Urteil vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 1 K 4624/19
Tenor
Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen vom 7. Juni 2019 und unter Aufhebung dessen Widerspruchsbescheides vom 11. September 2019 verpflichtet, dem Kläger eine Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes für den Zeitraum vom 19. Oktober 2017 bis zum 21. Mai 2019 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes für die Zeit während eines laufenden Disziplinarverfahrens.
3Der Kläger wurde im Jahr 2006 zum Kriminalhauptkommissar beim Landesamt für Aus- und Fortbildung der Polizei Nordrhein-Westfalen (nachfolgend: LAFP NRW) ernannt. Im streitgegenständlichen Zeitraum war er der Besoldungsgruppe A 12 gemäß LBesO zugeordnet.
4Zum 19. Januar 2015 wurde er in das Sekretariat der Abteilung 1 der Zentralabteilung des LAFP NRW umgesetzt und übernahm dort kommissarisch die Funktion eines Fachaufgabencontrollers, die der Besoldungsgruppe A 13 gemäß LBesO zugeordnet war. Am 19. Oktober 2017 wurde gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das mit seiner Umsetzung in die Abteilung 5 des LAFP am 22. Mai 2019 noch nicht abgeschlossen war. Dort nahm er wieder Tätigkeiten wahr, die der Besoldungsgruppe A 12 gemäß LBesO zugeordnet waren.
5Mit Schreiben vom 5. September 2016 beantragte der Kläger beim Beklagten für seine Tätigkeit als Fachaufgabencontroller die Gewährung einer Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes rückwirkend ab dem 19. Januar 2016. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2018 nahm der Kläger seinen Antrag zurück. Mit E-Mail vom 11. Dezember 2018 erklärte er zudem den Verzicht auf die Zulage. Mit anwaltlichem Schreiben vom 21. März 2019 führte der Kläger sodann aus, sein Verzicht sei nicht rechtsverbindlich, da die Besoldung von Amts wegen zu gewähren sei, und begehrte erneut die Zulage. Nach Beendigung seiner Tätigkeit als Fachaufgabencontroller beantragte er mit Schreiben vom 22. Mai 2019 erneut die Gewährung der Zulage.
6Mit Bescheid vom 7. Juni 2019 gewährte das LAFP NRW dem Kläger die Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes für den Zeitraum vom 19. Juli 2016 bis zum 18. Oktober 2017 und lehnte den Antrag für den darauffolgenden Zeitraum ab. Zur Begründung für die Teilablehnung führte das LAFP NRW im Wesentlichen aus, Voraussetzung für die Gewährung der Zulage sei, dass die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen gegeben seien, zu denen auch die für eine Ernennung bzw. Beförderung erforderlichen Bedingungen, die Beförderungsreife, gehörten. Wegen seines am 19. Oktober 2017 eingeleiteten Disziplinarverfahrens hätten sich aber Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers ergeben, die für die Dauer des Verfahrens eine Ernennung sowie Beförderung ausschlössen, so dass die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vorgelegen hätten. Dies ergäbe sich auch aus dem Erlass des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2017 (403-42.07.08).
7Mit anwaltlichem Schreiben vom 4. Juli 2019 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Juni 2019 ein und begründete dies im Wesentlichen damit, dass er auch für die Zeit des laufenden Disziplinarverfahrens, also vom 19. Oktober 2017 bis zum 21. Mai 2019, einen Anspruch auf die Zulage habe. Die Beförderungsreife sei nicht mit den laufbahnrechtlichen Voraussetzungen gleichzustellen. Aus den im Gesetz niedergelegten laufbahnrechtlichen Voraussetzungen sei keine „Beförderungssperre“ wegen eines laufenden Disziplinarverfahrens abzuleiten.
8Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2019 wies das LAFP den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Gewährung der Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes setze die Beförderungsreife voraus, die mit der Möglichkeit der Beförderung gleichzusetzen sei. Insoweit komme es für die Zulagengewährung auch darauf an, ob der Betroffene die persönliche Eignung für eine entsprechende Beförderung aufweise. Das sei aber anerkanntermaßen nicht der Fall, wenn der Verdacht eines Dienstvergehens im Raum stehe. Daher würden die Betroffenen auch bei laufenden Disziplinarverfahren von denkbaren Beförderungen ausgeschlossen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 18. September 2019 zugestellt.
9Der Kläger hat am 17. Oktober 2019 Klage erhoben. Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumente. Ergänzend führt er aus, es sei widersprüchlich, ihm die persönliche Eignung für die Beförderung in Zweifel zu ziehen, aber gleichzeitig Aufgaben des entsprechend höher besoldeten Amtes zu übertragen. Insoweit könnten keine Zweifel an der persönlichen Eignung für die Übernahme des höherwertigen Dienstpostens bestehen.
10Der Kläger beantragt,
11den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen vom 7. Juni 2019 und unter Aufhebung dessen Widerspruchsbescheides vom 11. September 2019 zu verpflichten, ihm eine Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes für den Zeitraum vom 19. Oktober 2017 bis zum 21. Mai 2019 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu gewähren.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine Argumente aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend führt er aus, nach der gesetzlichen Regelung unterlägen Ernennungen auch im Laufbahnrecht den allgemeinen Anforderungen hinsichtlich Eignung, Befähigung und Leistung. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz habe insoweit in seinem Beschluss vom 12. September 2013 festgestellt, dass die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu einer fehlenden Eignung für eine Beförderung führe (Az. 2 B 10837/13). Dass der Kläger gleichwohl auch während des Disziplinarverfahrens mit der höherwertigen Tätigkeit betraut gewesen sei, ändere daran nichts, weil dies dem Organisationsermessen des Dienstherrn obliege. Aufgrund der Umstände des Einzelfalles habe er den Einsatz des Klägers auf dem höherwertigen Posten für vertretbar gehalten. Insofern sei hier kein widersprüchliches Verhalten erkennbar.
15Für weitere Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
16Entscheidungsgründe:
17Die zulässige Verpflichtungsklage hat in der Sache Erfolg.
18Die mit Bescheid des LAFP NRW vom 7. Juni 2019 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheides vom 11. September 2019 erfolgte Ablehnung der Gewährung der Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes für den Zeitraum vom 19. Oktober 2017 bis zum 21. Mai 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
19Der Kläger hat für diesen Zeitraum gemäß der allein maßgeblichen Vorschrift des § 59 Abs. 1 des Landesbesoldungsgesetzes Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 14. Juni 2016 (LBesG NRW) einen Anspruch auf Gewährung der begehrten Zulage. Dass der Kläger seinen Antrag auf Zulagengewährung zurückgenommen sowie seinen Verzicht auf die Zulage erklärt hat, ist unerheblich (I.). Die Voraussetzungen für die Gewährung der Zulage liegen vor (II.). Die Höhe des Anspruches ergibt sich aus § 59 Abs. 2 LBesG NRW (III.). Ein Anspruch auf Zinsen ab Rechtshängigkeit ist ebenfalls zu bejahen (III.).
20I.
21Die Beteiligten gehen zu Recht davon aus, dass die vom Kläger erklärte Rücknahme seines Antrages auf Gewährung der Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes rechtlich unerheblich ist. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 LBesG NRW haben Beamte einen Anspruch auf Besoldung, der mit Ernennung entsteht. Eines Antrages bedarf es insoweit nicht, die Rücknahme eines Antrages ist demnach ebenfalls rechtlich irrelevant.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2001 - 2 C 48.00 -, juris, Rn. 13; Reich, in: Reich/Preißler, BBesG, 2. Auflage 2022, § 3 Rn. 19 (jeweils zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte).
23Auch der überdies mit E-Mail vom 11. Dezember 2018 vom Kläger erklärte Verzicht auf die Gewährung der Zulage hat keine rechtlichen Folgen. Nach § 2 Abs. 3 LBesG kann nämlich auf die gesetzlich zustehende Besoldung weder ganz noch teilweise verzichtet werden, sofern es sich nicht um vermögenswirksame Leistungen handelt. Diese Regelung findet ihren Zweck einerseits in der Gewährleistung des Leistungsprinzips (Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes – GG) in Gestalt der Verhinderung der Ernennung „billigerer“ Beamten sowie andererseits in der Erfüllung des unbedingten und in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn wurzelnden Alimentationsprinzips.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. März 1967 - II C 43.64 -, juris, Rn. 18 ff. (zur einer früher geltenden, gleichlautenden Regelung für Bundesbeamten); Kathke, in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Juni 2021, § 2 LBesG NRW, Rn. 109 ff.
25Die Zulagengewährung basiert – wie § 59 LBesG NRW zeigt – auf einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage und ist damit zum Kreis nicht verzichtbarer gesetzlich zustehender Besoldung zu zählen.
26Vgl. Reich, in: Reich/Preißler, BBesG, 2. Auflage 2022, § 2 Rn. 33 (zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte).
27II.
28Für den Zeitraum vom 19. Oktober 2017 bis zum 21. Mai 2019 liegen die Voraussetzungen für die Gewährung der Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes nach § 59 Abs. 1 Satz 1 LBesG NRW vor. Danach wird einem Beamten die Zulage ab dem Zeitpunkt gewährt, in dem er zwölf Monate ununterbrochen die Aufgaben unter anderem eines Amtes der nächsthöheren Besoldungsgruppe vorübergehend vertretungsweise wahrgenommen hat, wenn zu diesem Zeitpunkt die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung des wahrgenommenen höherwertigen Amtes und die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung des Amtes der nächsthöheren Besoldungsgruppe vorliegen.
291.
30Zum Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums, dem 19. Oktober 2017, hat der Kläger – wie auch zwischen den Beteiligten einhellig angenommen wird – bereits zwölf Monate ununterbrochen eine Aufgabe übernommen, die dem nächsthöheren Amt zugeordnet ist. Denn der Beklagte hat den Kläger zum 19. Januar 2015 in die Abteilung 1 der Zentralabteilung des LAFP NRW umgesetzt und ihm die Funktion des Fachaufgabencontrollers übertragen, die der Beklagte selbst ausdrücklich der Besoldungsgruppe A 13 gemäß LBesO und damit einer gegenüber der damaligen Besoldungsgruppe des Klägers um eine Gruppierungsstufe höheren Besoldungsgruppe zuordnet.
31Diese Funktion hat der Kläger auch vorübergehend vertretungsweise ausgeübt. Mit diesem Tatbestandsmerkmal soll gewährleistet werden, dass nur die sogenannte Vakanzvertretung, also das Tätigwerden im Rahmen einer (noch) unbesetzten Stelle, zulagenfähig ist und nicht die sogenannte Verhinderungsvertretung, die sich durch die Vertretung eines an sich eingesetzten, zum betroffenen Zeitpunkt aber aus etwa Krankheits- oder Urlaubsgründen verhinderten Stelleninhabers auszeichnet.
32Vgl. LT-Drs. 16/10380, S. 379; BVerwG, Urteile vom 28. April 2011 - 2 C 30.09 -, juris, Rn. 12 f., und vom 28. April 2005 - 2 C 29.04 -, juris, Rn. 18 (jeweils zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte).
33So liegt die Sache hier. In der Umsetzungsverfügung des LAFP NRW vom 19. Januar 2015 ist ausdrücklich von der Betrauung des Klägers mit den Aufgaben des Fachaufgabencontrollings „bis zur endgültigen Besetzung in einem landesweiten Ausschreibungsverfahren“ und damit deutlich von einer beabsichtigten Vakanzvertretung die Rede.
342.
35Auch liegen die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen vor. Sinn und Zweck dieses einschränkenden Tatbestandsmerkmals ist, den Dienstherrn durch den Anspruch auf Zulagengewährung nicht mit Mehrausgaben zu belasten.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 2 C 29.04 -, juris, Rn. 14 (zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte).
37Vor diesem Hintergrund setzt die Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes regelmäßig voraus, dass eine freie Planstelle vorhanden sein muss, auf deren Grundlage eine Beförderung des Beamten möglich (gewesen) wäre. Dies ist hier der Fall, da im Anspruchszeitraum monatlich jeweils mindestens eine Planstelle zur Verfügung stand. Dabei spielt die Frage, ob die haushaltsrechtlich zur Verfügung stehende Planstelle bereits einem konkreten Dienstposten fest zugeordnet war, oder erst – im Rahmen der sogenannten „Topfwirtschaft“ – nach und nach frei werdenden oder neu besetzten Dienstposten zugewiesen wurde, keine Rolle. Denn die Vorschrift des § 59 LBesG NRW gilt unabhängig vom System der Zuordnung der Planstellen zu einzelnen Dienstposten innerhalb der vom jeweiligen Haushaltstitel erfassten Behörden.
38Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2014 - 2 C 16.13 -, juris, Rn. 16 ff. (zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte).
393.
40Entgegen der Ansicht des Beklagten liegen beim Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum auch die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen vor. Zu diesen zählen allein laufbahnbezogene Aspekte (a.), die im streitgegenständlichen Zeitraum in der Person des Klägers im Hinblick auf das wahrgenommene Amt auch ungeachtet des damaligen Disziplinarverfahrens gegen ihn vorlagen (b.).
41a)
42Nach der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung, der die Kammer folgt und die auch von den Beteiligten übereinstimmend ihrer Argumentation zugrunde gelegt worden ist, liegen die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nur vor, wenn eine Beförderung des Beamten in das höherwertige Amt, dem die wahrgenommene (höherwertige) Tätigkeit zugeordnet wird, möglich ist, der Betroffene mithin beförderungsreif ist. Beförderungsreife meint dabei konkret, dass einer Beförderung des Beamten keine normativen Regelungen des gesamten Laufbahnrechts entgegenstehen.
43Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Dezember 2014 - 2 B 110.13 -, juris, Rn. 16, sowie Urteile vom 25. September 2014 - 2 C 16.13 -, juris, Rn. 19, vom 28. April 2011 - 2 C 30.09 -, juris, Rn. 22, und vom 7. April 2005 - 2 C 8.04 -, juris, Rn. 19 (jeweils zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte).
44Zwar trifft es zu, dass ein Disziplinarverfahren – wie der Beklagte vorträgt – grundsätzlich Zweifel an der persönlichen Eignung eines Beamten für die Amtsausübung rechtfertigen und so den Ausschluss eines Bewerbers aus einem Beförderungsverfahren legitimieren kann.
45Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1987 - 6 C 32.85 -, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschlüsse vom 21. August 2018 - 1 B 1483/17 -, juris, Rn. 6 ff., vom 8. März 2017 - 1 B 1354/16 -, juris, Rn. 5 ff., vom 24. März 2016 - 1 B 1110/15 -, juris, Rn. 13 ff., und vom 12. Dezember 2011 - 6 B 1314/11 -, juris, Rn. 2 ff.; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14. April 2022 - 1 L 318/22 -, n.v.
46Unabhängig davon aber, dass der Umstand eines laufenden Disziplinarverfahrens nicht stets und automatisch den Ausschluss aus einem Beförderungsverfahren zur Folge hat, sondern dies von den Begebenheiten des konkreten Falles abhängt und insoweit das Auseinandersetzen des Dienstherrn mit den Einzelheiten des Vorwurfs erforderlich ist,
47vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 24. März 2016 - 1 B 1110/15 -, juris, Rn. 15; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14. April 2022 - 1 L 318/22 -, n.v.,
48betrifft die Frage der (persönlichen) Eignung allein die beamtenrechtlichen Grundvoraussetzungen für eine Ernennung und nicht die nach § 59 Abs. 1 LBesG NRW einzig maßgeblichen laufbahnrechtlichen Voraussetzungen. Entgegen der Ansicht des Beklagten sind indes unter „Beförderungsreife“ nur diejenigen Aspekte zu verstehen, die die Ämterlaufbahn und nicht die allgemeine Frage nach der Einstellung und Beförderung, wie etwa die persönliche Eignung, betreffen. Entscheidend ist nach Auffassung der Kammer allein, ob nach den formellen Kriterien des Laufbahnrechts eine Beförderung in das nächsthöhere (Status-)Amt möglich wäre. Der dem entgegenstehenden und für das Gericht ohnehin nicht bindende Erlass des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2017 (403-42.07.08) ist insoweit rechtswidrig.
49Dies beruht zunächst auf der Überlegung, dass der Begriff der „laufbahnrechtlichen“ Voraussetzungen offenbar auf eine bestimmte Einengung abzielt. Insoweit wird gerade nicht von sämtlichen beamtenrechtlichen Ernennungs- und Beförderungsvoraussetzungen, sondern gerade nur von laufbahnbezogenen Voraussetzungen gesprochen. Der Normgeber scheint demnach zwischen Laufbahnvoraussetzungen und sonstigen Voraussetzungen für eine Beförderung zu differenzieren.
50Eine solche Differenzierung findet dabei ihre Stütze auch in der nordrhein-westfälischen beamtenrechtlichen Regelungssystematik, die einerseits allgemeine, d.h. grundsätzliche, Vorgaben zur Ernennung, andererseits aber auch spezifische Vorgaben zum Laufbahnaufstieg, also Bedingungen für eine Beförderung innerhalb einer Laufbahn vorsieht. Erstere zeichnen abstrakt die Mindestrahmenbedingungen für jede beamtenrechtliche Ernennung und damit auch Beförderung in Gestalt des Leistungsprinzips – Ernennungen sind nur nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen – ab und finden sich an zentraler Stelle in formellen Gesetzen, wie etwa Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 des Beamtentstatusgesetzes (BeamtStG) oder § 19 des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen (LBG NRW). Letztere hingegen differieren hinsichtlich des Tätigkeitsfeldes, werden teilweise für bestimmte Dienstzweige gesondert geregelt und finden sich daher auch auf Basis des § 9 bzw. § 110 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW in landesrechtlichen Verordnungen, wie etwa hier in § 8 der Laufbahnverordnung der Polizei Nordrhein-Westfalen in der hier maßgeblichen, vom 4. März 1995 bzw. 20. März 2018 geltenden Fassung (LVOPol NRW 1995 bzw. 2018). Diese Trennung zeigt sich auch in § 3 Abs. 1 LVOPol NRW 1995 bzw. 2018, der die Einstellungs- und Beförderungsvoraussetzungen umschreibt und einerseits die allgemeinen – in der Verordnung selbst nicht geregelten – Voraussetzungen benennt, etwa „die Voraussetzungen für die Berufung in das Beamtenverhältnis“ (Nr. 1), andererseits aber auch die „nach dieser Verordnung vorgeschriebenen besonderen Einstellungsvoraussetzungen für den jeweiligen Laufbahnabschnitt“ (Nr. 4) zur Einstellungs- und Beförderungsbedingung – insbesondere also § 8 LVOPol NRW 1995 bzw. 2018 – als Bedingung für eine Einstellung festlegt.
51Insoweit greift auch das Argument des Beklagten, die Laufbahnverordnung verweise unter anderem auf das Beamtenstatusgesetz und mache so die Frage der persönlichen Eignung zur Bedingung des Laufbahnaufstieges, nicht durch. Denn es steht außer Frage, dass eine Beförderung im Rahmen der Laufbahn auch unter Beachtung der Grundvoraussetzungen und damit der persönlichen Eignung erfolgen muss. Davon zu unterscheiden ist aber die hier maßgebliche Frage, ob die auf die Beachtung der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen beschränkte Gewährung der Zulage nach § 59 LBesG NRW ebenfalls diese Fragen zu beantworten hat. Insofern hängt die Gewährung der Zulage nur von einem Teil der Beförderungsvoraussetzungen, nämlich den formalen Bedingungen der Ämterlaufbahn, ab.
52Vor diesem Hintergrund wird nicht nur in § 59 Abs. 1 Satz 1 LBesG NRW selbst zwischen Voraussetzungen, die bei einer Ernennung und Beförderung gelten, und solchen nur an Beamte derselben Laufbahn gerichteten Bedingungen unterschieden. Dies bildet sich auch in der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung ab, die bei einer Beförderung allgemein zwischen den „Grundvoraussetzungen“ einerseits und den „laufbahnrechtlichen Voraussetzungen“ andererseits differenzieren.
53Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. April 2006 - 2 VR 2.05 -, Rn. 7; OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - 1 B 1131/13 -, juris, Rn. 7 ff., insbesondere Rn. 10.
54Darüber hinaus gebietet der Zweck der Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes lediglich die Betrachtung der laufbahnrechtlichen, nicht aber das Berücksichtigen der allgemeinen Beförderungsvoraussetzungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es ein wesentliches Ziel der Zulage, den Dienstherrn davon abzuhalten, freie Stellen auf Dauer aus fiskalischen oder anderen „hausgemachten“ Gründen nicht entsprechend der Bewertung gemäß der Ämterordnung des Besoldungsrechts zu besetzen (Herv. nur hier).
55Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2018 - 2 C 52.17 -, juris, Rn. 25, vom 25. September 2014 - 2 C 16.13 - juris, Rn. 15, und vom 28. April 2005 - 2 C 29.04 -, juris, Rn. 14; VG Münster, Urteil vom 7. Juli 2016 - 4 K 1085/12 -, juris, Rn. 33 (jeweils zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte).
56Mit anderen Worten soll der Dienstherr über die Zulage angehalten werden, nur solche Beamte auf vakante und höher besoldete Posten zu setzen, die den Posten allein aus Sicht der Ämterordnung auch im Wege einer Beförderung erhalten könnten. Insoweit dient das die Zulagengewährung einschränkende Tatbestandsmerkmal der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen dazu, die Zulage auszuschließen, wenn ein laufbahnfremder, vor allem schlechter besoldeter, Beamter ein höherwertiges Amt bekleidet, damit die entsprechende Tätigkeit letztendlich über eine solche Praxis keinerlei Anreize mehr bietet. Der Anreiz der Stellenzulage und damit die Besetzung höherwertiger Ämter mit Beamten statusamtsniedrigerer Position sollen nur für solche Beamte gelten, die das höherwertige Amt laufbahnrechtlich übertragen bekommen können.
57Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2011 - 2 C 30.09 -, juris, Rn. 24 (zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte).
58Die allgemeinen Anforderungen an eine beamtenrechtliche Ernennung, wie etwa die persönliche Eignung, spielen demnach für die Ziele der Zulagengewährung keine Rolle. Das Bundesverwaltungsgericht betont daher überzeugend, dass es im Rahmen der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen ausschließlich auf die Bestimmungen des Laufbahnrechts ankommt und gerade nicht von Belang ist, ob der betreffende Beamte sich bei einer Leistungskonkurrenz um das Beförderungsamt durchsetzen würde.
59Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2018 - 2 C 52.17 -, juris, Rn. 11, und vom 25. September 2014 - 2 C 16.13 -, juris, Rn. 19 (jeweils zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte).
60Andernfalls müsste für die Gewährung der Zulage nach § 59 LBesG NRW nicht nur die Bedingungen der Ämterlaufbahn beachtet, sondern auch die Frage nach Eignung, Leistung und Befähigung beantwortet, mithin letztlich Bestenauslese betrieben werden. Dies erweist sich nicht nur vor dem Hintergrund des bereits genannten Zwecks der Zulage, sondern gerade auch angesichts des in der mündlichen Verhandlung vom Kläger vorgebrachten Aspektes, dass die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes zum einen zeitlich befristet und zum anderen gerade nicht durch Beförderung, sondern durch eine von Fragen der Bestenauslese und damit auch der persönlichen Eignung unabhängige Umsetzung erfolgt, als unangemessen.
61Entscheidend ist demnach die Beförderungsreife und nicht die Beförderungsfähigkeit. Es nimmt daher nicht Wunder, dass auch das Bundesverwaltungsgericht in seinen Entscheidungen – soweit ersichtlich – rein auf laufbahnbezogene Kriterien eingeht, nicht aber prüft, ob die allgemeinen Grundvoraussetzungen der Ernennung gegeben sind.
62Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2018 - 2 C 52.17 -, juris, Rn. 13 ff., und vom 28. April 2011 - 2 C 30.09 -, juris, Rn. 30 ff. (jeweils zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte).
63Im Übrigen gibt die Kammer zu bedenken, dass vor dem Hintergrund des genannten Zweckes eine andere Auffassung zum Umfang der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen im vorliegenden Fall eines laufenden Disziplinarverfahrens sich für den betroffenen Beamten als unverhältnismäßig erwiese. Denn der Hauptgrund dafür, dass ein Dienstherr einen Beamten wegen eines laufenden Disziplinarverfahrens regelmäßig aus einem Stellenbesetzungsverfahren ausschließen darf, liegt in der Überlegung, dass er sich in Widerspruch setzen würde, wenn er dem Beamten einerseits ein Dienstvergehen vorwirft, ihn andererseits für beförderungsfähig hält.
64Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1987 - 6 C 32.85 -, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 21. August 2018 - 1 B 1483/17 -, juris, Rn. 6 ff.
65Genau diesem Widerspruch setzt sich aber – wie der Kläger zu Recht vorträgt – auch ein Dienstherr aus, der einen Beamten einerseits in einem höherwertigen Statusamt tatsächlich einsetzt, ihm zugleich die Zulagengewährung wegen Zweifel an der (persönlichen) Eignung ausschlägt. Soweit der Beklagte hiergegen einwendet, die Entscheidung hierüber obliege dem Organisationsermessen des Dienstherrn und sei aufgrund einer Gesamtabwägung aller Einzelfallumstände zu treffen, mag dies zutreffen. Es hat aber keine Auswirkungen auf die Gewährung der Zulage für die Tätigkeit. Insoweit kann er die Zulagengewährung durch die Entbindung des Beamtenvon der höherwertigen Tätigkeit verhindern, nicht aber dadurch, dass er sehenden Auges einen beförderungsreifen, nicht aber beförderungsfähigen Beamten für eine höherwertige Tätigkeit einsetzt.
66b)
67Unter Beachtung der soeben dargelegten Maßgaben lagen für den streitgegenständlichen Zeitraum die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen in der Person des Klägers und im Hinblick auf das konkret ausgeübte höherwertige Amt vor. Insoweit konnte er nach der Ämterordnung, wie sie sich aus der für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen LVOPol NRW 1995 bzw. LVOPol NRW 2018 ergibt, in das ausgeübte nächsthöhere Statusamt befördert werden. Insbesondere lag die nach § 8 Abs. 1 LVOPol NRW 1995 noch erforderliche Dienstzeit vor. Auch sind Beförderungsverbote nach § 8 Abs. 4 LVOPol NRW 1995 bzw. § 8 Abs. 2 LVOPol NRW 2018 weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Übrigen sind auch weiter keine Aspekte ersichtlich, die dem Kläger die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen abzusprechen vermögen könnten, zumal der Kläger bis zum Beginn des Disziplinarverfahrens die begehrte Zulage gewährt bekommen hatte, der Beklagte ihm die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen ohne laufendes Disziplinarverfahrens offenkundig auch nicht abgesprochen hätte.
68III.
69Die Höhe der Zulage des Klägers für den Zeitraum vom 19. Oktober 2017 bis zum 21. Mai 2019 bemisst sich gemäß § 59 Abs. 2 LBesG NRW nach dem Unterschiedsbetrag zwischen den im betroffenen Zeitraum jeweils unter Beachtung der jeweiligen Erfahrungsstufe (hier: 12) geltenden Grundgehältern der Besoldungsgruppen A 12 und A 13 gemäß der Landesbesoldungsordnung.
70Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich dieser Differenzbetrag in den Fällen, in denen die Anzahl der Anspruchsberechtigten die Anzahl der besetzbaren Planstellen der entsprechenden Wertigkeit übersteigt, nur anteilig gezahlt werden kann, da die Zulage nach besagtem Zweck zu keiner finanziellen Mehrbelastung der Behörde führen darf.
71Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 2 C 29.04 -, juris, Rn. 14 (zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte).
72Es ist deshalb für den Anspruchszeitraum und den etatisierten Behördenbereich – hier alle Polizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen – monatlich die Anzahl der Anspruchsberechtigten und die Anzahl der besetzbaren Planstellen der entsprechenden Wertigkeit zu berechnen und ins Verhältnis zu setzen. Maßgeblich für diese Berechnung sind stets die Verhältnisse in dem Monat, für den die Zulage berechnet wird.
73Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2014 - 2 C 16.13 -, juris, Rn. 21 f. (zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte).
74Dies zugrunde gelegt ergibt sich auf Grundlage der vom Kläger nicht angegriffenen und nicht erkennbar fehlerhaften Unterlagen des Beklagten insgesamt ein Anspruch auf Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes in Höhe von 7550,92 Euro:
75Monat |
Besoldungs-tabelle |
Differenz des Grundgehaltes in Erfahrungsstufe 12 |
Quote |
Betrag |
19. - 31. Oktober 2017 (13 Tage) |
ab 1.4.17 |
4974,36 (A13) - 4481,37 (A12) = 492,99 : 31 x 13 = 206,73 |
1 |
206,74 |
November 2017 |
492,99 |
1 |
492,99 |
|
Dezember 2017 |
492,99 |
1 |
492,99 |
|
Januar 2018 |
ab 1.1.18 |
5091,26-4586,68 = 504,58 |
1 |
504,58 |
Februar 2018 |
504,58 |
1 |
504,58 |
|
März 2018 |
504,58 |
1 |
504,58 |
|
April 2018 |
504,58 |
0,5978 |
301,64 |
|
Mai 2018 |
504,58 |
0,7598 |
383,38 |
|
Juni 2018 |
504,58 |
0,6422 |
324,04 |
|
Juli 2018 |
504,58 |
0,9525 |
480,61 |
|
August 2018 |
504,58 |
0,9525 |
480,61 |
|
September 2018 |
504,58 |
0,8969 |
452,56 |
|
Oktober 2018 |
504,58 |
1 |
504,58 |
|
November 2018 |
504,58 |
1 |
504,58 |
|
Dezember 2018 |
504,58 |
1 |
504,58 |
|
Januar 2019 |
1.1.19 |
5254,18-4733,45 = 520,73 |
0,2312 |
120,39 |
Februar 2019 |
520,73 |
0,2893 |
150,65 |
|
März 2019 |
520,73 |
0,2613 |
136,07 |
|
April 2019 |
520,73 |
0,5696 |
296,61 |
|
1. bis 21. Mai 2019 |
520,73 : 31 x 21 = 352,75 |
0,5788 |
204,17 |
|
7550,93 |
IV.
77Der Kläger hat schließlich auch einen Anspruch auf Prozesszinsen. Zwar regelt § 2 Abs. 5 LBesG NRW, dass bei verspäteter Zahlung von Bezügen kein Anspruch auf Verzugszinsen besteht. Wegen der Spezialität dieser auf die beamtenrechtliche Besoldung beschränkten Regelung darf auch nicht auf die allgemeine Vorschrift des § 288 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zurückgegriffen werden.
78OVG NRW, Urteil vom 21. April 2005 - 1 A 3099/03 -, juris, Rn. 118 ff. m.w.N. (zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte).
79Allerdings regelt § 2 Abs. 5 LBesG NRW ausschließlich die Zinsen wegen verspäteter Zahlung, mithin Verzugszinsen, und nicht die vom Kläger hier geltend gemachten Prozesszinsen. Insoweit ist geklärt, dass Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 291 BGB gewährt werden können, weil das Fachrecht – wie hier das Landesbesoldungsgesetz Nordrhein-Westfalen – gerade zu diesen Zinsen keine abweichende Regelung trifft.
80Vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Oktober 2002 - 2 C 24.01 -, juris, Rn. 20, und vom 28. Mai 1998 - 2 C 28.97 -, juris, Rn. 10 m.w.N. (jeweils zur gleichlautenden Vorschrift für Bundesbeamte).
81Die Voraussetzungen des § 291 Satz 1 BGB (analog) liegen vor. Danach sind Geldschulden von dem Eintritt ihrer Rechtshängigkeit an – unabhängig von der Frage einer unverschuldeten Nichtzahlung – zu verzinsen. Dabei wird eine Geldschuld nur dann mit Klageerhebung rechtshängig (vgl. § 90 VwGO), wenn der Prozess mit dem Zuspruch einer eindeutig bestimmten Geldleistung endet. Entscheidend ist, dass die Höhe der Geldleistung am Ende des Prozesses eindeutig feststeht bzw. rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden kann und keinem, von der Behörde noch auszuübenden Regelungsspielraum unterliegt. Denn im letzteren Fall kann die Geldschuld mangels Bestimmtheit ihrer Höhe noch nicht mit Klageerhebung rechtshängig geworden sein.
82Vgl. BVerwG, Urteile 28. Mai 1998 - 2 C 28.97 -, juris, Rn. 13, und vom 28. Juni 1995 - 11 C 22.94 -, juris, Rn. 10; OVG NRW, Urteil vom 21. April 2005 - 1 A 3099/03 -, juris, Rn. 140.
83Ein solcher Fall liegt hier aber auch nicht vor. Die Höhe der vom Beklagten zu gewährenden Zulage steht nach Vorstehendem eindeutig fest, ohne dass eine weitere Rechtsanwendung oder Berechnung durch den Beklagten erforderlich wäre. Sie ist insoweit auch mit Klageerhebung am 17. Oktober 2019 rechtshängig geworden. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Beklagte nicht unmittelbar zur Zahlung, sondern nur zum Erlass eines die Zahlung der bestimmten Geldsumme unmittelbar auslösenden Verwaltungsaktes verpflichtet wird. Denn aufgrund des für öffentlich-rechtliche Zahlungsansprüche geltenden Verfahrensrechts ist es dem Berechtigten häufig – und wie hier – nicht möglich, unmittelbar auf Leistung zu klagen, sondern auch im Falle eines der Höhe nach bestimmten Geldleistungsanspruchs muss er zunächst auf den Erlass eines zusprechenden Verwaltungsaktes klagen. Insoweit reicht es für die Rechtshängigkeit der Geldschuld aus, dass die Klage auf Erlass des die Geldzahlung auslösenden Verwaltungsaktes gerichtet ist.
84Vgl. BVerwG, Urteile 28. Mai 1998 - 2 C 28.97 -, juris, Rn. 13, und vom 28. Juni 1995 - 11 C 22.94 -, juris, Rn. 10; OVG NRW, Urteil vom 21. April 2005 - 1 A 3099/03 -, juris, Rn. 140.
85Die Höhe der Zinsen richtet sich dabei in entsprechender Anwendung nach § 291 Satz 2 BGB in Verbindung mit §§ 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 sowie § 289 Satz 1 BGB und beträgt fünf Prozentpunkte über dem für das Jahr jeweils geltenden Basiszinssatz. Der Beginn des Zinsanspruches ist mit dem 18. Oktober 2019 zu datieren, weil der Tag des den Zinsanspruch auslösenden Ereignisses – die Rechtshängigkeit am 17. Oktober 2019 – in entsprechender Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB nicht mitzurechnen ist.
86Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 2. November 1999 - 7 L 3034/97 -, juris, Rn. 127; BGH, Urteile vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 555/16 -, juris, Rn. 21, und vom 4. Juli 2017 - XI ZR 562/15 -, juris, Rn. 103.
87V.
88Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
89Rechtsmittelbelehrung:
90Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
911. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
922. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
933. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
944. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
955. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
96Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen.
97Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
98Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
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Referenzen
- 1 B 1131/13 1x (nicht zugeordnet)
- 7 L 3034/97 1x (nicht zugeordnet)
- § 59 Abs. 2 LBesG 1x (nicht zugeordnet)
- XI ZR 555/16 1x (nicht zugeordnet)
- XI ZR 562/15 1x (nicht zugeordnet)
- 1 L 318/22 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 67 1x
- 1 B 1354/16 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 3099/03 3x (nicht zugeordnet)
- 1 B 1110/15 2x (nicht zugeordnet)
- 6 B 1314/11 1x (nicht zugeordnet)
- 1 B 1483/17 2x (nicht zugeordnet)
- 4 K 1085/12 1x (nicht zugeordnet)
- 2 B 10837/13 1x (nicht zugeordnet)