Urteil vom Verwaltungsgericht Halle (3. Kammer) - 3 A 320/17 HAL

Tenor

Es wird festgestellt, dass das am 01. Mai 2017 gegen 12.50 Uhr vor dem Bahnhof in Halle (Saale) von der Beklagten verfügte Verbot der Durchführung von Ersatzveranstaltungen in ganz Sachsen Anhalt, so- weit das Verbot für Gebiete außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbezirks der Beklagten verfügt worden war, rechtswidrig war.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt 3/4 der Kosten des Verfahrens und die Beklagte 1/4.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit verschiedener Anordnungen im Vorfeld einer Versammlung am 01. Mai 2017 in Halle (Saale).

2

Infolge einer Strukturreform der Polizeibehörden ist das vormalige Polizeipräsidium Halle seit dem 01. Januar 2019 zur Polizeiinspektion Halle umfirmiert worden (vgl. Gesetz zur Änderung des SOG LSA vom 29. November 2018 – GVBl. S. 406). Das Gericht verwendet im Folgenden zur Vereinfachung nur die Bezeichnung "die Beklagte", womit einheitlich der Rechtsvorgänger der Beklagten zugleich gemeint ist.

3

Der Kläger war zum Zeitpunkt der Versammlung Bundesvorsitzender der Partei "DIE RECHTE". Für deren Landesverband Sachsen-Anhalt meldete am 04. April 2016 der Landesgeschäftsführer R. eine Versammlung bei der Beklagten an, die am 01. Mai 2017 in Halle (Saale) unter dem Motto „Tradition verpflichtet! 84. Tag der deutschen Arbeit! Gemeinsam gegen Kapitalismus, Ausbeutung und Überfremdung!“ stattfinden sollte. Als Veranstalter wies die Anmeldung den „Landesverband Die Rechte Sachsen- Anhalt“ aus. Die Versammlungsleitung wollte zunächst der Anmelder übernehmen. Es wurde eine erwartete Teilnehmerzahl von 100 Personen angegeben und eine geplante Aufzugsroute vom Marktplatz (Auftaktkundgebung) über den H., Z.straße, Straße der R., P.-Straße (Platz Zwischenkundgebung), K. Alle, H. Straße zur W.- Straße/Gesundheitszentrum (Abschlusskundgebung).

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Am 08. März 2017 fand ein Erörterungsgespräch zwischen dem Anmelder und der Beklagten statt, bei dem auch der Kläger anwesend war. Der Anmelder korrigierte die erwartete Teilnehmerzahl auf ca. 300. Da auf dem Marktplatz für den 01. Mai 2017 bereits eine Veranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes angemeldet worden war, einigte sich der Anmelder mit der Beklagten darauf, die Auftaktkundgebung auf dem Hallmarkt durchzuführen und den Aufzug von dort über den G. Platz und die T.straße auf die angemeldete Route zu führen.

5

Am 25. April 2017 fand ein weiteres, telefonisches Erörterungsgespräch statt. Dabei erklärte die Beklagte, dass es der Polizei aufgrund einer geänderten Lageeinschätzung nicht mehr möglich sei, die Versammlung auf der vorgesehenen Aufzugstrecke abzusichern. Deshalb sei beabsichtigt, den Ort der Auftaktkundgebung in die E.-Straße zu verlegen. Darüber konnte kein Einvernehmen erzielt werden. Weiterhin sah die Beklagte die Eignung des Anmelders zur Leitung der Versammlung aufgrund einer Verurteilung wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte als nicht mehr gegeben an. Der Anmelder benannte hierauf eine andere Person als Leiter.

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Mit Bescheid vom 26. April 2017, der dem Anmelder als Vertreter des Veranstalters am 27. April 2017 zugestellt wurde, ordnete die Beklagte verschiedene Beschränkungen an. Insbesondere wurde unter Ziffer 1 ein Versammlungsraum zugewiesen. Nach einer Auftaktkundgebung in der E.-Straße sollte der Aufzug über die R.-Straße, R.straße, M. Straße, H.straße zur R.-Straße führen, um an der Kreuzung P.-Straße eine Zwischenkundgebung abzuhalten und von dort den ursprünglich angemeldeten Verlauf zu nehmen. Zur Begründung legte die Beklagte zunächst die erwartete Gesamtlage am 01. Mai 2017 in Halle (Saale) dar. Insbesondere seien durch das Bündnis „Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage“ eine Vielzahl von Versammlungen an verschiedenen Orten angemeldet worden, die thematisch auf die streitgegenständliche Versammlung Bezug nähmen und somit als „Gegenversammlungen“ zu bewerten seien. Die Zahl der Teilnehmer dieser Versammlungen werde unter Berücksichtigung der Angaben der Veranstalter und Erkenntnissen der Polizei aus den letzten Jahren auf ca. 2.500 geschätzt. Wegen der bundesweiten Werbung sei diese Zahl noch zu erhöhen. Die „Antifaschistischen Gruppen Halle“ haben unter dem Motto „Nice to beat you!“ zu Protestaktionen aufgerufen. Es würden gewaltbereite Linksextremisten im unteren dreistelligen Bereich erwartet. Es sei mit Aktionen zu rechnen, den Zugang der Teilnehmer der streitgegenständlichen Versammlung zur Innenstadt, insbesondere zum Hallmarkt, zu blockieren. Die Versammlung am 01. Mai 2011 habe aufgrund von Straßenblockaden umgeleitet werden müssen, die Versammlungen am 06. Juli 2013 und am 10. Oktober 2015 seien vollständig blockiert worden. Auch in diesem Jahr bestehe offensichtlich die Absicht, den streitgegenständlichen Aufzug durch Blockaden zu verhindern. Es habe ein Workshop zu „Aktionen sozialen Ungehorsams“ stattgefunden. Das „Offene Antifa Plenum Dresden“ habe dazu aufgefordert, im Rahmen von „Nice to beat you“ den streitgegenständlichen Aufzug „mit allen dazu bereitstehenden Mitteln zu verhindern.“ Für den streitgegenständlichen Aufzug sei entgegen der Anmeldung mit ca. 600 Teilnehmern zu rechnen. Die Veranstaltung werde von einer Vielzahl von Gruppen bzw. Organisationen unterstützt und es seien acht Redner aus verschiedenen Bundesländern sowie ein Liedermacher angekündigt, was für die überregionale Bedeutung der Versammlung spreche. Nach Ankunft sämtlicher Teilnehmer am Hauptbahnhof Halle (Saale) sei vom Anmelder vorgesehen, als geschlossene Gruppe zum Hallmarkt zu gehen. Da es notwendig sei, diese Gruppe von den Teilnehmern der Gegenveranstaltungen bzw. der Veranstaltung des DGB auf dem Marktplatz zu trennen, sei der Zugang zum Hallmarkt vom Hauptbahnhof nur über die W.-Straße, S.weg und H. denkbar, eine Wegstrecke von ca. 2,5 Kilometern. Zwar sei es Aufgabe der Polizei, den Zugang zum Versammlungsraum zu sichern. Dies sei aber in diesem Fall nicht möglich. Sowohl Teilnehmer der streitgegenständlichen Versammlung als auch der Gegenveranstaltung seien als gewaltbereit einzustufen. Als Teilnehmer der streitgegenständlichen Versammlung würden verschiedene Gruppen des „Antikapitalistischen Kollektivs“ (AKK) erwartet, darunter mindestens 50 gewaltbereite Personen, sowie mindestens 50 weitere gewaltbereite Personen anderer rechter Personengruppen. Zum AKK lägen Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutzes Baden- Württemberg vor, die die Gewaltbereitschaft ihrer Mitglieder belegten. Bei einer Demonstration am 01. Mai 2016 in Plauen sei Gewalt u.a. gegen Polizisten zum Teil von Mitgliedern des AKK ausgegangen. Auf der Mobilisierungsseite für die streitgegen- ständliche Versammlung werde auf die Ereignisse in Plauen Bezug genommen und Gewalt gegen polizeiliche Maßnahmen als legitimes Mittel dargestellt. Es werde auch die Teilnahme von Personen der „Brigade Halle“ erwartet. Die „Brigade Halle“ habe in einem Facebook-Eintrag offen zu Gewalt gegen Personen der linken Szene aufgerufen. Personen, die der Brigade Halle angehörten seien Teilnehmer an Versammlungen der Partei "DIE RECHTE" am 18. März 2017 in Leipzig und am 10. Oktober 2015 in Halle gewesen. Auch Teile der linken Szene seien dem gewaltbereiten Personenspektrum zuzuordnen, wie ein Angriff auf Teilnehmer einer NPD-Veranstaltung 2016 sowie der Aufruf „Nice to beat you“ der Antifa zeige. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse sei bei einem Zusammentreffen beider Lager mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von gewalttätigen Auseinandersetzungen auszugehen. Es bestün- den daher Gefahren für die Gesundheit und das Eigentum von Versammlungsteilnehmern, Polizeibeamten und unbeteiligten Dritten. Letztere könnten von Wurfgeschossen getroffen werden, wie sie am 01. Mai 2016 in Plauen unter Beteiligung des AKK und am 12. Dezember 2015 in Leipzig unter Beteiligung der Brigade Halle gegen Polizisten benutzt worden seien. Vor diesem Hintergrund sei eine konsequente Trennung der beiden Lager erforderlich, wofür eine Mindestanzahl von Beamten erforderlich sei. Die Polizei habe hierzu im März 2017 eine Kräfteanforderung an das Innenministerium des Landes Sachsen-Anhalt gerichtet, der ausweislich der Zuweisung vom 19. April 2017 nicht entsprochen werden konnte. Aufgrund zahlreicher Versammlungen mit zu erwartenden Reaktionen der jeweiligen Gegenseite am 01. Mai 2017 sowie „Risikospielen“ der 1. - 3. Liga stünden weder aus Sachsen-Anhalt noch aus anderen Bundesländern genügend Polizeikräfte zur Verfügung, um der Kräfteanforderung zu entsprechen. Mit den zur Verfügung stehenden Polizeikräften sei es nicht möglich den Weg vom Haupt- bahnhof zum Hallmarkt sowie den Hallmarkt selbst abzusichern. Der Weg vom Hauptbahnhof zum Hallmarkt umfasse eine Strecke von 2,5 Kilometern, der Weg vom Hall- markt zum Ort der Zwischenkundgebung eine Strecke von 2,9 Kilometern. Das Gebiet sei gekennzeichnet durch eine dichte Wohnbebauung mit engen und unübersichtlichen Straßen, Innen- und Hinterhöfen, die zum Teil ungehindert, zum Teil durch Überklettern von Zäunen erreichbar und durch Wege miteinander verbunden seien. Diese Art der Bebauung biete Störern beste Möglichkeiten, unbemerkt auf die Straße zu gelangen und dort Blockaden zu errichten. Eine Überwachung sei bei der Vielzahl an Höfen, Einfahrten und Straßenkreuzungen nur schwer möglich. Deshalb wäre ein frühzeitiger, durchgehender und andauernder Streckenschutz erforderlich, um Angriffe auf Teilnehmer der streitgegenständlichen Versammlung zu verhindern. Eine vollständige Abriegelung der gesamten Strecke über 5,4 Kilometer durch technische Sperren sei nicht möglich. Für einen so weitreichenden Streckenschutz fehlten aber auch die erforderlichen Polizeikräfte. Zudem bestünde bei entsprechenden Störaktionen die Gefahr, dass Teilnehmer der streitgegenständlichen Versammlung mit gewaltsamen Gegenaktionen reagierten, wie die Ereignisse am 01. Mai 2016 in Plauen sowie der Aufruf auf der Mobilisierungsseite zeige, in diesen Fällen „...sich zu Wehr...“ zu setzten und „...selbst zu handeln.“ Außerdem bilde der Hallmarkt mit der Auftaktveranstaltung einen weiteren Einsatzschwerpunkt, der mit weiteren Einsatzkräften frühzeitig gegen eine Blockade gesichert werden müsse, was weitere Einsatzkräfte binden würde. Eine Absicherung dieser Lage sei mit den zur Verfügung stehenden Polizeikräften nicht möglich. Die vorgenommene Verlegung der Demonstration sei geeignet, erforderlich und angemessen, um der Gefahrensituation zu begegnen. Die Teilnehmer kämen überwiegend mit der Bahn oder könnten auf dem Parkplatz V.straße parken, so dass alle Teilnehmer problemlos zum Ort der Auftaktkundgebung in der E.-Straße kämen. Diesen Bereich könne die Polizei durch technische Sperren sichern. Die festgelegte Strecke zur M. Straße sei für polizeitaktische Maßnahmen zur Sicherung gegen Störer wegen des zusätzlichen Schutzes durch die Bahnanlagen an der Ostseite geeignet. In der M. Straße, der H.straße und der R.-Straße sei es wegen der breiten und weit überschaubaren Verkehrsflächen wesentlich besser möglich, sich nähernde Störer rechtzeitig zu erkennen und zu handeln, als bei der angemeldeten Route. Außerdem gebe es nur 19 Straßenzugänge und damit 14 weniger als bei der angemeldeten Route. Die Breite der Strecke eigne sich zudem zu einer streckenweisen Absperrung mit technischem Gerät im überschlagenden Einsatz. Ein milderes Mittel sei nicht erkennbar, insbesondere habe der Anmelder Wert auf einen Aufzug gelegt, sodass eine stationäre Versammlung nicht milder sei. Die Beschränkung sei auch angemessen. Trotz der Beschränkung sei der Aufzug an sich weiterhin möglich. Die geänderte Route sei auch öffentlichkeitswirksam, da sie teilweise durch die Innenstadt und ausschließlich durch Wohngebiete führe. Die Route decke sich zudem ab der Zwischenkundgebung mit der angemeldeten Strecke. Gegenüber dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und Eigentum müsse in diesem Fall das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit im Hinblick auf die freie Entscheidung über den Ort der Versammlung zurückstehen. Die Verlegung beseitige die Gefährdung ohne den Charakter der Versammlung erheblich zu verändern. Der zeitliche Schwerpunkt der Versammlung falle auf die Zwischenkundgebung, die wie angemeldet stattfinden könne.

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Am Versammlungstag, dem 01. Mai 2017, wurde auf Grundlage einer Anordnung der Beklagten eine Kontrollstelle zwischen dem Bahnhofsausgang und dem ca. 80 Meter entfernten Platz der Auftaktkundgebung errichtet. Bei der Anreise wurden Verstöße gegen das Vermummungsverbot festgestellt. Unter Berücksichtigung der Gefahrenprognose aus dem Bescheid vom 26. April 2017 und der bei der Anreise gewonnenen Erkenntnisse, entschied die Beklagte, die Teilnehmer an der Kontrollstelle auf Waffen und ähnliche gefährliche Gegenstände zu durchsuchen, bevor sie zum Platz der Auftaktveranstaltung gelassen wurden. Dies verkündete die Polizei über einen Lautsprecherwagen, verbunden mit der Ankündigung, im Falle einer Weigerung die Personalien aufzunehmen und die Person nicht zum Antreteplatz durch zu lassen. Eine große Anzahl von Versammlungsteilnehmer verweigerte die Kontrolle und wurde nicht zum Platz der Auftaktveranstaltung durchgelassen.

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Um 12:16 Uhr riefen Versammlungsteilnehmer über ein Megaphon auf, nach M. zu fahren. Um 12:42 Uhr wurde auf der zur Versammlung gehörigen Internetseite „Tag der deutschen Arbeit“ dazu aufgerufen, die Versammlung aufgrund fehlender Kooperationsbereitschaft der Polizei abzubrechen. Um 12:47 Uhr erfolgte daraufhin eine Lautsprecherdurchsage der Beklagten, in der alle eventuellen Ersatzveranstaltungen in Sachsen-Anhalt durch die Versammlungsbehörde untersagt wurden. Es bestehe die Möglichkeit einer Standkundgebung vor Ort, wofür die Sperren geöffnet und die Kontrollen eingestellt würden. Die Versammlungsteilnehmer hatten anschließend die Gelegenheit, ohne Kontrollen am Platz der Auftaktkundgebung in der E.-Straße eine stationäre Versammlung durchzuführen.

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Der Kläger hat am 22. Juni 2017 Klage beim erkennenden Gericht erhoben, um die Rechtswidrigkeit verschiedener Anordnungen feststellen zu lassen.

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Er trägt vor, die Verlegung der Demonstration bzw. ihres Ausgangsortes verstoße wegen des zeitlichen Ablaufes gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Waffengleichheit vor Gericht. Die Abfolge mit der Ankündigung der Verlegung am 26. April 2017 lege den Verdacht nahe, dass die Veranstalter daran gehindert werden sollten, rechtzeitig verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte habe auch damit rechnen müssen, dass die Veranstalter mit dem der Verlegung nicht einverstanden seien. Außerdem habe die Beklagte die Gegenveranstaltung nicht zulassen dürfen, wenn diese ausweislich ihres Mottos „Naziaufmarsch in Halle? Läuft nicht!“ eine andere Veranstaltung be- oder verhindern wolle. Dies sei keine zulässige Meinungsäußerung und ordne der Veranstaltung Störereigenschaft zu. Der beschriebene Workshop und die Aufforderung des Antifa Plenum Dresden zeige, dass dabei auch von rechtswidrigen, möglicherweise gewalttätigen Mitteln Gebrauch gemacht werden solle. Zudem sei es nicht vorstellbar, dass eine Absicherung des Zugangs zum Hallmarkt nicht möglich gewesen sei. Wenn nach eigener Einschätzung der Beklagten mit 350 gewaltbereiten Gegendemonstranten zu rechnen gewesen sei, hätte die dreifache Zahl (ca. 1050) Polizeibeamten genügt, um ihrer Herr zu werden. Es hätten aber erheblich mehr Polizisten zur Verfügung gestanden. Von Seiten der Teilnehmer der streitgegenständlichen Versammlung sei nicht mit Gewalt zu rechnen gewesen. Die Einschätzungen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg zum AKK sei für eine Versammlung in Halle (Saale) aufgrund der großen Entfernung irrelevant. Die Demonstration in Plauen am 01. Mai 2015 habe die Partei "Der III. Weg“ veranstaltet, die mit der Partei "DIE RECHTE“ nicht zusammenarbeite. Das Verhalten von Teilnehmern einer Versammlung der Partei "Der III. Weg“ müsse sich die Partei "DIE RECHTE“ und die Organisatoren der streitgegenständlichen Versammlung nicht vorhalten lassen. Das Zitat von der Mobilisierungsseite sei unproblematisch, da es legitim sei, sich gegen illegitime Gewalt durch Widerstand zu wehren. Aktivitäten oder Äußerungen der "Brigade Halle“ müssten sich die Veranstalter der Versammlung nicht zurechnen lassen. Bezüglich der Teilnahme von Angehörigen der "Brigade Halle“ an Demonstrationen in Halle und Leipzig in der Vergangenheit fehle es an einer Quantifizierung. Außerdem seien der Beklagten sämtliche Umstände, insbesondere zur Auslastung der Polizeikräfte und den örtlichen Gegebenheiten, bereits im Zeitpunkt des ersten Kooperationsgesprächs am 08. März 2017 bekannt gewesen und die Beklagte habe einem Beginn der Versammlung auf dem Hallmarkt trotzdem zugestimmt. Mit dem Kooperationsgespräch sei von vornherein Täuschungsabsicht verbunden gewesen. Die Durchsuchung aller Teilnehmer einer öffentlichen Versammlung sei rechtswidrig gewesen. Hierzu sei auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Mai 2010 (Az.: 1 BvR 2636/04) zu verweisen. Zwar sei die Polizei am Versammlungstag vor 12:50 Uhr von einer vollständigen Durchsuchung aller teilnahmewilligen Personen abgerückt, habe aber noch beabsichtigt, mitgeführte Behältnisse zu durchsuchen und die Personen abzutasten. Dies sei ebenso wie die Durchsuchung der Personen rechtswidrig gewesen. Weiterhin sei auch das landesweite Verbot von Ersatzveranstaltungen rechtswidrig gewesen. Die Beklagte sei nicht für das ganze Land Sachsen- Anhalt zuständig, sondern nur für ihren Dienstbereich. Zudem erlaube § 13 VersammlG LSA nur das Verbot einer konkreten Versammlung und kein allgemeines Versammlungsverbot. Außerdem fehle es an einer Begründung. Die mündlich erlassenen Verwaltungsakte hätten auf seine Aufforderung hin schriftlich begründet werden müssen, was die Beklagte nicht getan habe.

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Der Kläger beantragt sinngemäß, festzustellen, dass

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1. Ziffer 1 des Bescheides der Beklagten vom 26. April 2017,

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2. die Errichtung einer Kontrollstelle und die Aufforderung an die Teilnehmer der geplanten Versammlung des Landesverbandes "DIE RECHTE Sachsen-Anhalt" am 01. Mai 2017 in Halle (Saale) um 10:58 Uhr, sich durchsuchen zu lassen, sofern sie an der Veranstaltung teilnehmen wollten, und bei einer Weigerung mit einer Feststellung der Personalien rechnen zu müssen,

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3. die Aufforderung zu einem späteren Zeitpunkt am gleichen Tag, mitgebrachte Behältnisse durchsuchen und sich abtasten zu lassen sowie

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4. das Verbot von Ersatzveranstaltungen in ganz Sachsen-Anhalt durch die Beklagte am gleichen Tag gegen 12:50 Uhr

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rechtswidrig gewesen sind.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Klage sei bezüglich des ersten Antrags unzulässig. Dem Kläger fehle die erforderliche Klagebefugnis, weil nicht er Adressat der Verfügung vom 26. April 2017 gewesen sei, sondern der Anmelder, Herr R. als Landesgeschäftsführer der Partei "DIE RECHTE Landesverband Sachsen-Anhalt“. Diese Partei sei auch Veranstalter der Versammlung gewesen. Die angegriffene Regelung betreffe mit der nachträglichen Routenänderung ausschließlich die Durchführung der Versammlung. Der Kläger sei jedoch weder Anmelder noch Leiter der Versammlung. Der Antrag zu zweitens sei unbegründet. Die Anordnung der Errichtung einer Kontrollstelle sei erfolgt, weil mit der Begehung von Straftaten nach dem VersammlG LSA zu rechnen gewesen sei. Nach Hinweisen des Landeskriminalamtes (LKA) sei es durch Teilnehmer der Versammlung geplant gewesen, als Fahnenstangen getarnte 50 cm lange Holzstangen, die als Schlagstöcke dienen könnten, mitzuführen. Im Vorfeld der Versammlung sei offen zu Gewalt gegen Dritte und Widerstand gegen die Polizei aufgerufen worden und es habe am Versammlungstag eine aggressive Grundstimmung gegenüber der Polizei geherrscht. Die Kontrollen seien geeignet gewesen, um geplante Straftaten zu verhindern. Sie seien aufgrund der Hinweise zu gefährlichen Gegenständen und der Verstöße gegen das Vermummungsverbot auch erforderlich gewesen. Schließlich seien sie angemessen gewesen, denn es habe eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden. Die Beklagte habe aufgrund der Aufrufe zur Gewalt im Vorfeld, der Beteiligung von gewaltbereiten Personen und der Erkenntnisse aus der Anreisephase mit einer gewaltvollen Eskalation unter Verwendung von gefährlichen Gegenständen und damit von einer erhöhten Gefahr für die Gesundheit der Versammlungsteilnehmer, der Polizeibeamten und unbeteiligter Dritter rechnen müssen. Es sei nicht möglich gewesen, die erwarteten Ausschreitungen auf anderem Wege zu verhindern, insbesondere sei eine effektive Abriegelung der Strecke mit den verfügbaren Beamten nicht zu gewährleisten gewesen. Die Gefahrenprognose habe sich auch verwirklicht, denn an der Kontrollstelle seien mitgeführte Quarzhandschuhe und ca. 50 bis 60 cm lange Holzstanden festgestellt worden. Es sei u.a. zu Flaschenwürfen und dem Anzünden von Pyrotechnik gekommen. Die angedrohte Identitätsfeststellung stelle keinen schwerwiegenden Eingriff dar. Bei Personen, die sich der Kontrolle entziehen, läge der Verdacht des Beisichführens verbotener Gegenstände nahe. Sie bestreite, dass die vom Kläger mit dem Antrag zu 3. behauptete Anordnung, Behältnisse zu durchsuchen und Personen abzutasten, erfolgt sei. Mit der Öffnung der Sperren seien alle Kontrollen eingestellt worden. Der Antrag zu viertens sei wiederum unzulässig. Dem Kläger fehle die Klagebefugnis, da er nicht Adressat der Verfügung gewesen sei, sondern der Versammlungsleiter der Partei „DIE RECHTE Landesverband Sachsen-Anhalt“. Die Untersagung der Organisation und Durchführung von Ersatzveranstaltungen hätten den Kläger, der weder Anmelder noch Leiter der Ausgangsveranstaltung gewesen sei, nicht betroffen.

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Mit Beschluss vom 01. Februar 2019 hat die Kammer das Verfahren gemäß § 6 VwGO zu Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen lagen vor und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung des Gerichts gewesen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht kann den Rechtsstreit gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, weil der Kläger hierzu in der Klageschrift vom 21. Juni 2017 und die Beklagte in der Klageerwiderung vom 25. August 2017 ihre Zustimmung erteilt haben.

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Die Klage ist hinsichtlich der Anträge zu erstens bis drittens unzulässig und unbegründet, hinsichtlich des Antrags zu viertens zulässig und begründet.

24

Statthafte Klageart für die vier Anträge des Klägers ist die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass vier Verwaltungsakte, die sich vor Klageerhebung erledigt haben, rechtswidrig waren.

25

Die Klage ist hinsichtlich des ersten Antrages unzulässig, da dem Kläger die Klagebefugnis fehlt. Zu Vermeidung von Popularklagen ist es auch bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog erforderlich, dass der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt worden zu sein (BayVGH, Urteil vom 22. September 2015 - 10 B 14.2246 - juris; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl., § 42 Rdnr. 62 mit weiteren Nachweisen). Der Kläger bezieht sich mit seinem ersten Antrag auf Ziffer 1 des Bescheides der Beklagten vom 26. April 2017, in der für den Aufzug am 1. Mai 2017 ein bestimmter Versammlungsraum zugewiesen wird. Unmittelbar angesprochener Adressat der Verfügung ist der Anmelder der Versammlung, der zugleich als Vertreter des Veranstalters aufgetreten ist, dem Landesverband Sachsen-Anhalt der Partei "DIE RECHTE". Beide könnten durch die Zuweisung eines Versammlungsraumes möglicherweise in ihrem Recht verletzt worden sein, den Ort einer Versammlung frei zu wählen. Der Kläger hätte an dem Aufzug – so er denn stattgefunden hätte – als bloßer Teilnehmer partizipiert. Teilnehmer sind aber nur klagebefugt, wenn sie während der Versammlung oder im unmittelbaren Vorfeld (z.B. bei der Anreise) Adressat einer Anordnung werden. Keine mögliche Rechtsverletzung besteht hingegen bei einer Beschränkung der Versammlungsdurchführung durch die Versammlungsbehörden vor deren Beginn, weil das Teilnahmerecht nur für die Versammlung in der vorhandenen Form besteht (vgl. Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 2016, Einleitung Rdnr. 115). Auch das Versammlungsgesetz gliedert das Versammlungsrecht in die Teilrechte auf Veranstaltung, Leitung und Teilnahme (vgl. zum insofern inhaltsgleichen Bundesrecht: VG Aachen, Urteil vom 22. Juli 2009 - 6 K 2197/08 – juris, Rdnr. 52). Eine beschränkende Verfügung im Vorfeld hinsichtlich der Zeit, dem Ort und des Aufzugsweges greift in das Recht des Veranstalters auf Planung und Organisation der Versammlung ein und ist entsprechend auch an ihn zu richten (vgl. VG Aachen, a.a.O.; zum Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters: BVerfG, Beschluss vom 03. März 2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77). Der Veranstalter hat die auferlegten Beschränkungen bekanntzugeben, wobei diese Bekanntgabe gegenüber den potentiellen Teilnehmern nur Hinweischarakter hat (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 16. Aufl. 2011, § 15 Rdnr. 57). Der Kläger hat die Klage aber in eigenem Namen erhoben und behauptet eine Verletzung in eigenen Rechten. Dies ist aus den genannten Gründen ausgeschlossen.

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Die Klage ist hinsichtlich zweiten Antrages zulässig. Der Kläger kann ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO geltend machen. Ein solches Feststellungsinteresse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein; es ist anzunehmen bei einer Wiederholungsgefahr, aus Gründen der Rehabilitierung oder bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen (BVerfG, a.a.O.). Der Kläger wendet sich hier gegen die Anordnung seiner Durchsuchung durch die Polizei, bevor er an der Demonstration teilnehmen durfte und zum Ort der Demonstration durchgelassen werden sollte. Insoweit kommt hier die Gefahr einer Wiederholung in Betracht. Erscheint nicht weithin fernliegend, dass er nicht wieder aus Anlass der Teilnahme an einer politisch rechtsgerichteten Demonstration in dessen Vorfeld pauschal als Teilnehmer durch die Polizei durchsucht werden soll, um das Mitbringen und bei sich Führen von Waffen und anderen Gegenständen, die zur Vermummung und Gewaltausübung geeignet sind, während der Demonstration zu verhindern. Der Kläger ist gerichtsbekannt regelmäßig Teilnehmer von Demonstrationen, die von politisch rechtsgerichteten Veranstaltern organisiert und durchgeführt werden, bei denen auch erneut wegen der befürchteten Gefahr von Vermummung und Gewaltausübung mittels in die Demonstration mitgebrachter Gegenstände, wie Waffen, Schlag- und Wurfgegenständen, Pyrotechnik und Ähnlichem entsprechende Durchsuchungen von der Polizei bzw. der Versammlungsbehörde angeordnet werden könnten.

27

Ferner kommt hier durch die verlangte Durchsuchung auch ein die Geringfügigkeitsschwelle überschreitender Eingriff in die persönliche Freiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG und in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG in Betracht. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 12. Mai 2004 – 1 BvR 2636/04 – LKV 2010, 316) ausgeführt, dass eine Auflage, dass die Teilnehmer der Versammlung vor Beginn der Versammlung sich polizeilich durchsuchen lassen müssen, um den Zugang zu der Versammlung zu erlangen, in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG eingreift, weil der gesamte Vorgang des sich Versammeln dem Schutz dieses Grundrechts unterfällt. Hierzu hat das BVerfG (a.a.O.) weiter ausgeführt:

28

"Die Auflage bedeutet auch einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Ein Eingriff ist nicht nur dann gegeben, wenn eine Versammlung verboten oder aufgelöst wird, sondern auch, wenn die Art und Weise ihrer Durchführung durch staatliche Maßnahmen beschränkt wird (vgl. BVerfGE 69, 315 (349)). Die Auflage, dass die Teilnehmer einer Versammlung vor Beginn der Veranstaltung polizeilich durchsucht werden, behindert den freien Zugang zu der Versammlung. Eine polizeiliche Durchsuchung ist - zumal wenn sie pauschal jeden Versammlungsteilnehmer erfasst - geeignet, einschüchternde, diskriminierende Wirkung zu entfalten, die Teilnehmer in den Augen der Öffentlichkeit als möglicherweise gefährlich erscheinen zu lassen und damit potentielle Versammlungsteilnehmer von einer Teilnahme abzuhalten.

29

c) Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG zu ihrer Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage. Im vorliegenden Fall wurde die Auflage auf § 15 Abs. 1 VersG gestützt.

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aa) Diese Norm sieht mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit Einschränkungen gegenüber Versammlungen nur für den Fall vor, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente o- der Vermutungen reichen hierzu nicht aus (vgl. Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1998 -1 BvR 2311/94-,NVwZ 1998, S. 834 (835); vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2793/04 -, NVwZ 2008, S. 671 (672); vom 7. November 2008 - 1 BvQ 43/08 -, juris Rn. 17). Für die Gefahrenprognose können Ereignisse im Zusammenhang mit früheren Versammlungen als Indizien herangezogen werden, soweit sie bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplante Versammlung aufweisen (vgl. BVerfG , Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141)."

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Da dem Kläger aus der Situation heraus und vor einem Zeitablauf der Anordnung der Durchsuchung keine realistische Möglichkeit zur Verfügung stand, gegen die Anordnung der Durchsuchung unmittelbar und rechtzeitig verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz im Rahmen eines Eilverfahrens zu erlangen, besteht nunmehr in der Hauptsache ein rechtlicher Klärungsbedarf, der anders nicht erfüllt werden kann und die Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses rechtfertigt.

32

Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung der Durchsuchung ist aber unbegründet. Von den vorgenannten Maßstäben ausgehend bestand eine Rechtsgrundlage für die Anordnung der Durchsuchung und in dessen Rahmen auch eine ausreichende Gefahrenprognose für die Anordnung. Die Anordnung war rechtmäßig.

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Unabhängig von der Frage der Einrichtung einer Kontrollstelle nach § 20 Abs. 2 Nr. 6 SOG LSA in Verbindung mit § 26 Abs. 1 und 2 Nr. 3a VersG LSA kann die zuständige Behörde nach § 15 Abs. 2 Satz 2 zur Durchsetzung der Verbote der Absätze 1 und 2 Anordnungen treffen und nach Satz 3 der Vorschrift Personen, die den Verboten zuwiderhandeln, von der Veranstaltung ausschließen. Die Zuständigkeit der Beklagten als Versammlungsbehörde ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über Zuständigkeiten auf verschiedenen Gebieten der Gefahrenabwehr (ZustVO SOG), wonach die jeweiligen Polizeidirektionen anstelle der kreisfreien Städte Halle und Magdeburg für die Aufgaben nach dem Versammlungsgesetz zuständig sind. Die Demonstration hat auf dem Gebiet der Stadt Halle stattgefunden, so dass mithin die Beklagte als regional zuständige Polizeidirektion zuständig war.

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Gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 VersG LSA ist es auch verboten, bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel oder bei Aufzügen oder auf dem Weg dorthin – wie in diesem Fall – in einer Aufmachung, die geeignet ist und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, teilzunehmen oder den Weg zu derartigen Veranstaltungen in einer solchen Aufmachung zurückzulegen. Ferner ist nach Nr. 2 der Vorschrift verboten, bei derartigen Veranstaltungen oder auf dem Weg dorthin Gegenstände mit sich zu führen, die geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, die Feststellung der Identität zu verhindern. Nach § 15 Abs. 1 VersG LSA ist es verboten, bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel oder bei Aufzügen oder auf dem Weg dorthin Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von öffentlich-rechtlichen Befugnissen abzuwehren, mit sich zu führen. Zweck der Vorschrift ist es, die Gewaltbereitschaft militanter Gruppen einzudämmen, die versuchen, durch Vermummung und Begehung von Straftaten aus der Gruppe heraus in Anonymität gewalttätig handeln zu könne, ohne hierfür sanktioniert zu werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Vermummungen und Passivbewaffnung die Hemmschwelle für Gewalttätigkeiten senken (vgl. Hettich, Versammlungsrecht in der Praxis, 2. Aufl. 2018, Rdnr. 228). Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 15 VersG LSA hat das Gericht nicht (vgl. hierzu: Hettich, a.a.O., Rdnr. 229; Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 2016, § 17a Rdnr. 3 ff). Hierzu ist auch nichts vorgetragen.

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Für die Annahme einer hinreichenden Gefahrenprognose in diesem Sinne haben der Beklagten am Vormittag des 01. Mai 2017 hinreichende Anhaltpunkte vorgelegen.

36

Insofern war durch die Beklagte im Vorfeld der Versammlung am 26. April 2017 ermittelt worden, dass bereits im Hauptbahnhof nach der Anreise zur der Versammlung am 01. Mai 2017 versucht werden sollte einen "schwarzen Block" als geschlossene Formation zu bilden und dass in einem Lautsprecherwagen, verdeckt als Fahnen getarnt, etwa 50 cm lange Schlagstöcke mitgeführt werden sollten. Aus dem Verlaufsbericht der Beklagten vom 01. Mai 2019 ergibt sich, dass um 10.13 Uhr von 175 Personen, die als Teilnehmer an der hier in Rede stehenden Versammlung zu bewerten waren, auf der Anreise aus Erfurt kommend am Bahnhof Merseburg ausgestiegen waren, die Hälfte des Personenkreises Vermummungsgegenstände dabei gehabt hat. Um 10.34 Uhr wurde bei einem Demonstrationsteilnehmer eine Sturmhaube als Vermummungsgegenstand sichergestellt. Um 10.44 Uhr wurde festgestellt, dass sich 30 Personen "Rechts" im Bereich des Bahnhofs Merseburg vermummt hatten. Um 10.58 Uhr trat danach bei Eintreffen von 150 Versammlungsteilnehmern "Rechts" auf dem Hauptbahnhof Halle ein Teil dieses Personenkreises bereits vermummt auf und habe sich verbal aggressiv gegenüber Polizeibeamten verhalten. Angesichts dieser vom Kläger nicht bestrittenen Feststellungen und Erkenntnisse der Beklagten durfte die Beklagte zur Verhinderung der verbotenen Vermummung und zum Auffinden von Schutzwaffengegenständen eine Durchsuchung der Teilnehmer der Demonstration im Vorfeld anordnen.

37

Es kann nicht festgestellt werden, dass hiermit erkennbar der Ermessensrahmen überschritten worden wäre, die Maßnahme nicht geeignet, erforderlich und unverhältnismäßig gewesen ist. Wer ohne Vermummungs- und Schutzwaffengegenstände sich hat durchsuchen lassen, konnte ohne weitere Identitätsfeststellung an der Versammlung teilnehmen. Auf eine Personenerfassung der Teilnehmer an der Demonstration war die Maßnahme nicht ausgerichtet. Es ging erkennbar vielmehr darum, die Gefahr von Gewaltausübungen aus der Demonstration heraus deutlich zu verringern. Diese Gefahr ergibt sich durch die Nutzung einer Vermummung mit der Folge einer Nichtidentifizierbarkeit bei einer Gewaltausübung und die Nutzung von gefährlichen Gegenständen. Diese sollten daher vorher im Rahmen der Durchsuchung sichergestellt werden. Der vorliegende Eingriff in das Recht auf Versammlungsfreiheit stellt sich als mildes Mittel zur gerechtfertigten Zweckerreichung dar. Die Durchsuchung hatte keinen – inhaltlichen - Einfluss auf die Versammlung und war bestenfalls geeignet den Beginn leicht zu verzögern, weil Zeit für die Durchsuchungen benötigt wurde. Danach hätte die Versammlung, wie angemeldet unter Beachtung der erteilten Auflagen stattfinden können.

38

Diesem Ergebnis steht auch die vom Kläger zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 12. Mai 2010 – 1 BvR 2636/04 – a.a.O.) nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat darin eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung aufgehoben, die eine Auflage, dass die Teilnehmer einer Versammlung vor Beginn polizeilich durchsucht werden, für rechtmäßig befunden hatte. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Verletzung von Art. 8 Abs. 1 GG allerdings im konkreten Fall auf eine unzureichende Gefahrenprognose des Verwaltungsgerichts gestützt (Rdnr. 21 ff.). Insbesondere habe sich das Verwaltungsgericht von einer Vermutung leiten lassen und unzulässig auf gewaltbereite linke Gegendemonstranten abgestellt (Rdnr. 26). Dies war bei der hiesigen Anordnung nicht der Fall. Auch ohne Berücksichtigung der Gegendemonstranten lagen im Zeitpunkt der Anordnung ausreichend tatsächliche Anhaltspunkte für Verstöße gegen § 26 Abs. 1 VersammlG LSA und für eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor.

39

Auch die Einrichtung einer Kontrollstelle mittels Bekanntgabe per Lautsprecher an die potentiellen Versammlungsteilnehmer um 10.58 Uhr, um die Identität derjenigen feststellen zu können, die sich der Durchsuchung nicht unterziehen wollten, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in der Anordnungsbefugnis aus § 15 Abs. 2 Satz 2 VersG LSA in Verbindung mit § 20 Abs. 2 Nr. 6 SOG LSA. Nach letzterer Bestimmung kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, wenn die Person an einer Kontrollstelle angetroffen wird, die von der Polizei auf öffentlichen Straßen oder Plätzen oder an anderen öffentlich zugänglichen Orten eingerichtet worden ist, um eine Straftat nach § 26 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3a VersG LSA zu verhüten.

40

Nach § 26 Abs. 1 VersG LSA wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer bei öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen Waffen oder sonstige Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder Beschädigung von Sachen geeignet und bestimmt sind, mit sich führt. Nach Satz 2 wir ebenso bestraft, wer ohne behördliche Ermächtigung Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne des Satzes 1 auf dem Weg zu öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen mit sich führt, zu derartigen Veranstaltungen hinschafft oder sie zur Verwendung bei derartigen Veranstaltungen bereithält oder verteilt. Gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 3a VersG LSA wird ebenso bestraft, wer sich im Anschluss an oder sonst im Zusammenhang mit derartigen Veranstaltungen mit anderen zusammenrottet und dabei Waffen oder sonstige Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder Beschädigung von Sachen geeignet und bestimmt sind, mit sich führt.

41

Dabei war die Anwendung des SOG LSA nicht wegen der Sperrwirkung des Versammlungsrechts ausgeschlossen. Diese Privilegierung grundrechtlich geschützter Versammlungen greift nicht bei Maßnahme im Vorfeld einer Versammlung (vgl. BVerwG, NVwZ 2007, 1439 (1441), Trurnit, NVwZ 2012, 1079). Eine vollständige Sperrwirkung nimmt auch der Gesetzgeber in Sachsen-Anhalt nicht an, da er dem Zitiergebot folgend auf die Einschränkung von Art. 8 GG in § 11 Nr. 7 SOG LSA hinweist. Die Kontrollstelle, die Identitätsfeststellung und die Durchsuchung sollten zeitlich und örtlich vor der Ankunft der Teilnehmer am Platz der Auftaktveranstaltung durchlaufen werden, also im Vorfeld.

42

Stellt man hier neben dem Versammlungsrecht auf die originäre Anwendung des Polizeirechts ab, so ergibt sich die Zuständigkeit der Beklagten für die Anordnung aus § 2 Abs. 2 SOG LSA im Rahmen ihrer Eilkompetenz.

43

Die Gefahrenprognose hat auch die Errichtung der Kontrollstelle zur Identitätsfeststellung getragen. So ist die Beklagte aufgrund ihrer Vorfeldaufklärung davon ausgegangen, dass mindestens 200 gewaltbereite Demonstrationsteilnehmer anreisen würden. Dass die Beklagte zutreffend ihre Gefahrenprognose getroffen hat wird dadurch bestätigt, dass um 12.51 Uhr nach Verkündung des Verbotes von Ersatzveranstaltungen im Bereich des Ausgangs des Hauptbahnhofes in der E.-Straße beobachtet wurde, dass Versammlungsteilnehmer Quarzhandschuhe und ca. 50 bis 60 cm lange Holzstangen bei sich führten, es aus dieser Gruppe heraus zu Flaschenwürfen und dem Wurf einer Metallschaube kam, was zu Anzeigen wegen Landfriedensbruch geführt habe. Um 13.10 Uhr wurden ca. 50 vermummte Personen vor der Kontrollstelle festgestellt und es wurde dreimal Pyrotechnik gezündet. Ferner wurden Mehltüten auf Polizeifahrzeuge geworfen.

44

Diese nicht bestrittenen Beobachtungen der eingesetzten Polizeibeamten belegen hinreichend, dass die Einschätzung des Vorliegens einer konkreten Gefahr (§ 3 Nr. 3a SOG LSA) berechtigt war, dass Verstöße gegen § 26 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3a VersG LSA drohten.

45

Aus dem zeitlichen Ablauf ist auch zu schließen, dass die Anordnung der Einrichtung der Kontrollstelle gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 6 Satz 2 am Ende SOG LSA wegen des Vorliegens einer Gefahr im Verzuge - ohne die Zustimmung des zuständigen Innenministeriums einholen zu müssen - erfolgt ist. Denn mit der Anordnung wurde zugewartet, bis erkennbar war, dass tatsächlich eine größere Personenanzahl von Teilnehmern an der Demonstration vermummt am Hauptbahnhof angekommen war und dort die Vermummung beibehalten blieb. Dies ließ annehmen, dass bei diesen Personen zumal in größerer Gruppe ein Gewaltpotential vorhanden war. Der Umstand, dass die Beklagte sich auf eine mögliche Einrichtung einer Kontrollstelle offensichtlich vorbereitet hatte, wie die darüber in der Beiakte befindliche schriftlich über nahezu sechs Seiten ausgearbeitete Anordnung belegt, ändert nichts daran, dass offensichtlich die Situation am 01. Mai 2017 abgewartet und einbezogen werden sollte, bevor von der Anordnung Gebrauch gemacht werden sollte. Denn die Kontrollstelle war nicht von vornherein angeordnet worden.

46

Lagen danach die Voraussetzungen für die Einrichtung der Kontrollstelle vor, so durften auch Identitätsfeststellungen vorgenommen werden. Da die Identitätsfeststellung nur für diejenigen vorgesehen war, die sich nicht durchsuchen lassen wollten, war hierdurch auch nicht bezweckt, alle Teilnehmer der Versammlung zu identifizieren, sondern nur diejenigen namhaft zu machen, die wegen der Weigerung sich durchsuchen zu lassen als potentiell gewaltbereit anzusehen waren und die möglicherweise verbotene Gegenstände bei sich führten. Da der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG sich auf das Recht auf Durchführung und Teilnahme an friedlichen, gewaltfreien Versammlungen bezieht, liegt eine erhebliche Beeinträchtigung des Versammlungsrechts nicht vor, wenn Kontrollen stattfinden gegenüber Personen, die hierzu hinreichenden Anlass bieten, weil sie ihre Gewaltfreiheit im Hinblick auf Vermummung und aktiver wie passiver Bewaffnung nicht überprüfen lassen wollen, und deshalb ihre Identität festgestellt werden soll.

47

Die Klage ist hinsichtlich des dritten Antrags unbegründet, da der Kläger die behauptete Maßnahme nicht ausreichend dargelegt hat.

48

Soweit sich der Kläger mit seinem Antrag unter Nr. 3 gegen eine Aufforderung der Beklagten zu einem späteren Zeitpunkt, in der Klagebegründung angegeben mit einer Zeit ab 12.50 Uhr, wendet, wonach mitgebrachte Behältnisse durchsucht werden sollten und man sich abtasten lassen solle, so ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsvorgang eine solche weitere Anordnung nicht. Zwar liegt die Beweislast für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen beim Erlass belastender Verwaltungsakte grundsätzlich bei der Behörde. Wenn die Behörde aber bestreitet, eine Maßnahme überhaupt durchgeführt zu haben, trifft den Bürger zumindest Pflicht, die genauen Umstände so darzulegen, dass das Gericht seinem Amtsermittlungsauftrag nachkommen kann. Die pauschale Behauptung des Klägers, er habe von einer solchen Anordnung gehört, genügt dem nicht.

49

Inhaltlich würde sich diese vom Kläger behauptete (weitere) Anordnung im Übrigen mit der zeitlich früheren Anordnung decken, sich durchsuchen zu lassen. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

50

Hinsichtlich des vierten Antrags ist die Klage zulässig. Der Kläger ist entgegen der Ansicht der Beklagten klagebefugt, da auch er Adressat der Verfügung war. Das Verbot von Ersatzveranstaltungen richtete sich nicht nur an den Versammlungsleiter der streitgegenständlichen Versammlung, sondern an auch an die Teilnehmer der Versammlung. Unter einer Ersatzveranstaltung war nach dem objektiven Empfängerhorizont jede Versammlung mit weitgehend identischem Versammlungsgegenstand und weitgehend identischen Teilnehmern zu verstehen. Entgegen der Ansicht der Beklagten wäre es den Teilnehmern der Versammlung auch ohne den Versammlungsleiter möglich gewesen, eine Versammlung zu veranstalten, die von dem Verbot erfasst war. Auch die Beklagte selbst hatte die Verfügung so verstanden: Sie interpretierte ausweislich des Verlaufsberichts eine Versammlung in Köthen als „Ausweichversammlung“ und eine Versammlung in Merseburg als „Ersatzveranstaltung“, obwohl sich der Versammlungsleiter weiterhin in Halle (Saale) befand.

51

Hinsichtlich des vierten Antrages besteht auch ein Feststellungsinteresse. Das Verbot von Versammlungen stellt einen so schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar, dass eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung geboten ist.

52

Die Untersagung aller Ersatzveranstaltungen in Sachsen-Anhalt war rechtswidrig soweit das Verbot über den eigenen örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten hinausreichte und sich auf das ganze Land Sachsen-Anhalt bezogen hat.

53

Die Beklagte war nicht für das gesamte Bundesland zuständig. Sie war im Rahmen ihrer Eilzuständigkeit gemäß § 2 Abs. 2 SOG LSA zwar befugt, anstelle der außerhalb von Halle (Saale) sachlich zuständigen Versammlungsbehörden zu handeln. Die sachliche Eilzuständigkeit ist aber von der örtlichen Zuständigkeit zu unterscheiden, für die mangels Regelung im VersammlG LSA auf § 88 SOG LSA abzustellen ist. Gemäß § 88 Abs. 1 SOG LSA ist die Zuständigkeit der Polizeibehörden indes auf ihren Bezirk beschränkt. Die Beklagte war deshalb für die Bezirke der Polizeidirektionen Nord und Ost nicht zuständig. Die Beklagte hat das Verbot zwar in Halle (Saale) und damit in ihrem Zuständigkeitsbereich verfügt. Es entfaltete seine rechtliche Wirkung aber im gesamten Land; insbesondere bildet das Verbot einer Versammlung die Grundlage für ihre Auflösung, § 13 Abs. 5 VersammlG LSA.

54

Auch eine außerordentliche örtliche Zuständigkeit nach § 88 Abs. 2 Satz 2 SOG LSA war nicht anzunehmen. Die Beklagte konnte sich nicht auf Gefahr im Verzug stützen. Es lag keine Situation vor, bei der eine effektive Gefahrenabwehr durch die örtlich zuständige Behörde unmöglich war. Die Beklagte stand ausweislich des Verlaufsberichts in engem Kontakt mit den anderen Polizeidirektionen, so dass eine kurzfristige Entscheidung durch die örtlich zuständige Behörde möglich gewesen wäre.

55

Die Beklagte handelte auch nicht zur Fortsetzung einer im eigenen Bezirk begonnenen Maßnahme. Dies meint Fälle der „Nacheile“, die sinnvollerweise nicht an den Grenzen des Bezirks enden sollen. Es war aber keine Ersatzveranstaltung adressiert, die im Bezirk der Beklagten ihren Anfang und außerhalb dessen ihr Ende finden sollte.

56

Die Zustimmung der für den anderen Bezirk zuständigen Behörde ist nicht dargelegt oder sonst für das Gericht erkennbar.

57

Für den eigenen Bezirk konnte die Beklagte jedoch das Verbot aussprechen. Dies war auch rechtmäßig.

58

Gemäß § 13 Abs. 1 VersG LSA kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Diese Voraussetzungen lagen vor.

59

Nach dem Verlaufsbericht unterbrach der Versammlungseiter um 12.55 Uhr die Versammlung und erklärte, dass die Teilnehmer selbst entscheiden sollten, ob sie an der Versammlung vor Ort teilnehmen wollten oder den Ort verlassen wollten. Um 13.05 Uhr stellte der Versammlungsleiter nochmals klar, dass es den Teilnehmern freistehe, die Versammlung abzubrechen. Um 13.15 Uhr brachen die ersten ca. 10 Personen mit dem Zug Richtung M. auf. Um 14.10 Uhr nahmen ca. 350 Personen den Zug in Richtung E. über M.. Um 14.18 Uhr verließen ca. 250 Personen die Versammlung und fuhren mit dem Zug Richtung M. über K..

60

Vor diesem Hintergrund des Verlassens großer Gruppen der Teilnehmer an der Demonstration in Halle, die bislang lediglich als Ortskundgebung im Bereich des Hauptbahnhofs ohne die vorgesehene genehmigte Strecke durch die Stadt im Rahmen eines Demonstrationszuges zurückzulegen, stattgefunden hatte, durfte die Beklagte befürchten, dass die großen Gruppen möglicherweise in Merseburg oder Köthen geschlossen aus dem Zug aussteigen würden um dort die Demonstration ohne vorherige Kontrollen durchführen zu können. Angesichts der Gefahrenprognose für die Veranstaltung in Halle und des Umstandes, dass offensichtlich gerade diejenigen Teilnehmer, die sich nicht durchsuchen lassen wollten, wieder abreisten, verstärkte deutlich die Wahrscheinlichkeit einer unmittelbaren Gefahr, dass es bei Demonstrationen in Merseburg oder Köthen zu Gewaltausübungen und Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit kommen könnte. Gleichzeitig wäre für diese nicht angemeldeten Demonstrationen keine geplante hinreichende polizeiliche Absicherung vorhanden gewesen, weil die örtlichen Polizeikräfte weitgehend in Halle durch den verbleibenden Rest der Demonstrationsteilnehmer und die mehreren Gegendemonstrationen und weitere Veranstaltungen zum 01. Mai gebunden waren.

61

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.

62

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

63

BESCHLUSS

64

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

65

Gründe

66

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.


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Referenzen

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