Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (3. Kammer) - 3 A 1282/14

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern als Gesamtschuldnern auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen (Schmutz- und Niederschlagswasser).

2

Die Kläger sind Eigentümer des Wohngrundstücks G1 in einer Größe von 945 m². Sie haben das Grundstück auf Grundlage eines notariellen Kaufvertrages vom 17. Mai 1991 von der Stadt A-Stadt erworben.

3

Nach § 1 Abs. 3 des Kaufvertrages ist das Grundstück erschlossen zu liefern. Nach § 2 des Vertrages hat die Auszahlung des Kaufpreises von 40,00 DM/m² wie folgt zu erfolgen:

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1. DM 3,50 pro Quadratmeter der verkauften Teilfläche an die Gemeinde A-Stadt (...).
2. DM 36,50 pro Quadratmeter der verkauften Teilfläche an die Firma S. Baubetreuungsgesellschaft mbH (...)

5

In § 4 Abs. 3 des Vertrages heißt es weiter:

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Für den vorhandenen Ausbau von Straße und Siel trägt der Erwerber unbeschadet der gesetzlichen Haftung keine Kosten. Der Veräußerer hat den Erwerber insoweit freizuhalten. Kosten für Straßen- und Sielbauarbeiten, die nach dem Übergabetag ausgeführt werden, treffen den Erwerber. Der Veräußerer versichert, dass ihm zur Zeit drohende Straßen- und Sielbaumaßnahmen nicht bekannt sind. Eine Haftung des Erwerbers für die Primärerschließung (§ 1) wird hierdurch nicht begründet.

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In der Folgezeit entrichteten die Kläger den vereinbarten Kaufpreis an die Stadt A-Stadt und die Firma S. Der am 7. Juni 1991 von der Stadt A-Stadt mit der Firma S. geschlossene Erschließungsvertrag sah in § 1 die Primärerschließung des „2. Bauabschnitts Bockmühlenweg“ u.a. im Bereich Schmutz- und Niederschlagswasser vor. Der Vertrag wurde von der Firma S. nicht erfüllt und in der Folgezeit von der Stadt A-Stadt gekündigt. Die Erschließung des Baugebiets erfolgte dann auf Grundlage des mit der Arbeitsgemeinschaft zur Erschließung der Gewerbegebiete der Stadt A-Stadt GmbH (künftig: Arbeitsgemeinschaft) geschlossenen Erschließungsvertrages vom 3. April 1992.

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In der Präambel heißt es:

9

In diesem Gebiet hatte die Stadt schon vor der Wende 17 Bauparzellen (nachstehend Parzellen der Alterwerber genannt) an Bauwillige übertragen und nach der Wende 5 weitere Parzellen über die S. Bauträgergesellschaft mbH veräußert (nachstehend Parzellen der S.-Kunden genannt) (...). Diese 22 Parzellen sind inzwischen bebaut.

10

Die Alterwerber sind bisher nicht zu Erschließungskosten und Anschlussgebühren herangezogen worden. Die S.-Kunden haben die Erschließungskosten mit dem Kaufpreis bezahlt; der entsprechende Anteil des Kaufpreises soll nach den Verträgen nicht der Stadt, sondern der S. zustehen. Diese ist der Verpflichtung zur Durchführung der Erschließungsmaßnahmen nicht nachgekommen. Nach Kündigung des Vertrages mit der S. hat die Arge im Auftrag der Stadt und unter Vorgriff auf den noch abzuschließenden Erschließungsvertrag die Zuwegung zu den 17 Parzellen der Alterwerber sowie die Ent- und Versorgung dieser Parzellen hergestellt. Der heute abzuschließende Vertrag gilt der Fertigstellung der Erschließung im Sinne des Baugesetzbuchs sowie der Ver- und Entsorgung der Bauparzellen unter Berücksichtigung der von der Arge bereits erbrachten Leistungen.

11

In Ziffer 4.2 Abs. 3 des Erschließungsvertrages heißt es:

12

Von der Arbeitsgemeinschaft bzw. den Erwerbern der von ihr erschlossenen und bebaut oder unbebaut verkauften Bauparzellen erhebt die Stadt keine Erschließungskosten und keine Anschlussgebühren.

13

Das Grundstück ist an die zentrale Schmutz- und Niederschlagswasserbehandlungsanlage angeschlossen.

14

Mit Bescheid vom 25. Juni 2014 zog der Beklagte die Kläger zu Anschlussbeiträgen i.H.v. 7.660,17 EUR heran. Den Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2014 – zugestellt am 10. November 2014 – zurück.

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Am 8. Dezember 2014 haben die Kläger Anfechtungsklage erhoben. Sie sind der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Es fehle bereits an einer hinreichend bestimmten Definition der beitragsfähigen öffentlichen Einrichtungen. So gehörten die Grundstücksanschlüsse nach § 2 der Abwassersatzung zu der jeweiligen öffentlichen Einrichtung. Gemäß § 14 der Abwassersatzung solle der Aufwand und die Kosten für zusätzliche Grundstücksanschlüsse jedoch separat geltend gemacht werden. Auch der Beitragssatz beinhalte nicht den Aufwand für die Herstellung der gesamten öffentlichen Einrichtung, sondern beschränke sich, was die Grundstücksanschlüsse angehe, auf die erste Anschlussleitung, während nach § 10 der Abwasserbeitragssatzung die Herstellung weiterer Anschlussleitungen Gegenstand öffentlich-rechtlicher Erstattungsansprüche sei.

16

Zudem sei die satzungsrechtlich normierte Tiefenbegrenzung von 40 m fehlerhaft. Die ihr zu Grunde liegende Untersuchung beschränke sich auf repräsentative Grundstücke in drei Straßen. Warum gerade diese Straßen maßgeblich seien, werde nicht angegeben. Zudem habe die Stadt A-Stadt die Festlegung der Tiefenbegrenzung nicht davon abhängig gemacht, wo tatsächlich die größte Zahl von Grundstücken mit einer vergleichbaren Bebauungstiefe bestehe. Dies sei in einem Korridor von 25 bis 30 m der Fall. Stattdessen habe die Stadt die Tiefenbegrenzung aber so weit nach hinten verlagert, dass sie 85 v.H. aller Grundstücke im Referenzgebiet erfasse. Dies sei nach der Rechtsprechung des OVG Greifswald unzulässig. Im Niederschlagswasserbereich sei der Grundflächenfaktor 0,2 fehlerhaft. Maßgeblich sei die Grundfläche der tatsächlich angeschlossenen Gebäude, nicht aber die Grundstücksfläche insgesamt.

17

Weiter sei davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses keine ordnungsgemäße Beitragskalkulation vorgelegen habe. Die Beschlussfassung sei am 24. Oktober 2013 erfolgt, die Kalkulation datiere jedoch erst am Dezember 2013.

18

Die Vereinbarung in § 4 Abs. 3 des Grundstückskaufvertrages stehe der Beitragserhebung entgegen. Sie sei entgegen der Auffassung des Beklagten wirksam. Ein Verstoß gegen die Beitragserhebungspflicht nach § 8 Abs. 1 KAG 1993 scheide aus, weil die Vorschrift zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch keine Geltung gehabt habe. Ungeachtet dessen genössen die Kläger Vertrauensschutz. Die Kläger hätten in dem Grundstückskaufvertrag vom 17. Mai 1991 eine Vereinbarung zur Abgeltung des Erschließungsaufwandes auch für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung getroffen. Bis zum Jahr 1998, also über einen Zeitraum von sieben Jahren, habe der Beklagte trotz bestehender Beitragssatzung keine Anschlussbeiträge gegenüber den Klägern festgesetzt. Bis zum Jahre 1999 habe es auch keine Rechtsprechung gegeben, wonach abweichend vom Wortlaut der Kommunalabgabengesetze 1991 und 1993 die sachliche Beitragspflicht erst mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung entstehe. Zu diesem Zeitpunkt seien jedoch mehr als vier Jahre vergangen, so dass die Kläger darauf vertrauen durften, nicht mehr zu Anschlussbeiträgen herangezogen zu werden.

19

Die Kläger beantragen,

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den Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2014 – Nrn. ... – in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2014 aufzuheben.

21

Der Beklagte verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Mit Beschluss vom 14. Juni 2017 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

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1. Er findet seine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung in der Stadt A-Stadt (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 24. Oktober 2013 i.d.F. der 1. Änderung vom 26. März 2015. Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung bestehen nicht (zuletzt: VG Greifswald, Urt. v. 02.11.2017 – 3 A 1058/15 –, juris Rn. 21 ff.). Die von den Klägern geltend gemachten Einwände greifen nicht durch.

27

a. Eine Beitragssatzung ist nur dann materiell-rechtlich wirksam, wenn ihr eine hinreichend bestimmte und widerspruchsfreie Definition der öffentlichen Einrichtung, für die Anschlussbeiträge erhoben werden, zugrunde liegt (OVG Greifswald, Urt. v. 05.12.2016 – 1 K 8/13 –, S. 8 des Entscheidungsumdrucks). Denn das Kommunalabgabenrecht – hier das Anschlussbeitragsrecht – zieht lediglich die Folgen aus dem Einrichtungsbegriff: Ohne eine ordnungsgemäß definierte öffentliche Einrichtung können ihre Bestandteile und damit der beitragsfähige Herstellungsaufwand nicht ermittelt werden. Entgegen der Auffassung der Kläger genügt die Abwasserbeitragssatzung den daraus folgenden Maßgaben auch in Bezug auf Grundstücksanschlüsse. Nach § 1 Abs. 3 ABS ist mit dem Beitrag der Aufwand für die Herstellung des jeweils ersten Grundstücksanschlusses abgegolten. Hiermit korrespondiert die Regelung des § 2 Nr. 3.1 Buchst. a der Satzung über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentlichen Abwasseranlagen der Stadt A-Stadt (Abwassersatzung AwS) vom 20. Juni 2013 i.d.F. der ersten Änderung vom 24. Oktober 2013, wonach die Anschlussleitungen zu den zentralen Abwasseranlagen gehören. Ob zusätzliche Grundstücksanschlüsse zu den öffentlichen Einrichtungen der Schmutz- bzw. Niederschlagswasserbeseitigung gehören, ist irrelevant. Denn § 1 Abs. 3 ABS stellt klar, dass sie jedenfalls nicht zur beitragsfähigen öffentlichen Einrichtung gehören. Damit ist auch gewährleistet, dass der Herstellungsaufwand für zusätzliche Grundstücksanschlüsse, der – anders als der Aufwand für erste Grundstücksanschlüsse – nicht vorhersehbar und damit auch nicht kalkulierbar ist, im Rahmen der Beitragskalkulation keine Berücksichtigung findet. Für den Kostenersatzanspruch für zusätzliche Grundstücksanschlüsse nach § 10 Abs. 3 KAG M-V i.V.m. § 10 ABS ist die Zugehörigkeit des Grundstücksanschlusses zur öffentlichen Einrichtung ohne Belang (OVG Greifswald, Urt. v. 21.04.2015 – 1 K 46/11 –, juris Rn. 65).

28

b. Die Maßstabsregeln der Abwasserbeitragssatzung begegnen ebenfalls keinen Bedenken.

29

aa. Dies gilt zunächst für die in § 4 Abs. 2 Buchst. c erster Halbsatz ABS normierte Tiefenbegrenzung. Danach gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die kein B-Plan besteht und die innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, soweit sie zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer dazu im gleichmäßigen Abstand von 40 Metern dazu verlaufenden Linie liegt. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine sog. schlichte Tiefenbegrenzung. Ihr Anwendungsbereich ist nicht nur auf Grundstücke im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB zum Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB (sog. Übergangs- oder Randlagengrundstücke) beschränkt, sondern erfasst auch Grundstücke, die vollständig im unbeplanten Innenbereich liegen (sog. zentrale Grundstücke).

30

Die Regelung einer Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht grundsätzlich zulässig. Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Eine Tiefenbegrenzung findet im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und Verwaltungsvereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegenden unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 BauGB). Danach sind die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden. Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab (Schmutzwasser) bzw. Grundstücksflächenmaßstab (Niederschlagswasser) zu bemessen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 21. April 2015 – 1 K 46/11 –, juris Rn. 47).

31

Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt – wenn eine solche ermittelbar ist – die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden. Das Normenkontrollgericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen (so grundlegend OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 75 ff. m.w.N., daran anschließend OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris Rn. 33 f.).

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Diesen rechtlichen Maßstäben genügt die hier zu überprüfende Bestimmung. Der Satzungsgeber hat die örtlichen Verhältnisse methodisch fehlerfrei ermittelt. Die metrische Festsetzung der Tiefenbegrenzung hält sich im Rahmen seines Satzungsermessens.

33

Dies gilt zunächst für die Auswahl der untersuchten Grundstücke. Nach der Rechtsprechung des OVG Greifswald darf der Satzungsgeber bei Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe seine Untersuchung der örtlichen Verhältnisse auf repräsentativ ausgewählte Ortslagen beschränken (vgl. etwa OVG Greifswald, Urt. v. 30.04.2014 – 1 L 80/12 –, juris Rn. 20, im Anschluss an OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 78). Dies ist vorliegend erfolgt. Gegenstand der Untersuchung sind 103 Grundstücke, die von drei Straßen (Scharlackenweg, Waldstraße und Saarweg) erschlossen sind. Dies ist angesichts des etwa im Vergleich zu den Geschäftsgebieten großer Abwasserzweckverbände verhältnismäßig kleinen Vorteilsgebietes (Stadtgebiet der Stadt A-Stadt) ausreichend. Die genannten Straßen erschließen ausschließlich zentrale Innenbereichsgrundstücke (Saarstraße) sowie zentrale Innenbereichsgrundstücke und Randlagengrundstücke (Scharlackenweg und Waldstraße) und bilden damit die von der schlichten Tiefenbegrenzung erfassten bodenrechtlichen Grundstückssituationen hinreichend deutlich ab. Unschädlich ist, dass sich die untersuchten Straßenzüge allesamt in einem Baugebiet westlich des historischen Ortskerns der Stadt A-Stadt befinden. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten entsprechen diese Straßenzüge der außerhalb von B-Plangebieten anzutreffenden Siedlungsstruktur im Gebiet der Stadt A-Stadt.

34

Der Beklagte hat die so aufgefundenen repräsentativen Grundstücke hinsichtlich der Bebauungstiefe untersucht. Dabei bestehen keine Bedenken dagegen, dass er dabei auf die rückwärtige Grenze der „letzten Bebauung“ abgestellt hat (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 21. April 2015 – 1 K 46/11 –, juris Rn. 52). Für die Untersuchung hat er „5-Meter-Korridore“ gebildet, beginnend mit einer Bebauungstiefe von weniger als 25 m und endend mit einer Bebauungstiefe von mehr als 50 m. Danach weisen 75,76 v.H. der Grundstücke des Scharlackenweges, 87,50 v.H. der Grundstücke der Waldstraße und 91,67 v.H. der Grundstücke des Saarweges eine Bebauungstiefe von 36 – 40 m auf. Wegen der Darstellung im Einzelnen wird auf den Verwaltungsvorgang (Blatt 77) Bezug genommen.

35

Die darauf beruhende Ermessensbetätigung der Stadtvertretung hinsichtlich der metrischen Festsetzung der Tiefenbegrenzung ist nicht zu beanstanden. Es ist anerkannt, dass sich die Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren muss. Bei der Frage der Ortsüblichkeit geht es allerdings nicht um die Ermittlung einer exakt berechenbaren Größe (OVG Greifswald, Urt. v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –, juris Rn. 60). Das bringen die Begriffe „ortsüblich“ und „orientieren“ mit der ihnen inbegriffenen Unschärfe zum Ausdruck. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt vielmehr schon voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben wird, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss. Aus all dem folgt, dass für die Annahme der Ortsüblichkeit eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ausreichend ist, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, sodass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 83; Urt. v. 21. April 2015 – 1 K 46/11 –, juris Rn. 54).

36

Auch diesen Maßgaben genügt der Satzungsbeschluss. Ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Beschlussvorlage BA-Abw/B/948/2013 hat sich die Stadtvertretung bei der metrischen Festlegung der Tiefenbegrenzung von der Erwägung leiten lassen, dass in den drei untersuchten Straßen ca. 75 v.H. aller Grundstücke bis zu einer Tiefe von 40 m bebaut sind. Weiter heißt es in der Beschlussvorlage, dass in zwei Straßen sogar 90 v.H. der Grundstücke bis zu dieser Tiefe bebaut seine. Damit wird deutlich, dass die Festlegung auf 40 m erfolgt ist, weil bis zu dieser Tiefe jedenfalls 75 v.H. der untersuchten Grundstücke bebaut sind. Die Gruppe der erfassten Grundstücke ist damit hinreichend groß. Umgekehrt ist die Gruppe der Grundstücke, die über die Tiefenbegrenzung hinaus bebaut sind, nicht zu klein (24,24 v.H. der Grundstücke im Scharlackenweg, 12,50 v.H. der Grundstücke in der Waldstraße und 8,33 v.H. der Grundstücke im Saarweg).

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bb. Entgegen der Auffassung der Kläger ist die Regelung über die Niederschlagswasserbemessungsfläche in § 4 Abs. 6 ABS nicht zu beanstanden. Sie knüpft in unter Vorteilsgesichtspunkten nicht zu beanstandender Weise an den zulässigen Versiegelungsgrad der Grundstücke an.

38

c. Auch die in § 5 ABS normierten Beitragssätze begegnen keinen Bedenken (eingehend: VG Greifswald, Urt. v. 02.11.2017 – 3 A 1058/15 –, juris Rn. 21 ff.). Die Behauptung der Kläger, die Beschussfassung über die Beitragssätze sei fehlerhaft, weil die Kalkulation erst nach der Beschussfassung erstellt worden sei, ist unzutreffend. Die in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten enthaltende Kalkulation hat den Stand vom 10. September 2013 und ist damit vor dem Satzungsbeschluss am 24. Oktober 2013 erstellt worden. Die Ursprungsfassung der Kalkulation stammt aus dem Jahr 2012.

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2. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

40

a. So ist der Beitragsanspruch nicht infolge Festsetzungsverjährung gemäß § 47 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V erloschen. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Anschlussbeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die Beitragspflicht ist nicht bereits mit dem Anschluss des Grundstücks an die zentrale Abwasserbehandlungsanlage, sondern gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V erst mit dem Inkrafttreten der Abwasserbeitragssatzung vom 24. Oktober 2013 entstanden. Die am 14. September 2017 erfolgte Fehlerheilung nach § 2 Abs. 3 KAG M-V (VG Greifswald, Urt. v. 02.11.2017 a.a.O.) wirkt zurück auf den Erlasszeitpunkt der Satzung (Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 12/2016, § 2 Anm. 8.3.3.2). Die Heranziehung der Kläger im Jahre 2014 erfolgte damit innerhalb der Festsetzungsfrist.

41

Diese Satzung ist die erste wirksame Satzung in diesem Sinne. Die Abwasserbeitragssatzung der Stadt A-Stadt vom 26. August 2010 ist unwirksam. Die darin normierte Tiefenbegrenzung beruht nicht auf einer ordnungsgemäßen Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe im Verbandsgebiet (VG Greifswald, Urt. v. 29.22.2012 – 3 A 678/11 –, S. 5 des Entscheidungsumdrucks). Dieser Fehler, der erst „bekannt“ ist, seitdem das OVG Mecklenburg-Vorpommern in dem Urteil vom 14. Dezember 2010 (– 4 K 12/07 –) die Anforderungen an die Ermittlung der Tiefenbegrenzung definiert hat, haftet sämtlichen Vorgängersatzungen an. Die vor der Abwasserbeitragssatzung vom 26. August 2010 Geltung beanspruchenden Satzungen wiesen zudem eine unzulässige Privilegierung sog. altangeschlossener Grundstücke auf. Nach § 2 Abs. 3 der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung der Stadt A-Stadt (Kanalbaubeitragssatzung – KBS 1996) vom 26. März 1996 zahlen Grundstücke, die bereits vor (dem) Inkrafttreten des KAG Mecklenburg-Vorpommern voll an die öffentliche Einrichtung Abwasserbeseitigung angeschlossen waren, zur Abdeckung des Vorteils der verbesserten Reinigung durch die Kläranlage, wenn das Grundstück an die neue Kläranlage angeschlossen ist, den Beitragssatz aus § 4 Abs. 10 c. Diese Vorschrift sieht einen gegenüber dem allgemeinen Schmutzwasserbeitrag abgesenkten „Klärwerksbeitrag“ vor. Die Privilegierung altangeschlossener Grundstücke ist unzulässig. Sie ist vorteilswidrig und verletzt den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).

42

b. Mit Blick auf die Definition einer von der Entstehung der Beitragspflicht unabhängigen Festsetzungshöchstfrist in § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V hat sich die Möglichkeit der Beitragserhebung weder „verflüchtigt“, noch verstößt sie gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (OVG Greifswald, Urt. v. 06.09.2016 – 1 L 212/13 –, juris Rn. 68 ff.; rechtskräftig durch BVerwG, Beschl. v. 18.05.2017 – 9 B 71.16 –, juris).

43

c. Der Umstand, dass das Grundstück der Kläger nicht in Eigenregie der Stadt A-Stadt, sondern auf Grundlage des Erschließungsvertrages vom 3. April 1992 erschlossen wurde, steht der Entstehung der Beitragspflicht nicht entgegen. Richtig ist zwar, dass dem Beklagten in Ansehung der „inneren“ Erschließung, also der innerhalb des Erschließungsgebietes „Bockmühlenweg/Mastweg“ gelegenen leitungsgebundenen Erschließungsanlagen kein beitragsfähiger Aufwand entstanden ist, weil diese Anlagen – wie bereits dargelegt – im Wesentlichen vom Erschließungsträger auf eigene Rechnung hergestellt worden sind. Darum geht es vorliegend jedoch nicht, denn Gegenstand der Beitragserhebung sind die Kosten der sog. „äußeren“ Erschließung, d.h. Kosten die der Stadt A-Stadt außerhalb von Erschließungsgebieten entstanden sind.

44

d. Entgegen der Auffassung der Kläger begründet die Vereinbarung in § 4 Abs. 3 des Grundstückskaufvertrages, an deren Prüfung das Verwaltungsgericht nicht wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit gehindert ist (zuletzt: VG Greifswald, Urt. v. 02.11.2017 – 3 A 1058/15 –, juris Rn. 35 ff.) keinen Einwand gegen die Beitragserhebung; insbesondere haben die Vertragsparteien keine Freistellung von Anschlussbeiträgen vereinbart.

45

Die Vereinbarung in § 1 Abs. 3 des Vertrages, wonach das Grundstück erschlossen zu liefern ist (Grundstücksgrenze), beinhaltet eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden § 459 Abs. 1 BGB a.F. Die Beschaffenheitsvereinbarung erklärt sich vor dem Hintergrund, dass das Grundstück zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht erschlossen war. Da dies zwischen den Beteiligen nicht umstritten ist, kann von weiteren Darlegungen abgesehen werden.

46

Die Vereinbarung in § 4 Abs. 3 des Grundstückskaufvertrages steht der Beitragserhebung ebenfalls nicht entgegen. Zwar bestehen keine Zweifel an ihrer Wirksamkeit. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des am 13. Mai 1991 und damit wenige Tage vor Vertragsschluss in Kraft getretenen (ersten) Kommunalabgabengesetzes stand die Erhebung von Anschlussbeiträgen im Ermessen der Stadt A-Stadt. Überhaupt ist die Wirksamkeit der Vereinbarung nicht anhand abgabenrechtlicher Kriterien zu prüfen, denn Rechtmäßigkeitsmaßstab ist ausschließlich die Bestimmung des § 54 Abs. 2 Bauplanungs- und Zulassungsverordnung der DDR (BauZVO). Denn der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende § 246a Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 Baugesetzbuch i.d.F. des Einigungsvertrages (BauGB 1990) bestimmte, dass anstelle von § 124 BauGB damaliger Fassung § 54 BauZVO anzuwenden war, der in seinem Absatz 2 die vertragliche Übernahme der Kosten städtebaulicher Maßnahmen durch den Bauwilligen regelte. Dieser Vorschrift ist die Ermächtigung zu entnehmen, vom Abgabenrecht abweichende vertragliche Regelungen über die Kosten von Erschließungsmaßnahmen zu treffen (BVerwG, Urt. v. 30.05.2012 – 9 C 5.11 –, juris Rn. 38 ff.), wobei dies auch für nach Landesrecht beitragsfähige Erschließungsanlagen und damit für die vorliegend in Rede stehenden Anschlussbeiträge gilt (vgl. BVerwG a.a.O., Rn. 48).

47

Dennoch schließt § 4 Abs. 3 des Grundstückskaufvertrages eine Beitragserhebung nicht aus, denn die darin getroffene Freistellung der Kläger bezieht sich allein auf die Kosten der „inneren“ Erschließung. Von den vorliegend streitigen Kosten der „äußeren“ Erschließung werden die Kläger dagegen nicht freigestellt. Diese Kosten werden von dem Vertrag überhaupt nicht erfasst. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

48

Der Kaufvertrag war zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, als der erst am 7. Juni 1991 zwischen der Stadt A-Stadt und der Firma S. vereinbarte Erschließungsvertrag noch nicht existierte. Daher fehlte es jedenfalls an der vollständigen Erschließung des Kaufgegenstandes. Gleichwohl hatten die Vertragsparteien die angestrebte Erschließung des Baugebietes durch die Firma S. im Blick, denn das Grundstück war nach § 1 Abs. 3 des Kaufvertrages erschlossen zu liefern. Zudem hatten die Kläger den auf die Erschließungskosten für die Maßnahmen gemäß § 1 Satz 2 des Vertrages vom 7. Juni 1991 entfallenden Anteil des Kaufpreises § 2 des Kaufvertrages an die Firma S. zu zahlen. Diese Zahlung diente der Vorfinanzierung der Erschließungsmaßnahmen, denn nach den Angaben in der Präambel des Erschließungsvertrages vom 3. April 1992 war die Zahlung durch die Kläger vor Durchführung, jedenfalls aber vor Abschluss der Erschließungsmaßnahme erfolgt.

49

Die Vereinbarungen in § 4 Abs. 3 erklären sich vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorgefundenen Erschließungssituation. Zu diesem Zeitpunkt waren im Erschließungsgebiet bereits Erschließungsanlagen vorhanden, denn es existierten 17 Grundstücke („Parzellen“), die bereits vor dem 1. April 1991 bebaut worden waren (vgl. § 2 Satz 1 des Vertrages vom 7. Juni 1991 und die Präambel des Erschließungsvertrages vom 3. April 1992 „Alterwerber“). Allerdings handelte es sich bei den vorhandenen Erschließungsanlagen ausweislich der Angaben in der Präambel des bereits benannten Erschließungsvertrages um Provisorien oder jedenfalls unfertige Anlagen, denn der Erschließungsvertrag vom 3. April 1992 diente der „Fertigstellung der Erschließung im Sinne des Baugesetzbuchs sowie der Ver- und Entsorgungsanlagen“. An den bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages bereits entstandenen Kosten der vorhandenen wegemäßigen bzw. leitungsgebundenen Erschließungsanlagen sollten die Kläger nach § 4 Abs. 3 Satz 1 des Kaufvertrages nicht beteiligt werden. Dies erklärt sich vor dem Hintergrund, dass die Eigentümer dieser Grundstücke – es handelt sich um sog. Fremdanliegergrundstücke – von der Firma S. nicht vertraglich an den Erschließungskosten beteiligt werden konnten (vgl. § 2 Satz 2 des Vertrages vom 7. Juni 1991). Hier war eine hoheitliche Refinanzierung geplant. Insoweit erfolgte daher hinsichtlich des von der Stadt A-Stadt nach Nr. 4.1 des Erschließungsvertrages vom 3. April 1992 zu tragenden Aufwandes im Jahre 1992 eine Beitragserhebung gegenüber den „Alterwerbern“ (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 24.08.2017 – 3 A 205/15 –). Mit Blick auf die Vereinbarung in § 4 Abs. 3 Satz 1 wurde in § 4 Abs. 3 Satz 2 des Vertrages eine Freistellungsvereinbarung getroffen.

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Die übrigen Kosten der inneren Erschließung sollten über den Anteil am Kaufpreis beglichen werden, der der Firma S. zugeflossen ist. In § 2 des Grundstückskaufvertrages wird im Zusammenhang mit der Auszahlung des Kaufpreises ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Betrag von 36,50 DM/m² der verkauften Teilfläche an die Firma S. ausgezahlt werden soll, „mit der Weisung, hieraus die Primärerschließung zu begleichen“. Mit dieser Vereinbarung wird auf den (künftigen) Erschließungsvertrag vom 7. Juni 1991 Bezug genommen, der in § 1 definiert, was unter dem Begriff „Primärerschließung“ zu verstehen ist, nämlich die im Erschließungsgebiet gelegenen Anlagen zur Schmutz- und Niederschlagswasserableitung einschließlich Tiefbau.

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Dies zeigt, dass sich der Regelungsbereich der Freihaltevereinbarung auf die Kosten der „inneren“ Erschließung beschränkt, die von den „Alterwerbern“ getragen werden sollten, und die – wie in den Verfahren 3 A 847/14, 3 A 205/15 und 3 A 850/15 gerichtbekannt geworden ist – vom Beklagten zu Beiträgen herangezogen worden sind. Denn in § 4 Abs. 3 Satz 3 des Grundstückskaufvertrages ist klargestellt, dass die Stadt A-Stadt auf die Erhebung der Kosten für künftige Straßen- und Sielbauarbeiten nicht verzichten wollte, auch wenn die Stadt zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Kenntnis von der Durchführung solcher Arbeiten hatte (§ 4 Abs. 3 Satz 4 des Kaufvertrages). Mit Blick auf die nach § 2 des Grundstückskaufvertrages der Firma S. zufließenden anteiligen Kosten der Primärerschließung wurde zum Schutz der Kläger allerdings vereinbart, dass sie für diese Kosten nicht haften (§ 4 Abs. 3 Satz 5 des Kaufvertrages). Das Risiko des Ausfalls der Erschließungsträgers (Firma S.) lag damit bei der Stadt A-Stadt, was dazu führte, dass diese nach Nr. 4.2 des Erschließungsvertrages vom 3. April 1992 die auf das Grundstück der in dem Vertrag namentlich genannten Kläger entfallenden Erschließungskosten zu tragen hatte.

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Die gegen diese Auslegung gerichteten Einwände der Kläger verfangen nicht. Ihre Auffassung, die Freistellungsvereinbarung betreffe auch die Kosten der „äußeren Erschließung“ übersieht, dass die Vertragsparteien nur für den auf die Fremdanlieger entfallenden Teil der Kosten der in § 1 des Vertrages vom 7. Juni 1991 definierten Primärerschließung freigestellt werden sollten. Überdies begründet die klägerische Rechtsansicht einen unauflösbaren Widerspruch zwischen der in § 4 Abs. 3 Satz 2 des Grundstückskaufvertrages vereinbarten Freistellung und der in § 4 Abs. 3 Satz 3 vereinbarten Regelung, dass der Erwerber die Kosten künftiger Straßen- und Sielbauarbeiten zu tragen habe. Gegen die Annahme einer umfassenden Freistellung von Anschlussbeiträgen spricht auch, dass die Stadt A-Stadt zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für die Abwasserbeseitigung nicht zuständig war. Die Abwasserbeseitigungspflicht ist den Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern und damit auch der Stadt A-Stadt erst mit dem Inkrafttreten des Landeswassergesetzes (LWaG) am 1. Dezember 1992 als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 LWaG) übertragen worden. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass die Stadt außerhalb ihrer Zuständigkeit und ohne dass die Kosten der zentralen Schmutzwasserbehandlung auch nur annähernd abschätzbar waren, eine so weitreichende Vereinbarung schließen wollte.

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e. Auch hat der Beklagte sein Recht zur Beitragserhebung nicht verwirkt. Es fehlt am Vertrauenstatbestand der Verwirkung (zu den Voraussetzungen der Verwirkung im Übrigen vgl. VG Greifswald, Urt. vom 24.08.2017 – 3 A 2015/15 –). Die fehlerhafte Interpretation einer Vertragsklausel kann einen solchen Vertrauenstatbestand nicht begründen.

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Ein der Heranziehung der Kläger entgegenstehender Vertrauensschutz folgt auch nicht aus dem Umstand, dass erst nach § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V (erst) das Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung zur Entstehung sachlichen Beitragspflichten führt, wohingegen § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 und § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1990 nach ihrem Wortlaut lediglich auf das Inkrafttreten der ersten Satzung abstellten. Der daraus von den Klägern gezogene Schluss, dass sie vor dem Inkrafttreten des § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V darauf vertrauen durften, dass sachliche Beitragspflichten bereits mit dem Inkrafttreten einer unwirksamen Satzung – also eines „Satzungsversuchs“ – entstehen konnten und die nunmehr geltend gemachten Beitragsansprüche des Beklagten daher infolge Festsetzungsverjährung erloschen sind, verbietet sich. Auch insoweit handelt es sich lediglich um eine unzutreffende Norminterpretation, die keinen Vertrauensschutz begründen kann. Dass auch unter Geltung der Kommunalabgabengesetze von 1991 und 1993 Beitragspflichten nur auf Grundlage wirksamer Beitragssatzungen entstehen konnten, ergibt sich ohne weiteres aus den gesetzlichen Bestimmungen. Zum einen kann eine unwirksame Satzung keine Regelungswirkungen erzeugen und damit nicht „in Kraft treten“. Zum anderen bestimmten auch § 2 Abs. 1 KAG 1991 und § 2 Abs. 1 KAG 1993, dass Abgaben nur aufgrund einer Satzung erhoben werden dürfen. Dass nur eine wirksame Satzung Grundlage einer Abgabenerhebung sein kann, erschließt sich von selbst, ohne dass es weiterer Darlegungen bedarf. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei der ständigen Rechtsprechung des OVG Greifswald seit dem Jahre 1999 (OVG Greifswald, Beschl. v. 21.04.1999 – 1 M 12/99 –, LKV 2000, S. 161), wonach sachliche Beitragspflichten nur auf Grundlage einer wirksamen Satzung entstehen können, lediglich um die Klarstellung der seit dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes 1991 bestehenden Rechtslage und nicht – wie die Kläger meinen – um eine vom Wortlaut der genannten Vorschriften abweichende Rechtsprechung.

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f. Die Vereinbarung in Ziffer 4.2 Abs. 3 des Erschließungsvertrages vom 3. April 1992 steht der Beitragserhebung ebenfalls nicht entgegen, denn die Kläger haben ihr Grundstück nicht von der Arbeitsgemeinschaft erworben. Daher kann dahinstehen, was mit dem Begriff „Anschlussgebühren“ gemeint ist, und ob die Vereinbarung überhaupt wirksam ist.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.

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