Beschluss vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 6z L 1019/12
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
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Gründe:
2Der nach § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet. Die Antragstellerin hat nicht gemäß § 123 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung glaubhaft gemacht, dass ihr ein Anspruch auf Zuteilung des beantragten Studienplatzes im Studiengang Humanmedizin nach den für das Wintersemester 2012/2013 maßgeblichen Regeln und tatsächlichen Verhältnissen zusteht.
3Studienplätze im Studiengang Humanmedizin werden gemäß § 1 Satz 2 der Verordnung über die zentrale Vergabe von Studienplätzen - VergabeVO - i.V.m. ihrer Anlage 1 in einem zentralen Vergabeverfahren nach Maßgabe der §§ 6 ff. VergabeVO vergeben.
4Die Antragstellerin erfüllt mit einer Abiturdurchschnittsnote von 2,2 und einer Wartezeit von zwei Semestern nicht die für sie maßgeblichen Auswahlgrenzen. Diese lagen für die Auswahl in der Abiturbestenquote (§ 11 VergabeVO) für Hochschulzugangsberechtigte aus dem Land Bayern bei einer Durchschnittsnote von 1,1. Für die Auswahl nach Wartezeit (§ 14 VergabeVO) waren mindestens zwölf Halbjahre erforderlich.
5Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf Auswahl nach Härtegesichtspunkten (§ 15 VergabeVO). Die Studienplätze der Härtequote werden an Bewerber vergeben, für die es eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde, wenn sie keine Zulassung erhielten. Da die Zulassung im Härtewege nach dem System des § 6 VergabeVO zwangsläufig zur Zurückweisung eines anderen, noch nicht zugelassenen Erstbewerbers führt, ist eine strenge Betrachtungsweise geboten.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2011 - 13 B 523/11 -, juris; Berlin, in: Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 4. Auflage 2003, § 21 VergabeVO, Rdnr. 1.
7Eine außergewöhnliche Härte liegt gemäß § 15 Satz 2 VergabeVO vor, wenn in der eigenen Person liegende besondere soziale oder familiäre Gründe die sofortige Aufnahme des Studiums zwingend erfordern. Die Antragstellerin hat sich zur Begründung ihres Antrages inhaltlich auf die Fallgruppen D 1.1 und D 1.2 der auf den Internetseiten der Antragsgegnerin genannten Regelbeispiele begründeter Anträge berufen. Eine positive Entscheidung nach D 1.1 kommt danach in Betracht, wenn nachgewiesen wird, dass eine Krankheit mit Tendenz zur Verschlimmerung vorliegt, die dazu führen wird, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft die Belastungen des Studiums in diesem Studiengang nicht durchgestanden werden können. Eine sofortige Zulassung nach D 1.2 kommt in Betracht, wenn die Antragstellerin durch eine Erkrankung behindert ist und eine berufliche Rehabilitation nur durch sofortige Zulassung zum Studium sichergestellt werden kann, weil eine sinnvolle Überbrückung der Wartezeit nicht möglich ist. In jedem Fall der Gruppe D 1. ist als Nachweis ein fachärztliches Gutachten vorzulegen, das zu diesen Kriterien hinreichend Stellung nimmt und Aussagen über Entstehung, Schwere, Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten der Erkrankung sowie eine Prognose über den weiteren Krankheitsverlauf enthält. Es sollte auch für medizinische Laien nachvollziehbar sein.
8Aus den im Verwaltungsverfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen lässt sich nicht entnehmen, dass die Antragstellerin an einer Erkrankung mit Verschlimmerungstendenz leidet, die sie in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit außerstande setzen wird, die Belastungen des Medizinstudiums durchzustehen, wenn nicht die sofortige Zulassung zum Studium erfolgt. Erforderlich ist zumindest, dass sich aus den Gutachten ergibt, dass und warum die Antragstellerin in Zukunft mit dem erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit ein Studium nicht mehr bewältigen kann.
9Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. April 1983 - 16 A 1075/82 - n.v. und Beschluss vom 03. Mai 2010 - 13 B 469/10 -, juris.
10Diesen Erfordernissen genügen die von der Antragstellerin bei der Stiftung für Hochschulzulassung vorgelegten Unterlagen nicht. Die ärztlichen Stellungnahmen, die alle nicht beglaubigt und zum Teil auch nicht unterzeichnet sind, stammen aus den Jahren 2009 bis 2012 und belegen, dass die Antragstellerin seit 2006 an Diabetes mellitus erkrankt ist und aufgrund einer bestehenden Hypoglykämiephobie mit schwerer Adhärenzproblematik die medikamentöse Senkung des Blutzuckerwertes trotz Insulinpumpe auf einen medizinisch vertretbaren Wert kaum möglich ist. Die erforderlichen fachärztlichen Aussagen über Entstehung, Schwere, Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten der Erkrankung der Antragstellerin sowie eine Prognose über den weiteren Krankheitsverlauf enthält keines der vorgelegten ärztlichen Atteste. Einzig die ärztliche Stellungnahme des Chefarztes der Medizinischen Klinik 2 des Leopoldina Krankenhauses, Prof. Dr. L. , macht insofern Ausführungen zum weiteren Krankheitsverlauf, als dass er ausführt, es scheine ihm jetzt unbedingt der richtige Zeitpunkt bezüglich des Studienbeginns, da eine Verschlechterung der Erkrankung in den nächsten Jahren zu befürchten sei und somit die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Studiums sinke.
11Die vorgelegten Unterlagen, selbst wenn man sie auch berücksichtigt, soweit sie nicht beglaubigt sind, reichen nicht aus, um einen Härtefall im Sinne von § 15 VergabeVO zu begründen und die Antragstellerin zu Lasten eines anderen Studienbewerbers vorzuziehen. Insoweit wäre vielmehr die Feststellung erforderlich, dass die Antragstellerin wegen ihrer Erkrankung in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Studium nicht mehr wird bewältigen können, was mit den ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen weder vorgetragen noch belegt wird. Der attestierte bestehende Diabetes mellitus der Antragstellerin mit gegenwärtig medizinisch nicht akzeptablen Blutzuckerwerten und der damit einhergehenden Gefahr vorzeitig eintretender Folgeerkrankungen genügt insoweit nicht. Es fehlt jede Auseinandersetzung mit möglichen Behandlungsmethoden der bestehenden Hypoglykämiephobie der Antragstellerin, um ihr eine medikamentöse Senkung des Blutzuckerwertes auf einen medizinisch vertretbaren Wert zu ermöglichen. Aus dem Gutachten des Diabetes Zentrums Mergentheim vom 23. April 2012 über einen stationären Aufenthalt im März 2010 geht vielmehr hervor, dass eine Teilnahme an einer spezifisch verhaltensmedizinisch orientierten Angstbewältigungsgruppe zu einer Verbesserung der Beschwerden beitragen konnte. Warum eine Wiederholung oder Fortführung dieser Art oder anderer Art von Psychotherapie nicht zu einer Verbesserung beitragen könnte, ergibt sich ebenfalls nicht aus den eingereichten Unterlagen.
12Schließlich hat die Antragstellerin auch nicht im Sinne der Fallgruppe D 1.2 der Regelbeispiele glaubhaft gemacht, dass ihr ein weiteres Warten auf einen Studienplatz nicht zugemutet werden kann, da sie an einer Behinderung durch Krankheit leidet und die berufliche Rehabilitation nur durch eine sofortige Zulassung sichergestellt werden kann, weil aufgrund der Behinderung eine sinnvolle Überbrückung der Wartezeit nicht möglich ist. Eine derartige Notstandssituation, die es als unzumutbar erscheinen lässt, dass die Antragstellerin auch nur ein weiteres Semester auf ihre Zulassung wartet, lässt sich den zu berücksichtigenden ärztlichen Gutachten nicht entnehmen. Das Gericht verkennt nicht, dass es für die erkrankte Antragstellerin schwieriger sein wird, bis zur Zuweisung eines Studienplatzes eine Tätigkeit zur Überbrückung zu finden, als für vergleichbare gesunde Bewerber. Das allein genügt dem anzulegenden strengen Maßstab indes nicht. Die sofortige Zulassung im Rahmen der Härtefallquote ist nur dann geboten, wenn die Erkrankung jede sinnvolle Beschäftigung bis zur Studienaufnahme unmöglich macht. Das hat die Antragstellerin nicht nachgewiesen.
13Nach alledem war der Antrag abzulehnen.
14Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
15Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes und entspricht der Praxis des erkennenden Gerichts in Verfahren der vorliegenden Art.
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