Beschluss vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 9 L 386/09
Tenor
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. aus F. wird abgelehnt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung nicht die nach § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
3Insoweit kann offen bleiben, ob der Zulässigkeit des Antrags des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Eintragungsausschusses der Antragsgegnerin vom 25. März 2009 entgegensteht, dass dieser Antrag unter der aufschiebenden Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt wurde. Hierfür könnte sprechen, dass ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als Prozesserklärung grundsätzlich bedingungsfeindlich ist. Die Frage bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist jedenfalls deshalb abzulehnen, weil der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes aller Voraussicht nach unbegründet ist.
4Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Löschung des Antragstellers auf der Liste der Architekten und Architektinnen bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, nach welchem für das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine auf den konkreten Einzelfall abstellende schriftliche Begründung erforderlich ist. Aus der Begründung muss hinreichend nachvollziehbar hervorgehen, dass oder aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt. Demgemäß genügen etwa pauschale und nichtssagende formelhafte Wendungen dem Begründungserfordernis nicht. Allerdings kann sich die Behörde auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen und darauf Bezug nehmen, wenn die den Erlass rechtfertigenden Gründen zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung ergeben. Die Begründung kann je nach den Umständen des konkreten Falles knapp gehalten werden; sind die Gründe, aus denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse dringlich ist, offensichtlich oder dem Betroffenen bekannt, kann ein Hinweis auf diese Umstände in der Begründung ausreichen.
5OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Januar 2001 - 19 B 1757/00 -, NWVBl. 2001, 478; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 80 Rdnr. 84 ff.
6Den vorstehenden Anforderungen hat die Antragsgegnerin genügt. Der Eintragungsausschuss der Antragsgegnerin hat in dem Bescheid vom 25. März 2009 das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Löschung des Antragstellers aus der Liste der Architekten und Architektinnen bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hinreichend damit begründet, dass der Antragsteller in dem anhängigen Löschungsverfahren kein nachvollziehbares Sanierungskonzept vorgelegt habe. Er befinde sich nach wie vor im Insolvenzverfahren und seine Vermögensverhältnisse seien nicht geordnet. Unter Bezug auf Art. 12 GG stelle die Löschung aus der Architektenliste auch trotz der wirtschaftlichen Folgen keine unzumutbare Belastung dar, weil das mit der Regelung verfolgte Ziel der Erhaltung eines funktionierenden und anerkannten Architekturwesens so wichtig sei, dass die Belange des Antragstellers dahinter zurückstehen müssten. Die Antragsgegnerin hat mit der gegebenen Begründung auf den vorliegenden Einzelfall abgestellt. Die Begründung bezieht sich gerade auf den Antragsteller. Mit ihr wird für den Antragsteller nachvollziehbar aufgezeigt, dass der Schutz der Allgemeinheit vor der Berufsausübung durch einen unzuverlässigen Architekten die Vollziehung der Löschung des Antragstellers aus der Liste der Architekten und Architektinnen bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen bereits vor einer Entscheidung in der Hauptsache besonders dringlich macht. Ob diese Gründe die von der Antragsgegnerin vorgenommene Interessenabwägung tatsächlich rechtfertigen, ist für die formelle Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ohne Belang, da es auf die inhaltliche Richtigkeit der gegebenen Begründung für die Erfüllung der Pflicht aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht ankommt. Daher ist auch unerheblich, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung der genannten Entscheidung darauf abgestellt hat, dass der Antragsteller sich nach wie vor im Insolvenzverfahren befinde, obwohl der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens tatsächlich mangels Masse abgewiesen wurde.
7Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer sofortigen Vollziehung der Löschung des Antragstellers mit dessen privatem Interesse an der vorläufigen weiteren Erhaltung des Rechts zur Führung der Berufsbezeichnung Architekt fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Bei dieser Abwägung kommt den Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs in der Hauptsache eine besondere Bedeutung zu.
8Vorliegend überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse, weil der angefochtene Bescheid, mit dem die Löschung des Antragstellers aus der Liste der Architekten und Architektinnen bei der Architektenkammer Nordrhein- Westfalen angeordnet worden ist, sich nach der im Eilverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig darstellen und im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach Bestand haben wird.
9Der angefochtene Bescheid ist nicht aus formellen Gründen rechtswidrig. Insbesondere hat die Antragsgegnerin den Antragsteller vor Erlass des Bescheides angehört (§ 28 Abs. 1 VwVfG NRW) und ihm somit Gelegenheit gegeben, ein tragfähiges Sanierungskonzept vorzulegen. Die Antragsgegnerin hat ihn mit Schreiben vom 5. Januar 2009, zugestellt am 8. Januar 2009, sowie mit Schreiben vom 4. Februar 2009, zugestellt am 7. Februar 2009, aufgefordert, Angaben zu seiner Einkommenssituation und zum Stand des Insolvenzverfahrens zu machen. Aus § 28 Abs. 1 VwVfG NRW ergibt sich keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, den Antragsteller konkret zur Vorlage eines Sanierungsplanes aufzufordern. Zwar folgt aus dem Recht auf Anhörung mittelbar auch die Verpflichtung der Behörde, dem Betroffenen die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen, soweit dies zur Wahrung des rechtlichen Gehörs erforderlich ist, mitzuteilen,
10vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage, § 28 Rdnr. 15.
11Diesem Erfordernis hat die Antragsgegnerin allerdings entsprochen, indem sie dem Antragsteller mit den Schreiben vom 5. Januar 2009 und 4. Februar 2009 die Möglichkeit gegeben hat, zum Stand des Insolvenzverfahren und zu seiner Einkommenssituation Stellung zu nehmen.
12Die Löschung des Antragstellers aus der Liste der Architekten und Architektinnen bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen erweist sich bei summarischer Prüfung auch als materiell rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 6 Satz 1 Buchst. d) BauKAG NRW. Danach ist eine Eintragung in die Architektenliste zu löschen, wenn nach der Eintragung Tatsachen eintreten oder bekannt werden, die im Eintragungsverfahren zu einer Versagung der Eintragung führen müssten (§ 5 Abs. 1 bis 3 BauKAG NRW). Nach § 5 Abs. 1 BauKAG NRW ist einer sich bewerbenden Person die Eintragung in die Liste einer Fachrichtung oder in das Verzeichnis nach § 7 Abs. 2 Satz 4 BauKAG NRW zu versagen, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass sie nicht die für die Wahrnehmung der Berufsaufgaben gemäß § 1 BauKAG NRW erforderliche Zuverlässigkeit besitzt.
13In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sowohl die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Architekten als auch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung und Eintragung in das Schuldnerverzeichnis typischerweise die - widerlegbare - Vermutung der Unzuverlässigkeit begründen,
14vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Oktober 2007 - 4 A 1968/07 -; Beschluss vom 26. April 2007 - 4 B 497/06 -, beide zitiert nach Juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 2. Juli 2007 - 9 L 631/07 -.
15Gleiches gilt, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens - wie hier - mangels Masse abgewiesen wird, weil das schuldnerische Vermögen voraussichtlich nicht ausreicht, um nach der Eröffnung die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken,
16vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 15. Juni 2004 - 11 TP 1440/04 -, zitiert nach Juris, zum dort geltenden Landesrecht.
17Auch bei der Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist von einer Überschuldung des Architekten auszugehen, welche die Gefahr begründet, dass dieser - möglicherweise auch auf Druck seiner Gläubiger - sich bei seinen Handlungen von eigenen finanziellen Interessen und übertriebener Gewinnorientierung leiten lässt,
18vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Oktober 2007 - 4 A 1968/07 -, zitiert nach Juris.
19Für die Überschuldung des Antragstellers spricht ungeachtet dessen auch sein eigener Vortrag im Verwaltungsverfahren. In diesem hat er, vertreten durch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 15. Mai 2008 mitgeteilt, dass er lediglich Arbeitslosengeld II erhalte und sich daher derzeit kein pfändbarer Betrag nach der Tabelle zu § 850c ZPO ergebe. Dem Schreiben war zudem ein außergerichtlicher Schuldenregulierungsplan beigefügt, aus dem sich Verbindlichkeiten des Antragstellers in Höhe von insgesamt 10.707,89 Euro ergeben. Angesichts dessen konnte im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Eintragungsausschusses,
20vgl. hierzu nur OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Oktober 2008 - 4 B 1145/08 - m.w.N.,
21nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller in geordneten Vermögensverhältnissen lebt.
22Das Gericht kann seine Entscheidung auch auf die vorgenannten Umstände stützen, obwohl die Antragsgegnerin vornehmlich auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers - welche tatsächlich vom Amtsgericht F. abgelehnt wurde - abgehoben hat. Denn bei § 6 Satz 1 Buchst. d) BauKAG NRW handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, so dass grundsätzlich ausreichend ist, dass die Tatsachen, die die Unzuverlässigkeit des Architekten begründen, bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt - hier zum Zeitpunkt des Löschungsbeschlusses - vorlagen.
23Der Antragsteller hat auch keine Umstände dargelegt, aus denen sich ergibt, dass er trotz dieser erheblichen finanziellen Schwierigkeiten als zuverlässig angesehen werden kann. Insbesondere hat er kein tragfähiges Sanierungskonzept vorgelegt,
24vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Oktober 2008 - 4 B 1145/08 -,
25das Anzeichen für eine nachhaltige und dauerhafte Besserung seiner wirtschaftlichen Lage erkennen ließe.
26Entgegen der Auffassung des Antragstellers stellen die Löschung aus der Architektenliste und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen auch unter Berücksichtigung des Grundrechts aus Art. 12 GG keine unzumutbare Belastung dar. Denn die Löschung kommt nicht etwa einem existenzvernichtenden Verbot der Berufsausübung gleich. Vielmehr führt sie nur dazu, dass der Antragsteller seine Berufsbezeichnung nicht mehr führen darf und er nicht mehr als eigenverantwortlicher Planverfasser und Bauvorlageberechtigter nach § 70 BauO NRW auftreten darf. Die Intensität des mit der Löschung verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit wird dabei bereits durch die Möglichkeit, einer anderweitigen Tätigkeit im erlernten Beruf nachzugehen, relativiert,
27vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 28. November 2007 - 1 A 177/07 -, zitiert nach Juris.
28Hinzu kommt, dass der Antragsteller - soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen - erneut in die Liste der Architekten und Architektinnen bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen eingetragen werden kann, falls er die erforderliche Zuverlässigkeit (wieder) besitzt.
29VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. September 2008 - 20 L 1279/08 -, zitiert nach Juris.
30Da § 6 Satz 1 Buchst. d) i.V.m. § 5 Abs. 1 BauKAG NRW dem Schutz der Allgemeinheit vor der abstrakten Gefahr, die von aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation nicht unabhängigen Sachverständigen ausgeht, dienen soll, kommt es für das vorliegende Verfahren auch nicht darauf an, ob sich diese Gefahr bisher im Fall des Antragstellers verwirklicht hat oder dies konkret zu erwarten ist. Unerheblich ist auch, ob der Antragsteller seine schlechte wirtschaftliche Lage selbst schuldhaft herbei geführt hat oder nicht. Vor diesem Hintergrund verfängt auch das Argument des Antragstellers nicht, von ihm gehe keine Gefahr aus, da er im Moment nicht als Architekt tätig und als arbeitsuchend gemeldet sei. Dem Antragsteller wäre es insoweit unbenommen, jederzeit wieder eine Tätigkeit als Architekt, sei es in einem Angestelltenverhältnis oder als freiberufliche Tätigkeit, aufzunehmen.
31Angesichts der erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit, die etwaige Verstöße eines nicht unabhängigen Architekten gegen die Regeln der Baukunst oder sonstige bauordnungsrechtliche Vorschriften zur Folge haben können, überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Löschung des Antragstellers aus der Liste der Architekten und Architektinnen bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nach seinem eigenen Vortrag derzeit nicht als Architekt tätig ist und lediglich Arbeitslosengeld II bezieht, weshalb sein wirtschaftliches Interesse am Fortbestand der Eintragung als gering zu bewerten ist.
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