Urteil vom Verwaltungsgericht Halle (6. Kammer) - 6 A 23/14

Tatbestand

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Die Klägerin ist ein gewerbliches Unternehmen, das im Auftrag seiner Kunden Werbeplakatierungen vornimmt.

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Im Jahr 1992 schloss die Stadt Rosslau, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, mit der Firma C zum einen den Vertrag „Wartehallen mit werblicher Nutzung“. Darin wurde dem als „Pächter“ bezeichneten Unternehmen das alleinige „Recht und die Genehmigung zur Errichtung“ von 21 „Wartehallen mit werblicher Nutzung“ an näher bezeichneten und von der Kommune zur Verfügung gestellten Grundstücken im Stadtgebiet von Rosslau erteilt und deren „werbliche Nutzung“ für die Laufzeit des Vertrages unter bestimmten Bedingungen gestattet. Als Gegenleistung „für die in diesem Vertrag eingeräumten Rechte“ beteiligt der „Pächter“ die Stadt gemäß dessen § 4 an den Netto-Werbeeinnahmen der Wartehallen. § 7 des Vertragstextes legt als Zeitpunkt des Vertragsbeginns den Tag der Erteilung der baurechtlichen Genehmigung fest. Zur Frage der Vertragslaufzeit wurde in § 8 Folgendes vereinbart:

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„1) Dieser Vertrag gilt zunächst für die Dauer von 10 Jahren und verlängert sich jeweils um 5 Jahre, wenn er nicht 1 Jahr vor Ablauf der Vertragsdauer oder der Verlängerungszeit von einem der Vertragspartner durch eingeschriebenen Brief gekündigt wird.

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2) Der Pächter beseitigt bei Vertragsende die Wartehallen mit werblicher Nutzung und stellt den ursprünglichen Zustand des Grundstückes auf eigene Kosten wieder her, wenn keine einvernehmliche Regelung getroffen wird.

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3) Einschädigungsansprüche der Vertragspartner gegeneinander oder gegen/von Dritten bei oder durch Vertragskündigung sind ausgeschlossen.“

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Ferner schlossen die Vertragsbeteiligten einen „Vertrag über das öffentliche Anschlagwesen (Plakatwerbetafeln)“, mit dem die Stadt Roßlau der Firma C als „Pächter“ das Recht und die Genehmigung zur Errichtung von Großwerbetafeln auf hierfür von der Stadt zur Verfügung gestellten Grundstücken unter ähnlichen Konditionen erteilte. Die Regelungen über den Vertragsbeginn (§ 5) und die Vertragsdauer, -verlängerung und –kündigung (§ 6) sind inhaltlich identisch. Beide Verträge wurden am 11. Mai 1992 von der Firma ... unterzeichnet. Die mit dem Dienstsiegel versehene Unterschriftsleistung für die Stadt Roßlau datiert hinsichtlich des Wartehallenvertrages vom 21. Mai 1992 und hinsichtlich des Großwerbetafelvertrages vom 2. Juli 1992. Die Baugenehmigungen für die vertragsgegenständlichen Werbeträger datieren nach unwidersprochenem Vorbringen der Beklagten jeweils vom 16. April 1993.

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Mit Schreiben vom 4. August 1995 wies die Klägerin die Stadt Roßlau unter Verweis auf eine frühere Information darauf hin, dass sie in die bestehenden Verträge mit der Firma C eingetreten sei und die betreffenden Werbeträger von Beginn an finanziert und bewirtschaftet sowie – über die Firma C – auch die Pachtzahlungen an die Kommune entrichtet habe.

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Mit der Klägerin am 19. Mai 2011 zugestelltem Schreiben vom 2. Mai 2011 erklärte die Beklagte dieser gegenüber die ordentliche Kündigung der beiden Verträge. Daraufhin bestätigte die Klägerin den Erhalt der Kündigung und führte aus, dass diese „nach den bestehenden Abkommen […] Mitte 2013 möglich“ sei.

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Mit Schreiben vom 31. Mai 2013 erinnerte die Beklagte die Klägerin an das Ende der Vertragslaufzeit zum 21. Mai 2013 und deren aus dem Vertrag resultierende Verpflichtung zur Beseitigung der Plakattafeln und Wartehallen auf eigene Kosten. Die Klägerin erklärte in ihrem Antwortschreiben vom 20. Juli 2013, eine zwischenzeitlich erfolgte Prüfung habe ergeben, dass die Verträge nach wie vor Bestand hätten. Es sei zu einer Vertragslaufzeitverlängerung bis zum 10. Mai 2017 gekommen, weil ihr das Kündigungsschreiben erst am 19. Mai 2011 zugestellt worden sei.

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Nach weiterem Schriftwechsel und Gesprächen sowie vorheriger schriftlicher Anhörung der Klägerin gab die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 20. Dezember 2013 auf, die in der Anlage zum Bescheid aufgeführten Wartehallen und Plakattafeln unverzüglich, spätestens bis zum 21. Februar 2014, zurückzubauen (Ziffer 1 des Bescheidtenors). Zu Ziffer 2 des Tenors drohte sie der Klägerin für den Fall der Nichtbefolgung gemäß § 59 Abs. 1 SOG LSA die Ersatzvornahme nach § 55 Abs. 1 SOG LSA an; darunter sei die Beseitigung der Anlagen durch die Beklagte auf Kosten der Klägerin zu verstehen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, aufgrund der ausgelaufenen Verträge nutze die Klägerin die fraglichen Standorte ohne die erforderliche straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis über den Gemeingebrauch hinaus. Die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung erfordere das Einschreiten. Die Ersatzvornahme sei angedroht worden, weil sie bei Nichtbefolgung der Verfügung die schnellste und effektivste Möglichkeit biete, um den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen.

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Die Klägerin hat daraufhin am 24. Januar 2014 gegen die ihr am 24. Dezember 2013 förmlich zugestellte Verfügung Klage erhoben.

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Sie trägt zur Begründung vor:

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Die Verfügung sei schon mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam, da ihr die angekündigte Anlage nicht beigefügt gewesen sei. Die dem Anhörungsschreiben beigefügte Anlage sei inhaltlich unzutreffend, weil von ihr 19 Wartehallen und elf Werbetafeln unterhalten würden. Die Beseitigungsanordnung sei schon kein geeignetes Mittel, um die Räumung der Grundstücke zu erreichen. Die Werbeanlagen seien weder formell illegal noch werde gegen die erst seit dem Jahr 2011 geltende Sondernutzungssatzung der Beklagten verstoßen. Denn die Anlagen seien aufgrund wirksamer Baugenehmigungen errichtet worden und die zugrunde liegenden Pachtverträge seien ebenfalls nach wie vor wirksam. Die Beklagte könne daher allenfalls im Weg einer zivilgerichtlichen Räumungsklage vorgehen. Selbst wenn man der Auffassung der Beklagten zum Kündigungszeitpunkt folgte, hätten sich die Verträge über diese Termine hinaus gemäß § 545 BGB auf unbestimmte Zeit verlängert. Denn das „Mahnschreiben“ der Beklagten datiere erst vom 31. Mai 2013, so dass die in der Vorschrift verankerte 2-Wochenfrist bereits verstrichen gewesen sei und die Beklagte die Fortsetzung der Nutzung über ein Jahr geduldet habe. Von einem Auslaufen der Sondernutzungserlaubnisse könne daher nicht ausgegangen werden.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2013 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie trägt vor:

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Sofern überhaupt ein wirksames Vertragsverhältnis zwischen den Beteiligten bestanden habe, sei dieses durch die Kündigung vom 2. Mai 2011 beendet worden. Spätestens mit Ablauf des 16. April 2013 habe sich die weitere Nutzung der öffentlichen Verkehrsflächen durch die Klägerin daher als unerlaubte Sondernutzung dargestellt, so dass die Beseitigung der Werbeanlagen nach den Regelungen des Straßengesetzes verlangt werden könne. Die Kündigung der Verträge sei unabhängig davon fristgerecht erfolgt, ob für den Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens auf die Vertragsunterzeichnung oder die Erteilung der Baugenehmigungen abgestellt werde. § 545 BGB könne schon deshalb keine Anwendung finden, weil die Verträge primär die Nutzung von öffentlichen Verkehrsflächen beträfen und ihr wesentlicher Inhalt in der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für die einzelnen Standorte bestehe. Sie seien daher dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Zumindest aber habe sie – die Beklagte – einer stillschweigenden Verlängerung widersprochen, indem sie die Klägerin mit Schreiben vom 21. Mai 2013 zur Beseitigung der Anlagen aufgefordert und damit für diese unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe, das Vertragsverhältnis nicht fortführen zu wollen. Die Klägerin verhalte sich zudem treuwidrig, wenn sie zunächst in zwei Schreiben erkläre, die Kündigung zu akzeptieren, sich dann aber auf § 545 BGB berufe.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Im Einverständnis der Beteiligten kann die Kammer gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

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Die Klage ist zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

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1. Die Verfügung zu Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

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Die Aufforderung zur Entfernung der von der Klägerin auf bestimmten Flächen im Stadtgebiet der Beklagten errichteten Wartehallen und Plakattafeln findet ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 1 Satz 1 des Straßengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt – StrG LSA -. Danach kann, wenn eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird, die für die Erteilung der Erlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung anordnen. Diese Vorschrift steht in systematischem Zusammenhang mit § 18 StrG LSA. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 StrG LSA ist die Benutzung einer Straße über den Gemeingebrauch hinaus Sondernutzung. Sie bedarf nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StrG LSA der Erlaubnis der Straßenbaubehörde, in Ortsdurchfahrten der Erlaubnis der Gemeinde.

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Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen gegen die inhaltliche Bestimmtheit der Beseitigungsverfügung keine durchgreifenden Bedenken (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA, § 37 Abs. 1 VwVfG). Dem Einwand der Klägerin, sie unterhalte seit dem Jahr 1992 lediglich elf und nicht wie in der Anlage zum Bescheid aufgeführt 14 Großwerbetafeln, kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil diese auf der von der Klägerin selbst erst im Nachgang der Kündigung erstellten und auf Anforderung der Beklagten mit Schreiben vom 16. Juli 2011 vorgelegten Aufstellung über die von ihr im Stadtgebiet errichteten Werbeträger beruht. Zudem lässt die Begründung des Bescheides unmissverständlich erkennen, dass sämtliche auf der Grundlage der beiden gekündigten Verträge errichtete und noch vorhandene Wartehallen und Großwerbetafeln bzw. deren Standorte entsprechend der für den Kündigungsfall vertraglich vorgesehenen Verpflichtungen zu beräumen sind. Danach bestehen keine Zweifel daran, welche Werbeanlagen von der angefochtenen Verfügung betroffen sind.

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Die Beseitigungsverfügung zu Ziffer 1 des Bescheides ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Das Aufstellen von Wartehäuschen und Großwerbetafeln auf öffentlichen Verkehrsflächen zu kommerziellen Werbezwecken stellt eine über den Gemeingebrauch iSv. § 14 StrG LSA hinausgehende Straßenbenutzung dar, die folglich grundsätzlich nach § 18 Abs. 1 StrG LSA erlaubnispflichtig ist. Dies zieht auch die Klägerin nicht in Zweifel. Sie macht vielmehr geltend, dass ihr durch die im Jahr 1992 zwischen der Firma C und der seinerzeit selbständigen Stadt Roßlau geschlossenen Verträge auch gegenwärtig noch eine entsprechende Berechtigung vermittelt wird.

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Dies ist allerdings nicht der Fall. Dabei kann sowohl offen bleiben, ob die Verträge überhaupt mit dem jeweiligen Inhalt wirksam geschlossen werden konnten, als auch, ob die Klägerin ihrerseits wirksam in die Rechtsstellung des Vertragspartners der Klägerin eingerückt ist. Denn unterstellt man die Wirksamkeit der Verträge unter den genannten Gesichtspunkten, sind diese von der Beklagten jedenfalls zum 16. April 2013 mit beendender Wirkung gekündigt worden. Das Kündigungsschreiben ist der Klägerin unstreitig am 19. Mai 2011 per Einschreiben zugestellt worden. Nach dem Willen der Vertragspartner sollten die Verträge durch die Unterzeichnung beider Vertragspartner wirksam werden, Vertragsbeginn sollte jedoch jeweils der Tag der Erteilung der baurechtlichen Genehmigung sein – dies war nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten der 16. April 1993. Die vereinbarte Mindestvertragslaufzeit von zehn Jahren endete folglich am 16. April 2003 und verlängerte sich mangels Kündigung durch die Vertragspartner zunächst um fünf Jahre bis zum 16. April 2008 und sodann nochmals bis zum 16. April 2013. Eine erneute Verlängerung um weitere fünf Jahre erfolgte jedoch nicht. Denn die Beklagte hat die Verträge mehr als ein Jahr vor dem letztgenannten Stichtag in der vertraglich vorgesehenen Form und damit fristgerecht gekündigt. Dies hat die Klägerin in ihrem Schreiben 23. Mai 2011, in dem sie – offenbar ausgehend vom Zeitpunkt der jeweils letzten Unterschriftleistung unter den Verträgen (21. Mai 1992 und 2. Juli 1992) - als von ihr vorgemerktes Vertragsende „Mitte 2013“ benennt, auch ausdrücklich bestätigt. Nach Absatz 2 der jeweiligen Kündigungsregelung war die Klägerin bzw. der Vertragspartner bei Vertragsende am 16. April 2013 mangels anderweitiger Vereinbarungen zwischen den Beteiligten verpflichtet, die Grundstücksflächen auf eigene Kosten zu beräumen. Eine ausdrückliche oder zumindest konkludent erteilte Sondernutzungserlaubnis bestand jedenfalls seit diesem Zeitpunkt nicht mehr.

28

Die Klägerin kann sich dem gegenüber auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass sich die Vertragslaufzeiten aufgrund der von ihr vertragswidrig unterlassenen Beräumung in der Folgezeit gemäß § 545 BGB verlängert hätten. Setzt der Mieter nach Ablauf der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache fort, so verlängert sich das Mietverhältnis nach dieser Vorschrift auf unbestimmte Zeit, sofern nicht eine Vertragspartei ihren entgegenstehenden Willen innerhalb von zwei Wochen dem anderen Teil erklärt (Satz 1). Die Frist beginnt 1. für den Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs, 2. für den Vermieter mit dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis erhält (Satz 2 der Regelung).

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Die Klägerin hat die Werbeträger nach eigenem Bekunden nach Ablauf der o.g. Kündigungsfrist nicht entfernt, sondern sie - insoweit unstreitig - weiterhin zu Werbezwecken genutzt. Die Beklagte hat sich nach Aktenlage erstmals wieder mit Schreiben vom 31. Mai 2013, Postausgang am 4. Juni 2013, – und nicht wie in der Klageerwiderung ausgeführt mit Schreiben vom 21. Mai 2013 – mit der Klägerin in Verbindung gesetzt und die Umsetzung der vertraglichen Beseitigungspflicht angemahnt. In welchem zeitlichen Abstand der Zugang dieser Willenserklärung zur tatsächlichen positiven Kenntniserlangung der Beklagten von der Aufrechterhaltung der Werbenutzung an sämtlichen Standorten steht, lässt sich weder deren Vorbringen noch den Verwaltungsvorgängen entnehmen. Dies bedarf allerdings auch keiner weiteren Sachaufklärung durch die Kammer. Denn die von der Klägerin in Bezug genommene zivilrechtliche Regelung vermag eine Vertragsverlängerung über den Kündigungszeitpunkt hinaus nicht zu bewirken, da sie weder unmittelbar noch entsprechend zur Anwendung kommt. § 545 BGB gilt nach allgemeiner Auffassung zwar auch für Pachtverträge sowie mietähnliche Verträge - und dies nicht nur nach Ablauf einer befristeten Vertragsdauer, sondern auch im Fall der Vertragsbeendigung durch eine – wie hier - ordentliche oder eine außerordentliche fristlose Kündigung (vgl. Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Aufl. 2013, Rdn. 2, 3 f.; Jauernig, BGB, 15. Aufl 2014, Rdn. 2; Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Auf. 2013, Rdn. 3, 4 ff; jew. zu § 545 BGB).

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Die zwischen den Rechtsvorgängern der Beteiligten geschlossenen Verträge haben jedoch entgegen der im Vertragstext gewählten Bezeichnung “Pächter“ keinen Miet- oder Pachtvertrag zum Gegenstand. Der Werbefirma sollte nicht öffentliches Straßenland umfassend zum Gebrauch überlassen werden, sondern lediglich die Nutzung über den Gemeingebrauch hinaus zu einem bestimmten Zweck - die Errichtung von Werbeträgern an einzelnen Standorten und ihre anschließende Nutzung für kommerzielle Außenwerbung – gestattet werden (vgl. §§ 13, 22 Abs. 1 der Straßenverordnung vom 22. August 1974 - DDR-StrVO 1974 – [GBl. I DDR S. 515] sowie §§ 14 Abs. 1, 18 Abs. 1 des am 10. Juli 1993 in Kraft getretenen StrG LSA). Die Verleihung von „Recht und Genehmigung“ zur Errichtung von Werbeträgern auf öffentlichem Straßenland und deren Nutzung zu „werblichen Zwecken“ gegen eine Beteiligung an den daraus erzielbaren Einnahmen stellt sich vielmehr als „Werbenutzungsvertrag“ dar, nämlich als ein öffentlich-rechtlicher Austauschvertrag iSv. § 56 VwVfG iVm. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA, in dem die dem Grunde nach erfolgte Erteilung von straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnissen iSv. § 18 StrG mit wechselseitigen Verpflichtungen der Vertragspartner verbunden sind (vgl. VGH BW, Urteil vom 1. Oktober 2004 – 5 S 1012/03 -, zit. nach juris Rdn. 77). Für eine analoge Anwendung des § 545 BGB besteht schon im Hinblick auf die Zielsetzung der Norm kein Raum. Denn die mietrechtliche Regelung dient nach h.M. nicht dem Bestandsschutz, sondern soll zwecks Verhinderung eines vertragslosen Zustandes die Anwendbarkeit des (zivilrechtlichen) Mietrechts gewährleisten, wenn der Gebrauch fortgesetzt wird (vgl. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 545 Rdn. 1; Schmidt-Futterer, aaO., Rdn. 2).

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Dem Straßenrecht ist dagegen die Entstehung einer Sondernutzungserlaubnis aufgrund der tatsächlichen Inanspruchnahme öffentlichen Straßenlandes bzw. eine (fiktive) Verlängerung einer erteilten Sondernutzungserlaubnis durch Fortsetzung der Nutzung über den genehmigten Zeitraum hinaus gänzlich fremd. Vielmehr sieht das Landesstraßengesetz in seinem § 20 Abs. 1 vor, dass die für die Erteilung der Erlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung anordnen kann, wenn eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird. Zudem lässt die Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 1 StrG, wonach die Sondernutzungserlaubnis nur auf Zeit oder Widerruf erteilt werden darf, deutlich erkennen, dass eine automatische Verlängerung der Sondernutzungsmöglichkeit auf unbestimmte Zeit vom Gesetzgeber gerade nicht gewollt ist.

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Das Vorgehen der Beklagten erweist sich auch nicht als ermessensfehlerhaft (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA, § 40 VwVfG). Prinzipiell berechtigt allein das Fehlen der für die Benutzung einer öffentlichen Straße gemäß § 18 Abs. 1 StrG LSA erforderlichen Sondernutzungserlaubnis die zuständige Behörde zu Maßnahmen nach § 20 Abs. 1 StrG LSA, wobei aufgrund der im Vordergrund stehenden formellen Illegalität des Verhaltens des Sondernutzers im Regelfall auch keine weiteren Darlegungen im Hinblick auf die Ermessensausübung notwendig sind (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Oktober 1996 - 23 B 2966/95 - juris Rn. 27 und vom 17. Dezember 2012 - 11 B 1330/12 - juris Rn. 4 ff.). Ein Ausnahmefall, in dem die Berufung der Beklagten auf das Fehlen der erforderlichen Sondernutzungserlaubnisse aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen sein könnte, weil das Bestehen eines Erlaubnisanspruchs der Klägerin offensichtlich wäre, ist ebenfalls weder ersichtlich noch dargetan.

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2. Die Androhung der Ersatzvornahme begegnet dagegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie beruht auf §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 55 Abs. 1, 59 SOG LSA. Die nach Abs. 1 Satz 2 der letztgenannten Vorschrift erforderliche Bestimmung einer angemessenen Erfüllungsfrist ist allerdings nicht zu beanstanden. Denn die in Ziffer 1 des Bescheidtenors enthaltene Aufforderung „unverzüglich“ tätig zu werden, weist in Verbindung mit der zeitlichen Festlegung „spätestens bis zum 21. Februar 2014“ die notwendige Bestimmtheit auf. Die gesetzte Frist erweist sich zur Durchführung der Maßnahmen als auskömmlich, was auch die Klägerin nicht in Abrede stellt. Jedoch regelt der Abs. 4 der Vorschrift, dass in der Androhung der Ersatzvornahme die voraussichtlichen Kosten angegeben werden sollen. Dies ist hier nicht erfolgt. Die Regelung in einer Rechtsvorschrift, dass eine Behörde sich in bestimmter Weise verhalten soll, bedeutet in der Regel eine strikte Bindung für den Regelfall und gestattet Abweichungen nur in atypischen Fällen, in denen konkrete, nicht von der Behörde selbst zu vertretende Gründe für das Absehen von der Norm sprechen. Die Behörde darf von der Regel nur in Fällen abweichen, in denen die für den Normalfall geltende Regelung von der ratio legis offenbar nicht mehr gefordert wird (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Auflage 2014, § 40 Rdn. 64 mwN.). Die Bestimmung des § 59 Abs. 4 SOG LSA dient dem Schutz des Betroffenen, dem vor Augen geführt werden soll, welche finanziellen Belastungen auf ihn zukommen, wenn er die geschuldete Handlung nicht selbst vornimmt. Im System der gestreckten Verwaltungsvollstreckung hat die Sollbestimmung über die Angabe der voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme einen hohen Stellenwert, weil der Pflichtige gerade dadurch, dass ihm die finanziellen Folgen der Nichtbeachtung vor Augen geführt werden, eher geneigt sein kann, die verlangte Maßnahme selbst (und vielleicht kostengünstiger) durchzuführen (vgl. den Beschluss der Kammer vom 30. Dezember 2014 – 6 B 264/14 HAL -, S. 6 f. d.BA mwN.). Dies zugrunde gelegt, ist hier für atypische Gegebenheiten, aufgrund derer ausnahmsweise auf die Angabe der voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme verzichtet werden könnte, nichts ersichtlich.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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