Urteil vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 4 K 5606/09
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 176.245,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 23. Dezember 2009 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/5 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 4/5.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagten ist das Urteil wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung entsprechend Sicherheit leisten.
1
Tatbestand:
2Die Studierendenschaft der Ruhr-Universität Bochum nimmt die Beklagten mit ihrer Klage als Gesamtschuldner auf Schadensersatz wegen wirtschaftlicher Verluste im Zusammenhang mit der Durchführung der „Mensa-Party“ am 8. Dezember 2007 in Anspruch. Der Beklagte zu 1. war zum damaligen Zeitpunkt Vorsitzender und der Beklagte zu 2. Finanzreferent des Allgemeinen Studierenden Ausschusses (AStA).
3Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
4Im April/Mai 2007 fasste der neu konstituierte AStA den grundsätzlichen Entschluss, eine Mensa-Party zu veranstalten, die deutlich größer als üblich ausfallen sollte.
5Im Haushalt 2007/08 der Klägerin standen im Haushaltstitel 42150 für die Durchführung von „sonstigen Veranstaltungen“ 40.000,- Euro zur Verfügung.
6Für die Organisation der Party sollte eine Planungsgruppe zuständig sein, der u. a. das damalige AStA-Mitglied D. B. (Referent für Hochschulpolitik) angehörte, und zu dessen Unterstützung der Beklagte zu 1. zudem B1. F. auf 400,- Euro-Basis einstellte.
7Dieser bahnte am 22. Mai 2007 per E-Mail einen Engagementvertrag mit der Gruppe „Culcha Candela“ mit einer Gagenhöhe von 22.000,- Euro zuzgl. 7% MwSt. + Sondervereinbarungen und einer entsprechenden Ausfallerstattung an.
8In seiner Sitzung vom 19. Juli 2007, über die dem Gericht ein Protokoll nicht vorliegt, gab der AStA sein „OK“ zu einer Mensa-Party, zu der eine bekanntere Band (ggf. „Die Ärzte“) engagiert werden sollte.
9In der Folgezeit wurden von B1. F. bzw. D. B. - per E-Mail -folgende weitere Künstler-Arrangements angebahnt:
10- Ein Gastspielvertrag mit der Gruppe „2raumwohnung“ vom 1. September 2007 mit einer Gagenhöhe von 27.500,- Euro zuzgl. 7% MwSt. + Sondervereinbarungen und entsprechender Ausfallerstattung.
11- Ein Gastspielvertrag mit „Joy Denalane“ vom 2. September 2007 mit einer Gagenhöhe von 27.500,- Euro zuzgl. 7% MwSt. + Sondervereinbarungen und einer entsprechenden Ausfallerstattung.
12- Ein Vertrag mit der Gruppe „Juli“ vom 6. September 2007 mit einer Gagenhöhe von 50.000,- Euro zuzgl. 7% MwSt. + Sondervereinbarungen und entsprechender Ausfallerstattung.
13- Eine „Kooperationsvereinbarung“ vom 11. September 2007 mit der Gruppe „Marnie“ über eine Gage von 1000,- Euro zuzgl. 7% MwSt. + Sondervereinbarungen.
14Zur Finanzierung der in ihrem projektierten Umfang erheblich die bislang üblichen Veranstaltungen übersteigenden Mensa-Party erstellte der AStA einen Entwurf eines Nachtragshaushalts mit folgendem Inhalt:
15Der Ausgabentitel 42150 (Titelgruppe G) wurde von 40.000,- auf 180.000,- Euro erhöht. Zum Ausgleich dessen wurden auf der Einnahmeseite folgende Titel um eine Gesamtsumme von 181.500,- Euro erhöht: Titel 10110 (Studierendenschaftsbeiträge) von 710.500,- auf 750.000,- (= 39.500,-), Titel 10180 (Porto, Kopien, Gebühren) von 2000,- auf 3000,- Euro (= 1.000,-),
16Titel 10200 (Druckerei) von 108.000,- auf 110.000,- Euro (= 2.000,-),
17Titel 10210 (Kulturcafe) von 210.000,- auf 230.000,- Euro (= 20.000,-) und
18Titel 10270 (Einnahmen Kulturwochen/Sonstiges): von 18.000,- auf 137,000,- Euro (= 119.000,-)
19Am 19. September 2007 fand eine AStA-Vorstandssitzung mit den Beklagten und den AStA-Vorstands-Mitgliedern U. I. , S. T. , N. -F1. D1. und T1. C. statt. Über diese Sitzung existieren zwei - vom Beklagten zu 2. als Protokollführer unterzeichnete - Protokolle, die inhaltlich insoweit übereinstimmen, als der AStA unter TOP 2 „den Nachtragshaushalt genehmigt“.
20In einem der Protokolle ist zusätzlich der abschließende Zusatz enthalten, „Für Verträge, die für die Durchführung von Veranstaltungen des AStA geschlossen werden müssen, reicht die Unterschrift des Vorsitzenden G. G1. gemäß § 55 II Hochschulgesetz im HFG aus. Weitere Unterschriften machen den geschlossenen Vertrag nicht unwirksam.“
21In der Sitzung des Studierendenparlaments vom 26. September 2007 fand die 1. Lesung des Nachtragshaushalts statt. Das Protokoll ist hinsichtlich der Details unergiebig. Es wird lediglich festgehalten, dass der Beklagte zu 1. „die Änderungen dargestellt“, und dass er auf die Frage eines Parlamentariers, warum sich der diesjährige AStA nicht an die HWVO (Haushalts- und Wirtschaftsführungsverordnung) halte, geantwortet habe, dass dies ein „Kann“ und kein „Muss“ sei. Der Beklagte zu 1. selbst hat dazu in seiner Stellungnahme vom 4. Dezember 2013 ausgeführt, er habe in der 10. Sitzung des Studierendenparlaments eingehende Worte zum Nachtragshaushalt geäußert. Dabei sei es um die Erhöhung der Mittel im Ausgabetitel „sonstige Veranstaltungen“ gegangen, die ihrer Größe nach eindeutig der Mensa-Party zuzuordnen gewesen sei.
22In der Sitzung des Studierendenparlaments vom 27. September 2007 wurde - im Rahmen der 2. Lesung - der Nachtragshaushalt debattiert.
23B1. F. verwies auf Nachfrage einer Parlamentarierin darauf, dass eine genaue Kostenaufstellung für die Mensa-Party erst in der nächsten Sitzung des Studierendenparlaments vorgestellt werden könne. Der Beklagte zu 1. gab auf konkrete Nachfrage an, dass bisher noch keine Verträge abgeschlossen worden seien.
24Nachdem der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Studierendenparlaments- S1. W. - geäußert hatte, der Haushaltsausschuss des Studierendenparlaments werde zum Nachtragshaushalt keine Empfehlung abgeben, wurde der Nachtragshaushalt in 3. Lesung gleichwohl mit 18 Ja- und 16 Nein-Stimmen entsprechend dem Entwurf verabschiedet.
25Der festgestellte Nachtragshaushaltsplan ist laut Aussage des Beklagten zu 1. vom Beklagten zu 2. dem Rektorat der Hochschule „unmittelbar nach der Verabschiedung“ vorgelegt worden. Die hochschulöffentliche Bekanntmachung innerhalb der Studierendenschaft sei „über die Internetseite und öffentlichen Aushang auf dem AStA-Flur“ erfolgt. Diese Umstände sind nach wie vor streitig.
26Ebenfalls am 27. September 2007 unterzeichnete der Beklagte zu 1. die bereits erwähnten Gastspielverträge „2raumwohnung“, „Joy Denalane“, und „Juli“ sowie einen weiteren Arrangementvertrag mit der Gruppe „Gods of Blitz“ mit einer Gagenhöhe von 3000,- Euro zuzgl. 7% MwSt. und Sondervereinbarungen.
27Am 4. Oktober 2007 unterzeichnete der Beklagte zu 1. einen weiteren Vertrag mit der Gruppe Marnie über 1000,- Euro zzgl. MwSt..
28In der AStA-Vorstandssitzung am 10. Oktober 2007 fassten die Beklagten sowie das AStA-Vorstands-Mitglied E. unter TOP 1: „Mensparty am 8.12.07“ folgenden Beschluss:
29-
30
„Wir buchen die Bands „Juli“, „2raumwohnung“, „Culcha Candela“, „Marnie“, „Joy Denalane“, „Gods of Blitz“ sowie 1 - 3 regionale Bands.
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Die Gagen belaufen sich auf ca. 130.000 € zzg. Steuern und Hotelkosten. Bei Juli fallen keine Hotelkosten an.“
Die dem RCDS angehörenden Mitglieder des AStA-Vorstandes (T. u. I. ) waren bei der Vorstandssitzung nicht anwesend.
34Am 17. Oktober 2007 fand ein E-Mail-Kontakt zwischen dem Beklagten zu 1. und dem Vertreter des Rektorats der Hochschule statt. In der E-Mail vom 18. Oktober 2007 wurde der Beklagte zu 1. darauf hingewiesen, dass mit der Verabschiedung des jeweiligen Haushalts die einzelnen Ansätze aus dem Haushaltsplan zur Verfügung stünden und eine Bestätigung durch einen Vorstandsbeschluss des AStA insoweit nicht erforderlich sei.
35In der 13. Sitzung des Studierenden-Parlaments am 24. Oktober 2007 verwies der Beklagte zu 1. im Rahmen des AStA-Berichts bezüglich Anfragen von Parlamentariern zur Mensa-Party auf B1. F. . Dieser verteilte sodann folgende Kostenaufstellung:
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Einnahmen |
Ausgaben |
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Kartenverkauf |
146.000,- |
Künstlergagen |
137.000,- |
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Sponsoring |
15.000,- |
Bühne/Technik |
25.000,- |
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Getränkeverkauf |
20.000,- |
Security |
11.000,- |
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Werbung |
2.500,- |
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181.000,- |
175.000 |
Mit Blick auf das finanzielle Volumen der geplanten Mensa-Party warf das AStA-Vorstandsmitglied I. (RCDS) die Frage auf, ob „bei der Summe“ nicht das Studierendenparlament gemäß § 6 der Satzung der Studierendenschaft das zuständige Organ sei. Es kam daraufhin zu einer „Abstimmung über das Konzept für die Mensa-Party und den entsprechenden Beschluss in der 41. KW“ (= AStA-Beschluss vom 10. Oktober 2007). Mit 12 Stimmen für das Konzept, 18 Gegenstimmen, 4 Enthaltungen und einer ungültigen Stimme wurde das Konzept der Mensa-Party abgelehnt.
38Der Beklagte zu 1. beanstandete diesen Beschluss des Studierendenparlaments „in formeller und materieller Hinsicht.“
39Mit E-Mail vom 30. Oktober 2007 wandte sich der Sprecher des Studierendenparlaments an das Rektorat der Hochschule unter Hinweis auf dessen Rechtsaufsicht: Der Beschluss des AStA vom 10. Oktober 2007 sei nichtig, weil die RCDS-Mitglieder des AStA bewusst nicht eingeladen worden seien. Es sei rechtlich nicht vertretbar, einen solchen Beschluss für nicht notwendig zu erachten.
40Gemäß § 6 Abs. 1 Buchst. b) der Satzung der Studierendenschaft habe das Studierendenparlament in grundsätzlichen Angelegenheiten der Studentenschaft zu beschließen. Um eine grundsätzliche Angelegenheit handele es sich bei einer Veranstaltung, die 1/10 des Haushaltsvolumens ausmache. Wenn das Studierendenparlament den Haushaltstitel 42150 auf 180.000,- angesetzt habe, habe es damit nicht inzident das Mensafest genehmigt. Mit dem Beschluss des Studierendenparlaments vom 24. Oktober 2007 seien die Planungen des AStA verworfen worden und das Mensafest habe vorerst nicht so veranstaltet werden dürfen.
41Der Beklagte zu 1. gab dazu auf Aufforderung des Rektorats - auszugsweise - folgende Stellungnahme ab: Dem Studierendenparlament stünde aus § 6 Abs. 1 Buchst. b) der Satzung der Studierendenschaft kein Recht zu, aktiv in das Budgetrecht des AStA einzugreifen. In § 23 Abs. 2 der Satzung der Studierendenschaft sei geregelt, dass der Vorsitzende des AStA ggf. rechtswidrige Beschlüsse des Studierendenparlaments bzw. des AStA zu beanstanden habe. Selbst wenn der AStA-Beschluss vom 10. Oktober 2007 rechtswidrig gewesen sein sollte, sei durch die E-Mail des Rektorats vom 18. Oktober 2007 festgestellt worden, dass die Ausgaben, die für die Durchführung der Mensa-Party getätigt worden seien, bereits durch die Feststellung im Nachtragshaushalt legitimiert seien. Wäre der Beschluss des Studierendenparlaments vom 24. Oktober 2007 rechtmäßig, müsste die Studierendenschaft aufgrund der Kündigung von Verträgen hohe Konventionalstrafen zahlen, so dass der Beschluss auch nicht mit der HWVO in Einklang zu bringen sei.
42Das Rektorat der Hochschule erteilte dem Sprecher des Studierendenparlaments mit Schreiben vom 19. November 2007 sodann im Wesentlichen folgende Rechtsauskunft: Die Beschlussfassung des Studierendenparlaments in der Sitzung am 24. Oktober 2007 unter Tagesordnungspunkt 6 sei ohne Grundlage erfolgt und wirkungslos. Dem AStA-Vorsitzenden sei bereits mit E-Mail vom 18. Oktober 2007 mitgeteilt worden, dass mit der Verabschiedung des jeweiligen Haushalts die einzelnen Ansätze aus dem Haushaltsplan zur Verfügung stehen und eine Bestätigung durch einen Vorstandsbeschluss des AStA insoweit nicht erforderlich sei. Nach § 6 Abs. 1 Buchst. b) der Satzung der Studierendenschaft stünde dem Studierendenparlament lediglich ein Kontrollrecht zu.
43In der 14. Sitzung des Studierendenparlaments vom 20. November 2007 wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit eine aktuelle Stunde zur Mensa-Party durchgeführt, im Rahmen derer erstmals eine detaillierte Kostenaufstellung vorgelegt wurde, die von Ausgaben für die Mensa-Party in Höhe von 243.880,70 Euro und Einnahmen in Höhe von 227.289,00 Euro, mithin von einem Verlust in Höhe von 16.591,70 Euro, ausging.
44Auf der Einnahmeseite ging diese Kalkulation von Erlösen aus Eintrittskarten in Höhe von 138.000,- Euro aus, nämlich 1000 Eintrittskarten für Studierende a 28,- Euro: 3000 Eintrittskarten für Externe a 35,- Euro und 1000 Eintrittskarten a 5,- Euro für die Aftershowparty. Einnahmen aus dem Verkauf von Getränken und Garderobe wurden mit ca. 78.650,- Euro veranschlagt.
45Konkrete Fragen von Parlamentariern zur Mensa-Party wurden sodann überwiegend von B1. F. beantwortet. U. a. wurde ausgeführt, es gebe 4500 Karten und die Mensa sei für 4.800 Personen zugelassen. Die Möglichkeit von Verlusten bestehe. Auch wenn die Einnahmen geringer ausfallen würden als geplant, würde der Haushalt noch über Mittel verfügen, die Verluste zu kompensieren. Die Frage, ob die Einnahmen aus dem Kulturcafe geschönt seien, beantwortete der Beklagte zu 2. nicht.
46Am 7. November 2007 wurde ein weiterer Gastspielvertrag mit der Gruppe “Son et lumiere” über 250,- Euro geschlossen, der allerdings vom Beklagten zu 1. nicht unterschrieben worden ist.
47Auf den von D. B. unter dem 2. November 2007 gestellten Bauantrag erteilte die Stadt Bochum unter dem 8. November 2007 die erforderliche Baugenehmigung. Als Anlage wurde dieser die Stellungnahme des Brandschutzbeauftragten - BrBB - vom 19. Oktober 2007 beigefügt, in der ausgeführt wird, dass aufgrund der Bühnen etc. die im Brandschutzkonzept für die Mensa festgelegten maximalen Personenzahlen auf Ebene 1 von 2800 und Ebene 2 von 3200 nicht mehr zuträfen. Brandschutztechnisch könne die Ebene 1 der Mensa für max. 2400 Besucher und die Ebene 2 für max. 2300 Besucher zugelassen werden. Dies sei identisch mit der Anzahl der verkaufbaren Karten.
48Am 11. November 2007 unterzeichnete der Beklagte zu 1. den Arrangementvertrag mit „Culcha-Candela“.
49Die Mensa-Party fand am 8. Dezember 2007 wie geplant statt.
50Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Arnsberg überprüfte sodann die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Studierendenschaft im Auftrag des Landesrechnungshofs NRW und erstellte unter dem 3. Juli 2008 einen Prüfbericht, der sich ausdrücklich „im Wesentlichen auf die Haushaltssituation der Studierendenschaft im Zusammenhang mit der Durchführung einer defizitären Großveranstaltung im Monat Dezember des Jahres 2007“ erstreckte. Gemäß diesem Prüfbericht sind für die Mensaparty Ausgaben in Höhe von 257.950,36 Euro getätigt worden. Hinsichtlich der Realisierung der Einnahmen aus der Mensa-Party kommt der Bericht zum damaligen Zeitpunkt auf eine Größenordnung von um die 20.000,- Euro und bemängelt maßgeblich eine fehlende Dokumentation der Einnahmen mit dem Hinweis, dass nach den getroffenen Feststellungen nicht auszuschließen sei, dass es im Zusammenhang mit der Durchführung und finanziellen Abwicklung der Mensa-Party zu strafbaren Handlungen gekommen sei. Auf die weiteren Ausführungen im Prüfbericht wird Bezug genommen.
51Die Staatsanwaltschaft Bochum nahm sodann Ermittlungen gegen die Beklagten wegen des Verdachts der Untreue auf.
52Jeweils mit anwaltlichen Schreiben vom 20. August 2009 forderte die Klägerin die Beklagten auf, spätestens bis zum 11. September 2009 einen Betrag in Höhe von 222.181,58 Euro zu überweisen.
53Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Bochum vom 27. August 2009 - 27 Cs 35 Js 466/08 - 144/09 - wurde der Beklagte zu 1. wegen Untreue zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren - 35 Js 102/09 A - gegen den Beklagen zu 2. wurde am 11. März 2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
54Am 23. Dezember 2009 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, mit der sie die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch nimmt. Die Höhe des Schadensersatzes beschreibt sie als Differenz zwischen den Ausgaben für die Mensa-Party in Höhe von 257.771,09 Euro und den - zwischenzeitlich - realisierten Einnahmen in Höhe von 39.525,79 Euro.
55Zur Klagebegründung rügt die Klägerin maßgeblich grob fahrlässige Verstöße der Beklagten gegen haushaltsrechtliche Grundsätze. Eine Veranstaltung im geplanten Umfang der Mensa-Party hätte nur auf der Grundlage einer sorgfältigen Kalkulation unter Berücksichtigung der möglichen Risiken durchgeführt werden dürfen. Erst auf einer solchen Grundlage hätten die zur Durchführung einer solchen Veranstaltung erforderlichen Beschlüsse der Studierendenschaft herbeigeführt werden und erst dann die Verträge für die Veranstaltung geschlossen und die Veranstaltung durchgeführt werden dürfen. Tatsächlich hätte mit den geplanten Eintrittspreisen selbst bei einer ausverkauften Veranstaltung kein Gewinn erwirtschaftet werden können. Den Beklagten habe es aufgrund ihrer Funktionen oblegen, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Dagegen hätten sie zumindest grob fahrlässig verstoßen und seien zum Ersatz des der Klägerin entstandenen Schadens verpflichtet. Außerdem habe die Mensa-Party gemäß § 14 HWVO als Angelegenheit von erheblicher finanzieller Bedeutung der vorherigen Zustimmung des Studierendenparlaments bedurft. Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die Klageschrift sowie die ergänzenden Ausführung im Schriftsatz vom 20. Mai 2011 Bezug genommen.
56Die Klägerin beantragt,
57die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 218.245,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. September 2009 zu zahlen.
58Der Beklagte zu 1. beantragt,
59die Klage abzuweisen.
60Er habe weder mit Bands, Technik und anderen Vertragspartnern Absprachen getroffen. Hinsichtlich der Inanspruchnahme der Mensa-Räumlichkeiten habe er erstmals am 31. Oktober 2007 von Herrn K. P. , dem Gastronomieleiter, erfahren, dass die Planungsgruppe der Mensa-Party mit diesem ein Gespräch über den Mietpreis geführt habe, nachdem ihm zuvor gesagt worden sei, dass das AKAFö die Mensa - wie bei früheren Festen - unentgeltlich zur Verfügung stellen würde. Die genaue Mietzinshöhe habe er erst bei Vertragsunterzeichnung am 30. November 2007 erfahren.
61Bei der Aufstellung des Nachtragshaushalts sei realistisch von Eintrittsgeldern in Höhe von 119.000,- Euro ausgegangen worden, wenn bei einem durchschnittlichen Eintrittspreis von 32,- Euro 3700 Besucher in die Mensa und weitere 500 bis 1000 zur After-Show-Party gekommen wären. Diese Einnahmen hätten nach der Planung des Finanzreferenten in den Haushaltstitel 10270 (Einnahmen Kulturwochen / sonstige Veranstaltungen) fließen sollen. Die Anhebung der Einnahmen für das Kulturcafe auf 230.000,- Euro sei mit Blick auf die guten Umsätze im Mai 2007 und der Planung, dass die Getränkeeinnahmen der Mensa-Party als Umsätze des Kulturcafes hätten gebucht werden sollen, realistisch gewesen. Bei einem Planungsverlauf im Hinblick auf Werbung, Vorbereitung und das Unterlassen von Gegenkampagnen der Oppositionslisten habe der Nachtragshaushalt mit leichten Abweichungen durchaus der Realität entsprochen. Der Nachtragshaushalt sei unmittelbar nach der Verabschiedung durch den Finanzreferenten in Anwesenheit von N1. I1. an das Rektorat weiter geleitet und hochschulöffentlich über die Internetseite und durch Aushang auf dem AStA-Flur bekannt gemacht worden.
62Eine Schadensersatzforderung in Höhe von 218.245,30 Euro und sein Beitrag an diesem Schaden sei von der Klägerin nicht substantiiert worden. Gemäß § 4 Abs. 6 der AStA-Geschäftsordnung gehöre das zu planende Großevent zum Jahresende zu den besonderen Aufgaben des Kulturreferats. Das Studierendenparlament habe von der Durchführung der Mensa-Party gewusst und mit Beschluss vom 27. September 2007 auch die rechtliche Grundlage zur Durchführung der Mensaparty geschaffen.
63Das Studierendenparlament habe einem kalkulierten Verlust von 50.000,- Euro zugestimmt. Die kalkulierten Ausgaben, die in dem vom Finanzreferenten eingebrachten Nachtragshaushalt veranschlagt gewesen seien, hätten zum Zeitpunkt der Einbringung ihrem - der Beklagten - Kenntnisstand entsprochen. Noch am 6. November 2007 sei Herr D. B. davon ausgegangen, dass für die Nutzung der Mensa keine Kosten entstehen würden.
64Nicht nur ihm, sondern auch dem Studierendenparlament sei der Beschluss des Nachtragshaushalts vorzuhalten; ebenso hätte das Rektorat nach Vorlage des Haushaltsnachtrags seine Rechtsaufsicht ausüben müssen. Das Studierendenparlament hätte den Beschluss des AStA, die Mensa-Party durchzuführen, gemäß § 27 Abs. 3 ihrer Satzung rügen müssen. Schließlich verweist der Beklagte zu 1. darauf, dass das Rektorat mit dessen E-Mail vom 18. Oktober 2007 seine - des Beklagten zu 1. - Rechtsauffassung bestätigt habe.
65Der Beklagte zu 2. beantragt,
66die Klage abzuweisen.
67Er sei am Projekt „Mensa-Party“ allenfalls mittelbar und formell aufgrund seines Amtes als Finanzreferent beteiligt gewesen. Planung und Organisation der Veranstaltung, Vertragsabschlüsse und das Eingehen von Zahlungsverpflichtungen sei von Dritten in eigener Verantwortung durchgeführt worden. Er habe nicht vorhersehen können, dass die Veranstaltung so „floppen“ würde. Er hafte auch nicht wegen Untreue gemäß § 266 StGB; das entsprechende staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren gegen ihn sei gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
68Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, den als Beiakte Heft 1 geführten Anlagen zur Klageschrift und den in Ablichtung vorliegenden staatsanwaltlichen Ermittlungsakten Bezug genommen.
69Entscheidungsgründe:
70Die zulässige Leistungsklage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
71Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Schadensersatz ergibt sich dem Grunde nach aus § 57 Abs. 5 des Hochschulgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen - HG -. Danach hat jemand, der als Mitglied eines Organs der Studierendenschaft oder einer Fachschaft vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt, der Studierendenschaft den ihr daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
72Die Beklagten werden von der Klägerin aufgrund ihrer spezifischen Funktionen als Vorsitzender (Beklagter zu 1.) und Finanzreferent (Beklagter zu 2.) des AStA, also gemäß § 53 Abs. 5 Satz 1 HG NW und § 18 Abs. 1 der Satzung der Studierendenschaft der Ruhr-Universität Bochum vom 10. Oktober 2004 (Satzung) als Mitglieder eines Organs der Studierendenschaft, in Anspruch genommen.
73In Ausübung dieser Funktionen haben die Beklagten die ihnen obliegenden Pflichten zur Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen der Klägerin verletzt, indem sie maßgeblich die Planung und Durchführung der Mensa-Party 2007 getragen haben, obwohl sie kraft ihrer Ämter verpflichtet gewesen wären, die Mensa-Party 2007 in ihrer konkreten Ausgestaltung zu verhindern:
74Allein zum Zwecke der Durchführung einer vom AStA geplanten spektakulären Mensa-Party 2007 sollte durch einen Nachtragshaushalt der Ausgabentitel 42150 („sonstige Veranstaltungen“) mit einem ursprünglichen Ansatz von 40.000,- Euro im Haushaltsjahr 2007/08 angehoben werden. Für die Aufstellung des Haushaltsplans und etwaiger Nachträge - als Vorlage für das letztlich zur Feststellung des Haushalts zuständige Studierendenparlament - ist gemäß § 57 Abs. 3 HG und § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Studierendenschaften der Universitäten, Fachschaften und Kunsthochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (HWVO) der AStA zuständig. Entsprechend hat der AStA-Vorstand in seiner Sitzung am 19. September 2007 mit den Stimmen der Beklagten den Nachtragshaushalt beschlossen („genehmigt“), der schließlich vom Studierendenparlament am 27. September 2007 festgestellt (beschlossen) worden ist.
75Der vom AStA aufgestellte Nachtragshaushalt war jedoch rechtswidrig, weil er in jeglicher Hinsicht einer sorgfältigen Kalkulation widersprach und somit gegen grundlegende haushaltsrechtliche Grundsätze verstieß. Insbesondere verletzte der Nachtragshaushalt die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gemäß
76§ 57 Abs. 3 HG i. V. m. § 2 Abs. 1 HWVO und stand nicht mit dem Gebot des § 5 Abs. 1 Satz 1; Abs. 3 HWVO in Einklang, wonach im Haushaltsplan und entsprechend in einem etwaigen Nachtragshaushalt die Ansätze in den Einnahme- und Ausgabetiteln in ihrer voraussichtlichen Höhe zu errechnen oder ggf. sorgfältig zu schätzen sind:
77Am 19. September 2007 stand für den AStA das Konzept der Mensa-Party 2007 bereits insoweit fest, als - aus der Sicht des AStA offensichtlich verbindlich - Gastspielverträge mit einem Volumen an Gagen und Nebenkosten in Höhe von ca. 140.768,50 Euro „angebahnt“ waren. Damit war bei verständiger Würdigung schon am 19. September 2007 offenkundig, dass bereits der haushaltsrechtliche Ansatz von 180.000,- Euro im Haushaltstitel 42150 des Nachtragshaushalts angesichts der unabdingbaren weiteren Kosten einer solchen Großveranstaltung jeglicher realistischen Einschätzung entbehrte. Insoweit ist auf die spätere Kosteneinschätzung von über 240.000 Euro hinzuweisen, die dem Studierendenparlament am 20. November 2007 vorgelegt worden ist, ohne dass auch nur ansatzweise ersichtlich ist, dass die Kosten für die Veranstaltung innerhalb von nur zwei Monaten - unvorhersehbar - „explodiert“ wären. Das bedeutet, dass bereits am 19. September 2007 objektiv feststand, dass die geplante Mensa-Party allein mit Haushaltsmitteln von 180.000,- Euro im Haushaltstitel 42150 nicht durchführbar sein würde.
78Ebenso entbehrte die Ausbringung des Einnahmetitels 10270 einer sorgfältigen Schätzung, selbst wenn man einen Ausgabetitel in Höhe von 180.000,- Euro zugrunde legt. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 HWVO sollen der Haushaltsplan und etwaige Nachträge in Einnahme und Ausgabe ausgeglichen sein. Der aufgestellte Nachtragshaushalt hätte mithin auf der Grundlage einer sorgfältigen Schätzung mit der Erhöhung des Ausgabetitels korrespondierende Einnahmen in Ansatz bringen müssen. Das ist zwar formal geschehen, war hinsichtlich des Ansatzes von 119.000,- Euro an Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten objektiv wiederum vollkommen unrealistisch. Eine sorgfältige Kalkulation von Einnahmen aus einer Musikveranstaltung hängt primär von der zulässigen Aufnahmekapazität des Veranstaltungsortes - hier der Mensa der Ruhr-Universität Bochum - ab, weil diese Aufnahmekapazität die Anzahl der veräußerbaren Karten selbst bei einer optimalen Auslastung begrenzt. Die Aufnahmekapazität der vorgesehenen Mensa-Räumlichkeiten ist durch die Baugenehmigung der Stadt Bochum vom 8. November 2007 in Verbindung mit einem Brandschutzgutachten festgestellt worden. Danach durften für die Bühnenebene (Ebene 02) 2.300 Karten und für die After-Show-Party (Ebene 01) 2.400 Karten verkauft werden. Bei - an sich unrealistischer - Annahme einer vollen Auslastung des Bühnenbereichs und unter Berücksichtigung der möglicherweise nicht völlig fernliegenden Mischkalkulation des AStA, dass nur 25% der Besucher Studierende sein würden, die für die Eintrittskarte 28,- Euro und 75% der Besucher Externe sein würden, die für die Eintrittskarte 32,- Euro zahlen würden, hätte der Nachtragshaushaltsentwurf des AStA somit nur von Einnahmen in Höhe von ca. 76.000,- Euro aus Eintrittskartenverkauf ausgehen dürfen. Legt man weiter die Annahme des AStA von weiteren 1000 verkauften Karten a 5,- Euro für die After-Show-Party als realistisch zugrunde, so hätten die Einnahmen von 81.000,- Euro nicht ausgereicht, Ausgaben von 180.000,- Euro, geschweige denn die realistisch deutlich höheren Kosten im Sinne eines ausgeglichenen Haushalts zu kompensieren.
79Die dem somit rechtswidrigen Nachtragshaushalt zugrundeliegenden Verstöße gegen haushaltsrechtliche Grundsätze beruhen auf spezifischen Pflichtverstößen der Beklagten. Dem Beklagten zu 2. oblag es als Finanzreferent, den Nachtragshaushalt für die Mensa-Party vorzubereiten und dabei gemäß § 57 Abs. 3 Satz 2 HG i. V. m.
80§ 7 Abs. 1 HWVO die Ansätze der zu ändernden Haushaltstitel aufgrund der tatsächlichen Grundlagen sorgfältig zu schätzen. Eine sorgfältige Schätzung erfordert die Schaffung einer belastbaren Entscheidungsgrundlage. Der Ansatz von voraussichtlichen Kosten in Höhe von 180.000,- Euro genügte indes nach den vorstehenden Ausführungen nicht den Anforderungen einer sorgfältigen Schätzung, vielmehr spricht mit Blick auf die Kostenaufstellung am 20. November 2007 alles dafür, dass sich der Beklagte zu 2. am 19. September 2007 pflichtwidrig mit den zu berücksichtigenden Kosten einer solchen Großveranstaltung überhaupt noch nicht auseinandergesetzt hatte. Ebenso entbehrte die Schätzung der Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten in Höhe von 119.000,- Euro einer belastbaren Grundlage. Der Beklagte zu 2. ist bei der Kalkulation der möglichen Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten von 4000 Besuchern auf der Bühnenebene ausgegangen, ohne dass die Aufnahmekapazität in irgendeiner nachvollziehbaren Weise ermittelt worden war oder für die Annahme einer solche Aufnahmekapazität der Bühnenebene - z. B. aus früheren Veranstaltungen - objektive Anhaltspunkte gegeben waren. Der Beklagte zu 2. hätte mithin den Ansatz von Einnahmen von 119.000,- Euro aus der geplanten Veranstaltung nicht ausbringen und den Nachtragshaushalt auf dieser Grundlage auch nicht, wie in der AStA-Vorstands-Sitzung am 19. September 2007 geschehen, mit beschließen dürfen. Sein Vorgehen widersprach vielmehr zugleich seiner besonderen Kontrollfunktion, die ihm gemäß § 7 Abs. 2 HWVO zukam. Danach kann der Finanzreferent, wenn er durch die Auswirkungen eines Beschlusses des AStA oder des Studierendenparlaments die finanziellen und wirtschaftlichen Interessen der Studierendenschaft für gefährdet hält, eine erneute Befassung mit der Angelegenheit verlangen. Nach den obigen Ausführungen war der Beschluss des AStA-Vorstands über den Nachtragshaushalt in besonderer Weise geeignet, die finanziellen und wirtschaftlichen Interessen der Klägerin zu gefährden.
81Entsprechend hätte auch der Beklagte zu 1. nicht für die Einbringung des Nachtragshaushalts abstimmen dürfen, um die geplante Mensa-Party durchführen zu können. Seine Pflicht wäre es gemäß § 55 Abs. 3 Satz 1 HG und § 23 Abs. 2 Satz 1 der Satzung vielmehr gewesen, den Entwurf des Nachtragshaushalts bzw. die Bestätigung dessen wegen offensichtlichen Fehlens belastbarer Kalkulationsgrundlagen zu beanstanden, anstatt sich - wie offensichtlich geschehen - den Entwurf des Nachtragshaushalts zu eigen zu machen und sich für seine Feststellung im Studierendenparlament persönlich stark zu machen.
82Die Beklagten haben die ihnen obliegenden Pflichten auch grob fahrlässig verletzt.
83§ 57 Abs. 5 HG enthält keine Definition der groben Fahrlässigkeit. Im bürgerlichen Recht wird grobe Fahrlässigkeit angenommen, wenn die im Rechtsverkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsste.
84Vgl. Palandt, BGB-Kommentar, 72. Aufl., § 277 Rdn. 5.
85Auch eine strafrechtliche Definition der groben Fahrlässigkeit gibt es nicht. Dort wird „Leichtfertigkeit“ als besondere Stufe der Fahrlässigkeit angesehen, die etwa der vorstehenden zivilrechtlichen Definition der groben Fahrlässigkeit entspricht, aber auf die persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des Täters abstellt.
86Vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., Rdn. 20 m. w. N.
87Entsprechend der Anlehnung der Formulierung der Vorschrift des § 57 Abs. 5 HG an die Tatbestände unerlaubter Handlungen wird nachfolgend im Sinne der strafrechtlichen Definition die zivilrechtliche Definition der groben Fahrlässigkeit mit der Maßgabe zugrunde gelegt, dass sich der Maßstab der erforderlichen Sorgfalt danach beurteilt, was sich den Beklagten im gegebenen Fall nach ihren Erkenntnissen und Fähigkeiten aufdrängen musste.
88Der Beklagte zu 2. bestreitet nicht, dass ihm die aufgrund seiner Funktion als Finanzreferent des AStA obliegenden haushaltsrechtlichen Pflichten bekannt waren. Er stellt auch nicht in Abrede, dass es zur Wahrnehmung der ihm obliegenden Pflichten erforderlich war, die im Rahmen des Nachtragshaushalts zu ändernden Ansätze der maßgeblichen Haushaltstitel sorgfältig zu schätzen. Und der Beklagte zu 2. bestreitet auch nicht, dass eine solche sorgfältige Schätzung zwingend eine belastbare Ermittlung der tatsächlichen Grundlagen der Haushaltsansätze bedingt. Er beruft sich lediglich darauf, dass Planung und Organisation der Veranstaltung, Vertragsabschlüsse und das Eingehen von Zahlungsverpflichtungen von Dritten in eigener Verantwortung durchgeführt worden seien. Berücksichtigt man weiter den Vortrag des Beklagten zu 2. u. a. in der mündlichen Verhandlung, wonach er sich auf Informationen der Planungsgruppe verlassen habe, bedeutet das, dass sich der Beklagte zu 2. seiner aus § 7 Abs. 2 HWVO resultierenden Kontrollfunktion völlig begeben und sich unkritisch auf Aussagen Dritter verlassen hatte. Eine solche Handlungsweise ist als grob fahrlässig im Sinne der oben genannten Definition zu qualifizieren. Denn selbst wenn Planung und Organisation in zulässiger Weise auf eine Planungsgruppe übertragen worden sein sollten, entbindet das den haushaltsrechtlich primär verantwortlichen Finanzreferenten nicht von seiner Pflicht, die für eine sorgfältige Schätzung notwendigen Entscheidungsgrundlagen zumindest im Kern auf ihre Belastbarkeit zu überprüfen und zu kontrollieren, inwieweit sich die „ausgegliederte“ Planung der Mensa-Party im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Haushalts bewegt.
89Das Merkmal der groben Fahrlässigkeit, dass schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden und das nicht beachtet wurde, was dem Beklagten zu 2. im gegebenen Fall hätte einleuchten müssen, ist auch unter Berücksichtigung der Fähigkeiten des Beklagten zu 2. insbesondere deshalb zu bejahen, weil die Planung und Durchführung der Mensa-Party 2007 sich weder im Rahmen der allgemeinen Bewirtschaftung des Haushalts bewegte noch als „Geschäft der laufenden Verwaltung“ im Sinne einer regelmäßig anfallenden Tätigkeit des AStA einzustufen war. Es handelte sich vielmehr um ein Projekt in einer bislang nicht dagewesenen Größenordnung, das u. a. die Einbringung des Nachtragshaushalts erforderlich machte, der den finanziellen Rahmen mehr als vervierfacht hat. Aus dieser herausragenden Bedeutung resultierte eine gesteigerte Pflicht des Finanzreferenten, sich selbst ein Bild von den tatsächlichen Gegebenheiten zu machen und die finanziellen Risiken für die Studierendenschaft in besonderer Weise in den Blick zu nehmen. Das gilt um so mehr, als sich bereits bei Anlegung eines minimalen Maßstabs für den Beklagten zu 2. zumindest die Besorgnis hätte aufdrängen müssen, dass die Veranstaltung mit dem geplanten Konzept mit Gastspielverträgen über 140.000,- Euro aufgrund eines Ausgabetitels von 180.000,- Euro und damit korrespondierend die Möglichkeit kostendeckender Einnahmen haushaltsrechtlich nicht realisierbar sein könnte. Dabei kann den Beklagten zu 2. nicht entlasten, wenn ihm tatsächlich von der Planungsgruppe gesagt worden wäre, dass für die Bühnenebene 4000 Karten verkauft werden könnten. Angesichts der beschriebenen besonderen Bedeutung und des erheblichen finanziellen Risikos hätte er sich auf die bloße Angabe nicht verlassen dürfen, ohne sich diese Einschätzung näher erläutern und belegen zu lassen. Zudem mussten sich einem ortskundigen Studierenden schon aufgrund der Anzahl von 4000 Zweifel an einer entsprechenden Aufnahmekapazität aufdrängen und Anlass geben, diese Angaben zu hinterfragen. Dass das geschehen ist, hat der Beklagte zu 2. nicht geltend gemacht, wobei dem Beklagten durchaus die Kenntnis zu unterstellen ist, dass es letztlich nur auf den Inhalt einer Baugenehmigung ankommen kann. Soweit man für ihn den sinngemäßen Vortrag des Beklagten zu 1. berücksichtigt, wonach man unter Berücksichtigung von Fluktuationen zwischen den Veranstaltungsebenen durchaus 4000 Karten für das Konzert hätte verkaufen können, ist das als völlig realitätsfremd zu qualifizieren, weil jedem einleuchten muss, dass für ein Konzert nur so viele Karten verkauft werden können, wie Besucher auf einmal in den Veranstaltungsräumen Platz finden können.
90Was den Beklagten zu 1. betrifft, gilt grundsätzlich das Vorstehende entsprechend. Zwar ist der Beklagte zu 1. kraft seines Amtes als Vorsitzender des AStA intern nicht primär zuständig für die Vorbereitung eines aufzustellenden Haushalts bzw. Nachtragshaushalts. Die Pflicht zur sorgfältigen Schätzung der Haushaltsansätze (§ 5 Abs. 3 S. 2 HWVO) und das Gebot, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen (§ 3 Abs. 1 S. 2 HWVO), trifft ihn jedoch auch als Vorsitzenden. Ebenso obliegt ihm die Pflicht zur Beanstandung rechtswidriger Beschlüsse des AStA, woraus logisch die Pflicht zur inhaltlichen Überprüfung solcher Beschlüsse folgt. Der Beklagte zu 1. hätte bei pflichtgemäßer Prüfung des Entwurfs des Nachtragshaushalts, spätestens am Tage der Abstimmung darüber im AStA-Vorstand am 19. September 2007, erkennen können und müssen, dass die Mensa-Party mit der avisierten Konzeption auf der Grundlage des Nachtragshaushalts nicht realisierbar sein würde und die Mensa-Party bei konkreter Durchführung angesichts höherer Kosten und geringerer Einnahmen zwangsläufig zu einem Schaden des Vermögens der Studierendenschaft führen musste. Indem der Beklagte zu 1. sich den Entwurf des Nachtragshaushalts trotz der besonderen Größenordnung der Mensa-Party und der damit verbundenen finanziellen Risiken offenbar völlig unreflektiert zu eigen gemacht und für diesen abgestimmt hat, hat er unbeachtet gelassen, was sich ihm - auch nach seinen Fähigkeiten - hätte aufdrängen müssen. Gleichsam grob fahrlässig hat er den Beschluss vom 19. September 2007 nicht beanstandet und aufgrund der aufschiebenden Wirkung einer Beanstandung kein Überdenken des Entwurfs in Gang gesetzt.
91In weiterer logischer Konsequenz hat der Beklagte zu 1. sodann den Nachtragshaushalt am 26. September 2007 in das Studierendenparlament eingebracht, ohne - weil nicht vorhanden - dem Studierendenparlament und dessen Haushaltsausschuss belastbare Kalkulationen vorzulegen. Nach dem Vortrag des Beklagten zu 1. ist davon auszugehen, dass er mündlich eben die Haushaltsansätze vorgetragen hat, die letztlich vom Studierendenparlament als Nachtragshaushalt beschlossen wurden und damit pflichtwidrig die Grundlage für eine materiell rechtswidrige Feststellung des Nachtragshaushalts durch das Studierendenparlaments geschaffen hat. Das geschah entsprechend Sinn und Zweck des Nachtragshaushalts allein deshalb, um eine formale Grundlage für die unverändert geplante und absehbar defizitäre Mensa-Party zu schaffen. Denn die Beklagten sind, worauf später noch einzugehen ist, irrig davon ausgegangen, dass allein der Ansatz von 180.000,- Euro im Ausgabetitel 42150 vorbehaltlos dazu berechtigt, diesen Betrag auszuschöpfen.
92Die Beklagten haben sodann ihre grob fahrlässigen Pflichtverstöße manifestiert, indem sie selbst auf konkrete Hinweise aus dem Studierendenparlament den eingebrachten Nachtragshaushalt keiner kritischen Würdigung unterzogen. So wurde in der Sitzung des Studierendenparlaments am 27. September 2007 auf den konkreten Wunsch einer Parlamentarierin, die Ausgabenrechnung für die Mensa-Party zu sehen, mit dem Hinweis reagiert, eine genaue Kostenaufstellung könne erst in der nächsten Sitzung vorgestellt werden, was überdies eindrucksvoller nicht belegen kann, dass die Beklagten dem Nachtragshaushalt in der AStA-Vorstandssitzung am 19. September 2007 tatsächlich ohne eine belastbare Kostenaufstellung zugestimmt haben.
93Der Beklagte zu 1. hat in der Sitzung am 27. September 2007 auf Nachfrage aus dem Studierendenparlament sodann verneint, dass bereits Verträge abgeschlossen worden seien, obwohl er davon ausging, dass die bereits vorliegenden Gastspielverträge schon verbindlich waren. Jedenfalls hat der Beklagte zu 1. noch am 27. September 2007 die von B1. F. eingeholten Engagement-Verträge über Künstler-Gagen zzgl. Nebenkosten in Höhe von über 140.000,- Euro unterschrieben und hat spätestens damit eine Ausgabeposition manifestiert, aufgrund derer eine Überschreitung des Haushaltstitels 42150 - ohne etwaige risikobehaftete Rechtsstreitigkeiten - nicht mehr abwendbar war. Diese - aus Sicht der Beklagten verbindliche - Vertragsunterzeichnung allein durch den Beklagten zu 1. war wiederum nur dadurch möglich geworden, dass der AStA-Vorstand dem Beklagten zu 1. in seiner Sitzung vom 19. September 2007 unter Mitwirkung des Beklagten zu 2. Alleinzeichnungsbefugnis in Veranstaltungsangelegenheiten eingeräumt hatte.
94Soweit der Haushaltstitel 42150 schließlich in der Weise „bewirtschaftet“ wurde, dass für die Durchführung der Mensa-Party Verpflichtungen über 180.000,- Euro eingegangen wurden, waren diese nicht - quasi im Sinne einer überholenden Kausalität - allein dadurch legitimiert, dass das Studierendenparlament am 27. September 2007 den rechtswidrigen Nachtragshaushalt festgestellt hatte. Denn unabhängig von der streitigen Frage, ob der Nachtragshaushalt im Sinne des § 3 Absätze 4 und 5 HWVO überhaupt in Kraft getreten ist, verkennen die Beklagten insoweit die Besonderheit des eigens für die Durchführung der Mensa-Party angehobenen Ausgabetitels:
95Der Haushaltsplan ermächtigt die Verwaltung grundsätzlich dazu, Ausgaben zu leisten und Verpflichtungen einzugehen.
96Vgl. z. B. § 3 Abs. 1 der Landeshaushaltsordnung NRW.
97Entsprechend legitimiert der Nachtragshaushalt vom 27. September 2007 im Falle seines Inkrafttretens grundsätzlich auch eine Bewirtschaftung u. a. des Haushaltstitels 42150 in Höhe von 180.000,- Euro für „sonstige Veranstaltungen“, zu denen nach obigen Ausführungen auch die Mensa-Party gehört. Entgegen der offenbar von den Beklagten vertretenen Auffassung legitimiert allein die Bereitstellung von Mitteln im Ausgabetitel deren Ausschöpfung jedoch nicht einschränkungslos. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 HWVO sind Ausgaben vielmehr nur insoweit zu leisten, als sie zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung erforderlich sind. Und insoweit war für die Bewirtschaftung des Ausgabetitels 42150 - im Sinne einer Geschäftsgrundlage - von maßgeblicher Bedeutung, dass die Mittelzuweisung in Höhe von 180.000,- Euro (u. a.) auf der Grundlage einer Kalkulation von Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten in Höhe 119.000,- Euro erfolgte. Ist ein Nachtragshaushalt auf der Grundlage einer konkreten Einnahme-/Ausgabenkalkulation bewilligt worden, besteht im Rahmen der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung auch die Pflicht zur laufenden Kontrolle dieser Kalkulation. Die Bewirtschaftung des Haushaltstitels 42150 in Form von Ausgaben und Eingehen von Verpflichtungen für die Mensaparty stand mithin unter dem „Vorbehalt“ korrespondierender Einnahmen aus der Veranstaltung. Wie ausgeführt, waren die angestrebten Einnahmen jedoch erkennbar nicht zu erzielen, so dass auch die Ausgaben nicht hätten getätigt werden dürfen.
98Soweit die Beklagten vor dem Hintergrund ihrer Darstellung, der festgestellte Nachtragshaushalt sei dem Rektorat vorgelegt und von diesem nicht rechtsaufsichtlich beanstandet worden, sinngemäß von einer stillschweigenden Billigung der geplanten Mensa-Party durch das Rektorat ausgehen, könnte das selbst bei einer ordnungsgemäßen Vorlage des festgestellten Nachtragshaushalts an das Rektorat nicht angenommen werden, weil jedenfalls ausgeschlossen werden kann, dass dem Rektorat mit dem Nachtragshaushalt aussagekräftige Kalkulationsgrundlagen vorgelegt worden sind; denn schließlich existierten solche vor dem 20. November 2007 überhaupt noch nicht. Überdies hat der Beklagte zu 1. die das Ausmaß der geplanten Veranstaltung maßgeblich prägenden Künstlerverträge bereits am Tage der Feststellung des Nachtragshaushalts am 27. September 2007 geschlossen, zu einem Zeitpunkt also, als der Nachtragshaushalt unstreitig noch gar nicht in Kraft getreten war, der Haushaltstitel 42150 über 180.000,- Euro mithin überhaupt noch nicht zur Verfügung stand. Denn gemäß § 3 Abs. 5 HWVO treten der Haushaltsplan oder Nachträge zum Haushaltsplan erst am Tage ihrer hochschul-öffentlichen Bekanntgabe in Kraft. Dies offenbart zumindest, dass für den Beklagten zu 1. die Meinung des Rektorats als Rechtsaufsicht per se ohne Belang war.
99Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich auch nicht aufgrund der von den Beklagten in Bezug genommenen E-Mail-Auskunft des Rektorats vom 18. Oktober 2007 an den Beklagten zu 1., wonach die einzelnen Ansätze aus dem Haushaltsplan zur Verfügung stünden, ohne dass es noch eines Vorstandsbeschlusses des AStA bedürfe. Diese Rechtsauskunft ist zum einen in dieser abstrakten Form zutreffend und bezieht sich zum anderen ersichtlich darauf, dass in der Sitzung des Studierendenparlaments vom 24. Oktober 2007 der Beschluss des AStA-Vorstands vom 10. Oktober 2007 wegen Nichteinladung der RCDS-Mitglieder beanstandet worden war. Die von den Beklagten zu ihrer Rechtfertigung angenommene Erklärung, dass die Durchführung der Mensa-Party aufgrund des Ausgabetitels ohne Rücksicht auf etwaige Verluste möglich sei, enthält diese Rechtsauskunft auch bei verständiger Würdigung des Empfängerhorizonts der Beklagten nicht.
100Schließlich ist eine andere Beurteilung auch nicht aufgrund der Rechtsauskunft des Rektorats vom 19. November 2007 im Zusammenhang mit dem Gesuch des Studierendenparlaments auf Einschreiten im Wege der Rechtsaufsicht gemäߧ 53 Abs. 6 Satz 1 HG gerechtfertigt. In Gesamtwürdigung des rechtlichen Hinweises spricht einiges dafür, dass er am Kern der Anfrage vorbeigeht; denn als Gegenstand des Ersuchens des Studierendenparlaments wird vom Rektorat offenbar die Rechtsfrage angenommen, ob und ggf. in welcher Form das Studierendenparlament berechtigt ist, einen AStA-Vorstandsbeschluss, der die Bewirtschaftung eines Haushaltstitels betrifft, zu beanstanden. Die dieses verneinende Rechtsauskunft will somit bei verständiger Würdigung keine Aussage zur Frage der Durchführung der Mensa-Party treffen, sondern beschreibt das formale Prozedere der Kontrolle der Haushaltsführung gemäß § 6 Abs. 1 der Satzung der Studierendenschaft.
101Diese verkürzte Wahrnehmung des rechtsaufsichtlichen Ersuchens erscheint zwar durchaus bedenklich; denn das Studierendenparlament wollte mit seinem Beschluss vom 24. Oktober 2007 ersichtlich seine Zustimmung zu einer Mensa-Party versagen, für die aufgrund des AStA-Vorstandsbeschlusses vom 10. Oktober 2007 Bands mit einem Kostenvolumen verpflichtet werden sollten, für das sich das Studierendenparlament gemäß § 14 HWVO für grundsätzlich zuständig erachtete. Aus der rechtsaufsichtlichen Stellungnahme konnten die Beklagten allerdings kein entschuldigendes rechtsaufsichtliches Placet für die Durchführung der Mensa-Party herleiten. Erst recht konnten die Beklagten der Rechtsauskunft des Rektorats nicht die Zustimmung entnehmen, die Mensa-Party - wie nachfolgend sukzessive geschehen - unter Überschreitung des Ansatzes im Ausgabetitel 42150 voranzutreiben.
102Für den Beklagten zu 1. hätte bereits der Beschluss des Studierendenparlaments vom 24. Oktober 2007 hinreichend Anlass geboten, sich mit der haushaltsrechtlichen Vereinbarkeit der geplanten Mensa-Party (erneut) auseinanderzusetzen, zumal in der Sitzung eine Kalkulation vorgelegt worden war, die, was der Beklagte zu 1. ohne jeden Zweifel hätte erkennen müssen, von unrealistischen Einnahmen aus dem Kartenverkauf in Höhe von 146.000,- Euro ausging. Hinzu kommt, dass der Beklagte zu 2. bei pflichtgemäßer Bewirtschaftung des Nachtragshaushalts bereits am 24. Oktober 2007 Kenntnis von den finanziellen Umständen hätte haben müssen, die in der 14. Sitzung des Studierendenparlaments am 20. November 2007 dargelegt worden sind und nach denen von Gesamtkosten in Höhe von über 243.000,- Euro auszugehen war, und die weiter von - erkennbar völlig unrealistischen - Einnahmen in Höhe von über 227.000,- Euro ausging. Damit hätte die Mensa-Party gestoppt werden müssen; ggf. hätte der AStA - entsprechend der den Beklagten zu unterstellenden Kenntnis - gemäß § 10 Abs. 1 HWVO einen weiteren Nachtragshaushalt in das Studierendenparlament einbringen müssen. In Konsequenz dessen stellt sich die Ausübung des Beanstandungsrechts durch den Beklagten zu 1. in der Sitzung des Studierendenparlaments vom 24. Oktober 2007 als rechtsmissbräuchliche Manifestierung der auf einen Vermögensschaden der Klägerin zwingend hinauslaufende Vorbereitung der Mensa-Party dar.
103Nach alledem sind die Beklagten dem Grunde nach verpflichtet, den der Klägerin durch ihr pflichtwidriges Verhalten entstandenen Schaden zu ersetzen. Der geltend gemachte Vermögensschaden der Klägerin beruht kausal darauf, dass der AStA eine Mensaparty durchgeführt hat, die in der konkreten Größenordnung mangels kompensierender Einnahmemöglichkeiten aus den insoweit tatsächlich zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln der Klägerin nicht finanzierbar war und somit von vornherein nicht hätte geplant und durchgeführt werden dürfen. Kausal dafür, dass die Mensa-Party im Sinne einer conditio sine qua non gleichwohl durchgeführt worden ist, waren zunächst die Pflichtverstöße der Beklagten, die geeignet waren, das zur Feststellung des Nachtragshaushalts zuständige Studierendenparlament über den Ansatz im Ausgabetitel und korrespondierend mit den Ansätzen im Einnahmetitel zu täuschen mit der Folge, dass vom Studierendenparlament formell ein Ausgabetitel festgestellt wurde. Die materielle Rechtswidrigkeit dieses Ausgabetitels indiziert die Rechtswidrigkeit seiner Bewirtschaftung durch Ausgaben und Verbindlichkeiten, die durch die tatsächliche Haushaltslage nicht gedeckt waren. Und soweit nach Ausschöpfung des durch Täuschung bewirkten Haushaltstitels weitere Ausgaben getätigt und Verpflichtungen eingegangen wurden, war nicht einmal mehr eine pseudo-haushaltsrechtliche Legitimation vorhanden, so dass insoweit jegliche Ausgabe und Verpflichtung unmittelbar kausal für einen Vermögensschaden wurde.
104Was die Höhe des Schadens anbelangt, hat die Klägerin zutreffend die Differenz zwischen den dem Vermögen der Studierendenschaft für die Mensaparty entzogenen Mitteln und den Mitteln angenommen, die dem Vermögen der Klägerin als Einnahmen aus der Veranstaltung (zwischenzeitlich) wieder zugeflossen sind. Sie hat dabei in nicht zu beanstandender Weise die Feststellungen des Staatlichen Rechnungsprüfungsamtes zugrunde gelegt, wonach aus dem Vermögen der Studierendenschaft Ausgaben in Höhe von 257.771,09 Euro getätigt worden sind und als Einnahmen aus der Veranstaltung zwischenzeitlich 39.525,79 Euro in das Vermögen der Klägerin zurück geflossen sind. Der dem Vermögen der Klägerin entstandene Schaden beträgt mithin grundsätzlich 218.245,30 Euro.
105Soweit das Staatliche Rechnungsprüfungsamt in seiner Stellungnahme vom 3. Juli 2008 die Frage aufwirft, ob bei der Durchführung der Veranstaltung Einnahmen durch Dritte ggf. veruntreut wurden, könnte sich dieser Aspekt grundsätzlich zu Gunsten der Beklagten auswirken, weil für einen Teil des Schadens die angenommene Kausalität in Zweifel zu ziehen wäre. Indes fehlt es an ausreichend objektivierbaren Anhaltspunkten für vorsätzliche Schädigungen von Seiten Dritter, und die Beklagten stellen solche ausdrücklich in Abrede. Die Unaufklärbarkeit dieser Frage geht zu Lasten der Beklagten, da sie mangels gebotener Dokumentation und Kontrollmechanismen z. B. über die Anzahl der verkauften Eintrittskarten keine belastbaren Angaben machen konnten.
106Von dem Vermögensschaden von 218.245,30 Euro war allerdings ein Teilbetrag in Höhe von 42.000,- Euro abzuziehen und die Klage abzuweisen, weil die vollständige Geltendmachung dieses Schadens insoweit gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt: Die Klägerin muss sich entgegen halten lassen, dass das Studierendenparlament bei der Feststellung des Nachtragshaushalts davon ausgegangen ist, dass ein Teil der Ausgaben aus dem Titel 42150 nicht durch die - wenn auch fälschlich - kalkulierten Einnahmen aus Kartenverkauf in Höhe von 119.000,- Euro gedeckt sein würde und somit durch die anderen höher angesetzten Einnahmetitel ausgeglichen werden müsste. Da die dem Grunde nach auch vom Studierendenparlament gewünschte Mensa-Party tatsächlich durchgeführt wurde, ist es treuwidrig, einen an sich in Kauf genommenen Vermögensnachteil nunmehr als Schadensersatz geltend zu machen. Die Höhe des insoweit nicht begründeten Schadensersatzanspruchs berechnet sich grundsätzlich aus der Differenz zwischen dem Ausgabetitel über 180.000,- Euro und den veranschlagten Einnahmen aus der Mensaparty, die durch die veranschlagten Einnahmen in Höhe von 119.000,- Euro nicht gedeckt worden sind. Insoweit sind die Erhöhungen der Einnahmeansätze im Titel 10110 (Studierendenschaftsbeiträge: + 39.000,- Euro) und 10180 (Porto etc.: + 1000,- Euro); 10200 (Druckerei: + 2000,- Euro) zugrunde zu legen, was der Summe von 42.000,- Euro entspricht. Soweit auch der Titel 10210 (Einnahmen des Kulturcafes) im Nachtragshaushalt um 20.000, - Euro erhöht worden ist, kann dieser Betrag nicht von der Schadenssumme in Abzug gebracht werden, weil nach den Ausführungen des Beklagten zu 1. davon auszugehen ist, dass es sich dabei um kalkulierte Einnahmen aus dem Verkauf von Getränken auf der Mensa-Party handelte. Das schließt die Annahme aus, das Studierendenparlament habe insoweit eine Deckungslücke durch originäre Einnahmen des Kulturcafes ausgleichen wollen.
107Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten vermindert sich somit auf 176.245,30 Euro.
108Die Inanspruchnahme der Beklagten als Gesamtschuldner erweist sich auch unter Berücksichtigung der Einwendungen insbesondere des Beklagten zu 1. als ermessensgerecht:
109Wenn für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich sind, haften diese gemäß § 840 BGB als Gesamtschuldner. Entsprechend diesem Rechtsgedanken darf die Klägerin ermessensfehlerfrei allein die Beklagten in Anspruch nehmen. Eine (Mit-) Inanspruchnahme des Studierendenparlaments, wie vom Beklagten zu 1. angedacht, scheidet aus, selbst wenn man die Anspruchsnorm des § 57 Abs. 5 HG auf die Mitglieder des Studierendenparlaments, die für die Feststellung des Nachtragshaushalts gestimmt haben, für anwendbar hielte. Vorwerfbar erscheint zwar, dass das Studierendenparlament den Nachtragshaushalt ohne Einhaltung der maßgeblichen Regularien und ohne dass ihm eine überprüfbare Kalkulation vorgelegt worden ist, festgestellt hat. Dies lässt sich jedoch schwerlich als grob fahrlässiger Pflichtverstoß bezeichnen. Denn wie oben ausgeführt, haben die Beklagten das Studierendenparlament bei der Aufstellung des Nachtragshaushalts getäuscht. Überdies konnten die Mitglieder des Studierendenparlaments den Beklagten qua deren Ämter und spezifischen Pflichten bei der Aufstellung des Haushalts in einem Umfang Vertrauen entgegen bringen, das jedenfalls eine grob fahrlässige Mitverursachung des Schadens ausschließt.
110Eine ebenfalls von den Beklagten angesprochene (Mit-) Inanspruchnahme des Rektorats wegen Nichtbeanstandung des am 27. September 2007 festgestellten Nachtragshaushalts scheidet allein deshalb aus, weil das Rektorat nicht der vorliegenden Anspruchsnorm unterfällt. Abgesehen davon fehlt es angesichts der obigen Ausführungen an einem vorwerfbaren Pflichtverstoß des Rektorats.
111Die Klage war schließlich abzuweisen, soweit die Klägerin die Beklagten - inzident - für die Zeit vom 12. September 2009 bis zum 22. Dezember 2009 auf Verzugszinsen in Anspruch nimmt. Für einen solchen Anspruch fehlt es an einer ausdrücklichen öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlage. Eine entsprechende Anwendung der Schuldnerverzugsregelung des § 288 Abs. 1 BGB kommt im öffentlichen Recht nur dann in Betracht, wenn dies gesetzlich oder sonst rechtlich besonders vorgesehen ist.
112Vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 18. Oktober 1990 - 2 S 2098/89 - in NVwZ 1991, 588 m. w. N.
113Das ist z. B. aufgrund des Verweises in § 62 Satz 2 VwVfG für einen öffentlich-rechtlichen Vertrag der Fall. Für einen Schadensersatzanspruch ist hingegen keine entsprechende Regelung ersichtlich.
114Mithin konnten der Klägerin - wie geschehen - in entsprechender Anwendung des
115§ 291 BGB lediglich Prozesszinsen seit Rechtshängigkeit zugesprochen werden.
116Die Berufung war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt. Insbesondere erscheint die Subsumtion des Verhaltens der Beklagten unter das subjektive Tatbestandselement der groben Fahrlässigkeit nicht als rechtlich besonders schwierig im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 3 VwGO kommt der Rechtssache nicht zu, weil es sich um einen Einzelfall handelt und nicht ersichtlich ist, dass die klärungsbedürftigen Fragen des Falles über diesen hinaus Auswirkungen in verallgemeinerungsfähiger Form haben.
117Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 124 Rdn. 10 m. w. N.
118Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO i. V. m. § 100 der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit des Urteils gegen Sicherheitsleistung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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- StGB § 266 Untreue 1x
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 1x
- BGB § 840 Haftung mehrerer 1x
- BGB § 291 Prozesszinsen 1x
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- § 53 Abs. 5 Satz 1 HG 1x (nicht zugeordnet)
- § 57 Abs. 3 HG 2x (nicht zugeordnet)
- § 2 Abs. 1 HWVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 5 Abs. 1 Satz 1; Abs. 3 HWVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 1 Satz 2 HWVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 57 Abs. 3 Satz 2 HG 1x (nicht zugeordnet)
- § 7 Abs. 1 HWVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 7 Abs. 2 HWVO 2x (nicht zugeordnet)
- § 55 Abs. 3 Satz 1 HG 1x (nicht zugeordnet)
- § 57 Abs. 5 HG 3x (nicht zugeordnet)
- § 5 Abs. 3 S. 2 HWVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 1 S. 2 HWVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 2 Satz 1 HWVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 5 HWVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 10 Abs. 1 HWVO 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- VwVfG § 62 Ergänzende Anwendung von Vorschriften 1x
- VwGO § 124 3x
- VwGO § 167 2x
- 35 Js 466/08 1x (nicht zugeordnet)
- 35 Js 102/09 1x (nicht zugeordnet)
- 2 S 2098/89 1x (nicht zugeordnet)