Urteil vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 5 K 4117/14
Tenor
Das Verfahren wird im Umfang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt.
Im Übrigen wird festgestellt, dass sich die Zwangsgeldfestsetzung vom 5. August 2014 erledigt hat.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung eines Zwangsgeldes durch die Beklagte aufgrund ungenehmigter Nutzungsänderung im Erdgeschoss des Gebäudes „G. Straße 328“ in F. .
3Das Grundstück „G. Straße 328“ (Gemarkung C. , Flur °, Flurstück °°°) steht ausweislich des Grundbuchauszugs im Eigentum der Frau J. N. und ist mit einem zweigeschossigen Wohn- und Geschäftshaus bebaut.
4Zuletzt genehmigte die Beklagte mit Baugenehmigung vom 9. Januar 1992 die Nutzung des Erdgeschosses als Sonnenstudio.
5Am 9. Februar 2012 beantragte der Kläger die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Vorbescheids hinsichtlich der Nutzungsänderung für einen Großteil des Erdgeschosses in eine „T. (Gastronomie) ohne Wettgeschäfte“.
6Anlässlich der Bauvoranfrage führte die Beklagte im April 2012 eine Ortskontrolle durch und stellte fest, dass der Kläger einen Teil des Erdgeschosses als Wettbüro betrieb. Daraufhin leitete diese gegenüber dem Kläger ein ordnungsbehördliches Verfahren ein.
7Mit Ordnungsverfügung vom 25. Juni 2012 untersagte die Beklagte dem Kläger die Nutzung des Erdgeschosses als Wettbüro sofort nach Zustellung der Verfügung (Ziffer 1). Für den Fall, dass der Kläger dem nicht bzw. nicht fristgerecht oder nicht vollständig nachkomme, drohte sie die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.500,00 € an (Ziffer 2).
8Gegen die Ordnungsverfügung erhob der Kläger am 9. Juli 2012 Klage (5 K 3188/12) und beantragte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (5 L 829/12).
9Den Eilantrag lehnte die Kammer mit Beschluss vom 13. November 2012 ab. Zur Begründung führte die Kammer u. a. aus, dass die Inanspruchnahme des Klägers in zulässiger Weise auf § 17 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG) beruhe. Die hiergegen eingelegte Beschwerde begründete der Kläger u. a. damit, dass die Betriebsstätte nicht von ihm persönlich, sondern von der K. GmbH betrieben werde. Mit Beschluss vom 21. Dezember 2012 (10 B 1326/12) wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) die Beschwerde im Wesentlichen mit der Begründung zurück, aufgrund der aktenkundigen Feststellungen sei der Kläger im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung für die Nutzung der Räume im Erdgeschoss des in Rede stehenden Gebäudes als Handlungs- und Zustandsstörer im Sinne der §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 2 OBG NRW verantwortlich gewesen.
10Am 16. Januar 2013 führte die Beklagte erneut eine Ortskontrolle durch und stellte fest, dass die Räumlichkeiten weiterhin als Wettbüro betrieben wurden.
11Mit Bescheid vom 21. Januar 2013 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 € fest und drohte zugleich die Festsetzung eines weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,00 € an für den Fall, dass der Kläger der Ordnungsverfügung auch nach Zustellung der Zwangsgeldfestsetzung nicht nachkomme. Daraufhin erweiterte der Kläger seine anhängige Klage auf diesen Festsetzungsbescheid.
12Die Kammer wies die Klage vom 9. Juli 2012 (5 K 3188/12) mit Urteil vom 7. März 2013 ab. Die gegen das Urteil beantragte Zulassung der Berufung lehnte das OVG NRW mit Beschluss vom 28. April 2014 ab (10 A 1018/13). Die Entscheidung begründete der Senat unter anderem damit, der Kläger habe als Störer zur Beendigung des festgestellten rechtswidrigen Zustands in Anspruch genommen werden dürfen. Insbesondere befreie der Umstand, dass das Handeln des Klägers der K. GmbH als Handeln ihres Geschäftsführers zugerechnet werden könne, den Kläger selbst nicht von seiner Verantwortlichkeit für sein eigenes bauordnungsrechtlich relevantes Tun. Die Beklagte habe auch davon ausgehen dürfen, dass der Kläger persönlich tatsächlich und rechtlich in der Lage sein werde, dem ihm gegenüber ausgesprochenen Nutzungsverbot Folge zu leisten und so den mit der ungenehmigten Nutzung der Räume bestehenden baurechtswidrigen Zustand zu beenden.
13Mit Schreiben vom 2. Juni 2014 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten mit, es stehe inzwischen fest, dass nicht der Kläger, sondern die K. GmbH Inhaberin der Betriebsstätte sei und der Kläger nur als Anscheinsstörer in Anspruch habe genommen werden dürfen. Die Firma K. GmbH sei der Ordnungsverfügung bereits seit langer Zeit nachgekommen und betreibe die Betriebsstätte im Erdgeschoss des Gebäudes „G. Straße 328“ nicht mehr als Wettbüro. Lediglich ein kleiner, vollständig abgetrennter Bereich im vorderen Teil der Betriebsstätte werde als reine Tippannahme ohne Verweilcharakter genutzt. Der gesamte hintere Bereich, in dem sich auch die Aufenthaltsmöglichkeiten befunden hätten, sei seit geraumer Zeit vollständig geschlossen. Die Vollstreckung des am 21. Januar 2013 festgesetzten Zwangsgeldes sei nicht zulässig, da es sich bei dem Zwangsgeld um ein Beugemittel handele, das nicht mehr beigetrieben werden dürfe, wenn der Sinn und Zweck der Verfügung erreicht sei.
14Die Beklagte erwiderte darauf mit Schriftsatz vom 26. Juni 2014, aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des OVG NRW sei sie berechtigt, die Ordnungsverfügung zu vollstrecken und die Beitreibung des festgesetzten Zwangsgeldes vorzunehmen. Da ein Teil des Erdgeschosses immer noch als Tippannahme genutzte werde, die ebenfalls unter den Begriff „Wettbüro“ falle, sei der Kläger der Ordnungsverfügung nicht nachgekommen. Aus dem Gesetzeswortlaut ergebe sich außerdem, dass das Zwangsgeld selbst dann noch beizutreiben sei, wenn der Ordnungspflichtige sich schließlich rechtstreu verhalte und der Ordnungsverfügung nachkomme, da es sich bei einer Nutzungsuntersagung um eine Unterlassungspflicht handele.
15Am 25. Juli 2014 führte die Beklagte eine weitere Ortskontrolle durch und stellte fest, dass das Erdgeschoss weiter als Wettbüro betrieben wurde und die Verbindung zum dahinter liegenden Raum (T. ) geöffnet war.
16Mit Bescheid vom 5. August 2014 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 € fest und drohte die Festsetzung eines weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,00 € an für den Fall, dass der Kläger der Verfügung vom 25. Juni 2012 nicht sofort nach Zustellung des Zwangsgeldbescheides erfülle.
17Unter dem gleichen Datum erging gegenüber dem Kläger ein Bußgeldbescheid wegen ungenehmigter Nutzungsänderung in Höhe von 6.000,00 €. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, über den bislang noch nicht entschieden wurde.
18Mit Schreiben vom 12. August 2014 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten mit, der Kläger sei nur als Anscheinsstörer in Anspruch genommen worden. Es könnten nicht Jahre später Zwangsgelder gegen einen Anscheinsstörer verhängt werden, wenn mittlerweile Klarheit darüber bestehe, dass tatsächlicher Betreiber des Geschäfts eine GmbH und damit ein anderer Adressat sei. Ungeachtet dessen habe allerdings auch die K. GmbH mitgeteilt, dass sie die Tätigkeit in der Betriebsstätte nunmehr einstellen werde. Das Gewerbe werde ab kommenden Montag vollständig eingestellt. Da der Zweck der Verfügung somit erreicht sei, dürfte die Beitreibung nicht mehr rechtmäßig und angemessen sein. Das am 21. Januar 2013 verhängte Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 € werde bereits in Raten abgezahlt.
19Die Beklagte führte am 19. August 2014 eine weitere Ortskontrolle durch und stellte fest, dass das Wettbüro zwar geöffnet war, ein Mitarbeiter jedoch angab, dass er keine Wetten mehr entgegen nehme, sondern nur Auszahlungen vornehmen würde. Im Lokal lag zudem eine an Kunden gerichtete Information aus, nach der unter anderem der Betrieb ab Montag, den 18. August 2014, aus baurechtlichen Gründen eingestellt werden müsse.
20Gegen die Zwangsgeldfestsetzung vom 5. August 2014 hat der Kläger am 12. September 2014 Klage erhoben.
21Er ist der Ansicht, das Zwangsgeld habe nicht ihm gegenüber festgesetzt werden dürfen, da die Beklagte inzwischen sichere Kenntnis habe, dass nicht der Kläger, sondern die K. GmbH Betreiberin gewesen sei. Da der Betrieb jedoch eingestellt worden sei, sei faktisch Erledigung eingetreten und die Beklagte dürfe das Zwangsgeld nicht weiter beitreiben. Dies folge insbesondere daraus, dass das Zwangsgeld keinen Strafcharakter habe, sondern ein Beugemittel sei.
22Selbst wenn der Zwangsgeldbescheid rechtmäßig sei, so sei jedenfalls die Beitreibung nicht mehr zulässig. Es bestehe auch keine Wiederholungsgefahr, da die Betriebsstätte dauerhaft geschlossen sei und der Kläger selbst keinen Zugriff mehr darauf habe. Bei der Ordnungsverfügung vom 25. Juni 2012 handele es sich auch nicht um eine Unterlassungspflicht, sondern um eine Handlungspflicht, da der Kläger aufgefordert worden sei, die Tätigkeit des Betriebes als Wettbüro aktiv einzustellen. Er sei daher gehalten gewesen, die Räumlichkeiten so umzustellen und teilweise auch leerzuräumen, dass der Betrieb nicht mehr als Wettbüro einzuordnen sei. Auch die Schließung der Betriebsstätte sei faktisch eine Handlung. Es sei schließlich nicht nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber Handlungs- und Unterlassungspflichten unterschiedlich behandle.
23Zur Glaubhaftmachung der Betriebseinstellung legt der Kläger eine Gewerbe-Abmeldung vom 20. August 2014 vor, aus der hervorgeht, dass der Betriebsinhaber, die Firma K. GmbH, vertreten durch den Kläger, die Tätigkeit „P. -Tippannahmestelle“ in der G. Straße 328 zum 18. August 2014 aufgegeben hat.
24Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit in Bezug auf die weitere Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 5. August 2014 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
25Im Übrigen beantragt der Kläger,
26festzustellen, dass die Zwangsgeldfestsetzung im Bescheid vom 5. August 2014 sich erledigt hat,
27hilfsweise,
28festzustellen, dass die Beitreibung aus der Zwangsgeldfestsetzung im Bescheid vom 5. August 2014 unzulässig ist,
29äußerst hilfsweise,
30die Zwangsgeldfestsetzung im Bescheid vom 5. August 2014 aufzuheben.
31Die Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Vollstreckung beruhe auf der bestandskräftigen Ordnungsverfügung vom 25. Juni 2012. Es sei auch keine Erledigung eingetreten. Insbesondere sei nach dem Wortlaut des Gesetzes ein Zwangsgeld beizutreiben, wenn der Unterlassungspflicht – wie hier der Nutzungsuntersagung - zuwider gehandelt worden sei, deren Erfüllung durch die Androhung des Zwangsgeldes habe erreicht werden sollen. Insofern sei das Zwangsgeld auch dann noch beizutreiben, wenn der Ordnungspflichtige sich schließlich rechtstreu verhalte und der Ordnungsverfügung nachkomme. Entscheidend sei allein, dass der Verstoß gegen die vollziehbare Ordnungsverfügung nach der Androhung des Zwangsgeldes und während der Zeit, als das Verbot noch gegolten habe, erfolgt sei. Dies sei vorliegend der Fall gewesen, so dass die Beitreibung des Zwangsgeldes nicht unterbleiben könne und somit auch keine Erledigung eingetreten sei. Der Beklagten stehe nach dem Wortlaut des Gesetzes auch kein Ermessen zu. Im Übrigen habe das Zwangsgeld auch gegen den Kläger festgesetzt werden dürfen, da – wie das Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 28. April 2014 ausgeführt habe – der Kläger durch den Umstand, dass er der Geschäftsführer der Betreiberin sei, nicht von der Verantwortlichkeit für sein eigenes bauordnungsrechtlich relevantes Tun befreit sei. Ob der Kläger dabei persönlich die Betriebsabläufe des Wettbüros zentral und umfassend steuere und als für die Betriebsabläufe Verantwortlicher auch die Sachherrschaftsgewalt über die Betriebsräumlichkeiten inne habe, könne dabei offen bleiben. An der Verantwortlichkeit des Klägers für die ungenehmigte Nutzung der in Rede stehenden Räumlichkeiten bestünden nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts jedenfalls keine Zweifel.
34Die Beklagte hat am 22. September 2014 und am 26. September 2014 jeweils eine weitere Ortskontrolle durchgeführt und festgestellt, dass der Betrieb augenscheinlich eingestellt worden ist, da das Ladenlokal verschlossen war.
35Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
36Entscheidungsgründe:
37Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
38Im Übrigen hat die Klage mit ihrem Hauptantrag Erfolg.
39Die Klage ist zulässig.
40Statthafte Klageart ist hier die Feststellungsklage, da der Kläger die Feststellung begehrt, dass sich die Zwangsgeldfestsetzung vom 5. August 2014 erledigt hat, § 88 VwGO. Bei dieser Frage handelt es sich auch um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO, da durch Feststellung der Erledigung die Rechtsbeziehungen der Beteiligten im Hinblick auf die Beitreibung des Zwangsgeldes geklärt werden.
41Die Feststellungsklage wird auch nicht durch die Möglichkeit der Erhebung einer Anfechtungsklage bzw. einer Fortsetzungsfeststellungsklage im Wege der Subsidiarität verdrängt, da es dem Kläger ausweislich seines Vortrags nicht vorrangig um die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldfestsetzung vom 5. August 2014 geht. Mit der Klage will der Kläger allein festgestellt wissen, dass sich die Zwangsgeldfestsetzung erledigt hat mit der Folge, dass die Beklagte bei Stattgabe der Klage wegen Erledigung der Zwangsgeldfestsetzung das Zwangsgeld nicht mehr beitreiben kann. Dieses Klageziel kann der Kläger allein mit der Feststellungsklage erreichen.
42Vgl. Sodann / Ziekow, VwGO Kommentar, 3. Auflage 2010, § 43 Rn. 137.
43Der Kläger kann auch ein berechtigten Feststellungsinteresse geltend machen, da die Beklagte ausweislich ihres Vortrags und ihrer Ankündigung, das festgesetzte Zwangsgeld beitreiben zu wollen, nicht von der Erledigung der Zwangsgeldfestsetzung ausgeht.
44Die Klage ist begründet, da sich die Zwangsgeldfestsetzung vom 5. August 2014 – unabhängig von der Frage, ob das Zwangsgeld gegenüber dem Kläger festgesetzt werden durfte – materiell erledigt hat.
45Materiell erledigt sich ein Verwaltungsakt in sonstiger Weise gemäß § 43 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW), wenn von ihm keine Rechtswirkungen bzw. keine Beschwer mehr ausgehen. Dies ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung,
46vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 113 VwGO Rn. 35,
47der Fall. Mit der Einstellung des Betriebs des Wettbüros in den Räumlichkeiten des Erdgeschosses „G. Straße 328“ in F. zum 18. August 2014 ist der Kläger seiner mit Nutzungsuntersagung vom 25. Juni 2012 begründeten Pflicht, die Nutzung des Erdgeschosses als Wettbüro aufzugeben, nachgekommen. Dies hat zur Folge, dass das am 5. August 2014 festgesetzte Zwangsgeld nicht mehr beigetrieben werden darf, womit die in der Zwangsgeldfestsetzung enthaltene Beschwer zugunsten des Klägers entfallen ist und sich die Zwangsgeldfestsetzung mithin erledigt hat.
48Die Vorschrift des § 60 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) steht dem nicht entgegen. Bei der nach dem Wortlaut einschlägigen Norm (I.) handelt sich um eine – eng auszulegende – Ausnahmevorschrift (II.), die aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur angewendet werden darf, wenn die Gefahr weiterer Verstöße gegen die Grundverfügung anzunehmen ist, da die Beitreibung nur dann den legitimen Zweck der Willensbeugung verfolgt (III.). Da eine derartige Wiederholungsgefahr im vorliegenden Fall nicht vorliegt, ist von der Beitreibung des festgesetzten Zwangsgeldes abzusehen (IV.).
49I.
50Nach § 60 Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz VwVG NRW unterbleibt die Beitreibung, sobald der Betroffene die gebotene Handlung ausführt oder die zu duldende Maßnahme gestattet. Nach § 60 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz VwVG NRW ist ein Zwangsgeld jedoch beizutreiben, wenn der Duldungs- oder Unterlassungspflicht zuwidergehandelt worden ist, deren Erfüllung durch die Androhung des Zwangsgeldes erreicht werden sollte; § 26 findet entsprechende Anwendung. Der Kläger hat vorliegend einer Unterlassungspflicht zuwidergehandelt. Durch die bestandskräftige Ordnungsverfügung vom 25. Juni 2012 untersagte die Beklagte dem Kläger die Nutzung des Erdgeschosses in dem Gebäude auf dem Grundstück „G. Straße 328“ als Wettbüro. Das Regelungsziel der Nutzungsuntersagung ist damit eine Unterlassungspflicht hinsichtlich der Nutzung des Erdgeschosses als Wettbüro.
51Vgl. zu der Annahme einer Unterlassungspflicht im Falle einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 12. Mai 2011 – 2 A 192/10 –, zitiert nach juris, und Beschluss vom 10. November 2006 – 10 B 1941/06 -, nicht veröffentlicht.
52Indem der Kläger den Betrieb eines Wettbüros in den Räumlichkeiten des Erdgeschosses in dem Gebäude G. Straße 328 innerhalb der ihm in dem Bescheid vom 21. Januar 2013 gesetzten Frist nicht eingestellt hat, hat er der Unterlassungspflicht zuwidergehandelt, so dass das Zwangsgeld iHv 5.000,00 € dem Wortlaut nach beizutreiben ist.
53II.
54Durch den Zusatz „jedoch“ in § 60 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz VwVG NRW und das Verhältnis zum 1. Halbsatz des Absatzes 3, wonach die Beitreibung unterbleibt, sobald der Betroffene die gebotene Handlung ausführt oder die zu duldende Maßnahme gestattet, wird deutlich, dass die Vorschrift eine Ausnahme von der grundsätzlichen Verpflichtung zur Einstellung der Zwangsvollstreckung bei Erfüllung der Ordnungspflichten für den Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Duldungs- oder Unterlassungspflicht enthält.
55Der Ausnahmecharakter hinsichtlich der Möglichkeit der Beitreibung trotz Erfüllen der Unterlassungspflicht kommt auch in § 65 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW zum Ausdruck. Nach Satz 1 dieser Vorschrift, der die allgemeinen Grundsätze enthält, ist der Vollzug einzustellen, sobald sein Zweck erreicht ist, dem Betroffenen die Erfüllung der zu erzwingenden Leistung unmöglich geworden ist oder die Vollstreckungsvoraussetzungen nachträglich weggefallen sind. Da der zweite Satz des Absatzes 3 jedoch vorsieht, dass § 60 Abs. 3 VwVG NRW unberührt bleibt, also eine Beitreibung des Zwangsgeldes ungeachtet der Zweckerreichung, der Unmöglichkeit der Erfüllung der Grundverfügung oder des Wegfalles der Vollstreckungsvoraussetzungen zu erfolgen hat, wird auch hierdurch deutlich, dass es sich bei § 60 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz VwVG NRW um eine Ausnahmevorschrift zu dem allgemeinen Grundsatz, wann der Vollzug einzustellen ist, handelt.
56Schließlich wird auch durch die Vorschrift des § 57 Abs. 3 Satz 1 VwVG NRW der Ausnahmecharakter des § 60 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW bestätigt. Danach darf ein Zwangsmittel (nur) solange wiederholt und gewechselt werden, bis der Verwaltungsakt befolgt worden ist oder sich auf andere Weise erledigt hat. Auch insoweit gilt unter den Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz VwVG NRW Abweichendes.
57Das Verständnis des § 65 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz VwVG NRW als Ausnahmevorschrift hat zur Folge, dass diese nach allgemeinen Auslegungsmaßstäben, um den Ausnahmecharakter aufrecht zu erhalten, aufgrund der normativen Wertentscheidung des Gesetzgebers eng auszulegen ist.
58vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 30. März 2015 – 16 A 1610/13 – juris Rn. 65.
59III.
60Neben dem Erfordernis der grundsätzlich engen Auslegung der Ausnahmevorschrift kommt entscheidend hinzu, dass bei der Auslegung des § 60 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz VwVG NRW der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus § 58 VwVG NRW zu beachten ist. Nach § 58 Abs. 1 VwVG NRW muss das Zwangsmittel in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck stehen. Dabei ist das Zwangsmittel möglichst so zu bestimmen, dass der Einzelne und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt werden. Gemäß Abs. 2 darf ein durch ein Zwangsmittel zu erwartender Schaden nicht erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg stehen. Damit normiert das VwVG NRW die Eckpunkte des verfassungsrechtlichen Gebotes der Verhältnismäßigkeit hoheitlicher Eingriffe, wonach diese auf einen gesetzeslegitimen Zweck zurückgeführt und hierzu geeignet, erforderlich und angemessen – verhältnismäßig im engeren Sinne – sein müssen. § 60 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz VwVG NRW kann aufgrund der verfassungsrechtlichen Dimension des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes,
61so mit Blick auf das Verwaltungsvollstreckungsrecht des Bundes Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 21. Januar 2003 – 1 C 5.02 –, Rz.19, zitiert nach juris.
62nicht als lex specialis fungieren und vermag § 58 VwVG NRW daher nicht unangewendet zu lassen oder einzuschränken. Vielmehr ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf jeder Stufe der Zwangsvollstreckung und damit auch bei der Beitreibung uneingeschränkt zu berücksichtigen. Dies hat zur Folge, dass jede Vollstreckungsmaßnahme des gestuften Zwangsgeldverfahrens gemäß § 58 Abs. 1 VwVG NRW einem legitimen Zweck dienen muss. Das bedeutet, dass die Anforderungen der Verhältnismäßigkeit auf jeder Stufe bzw. dem hiermit korrelierenden Zeitpunkt zu beachten sind. Dies gilt insbesondere bei der Beitreibung des Zwangsgeldes, die als „Griff ins Portemonnaie“ den schwerwiegendsten Eingriff in die Rechte des Vollstreckungsschuldner beinhaltet, und damit strengeren Verhältnismäßigkeitsanforderungen genügen muss als die Androhung und die Festsetzung des Zwangsgeldes.
63Zunächst setzt die Verhältnismäßigkeit nach § 58 Abs. 1 VwVG NRW einen legitimen Zweck der jeweiligen Verwaltungsvollstreckungsmaßnahme voraus. Zweck der Festsetzung eines Zwangsgeldes ist die Beugung des Willens des Ordnungspflichtigen,
64So zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 23. Juni 2015, - 7 B 351/15 –, juris Rn. 13,
65Ein darüber hinaus gehender Sanktionscharakter ist dem Zwangsgeld dagegen fremd, wie aus § 57 Abs. 3 Satz 1 VwVG NRW zum Ausdruck kommt, wo zwischen den Zwangsmitteln – mit Willensbeugungsfunktion – einerseits und Geldbußen und Strafen – mit Sanktionscharakter – andererseits differenziert wird. Diese Differenzierung wäre zumindest unscharf, ließe der Landesgesetzgeber auch Sanktionszwecke des Zwangsgeldes zu.
66Der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 60 Abs. 3 VwVG NRW,
67Landtagsdrucksache Nr. 13/3192 vom 7. November 2002, Seite 67,
68lässt sich auch im Hinblick auf die ausnahmsweise Beitreibungsmöglichkeit nach § 60 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz VwVG NRW kein Sanktionszweck entnehmen. Die Beitreibung wird im Ausnahmefall dadurch gerechtfertigt, dass die Androhung des Zwangsgeldes nur dann geeignet sei, von Anfang an den zur Einwirkung auf den Pflichtigen notwendigen Druck auszuüben, wenn diesem bewusst sei, dass jede Zuwiderhandlung ohne Weiteres die Festsetzung und Beitreibung des Zwangsgeldes nach sich ziehe. Zweck der Beitreibung ist demnach auch nach der Gesetzesbegründung allein die Beugung des Willens zur Durchsetzung der Ordnungspflicht.
69Nach Auffassung der Kammer erfüllt die Beitreibung eines festgesetzten Zwangsgeldes nach Befolgen der Unterlassungspflicht nicht den legitimen Zweck der Willensbeugung und ist damit grundsätzlich unverhältnismäßig.
70Zwar geht das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen,
71Urteil vom 30. September 1992 – 4 A 3840/91 –, juris Rn. 15 f.,
72davon aus, dass die Beitreibung nach der Nutzungsaufgabe noch einen Beugezweck erfülle. Danach könne die Androhung bei erledigten oder bei befristeten Verboten die Beugefunktion erfüllen, indem der Pflichtige durch die Androhung in einen Zustand versetzt werde, der ihn veranlasse, das Verbot zu beachten. Die nachfolgende Festsetzung und Beitreibung solle dem Beugemittel Nachdruck verleihen. Ohne diese nachträgliche Durchsetzung gehe die Androhung in diesen Fällen ins Leere, weil die Androhung allein kein Übel darstelle, das den Pflichtigen zu dem erforderlichen Verhalten veranlassen könne. Demgemäß komme dem Gesichtspunkt, dass nach Fristablauf oder Erledigung der Verfügung nichts mehr zu beugen sei, bei der Unterlassungsverpflichtung keine Bedeutung bei.
73Dieser Argumentation schließt die Kammer sich nicht an. Sie staucht das gestufte Vollstreckungsverfahren in Gestalt von Androhung, Festsetzung und Beitreibung des Zwangsgeldes in der Konstellation von Verstößen gegen Duldungs- und Unterlassungspflichten ohne sachlichen Grund zusammen. Nach der gesetzgeberischen Konzeption ist das Verwaltungsvollstreckungsverfahren dreistufig ausgestaltet. Die Beugungsintensität des Zwangsmittels nimmt auf jeder Stufe zu. Diese Konstruktion des Vollstreckungsverfahrens ist dabei unabhängig von der Art der zugrundeliegenden Ordnungspflicht (Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungsgebot). Der Androhung kommt – wie die Bezeichnung verdeutlich – nicht mehr Vollstreckungs“intensität“ zu, als den Pflichtigen auf die zu erfolgende Festsetzung des Zwangsgeldes hinzuweisen. Die Beitreibung stellt dagegen – wie bereits dargelegt – den schwersten Eingriff in die Rechte des Vollstreckungsschuldners dar, was wiederum zur Folge hat, dass gerade auf dieser Stufe der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in besonderem Maße Berücksichtigung finden muss.
74Kommt der Vollstreckungsschuldner seiner Unterlassungspflicht nach – wie hier durch vollständige Räumung und Betriebsaufgabe – ist durch die Beitreibung des Zwangsgeldes kein Wille mehr zu beugen. Der Zweck der Beitreibung eines Zwangsgeldes wird vielmehr verfehlt. Das Zwangsgeld wird so zur reinen Sanktion.
75Vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. März 1996 – 1 S 2858/95 –, juris Rn. 16; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18. Juni 1996 – 3 M 3/96 –, juris Rn. 17 ff.; Hessischer VGH, Beschluss vom 2. September 2004 – 6 TG 1549/04 –, juris Rn. 8; VG Potsdam, Urteil vom 13. Juli 2005 – 3 L 50/05 –, juris Rn. 10; OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. April 2009 – 11 ME 478/08 –, juris Rn. 41 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2011 – 10 B 7.10 –, juris Rn. 21.
76Der Vollstreckungsschuldner würde durch die Beitreibung des Zwangsgeldes der Sache nach dafür bestraft, dass er der Grundverfügung nicht rechtzeitig Folge geleistet hat. Nach Auffassung der Kammer kann die reine Sanktionierung des Ordnungspflichtigen kein legitimer Zweck für die Beitreibung eines Zwangsgeldes sein.
77Für die oben zitierte Auffassung des OVG NRW lässt sich auch nicht die Effektivität der Verwaltungsvollstreckung anführen. Das Argument, ohne die Vorverlagerung der Verhältnismäßigkeitsanforderungen auf den Zeitpunkt der Zwangsgeldandrohung ginge von der Zwangsgeldandrohung nicht das erforderliche Gewicht aus, trägt nicht.
78Vgl. auch: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2011 – 10 B 7.10 –, juris Rn. 22.
79Es ist bereits nicht ersichtlich, weshalb eine Zwangsgeldandrohung bei einem Verstoß gegen eine Unterlassungspflicht keine willensbeugende Wirkung auf den Ordnungspflichtigen entfalten sollte. Der Pflichtige muss bei Erhalt einer Zwangsgeldandrohung damit rechnen, dass, soweit er der Unterlassungspflicht weiterhin nicht nachkommt, das Zwangsgeld festgesetzt wird. Bei einer Unterlassungspflicht kann das Zwangsgeld grundsätzlich ohne Einhaltung einer Frist gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW festgesetzt werden. Danach kann es – sollte er zu diesem Zeitpunkt der Pflicht immer noch nicht Folge geleistet haben – zeitnah beigetrieben werden. Wie nachdrücklich die Wirkung der Zwangsgeldandrohung ist, hängt vom konkreten Vollstreckungsverfahren ab. Überprüft die Behörde zeitnah nach der Androhung die Einhaltung der Unterlassungspflicht, setzt sodann ein Zwangsgeld fest und treibt dieses zügig bei, so geht von der Androhung sehr wohl eine willensbeugende Wirkung aus, zumal Rechtsbehelfe gegen die Zwangsmaßnahmen gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 5 JustizG NRW keine aufschiebende Wirkung entfalten.
80Die Effektivität der Verwaltungsvollstreckung ist auch in Konstellationen – hier nicht im Streit stehender – sich kurzfristig erledigender Grundverwaltungsakte kein durchgreifendes Argument. In dem dem Urteil des OVG NRW vom 30. September 1992 – 4 A 3840/91 –, juris, zugrunde liegenden Sachverhalt wurde einem Gastwirt per Ordnungsverfügung aufgegeben, den Ausschank von Getränken und die Ausgabe von Speisen zu unterlassen. Dieser wollte während des Dampfdreschfestes, das nur einige Tage lang dauerte, Getränke ausschenken. Auch hier kann nicht mit unzureichenden Vollstreckungsmöglichkeiten argumentiert werden. Entweder setzt die Vollstreckungsbehörde von vornherein entsprechend kurze Fristen, um noch vor Ablauf des Festes Zwangsgelder beitreiben zu können, oder sie macht bei Unterlassungspflichten gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW von der Möglichkeit Gebrauch, auf eine Frist zu verzichten und sorgt dadurch für die Möglichkeit der effektiven Vollstreckung, oder sie wählt von Beginn an ein geeigneteres Zwangsmittel, im Beispiel des Dampfdreschfestes etwa die Versiegelung des Ausschankes durch Maßnahmen unmittelbaren Zwangs,
81vgl. Dünchheim, NVwZ 1996, 117 (121).
82Da bereits ein legitimer (Beuge-)Zweck der Beitreibung des Zwangsgeldes in der vorliegenden Konstellation zu verneinen ist, kann die Beitreibung von Zwangsgeld auch nicht im Übrigen verhältnismäßig sein. Die Geeignetheit ist auf einen legitimen Zweck bezogen, fehlt dieser, kann die Beitreibung nicht legitim sein. Gleiches gilt für die Erforderlichkeit und die Angemessenheit der Zwangsgeldbeitreibung.
83Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob eine Beitreibung des Zwangsgeldes wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht auch dann unterbleiben muss, wenn gegen den Vollstreckungsschuldner – wie hier - wegen desselben Verstoßes ein Bußgeldbescheid verhängt worden ist und die Beitreibung des Zwangsgeldes dadurch – unterstellt, die Beitreibung dürfe entgegen der hier vertretenen Auffassung Sanktionszwecken dienen – eine doppelte Sanktionierung darstellt,
84vgl. hierzu (im Ergebnis offen lassend) BVerwG, Urteil vom Urteil vom 21. Januar 2003 – 1 C 5/02 –, juris Rn. 29.
85Der Anwendungsbereich des § 60 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz VwVG NRW ist nach der nach Auffassung der Kammer gebotenen Auslegung der Vorschrift unter Beachtung ihres Ausnahmecharakters und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach auf solche Fälle beschränkt, in denen die Beitreibung (noch) den legitimen Zweck der Willensbeugung erfüllt. Damit kann eine Beitreibung des Zwangsgeldes nur in den Fällen zulässig sein, in denen zum Beitreibungszeitpunkt noch Verstöße gegen die Grundverfügung – in Gestalt einer Wiederholungsgefahr – zu befürchten stehen.
86So auch Dünchheim, NVwZ 1996, 117 (122); VGH Hessen, a. a. O juris Rn. 8 f.; OVG Lüneburg a. a. O, juris Rn. 30.
87Liegen demnach Anhaltspunkte dafür vor, dass der Vollstreckungsschuldner die zu unterlassende Tätigkeit zukünftig wieder aufnehmen könnte, ginge es mit dem Beugungszweck des Zwangsgeldes konform, das Zwangsgeld noch beizutreiben. Denn der dem Vollstreckungsschuldner auferlegten Unterlassungspflicht wird im Falle einer Wiederholungsgefahr noch nicht endgültig Folge geleistet. Insoweit verstieße eine Beitreibung aufgrund des legitimen (Willensbeugungs-)Zwecks nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
88IV.
89Diese Maßstäbe zugrundegelegt, ist die Beitreibung des Zwangsgeldes gegenüber dem Kläger unverhältnismäßig und damit unzulässig mit der Folge, dass die Festsetzung des Zwangsgeldes den Kläger nicht mehr beschwert und sich damit erledigt hat. Nach der hergeleiteten Auslegung des § 60 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz VwVG NRW kommt vorliegend eine Beitreibung des Zwangsgeldes mangels einer Wiederholungsgefahr nicht mehr in Betracht. Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass er die Nutzung der Räumlichkeiten im Erdgeschoss auf dem Grundstück G. Straße 328 als Wettbüro endgültig aufgegeben hat. Zum einen hat er bereits im Verwaltungsverfahren eine Gewerbeabmeldung vorgelegt. Zum anderen hat die Beklagte selbst im Rahmen einer Ortskontrolle festgestellt, dass der Betrieb abgewickelt wurde. Hinzu kommt, dass Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr nach Aktenlage nicht vorliegen. Dies wird auch bestätigt durch die Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass das Wettbüro nicht wiedereröffnet werden solle.
90Für die Frage der besonderen Härte, vgl. § 60 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz a. E. in Verbindung mit § 26 VwVG NRW verbleibt damit kein Raum, da die Beitreibung bereits unverhältnismäßig ist. Der neben der Frage der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigende § 60 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz a. E. VwVG NRW ist nach dem Wortlaut des § 26 VwVG NRW auf ganz besondere Umstände des Einzelfalles beschränkt, die die Kammer hier jedoch nicht zu erkennen vermag.
91Da die Klage bereits mit dem Hauptantrag Erfolg hat, braucht die Kammer über die Hilfsanträge nicht zu entscheiden.
92Die Kostenentscheidung beruht, soweit über den Hauptantrag entschieden worden ist, auf § 154 Abs. 1 VwGO. Soweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, hat der Kläger nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erledigung gemäß § 161 Abs. 2 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen, da gegen die Zwangsgeldandrohung in dem Bescheid vom 5. August 2014 mit Blick auf die zu diesem Zeitpunkt noch nicht befolgte Grundverfügung keine rechtlichen Bedenken bestehen. Aufgrund des Unterliegens des Klägers insoweit ergibt sich die Kostenquotelung je zur Hälfte.
93Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 709, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
94Die Zulassung der Berufung beruht gem. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO auf der Abweichung des Urteils von der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,
95vgl. zuletzt: OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2010 – 13 B 191/10 –, juris.
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