanden hätten.
14Die Beigeladene beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung verweist auch sie darauf, dass sich für den Kläger im Hinblick auf die Parkplatzsituation durch das Vorhaben nichts ändere, vor allem nichts verschlechtere. Daneben weise das Vorhaben die erforderliche Anzahl von Stellplätzen auf.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegende Gerichtsakte, die Gerichtsakte des Verfahrens 5 L 1080/01 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
19Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
20Der Kläger wird durch die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 16. Mai 2001 nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt und hat deshalb keinen Anspruch auf Aufhebung dieser Baugenehmigung, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
21Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verstößt zunächst nicht gegen den Kläger schützende Vorschriften des Bauordnungsrechtes.
22Ob das Vorhaben der Beigeladenen nicht über hinreichend eigene Stellplätze verfügt, kann die Kammer letztlich offen lassen. Aus einem eventuellen Verstoß gegen die bauordnungsrechtliche Stellplatzpflicht nach § 51 Abs. 1 BauO NRW kann der Kläger kein Abwehrrecht herleiten. Denn die Bestimmungen über die Stellplatzpflicht haben keinen drittschützenden Charakter.
23Vgl. OVG NRW, Urteile vom 10. Juli 1998 - 11 A 7238/95 -, NVwZ-RR 1999, 365 = BRS 60 Nr. 123 und vom 25. April 1994 - 7 A 442/91 - und Beschluss vom 30. August 2001 - 10 B 913/01 -; ebenso Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, Lose Blattsammlung, Stand: August 2003, § 51 Rdnrn. 77 - 79.
24Die Verpflichtung des Bauherrn bei der Errichtung von Anlagen, bei denen Kraftfahrzeugverkehr zu erwarten ist, Stellplätze oder Garagen zu schaffen, soll vielmehr verhindern, dass der öffentliche Verkehrsraum über den Gemeingebrauch hinaus durch das Abstellen von Fahrzeugen belastet und dadurch die öffentliche Sicherheit gefährdet wird. Sie dient daher ausschließlich und allein dem Schutz öffentlicher Interessen.
25Ein Verstoß gegen sonstige bauordnungsrechtliche Vorschriften nachbarschützenden Charakters ist nicht ersichtlich.
26Das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen verstößt auch nicht gegen den Kläger schützende bauplanungsrechtliche Vorschriften. In Betracht kommt hier allein das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, wobei vorliegend dahinstehen kann, ob das Rücksichtnahmegebot aus § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 15 Abs. 1 BauNVO herzuleiten ist.
27Zwar kann sich ein Mangel an Stellplätzen eines Bauvorhabens gegenüber den Eigentümern der vom parkenden Verkehr und vom Parksuchverkehr betroffenen Wohngrundstücke im Einzelfall in bauplanungsrechtlicher Hinsicht als rücksichtslos erweisen, falls die Verletzung der Pflicht zur Schaffung ausreichenden Parkraums für die Nutzer eines Bauvorhabens geeignet ist, die bestimmungsgemäße Nutzung des benachbarten Grundstücks zu beeinträchtigen. Dabei liegt eine solche Beeinträchtigung - jedenfalls solange der freie Zugang zu den Grundstücken des Klägers möglich ist - nicht schon darin, dass die angrenzenden Straßen durch Fahrzeuge parkplatzsuchender Kraftfahrer frequentiert, insbesondere zum Parken in Anspruch genommen werden und dem Nachbarn selbst nur noch mit den daraus folgenden Einschränkungen zur Verfügung stehen. Denn das Recht des Klägers zur bestimmungsgemäßen Nutzung seiner Grundstücke begründet kein Recht auf bevorzugte Nutzung des angrenzenden öffentlichen Straßenraums. Probleme, die sich aus der Verteilung knappen öffentlichen Straßenraums auf verschiedene Verkehrsteilnehmer ergeben, sind mit den Mitteln des Straßenverkehrsrechts zu lösen.
28Vielmehr könnte das genehmigte Vorhaben dem Kläger gegenüber nur dann rücksichtslos sein, wenn es zwingend oder doch typischerweise mit einer Verschärfung der Verkehrssituation oder anderen zusätzlichen Beeinträchtigungen verbunden wäre und die sich hieraus ergebende Gesamtbelastung dem Kläger gegenüber unzumutbar wäre, sei es, dass durch die dem Vorhaben zuzurechnenden zusätzlichen Beeinträchtigungen die Gesamtbelastung erstmals die Schwelle der Unzumutbarkeit überschreiten oder eine schon zuvor unzumutbare Belastung spürbar verschärfen würde.
29Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Juli 1998, a.a.O. und Beschluss vom 30. August 2001, a.a.O.
30Das ist hier jedoch bezogen auf den Parksuchverkehr nicht der Fall. So fehlt es schon an einer Verschärfung des Parksuchverkehrs im Bereich der Straße X1. durch das Bauvorhaben der Beigeladenen. Einzustellen ist insoweit nämlich auch die früher bestehende Belastung durch die Nutzung des Gebäudes als kaufmännische Berufsschule. Der Bedarf an Stellplätzen für die rund 50 Lehrer und die ca. 900 Berufsschüler dürfte eher sogar höher gewesen sein, als wie nunmehr für die Beschäftigten und Besucher des Bürogebäudes. Im Hinblick auf die Parksituation ist es durch den Umbau und die Nutzungsänderung sogar zu einer gewissen Entlastung gekommen, da der Berufsschule früher überhaupt keine eigenen Stellplätze zur Verfügung standen, während das Bürogebäude der Beigeladenen nach der hier allein maßgeblichen Baugenehmigung 30 Stellplätze aufweist.
31Doch selbst wenn die Kammer dem Vortrag des Klägers folgen würde, wonach das genehmigte Bürogebäude der Beigeladenen wegen nicht ausreichender Stellplätze zu einer Verschlechterung der Parksituation führen würde, kann das Bauvorhaben der Beigeladenen nicht als rücksichtslos gegenüber dem Kläger eingestuft werden. Denn nach dem eigenen Vortrag des Klägers und der Kenntnis des ortskundigen Berichterstatters ist die Parksituation im Bereich X1. /B.----straße / T.----------straße schon seit Jahrzehnten mehr als angespannt und für die dort wohnenden Anwohner eigentlich unzumutbar. Sie wird schon immer geprägt von Autofahrern, die auf der Suche nach den wenigen freien, kostenlosen Parkplätzen im Innenstadtbereich der Stadt C. mit ihren Kraftfahrzeugen u. a. durch das Viertel kreisen. Es kann als sicher ausgeschlossen werden, dass sich die schon zuvor bestehende unzumutbare Gesamtbelastung in diesem Bereich durch das Bauvorhaben der Beigeladenen spürbar verschärft.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen erstattungsfähig, da sie sich durch die Stellung eines Antrages gemäß § 154 Abs. 3 Satz 1 VwGO einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt und in der Sache gewonnen hat.
33Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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