Beschluss vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 12 L 1214/21
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,- € festgesetzt
1
G r ü n d e:
2Der sinngemäße Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage12 K 3598/21 gegen die Verfügung der Antragsgegnerinvom 26. August 2021 wiederherzustellen,
4hat keinen Erfolg.
5I.
6Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist er gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft, da die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Verfügung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt hat.
7II.
8Der Antrag ist aber unbegründet.
9Im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat ein Antrag Erfolg, wenn entweder die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung den formellen Anforderungen nicht genügt oder nach Abwägung der betroffenen Interessen das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt.
101.
11Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der auf das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gerichteten Verfügung vom 26. August 2021 ist formell nicht zu beanstanden.
12Die Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung entspricht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Sie weist insbesondere den erforderlichen Einzelfallbezug auf, aus dem sich ergibt, dass die Antragsgegnerin eine Abwägung der verschiedenen Interessen am Sofortvollzug der Verbotsverfügung vorgenommen hat. Die Antragsgegnerin verweist maßgeblich auf die zu besorgenden Auswirkungen auf den geordneten Dienstbetrieb, wenn der Antragsteller trotz einer anzunehmenden Dienstunfähigkeit aufgrund Betäubungsmittelkonsums seinen Dienst verrichtet. Dass diese Gründe nicht deutlich über die Gründe der Verbotsverfügung hinausgehen, ist ausnahmsweise unschädlich. Denn die Gründe, die für den Erlass der Verbotsverfügung maßgeblich sind, sind schon für sich gesehen durch eine besondere Dringlichkeit gekennzeichnet. Materiellrechtlich erfordert das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern – BeamtStG – zwingende – also keinen Aufschub duldende – dienstliche Gründe. Im Hinblick darauf und angesichts des Zwecks eines solchen Verbots, auf Sachverhalte zu reagieren, bei denen es undenkbar erscheint, dass der Beamte weiterhin dienstlich tätig wird, folgt die besondere Eilbedürftigkeit typischerweise bereits aus der Situation, die Anlass für das Verbot nach § 39 BeamtStG ist. Daher tragen die Gründe der Verbotsverfügung regelmäßig zugleich das besondere öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung.
13Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Mai 2016– 13 L 832/16 –, juris Rn. 6 m.w.N.
14Inwieweit diese in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Begründung inhaltlich tragfähig ist, bedarf an dieser Stelle – noch – keiner Entscheidung, da dies im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO unerheblich ist.
152.
16Die gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus.
17Im Rahmen des Antrags gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Erweist sich der angegriffene Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt in der Regel das private Aussetzungsinteresse. Erweist sich der Bescheid dagegen als offensichtlich rechtmäßig, überwiegt das Vollzugsinteresse, wenn ein besonderes öffentliches Interesse am Vollzug des Verwaltungsaktes besteht. Lässt sich weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch Rechtswidrigkeit des Bescheides feststellen, bedarf es zur Entscheidung einer weiteren Interessenabwägung. Dabei sind die Folgen zu würdigen, die eintreten würden, wenn die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes versagt würde, das Verfahren in der Hauptsache dagegen Erfolg hätte. Diese Auswirkungen sind zu vergleichen mit den Nachteilen, die entstünden, wenn die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt würde, dem Rechtsbehelf in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre.
18Nach dieser Maßgabe überwiegt vorliegend das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Nach einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird die Klage des Antragstellers gegen die Verbotsverfügung vom 26. August 2021 voraussichtlich keinen Erfolg haben. Das private Interesse des Antragstellers, bis zur rechtskräftigen Entscheidung seinen Dienst in der Verwaltung der Beklagten uneingeschränkt fortsetzen zu können, tritt hinter das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung zurück.
19In formeller Hinsicht weist die streitgegenständliche Verfügung vom 26. August 2021 voraussichtlich keine Mängel auf. Der Antragsteller wurde insbesondere vor Erlass der Verbotsverfügung gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen – VwVfG NRW – angehört.
20Die angegriffene Verfügung vom 26. August 2021 ist nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung in materieller Hinsicht offensichtlich rechtmäßig.
21Rechtsgrundlage für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist § 39 Satz 1BeamtStG.
22Gemäß § 39 Satz 1 BeamtStG kann Beamtinnen und Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Nach Satz 2 der Norm erlischt das Verbot, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.
23Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 39 Satz 1 BeamtStG liegen nach summarischer Prüfung vor.
24Da diese Voraussetzungen sowohl im Erlasszeitpunkt als auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offensichtlich vorliegen, kann dahingestellt bleiben, ob auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung abzustellen ist, oder ob aufgrund des Charakters als Dauerverwaltungsakt auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist.
25Vgl. zu dieser Problematik VG Göttingen, Beschluss vom 29. Januar 2018 – 1 B 384/17 –, juris Rn. 30 m.w.N.
26Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei einer weiteren Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären. Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann.
27Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Juni 2020 – 6 B 238/20 –, juris Rn. 16 m.w.N.
28Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dient gemäß § 39 Satz 1 BeamtStG der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr; die Maßnahme trägt nur vorläufigen Charakter. Mit ihr sollen durch eine sofortige oder wenigstens eine sehr rasche Entscheidung des Dienstherrn gravierende Nachteile durch die aktuelle Dienstausübung des Beamten für den Dienstherrn vermieden werden. Maßgebend ist die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung des Beamten objektiv gefährdet ist. Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten besteht; vielmehr eröffnet das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen bzw. durch die Strafverfolgungsbehörden anstellen zu lassen und eine solidere Grundlage für dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen. Auf der anderen Seite setzt ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nicht voraus, dass noch Unklarheit über die Gegebenheiten herrscht, aus denen das Vorliegen zwingender dienstlicher Gründe folgt. Der Umstand allein, dass aus Sicht des Dienstherrn kein weiterer Aufklärungsbedarf besteht, hindert eine Suspendierung gemäß § 39 BeamtStG daher nicht.
29Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Juni 2013– 6 A 2586/12 –, juris Rn. 13, vom 30. Juli 2015– 6 A 1454/13 –, juris Rn. 13 und vom 25. März 2021– 6 A 2055/20 –, juris Rn. 21 ff.
30Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren kommt es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Satz 1 BeamtStG nicht primär auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juli 2015‚– 6 A 1454/13 –, juris Rn. 11.
32Letztere kann insbesondere auch dann vorliegen, wenn hinreichende Verdachtsmomente für einen Konsum von Suchtmitteln oder eine entsprechende Suchterkrankung eine erhebliche Beeinträchtigung des Dienstbetriebs sowie andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft besorgen lassen.
33Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. Februar 2011 – 1 M 16/11 –, juris Rn. 11.
34Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben liegen zwingende dienstliche Gründe im Sinne des § 39 Satz 1 BeamtStG nach summarischer Prüfung vor.
35Die zwingenden dienstlichen Gründe folgen aus der Weigerung des Antragstellers, sich der für den 5. August 2021 kurzfristig angeordneten amtsärztlichen Begutachtung eines möglichen Konsums von Betäubungsmitteln zu unterziehen in Verbindung mit dem unstreitigen rechtswidrigen Besitz von Betäubungsmitteln. Denn diese Weigerung bildet den Grund dafür, dass die Frage eines Betäubungsmittelkonsums bislang nicht geklärt werden konnte und dementsprechend auch – worauf der Antragsteller verweist – der Nachweis eines Konsums bislang nicht geführt werden konnte.
36Der unstreitige, dem nicht rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund, Geschäfts-Nr. Cs 803 Js 854/21, zugrunde liegende Besitz von 7,17g Marihuana und 0,5g Kokain lässt in Ermangelung einer überzeugenden anderen Erklärung des Antragstellers dringend vermuten, dass diese Betäubungsmittel zum Eigenkonsum bestimmt waren. In dieser Situation wäre zu erwarten gewesen, dass der Antragsteller dieser sich aufdrängenden Vermutung dadurch entgegentritt, dass er sich der angeordneten amtsärztlichen Untersuchung unterzieht. Dies hätte insbesondere die Möglichkeit geboten, diese Vermutung anhand objektiver Nachweismethoden zu entkräften. Dass der Antragsteller diese Möglichkeit nicht genutzt, sondern die Teilnahme zunächst unter alleinigem Hinweis auf die in der jüngsten Vergangenheit geringe Anzahl seiner Fehltage verweigert hat, begründet hinreichende Verdachtsmomente für eine durch den Konsum von Betäubungsmitteln sowie möglicherweise auch eine entsprechende Suchterkrankung begründende Dienstunfähigkeit. Dies gilt erst recht angesichts der engen zeitlichen Befristung eines Nachweises des Wirkstoffs von Cannabis im Blut oder Urin. Nur bei akutem und chronischem Konsum kann der Wirkstoff THC in der Regel über zwei bis acht Wochen im Urin nachgewiesen werden. Bereits bei regelmäßigem Cannabiskonsum sollen die Werte nicht selten innerhalb weniger Tage der Abstinenz in einen Messbereich unterhalb des cut-off-Wertes sinken. Bei eher gelegentlichem Konsum (an ein bis fünf Tagen im Monat) ist der Nachweis nur etwa zwei bis drei, maximal fünf Tage lang möglich.
37Vgl. Bonnet u.a., Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): Cannabis-bezogene Störungen, S. 2 ff., vom 4. November 2021 abgerufen unter https://www.sucht.de/tl_files/pdf/awmf_ll_cannabis.pdf; Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Wie lange können Drogen im Körper nachgewiesen werden, am 4. November 2021 abgerufen unter https://www.drugcom.de/haeufig-gestellte-fragen/allge-meine-fragen/wie-lange-koennen-drogen-im-koerper-nachgewiesen-werden/.
38Indem der Antragsteller die unvorbereitet und kurzfristig angeordnete amtsärztliche Begutachtung verweigert hat, hat er einen zuverlässigen Nachweis mittels objektiver Methoden dementsprechend vereitelt. Somit steht nun insbesondere die Vermutung im Raum, dass dieser Wirkstoff bei Wahrnehmung des Untersuchungstermins am5. August 2021 noch nachweisbar gewesen sein könnte, dies infolge des Zeitablaufs nun aber keiner Überprüfung mehr zugänglich ist.
39Die dem Antragsteller am 4. August 2021 persönlich bekannt gegebene Untersuchungsanordnung vom 3. August 2021 erweist sich entgegen dessen nachträglich erhobenen Einwänden als rechtmäßig. Bestehen – wie hier – Zweifel über die Dienstunfähigkeit der Beamtin oder des Beamten, so ist sie oder er gemäß § 33Abs. 1 Satz 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen – LBG NRW – verpflichtet, sich nach Weisung der dienstvorgesetzten Stelle durch eine Ärztin oder einen Arzt der unteren Gesundheitsbehörde untersuchen und, falls ein Arzt der unteren Gesundheitsbehörde dies für erforderlich hält, auch beobachten zu lassen.
40Formelle Bedenken gegen die Untersuchungsanordnung bestehen nicht. Personalrat und Gleichstellungsbeauftragte sind entsprechend den gesetzlichen Vorgaben beteiligt worden. Die Anhörung des Personalrats ist auch entsprechend § 75 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen – LPVG NRW – so rechtzeitig erfolgt, dass die etwaige Äußerung des Personalrats noch Einfluss auf die Willensbildung der Dienststelle nehmen konnte. Die Beteiligung ist bereits bei Einleitung des Vorgangs in die Wege geleitet und der Personalratsvorsitzende auch über den Zeitpunkt der Begutachtung, die aufgrund der oben dargestellten, zeitlich eng begrenzten Nachweisbarkeit des Betäubungsmittelkonsums sehr kurzfristig erfolgen musste, informiert worden.
41Entgegen der Auffassung des Antragstellers wird das Bestehen der Zweifel an seiner Dienstfähigkeit nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass seine Krankheitszeiten nicht den Umfang erreicht hatten, in dem die gesetzliche Vermutung des §§ 26Abs. 1 Satz 2 BeamtStG eingreifen würde. Dies folgt schon aus dessen einschränkender Formulierung, dass als dienstunfähig auch angesehen werden kann, wer diese Voraussetzungen erfüllt. Der Untersuchungsauftrag erweist sich auch nicht wegen einer vom Antragsteller angenommenen „Vorverurteilung“ als rechtlich zweifelhaft. Die strafrechtliche Unschuldsvermutung gilt im Dienstrecht nicht. Sofern der Antragsteller mit diesem Einwand Zweifel an der Unparteilichkeit der Begutachtung begründen will, übersieht er die gebotene Unterscheidung zwischen dem Dienstherrn und dem unabhängigen Amtsarzt. Während es Aufgabe des Dienstherrn ist, dem Gutachter im Untersuchungsauftrag die nötigen Anhaltspunkte zu benennen, die dem Gutachtenauftrag zugrunde liegen, obliegt die Begutachtung und mithin auch die Bewertung des Gesundheitszustandes des Antragstellers dem Amtsarzt. Soweit der Antragsteller in der Darstellung dieser Anhaltspunkte Gesichtspunkte vermisst, die aus seiner Sicht gegen eine durch Drogenkonsum begründete Dienstunfähigkeit sprechen, hätte im Rahmen der Begutachtung die Möglichkeit bestanden, diese einzubringen. Dies gilt auch, soweit der Antragsteller weitgehend pauschal geltend macht, während seiner Ausbildung einem Mobbing ausgesetzt gewesen zu sein. Zudem stehen zum Nachweis eines Betäubungsmittelkonsums – oder des Gegenteils – Methoden wie etwa die in der Untersuchungsanordnung angesprochene Blutentnahme zur Verfügung, die – allerdings auf die oben dargestellten Zeiträume eng begrenzt – eine von sonstigen Umständen unabhängige, objektive Überprüfung des Konsums ermöglichen.
42Die Untersuchungsanordnung vom 3. August 2021 benennt den Anlass, die Beschuldigung der Staatsanwaltschaft Dortmund, am 3. Juni 2021 Betäubungsmittel besessen zu haben, sowie den Umfang der angeordneten Untersuchung.
43Auch die in der Untersuchungsanordnung enthaltene Möglichkeit einer Beauftragung von Zusatzgutachten begründet keine Zweifel an deren Rechtmäßigkeit. Eine solche, vorsorglich getroffene Anordnung, dass sich der Beamte gegebenenfalls einer vom Amtsarzt für erforderlich gehaltenen Zusatzbegutachtung zu unterziehen hat, unterliegt nach aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass deren Art und Umfang dem Beamten mangels Kenntnis des Dienstherrn nicht im Vorhinein detailliert angekündigt werden können.
44Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. März 2019 – 2 VR 5/18 –, BVerwGE 165, Seite 65 ff., juris Rn. 57 ff.
45Sie erweist sich insbesondere auch nicht als unverhältnismäßig.
46Zwar greift die streitgegenständliche Untersuchungsanordnung vom 3. August 2021 in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein; der Eingriff besteht dabei sowohl in der vorgesehenen Datenerhebung als auch in der vorgesehenen Datenspeicherung und -verwendung. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist jedoch nicht absolut geschützt. Vielmehr müssen staatliche Maßnahmen hingenommen werden, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit auf gesetzlicher Grundlage unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen werden, soweit sie nicht den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung beeinträchtigen. Dies gilt für den Beamten in besonderem Maße. Mit dem Eintritt in das Beamtenverhältnis übernimmt er im Rahmen des hierdurch entstehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses u.a. die – für Landesbeamte in § 33 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW normierte Verpflichtung, sich bei bestehenden Zweifeln an seiner Dienstfähigkeit ärztlich untersuchen zu lassen. Der Dienstherr und die Allgemeinheit haben ein berechtigtes Interesse daran, dass hoheitliche Aufgaben nur von Beamten wahrgenommen werden, die zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten physisch und psychisch dauerhaft in der Lage sind. Darüber hinaus trifft den Dienstherrn eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten. Bestehen Zweifel an der Dienstfähigkeit eines Beamten, kommt der Dienstherr mit der gegenüber dem Beamten ausgesprochenen Weisung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, dieser Fürsorgepflicht nach. Allerdings muss der Beamte nur solche Einschränkungen seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinnehmen, die die Verhältnismäßigkeit wahren. Dies erfordert insbesondere, dass ein hinreichender Anlass für die Untersuchungsanordnung besteht und diese in ihrem Umfang nicht über das Maß hinausgeht, das für die Feststellung der Dienstfähigkeit erforderlich ist.
47Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Oktober 2020– 2 BvR 652/20 –,DÖD 2021, S. 18 ff., juris Rn. 32 ff.
48Nach diesen Maßgaben beeinträchtigt auch die vorsorgliche Anordnung von Zusatzbegutachtungen die Verhältnismäßigkeit nicht. Denn auch etwaige Zusatzbegutachtungen wären auf den (sehr) eng eingegrenzten Untersuchungsgegenstand eines möglichen kurzfristigen aber auch langfristigen Drogenkonsums beschränkt. Dies ergibt sich eindeutig aus dem letzten Absatz des Untersuchungsauftrags, der diese Beschränkung eindeutig festhält. Die in dem an den Amtsarzt gerichteten Untersuchungsauftrag dargestellten Anhaltspunkte hätten allerdings darüber hinaus auch Anlass zu einer, gegebenenfalls auch fachärztlichen, Begutachtung im Hinblick auf eine Suchterkrankung gegeben. Denn sowohl die dargestellten Ereignisse im Kalenderjahr 2019, insbesondere die auffälligen erheblichen Konzentrationsmängel, als auch die wiederholten kurzfristigen und nicht durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen belegten Erkrankungen sind jedenfalls geeignet, einen wiederholten Konsum von Betäubungsmitteln nahezulegen und bieten damit hinreichenden Anlass, auch der Frage nachzugehen, ob dies auf einer Suchterkrankung beruhte. Gerade die zahlreichen, jeweils an ein Wochenende oder einen Feiertag anschließenden, Arbeitsunfähigkeiten mit einer Dauer von einem bis zu drei Tagen lassen die Möglichkeit eines Zusammenhangs mit einem am vorangegangenen Wochenende bzw. Feiertag erfolgten Konsum von Betäubungsmitteln jedenfalls nicht abwegig erscheinen.
49Schließlich begegnet auch die ungewöhnlich kurzfristige Terminierung der angeordneten Untersuchung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der vorliegenden Fallgestaltung keinen rechtlichen Bedenken. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang bemängelt, ihm sei eine ausreichend bemessene Frist zur rechtlichen Prüfung, die er erst nach seinem gewissenhaft zu versehenden Dienst habe vornehmen können, vorenthalten worden sei, lässt er zunächst seine anwaltliche Vertretung außer Acht. Zudem muss das Interesse des Antragstellers an einer ausführlichen rechtlichen Überprüfung der Anordnung im vorliegenden Fall gegenüber dem Interesse des Dienstherrn und der Öffentlichkeit an einer wirkungsvollen Überprüfung zurücktreten. Aufgrund der bereits dargestellten Eilbedürftigkeit der Untersuchung konnte deren Effektivität nur durch die gewählte Vorgehensweise gewahrt werden, da zu befürchten stand, dass jede nach Kenntnis des Antragstellers von der bevorstehenden Untersuchung noch erfolgende zeitliche Verschiebung die Aussagekraft der Untersuchungsergebnisse nachhaltig beeinträchtigen konnte.
50Ob der Antragsteller wegen des von ihm jedenfalls in diesem Verfahren nicht bestrittenen unrechtmäßigen Besitzes von Betäubungsmitteln inzwischen rechtskräftig strafrechtlich verurteilt ist, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, da maßgeblich für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte die bestehende objektive Gefährdungslage ist.
51Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 5. August 2016 – 2 MB 23/16 –, juris Rn. 19.
52Ermessensfehler sind ebenfalls nicht ersichtlich.
53Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen der zwingenden dienstlichen Gründe für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erfüllt sind, ist in aller Regel – so auch hier – ein Ermessen nicht mehr hinsichtlich der Anordnung der Maßnahme als solcher, sondern im Wesentlichen nur noch dahin eröffnet, ob es eine andere Möglichkeit gibt, den betreffenden Beamten amtsangemessen zu beschäftigen, gegebenenfalls auch zu Dauer und Umfang des Verbots.
54Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Juni 2020 – 6 B 238/20 –, juris Rn. 20 f.; Leppek in: Brinktrine/Schollendorf, Beamtenrecht Bund, BeamtStG, § 39 Rn. 11; Reich, BeamtStG, 3. Aufl., § 39 Rn. 2.
55Umstände, die ein Absehen von dem Verbot oder dessen Beschränkung rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben. Der Antragsgegnerin stand insbesondere auch kein milderes Mittel zur Verfügung. Die Dienstfähigkeit des Antragstellers in seiner Stellung als Beamter steht insgesamt in Frage, so dass es der Antragsgegnerin auch vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs eines Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung nicht zuzumuten ist, den Antragsteller gegebenenfalls auf einem anderen Dienstposten weiterzubeschäftigen.
56Das Verbot ist auch nicht gemäß § 39 Satz 2 BeamtStG erloschen, da die dortige Dreimonatsfrist noch nicht abgelaufen und zudem ein auf Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe gerichtetes Verfahren bereits unter dem 3. September 2021 eingeleitet worden ist.
57Hat mithin die gegen die Verbotsverfügung vom 26. August 2021 gerichtete Klage aus den vorstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg, spricht bereits aus diesem Grunde die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung für ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte. Überdies ergibt sich ein solches Überwiegen des Vollziehungsinteresses gegenüber dem Suspensivinteresse des Antragstellers auch nach Abwägung der sonstigen widerstreitenden Interessen der Beteiligten. Das streitgegenständliche Verbot der Führung der Dienstgeschäfte schützt das überragende Interesse an einem in jeder Hinsicht ordnungsgemäßen Dienstbetrieb. Für die Zumutbarkeit streitet schließlich auch, dass dem Antragsteller infolge dieser Maßnahme keine besoldungs- oder versorgungsrechtlichen Nachteile entstehen.
58III.
59Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
60Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Der danach anzunehmende Streitwert von 5.000,- € ist für das hier zu entscheidende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.
61Rechtsmittelbelehrung:
62Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.
63Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV), bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Sie ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV, einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
64Im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss zu 1. muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
65Gegen den Beschluss zu 2. findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
66Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV, bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.
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