Beschluss vom Verwaltungsgericht Hamburg (9. Kammer) - 9 E 2814/13

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage (9 K 299/13) gegen die Baugenehmigung vom 17. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013 und des ersten Änderungsbescheids vom 14. Mai 2013 wird insoweit angeordnet, als die Baugenehmigung der Beigeladenen erlaubt, das Einrichtungshaus werktags nach 19.30 Uhr für den Kundenverkehr zu öffnen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 3/4 und die Antragsgegnerin zu 1/4 mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Streitwert wird auf 20.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines innerstädtischen Einrichtungshauses.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer Wohnanlage mit 214 Wohnungen auf den Flurstücken 1, 2, 3 und 4 der Gemarkung Altona-Südwest (A-Weg 1, 3, 5, 7, 9, 11, B-Weg 12, 14, 16, 18, 20, 22). Die Beigeladene beabsichtigt, auf dem Flurstück 5 derselben Gemarkung (C-Weg 164 – 178, A-Weg 6 – 10) ein innerstädtisches Einrichtungshaus zu errichten. Alle Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 vom 14. Mai 1971 (HmbGVBl. S. 103). Dieser setzt für das Grundstück der Beigeladenen eine Kerngebietsnutzung in geschlossener Bauweise (MK g), Baugrenzen und Arkaden bzw. Auskragungen mit der Angabe lichter Höhen fest. Die Anzahl der zulässigen Vollgeschosse ist für einzelne Gebäudeteile unterschiedlich und liegt bei drei bis sechs. Die Grundstücke der Antragstellerin sind als allgemeines Wohngebiet mit geschlossener Bauweise (WA g) und ebenfalls mit Baugrenzen festgesetzt. Die Anzahl der zulässigen Vollgeschosse variiert zwischen drei und sieben. Für das Grundstück der Beigeladenen gilt auch der Bebauungsplan Altona-Altstadt 40 vom 2. Oktober 1990 (HmbGVBl. S. 217), der für seinen Geltungsbereich Spielhallen und ähnliche Unternehmen ausschließt.

3

Auf einen Antrag vom 8. Juli 2009 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen am 14. Juli 2010 einen Vorbescheid, mit dem das geplante Vorhaben unter den im Einzelnen aufgeführten Voraussetzungen grundsätzlich für zulassungsfähig erklärt wurde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Vorbescheid verwiesen.

4

Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Die im Bebauungsplan Altona-Altstadt 14 enthaltenen Baukörperausweisungen in Form von Baugrenzen, der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse und der Festsetzung lichter Höhen würden erkennbar dem Schutz der südlich an das geplante Vorhaben der Beigeladenen angrenzenden Wohnbebauung der Antragstellerin dienen. Mit diesen Festsetzungen habe der Plangeber die angrenzende Wohnbebauung vor unzumutbaren Immissionen aufgrund der bestehenden Gemengelage schützen wollen. Der Verzicht auf die im Bebauungsplan festgesetzten 5 m tiefen Auskragungen/Arkaden, aber auch die Überschreitung der Baugrenze nach Süden um 7,54 m bzw. in Teilbereichen bis maximal 16,50 m würden die Antragstellerin in ihren Rechten verletzen. Gleiches gelte für das Überschreiten der Zahl der Vollgeschosse um bis zu zwei. Die in diesem Zusammenhang erteilte Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB rechtfertige die Überschreitung nicht. Wie sich aus einem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim ergebe, könne die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse auch dann nachbarschützend sein, wenn sich aus der Begründung des Bebauungsplans hierzu nichts ergebe (VGH Mannheim, Beschl. v. 8.3.1988, 8 S 1021/88). Bei den Befreiungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB seien die Nachbarinteressen der Antragstellerin vollkommen außer Acht gelassen worden.

5

Darüber hinaus verstoße das geplante Bauvorhaben gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme. Die geplante Ansiedlung des innerstädtischen Einrichtungshauses löse beachtliche bodenrechtliche Spannungen zur angrenzenden Wohnbebauung aus. Die entstehende Gemengelage sei in einem Bebauungsplanverfahren unter Beachtung aller öffentlichen und privaten Belange zu lösen. Dies gelte zum einen für die zu erwartenden Lärm- und Luftimmissionen aber auch für die zu erwartenden Verkehrsströme durch Kunden und den Anlieferverkehr. Bereits im Vorbescheid habe die Antragsgegnerin festgestellt, dass die Zwischenergebnisse der schallschutztechnischen Untersuchung nicht nachvollziehbar seien und Angaben zur Fläche und Höhe der einzelnen Parkdecks, zu den pro Parkdeck zu erwartenden Schallleistungspegeln, zu den ermittelten äquivalenten Absorptionsflächen sowie zu Teilbeurteilungspegeln u.a. der Lkw-Anlieferungen sowie des offenen und teilweise geschlossenen Parkdecks fehlen würden.

6

Mit Bescheid vom 14. März 2011 wies die Antragsgegnerin diesen Widerspruch zurück. Den Festsetzungen zu den Baugrenzen und zur Anzahl der Vollgeschosse komme nachbarschützende Wirkung nur dann zu, wenn sich aus dem Inhalt des Bebauungsplans besondere Hinweise dafür ergeben würden. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim habe durch Beschluss vom 1. Februar 1993 (8 S 2796/92) seine diesbezügliche Auffassung geändert. Hinweise für eine vom Bebauungsplangeber gewollte nachbarschützende Wirkung seien nicht ersichtlich. Dasselbe gelte für die im Bebauungsplan vorgesehenen Auskragungen am Baukörper nördlich des A-Weges sowie die in diesen Bereichen festgesetzten lichten Höhen.

7

Auch ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht vor. Die erforderlichen Abstandsflächen würden eingehalten. Darüber hinaus befinde sich das genehmigte Vorhaben im Norden der Wohnanlage der Antragstellerin. Außerdem lägen neben dem geplanten Vorhaben die Bestandsbauten des „Neuen Forums“, deren Höhe die Höhe des geplanten Gebäudes deutlich überschreite. Schließlich sei in Bezug auf die Belichtung, Besonnung oder Belüftung zu berücksichtigen, dass sich die Wohnanlage in einem eng bebauten innerstädtischen Bereich befinde. Das geplante Einrichtungshaus stehe auch nicht in einem Missverhältnis zur Nachbarbebauung. Innerhalb der für das Vorhaben gewählten Fläche lasse der Bebauungsplan eine bis zu sechsgeschossige Bebauung zu. Unmittelbar angrenzend sei bereits eine bis zu zehnstöckige Bebauung zulässig. An der östlichen Grenze des Kerngebiets dürften sogar Gebäude mit bis zu 16 Vollgeschossen errichtet werden. Auch in dem als allgemeines Wohngebiet ausgewiesenen Bereich, in dem die Gebäude der Antragstellerin lägen, sei eine bis zu achtstöckige Bebauung zulässig. Hinsichtlich des Immissionsschutzes enthalte der Vorbescheid keine der Beigeladenen günstige abschließende Feststellung, welche die Rechte der Antragstellerin beeinträchtigen könnte.

8

Hiergegen erhob die Antragstellerin im März 2011 Klage (9 K 754/11). Von September 2011 bis Juli 2013 betrieben die Beteiligten dieses Klageverfahren nicht weiter.

9

Auf Antrag vom 12. Juli 2011 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen am 17. Februar 2012 eine Baugenehmigung im Verfahren nach § 62 HBauO. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Genehmigung verwiesen. Dieser Bescheid wurde der Antragstellerin nicht bekannt gegeben. Nachdem sie von seinem Erlass erfahren hatte, legte sie am 22. März 2012 Widerspruch ein, den sie nicht weiter begründete.

10

Am 30. Januar 2013 erhob die Antragstellerin Untätigkeitsklage gegen die Baugenehmigung. Sie trug ergänzend vor, dass aus den Bauantragsunterlagen für den vierten Ergänzungsbescheid hervorgehe, dass die Beigeladene aus Kostenersparnisgründen weitere bauliche Änderungen zu Lasten der Antragstellerin ausführen wolle. So solle die Zufahrtsrampe zu den Parkdecks nun kein Dach mehr erhalten, was zu Lärm- und Geruchsemissionen führen werde. Dem Vorhaben der Beigeladenen komme aufgrund seiner Größe erdrückende Wirkung zu, die durch riesige Glasfenster in Richtung der Wohnungen der Antragstellerin und durch ein großes Logo mit einer entsprechenden Leuchtschrift verstärkt werde. Das eingeholte Verkehrsgutachten sei unzulänglich. Es gehe von fehlerhaften Grundannahmen aus. So werde davon ausgegangen, dass lediglich 50 % der Kunden des Einrichtungshauses mit einem Pkw anfahren würden. Dies sei nicht zu erwarten, da die Beigeladene für „Selbstabholung“ und „Selbstaufbau“ stehe. Ein Heimtransport der gekauften Möbel mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei nicht realistisch.

11

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2013 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Bisher habe es fünf Ergänzungsbescheide zur Baugenehmigung hinsichtlich der Fragen Standsicherheit und Lüftungsanlagen gegeben. In keinem dieser Bescheide werde eine von der Baugenehmigung abweichende Ausführung des Bauvorhabens zugelassen. Die Baugrenze nach Süden zu den Gebäuden der Antragstellerin hin werde nur im Bereich der 4,50 m hohen Einhausung der Einfahrt zum Rampenbauwerk um maximal 12 m überschritten. Auch ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht vor. Eine Abweichung von den notwendigen Abstandsflächen sei auch im Baugenehmigungsverfahren nicht erteilt worden. Eine unzumutbare Beeinträchtigung durch Lärm- und Lichtimmissionen habe die Antragstellerin bisher nicht substantiiert vorgetragen. Die immissionsschutzrechtlichen Belange würden in der Baugenehmigung (Anlage 7, ab S. 48) ausführlich gewürdigt. Hinsichtlich der Lichtimmissionen liege noch keine abschließende Entscheidung der Antragsgegnerin vor (Nr. 10.3. der Baugenehmigung, S. 8). Auf die Aussagekraft der Verkehrsuntersuchungen komme es nicht an, da diese keine Aussagen zur Lärm- oder Schadstoffbelastungen treffen würden. Das Gutachten „Prognose der Luftschadstoffbelastung 2013 bei Realisierung des Bauvorhabens ‚…Einrichtungshaus Hamburg-Altona‘“ vom 19. Oktober 2011 komme zu dem Ergebnis, dass aufgrund der Modellrechnungen nicht damit zu rechnen sei, dass die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) und die beiden Feinstaubfraktionen PM10 und PM2,5 innerhalb von nutzungssensiblen Bereichen überschritten würden.

12

Die dagegen gerichtete Anfechtungsklage vom 29. April 2013 (9 K 1749/13) nahm die Antragstellerin nach gerichtlichem Hinweis zurück und führte die ursprüngliche Untätigkeitsklage (9 K 299/13) als Anfechtungsklage unter Einbeziehung des Widerspruchsbescheids fort.

13

Am 16. Juli 2013 hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Sie führt ergänzend aus, dass sich aus der Begründung zum Bebauungsplan Altona-Altstadt 14 ergebe, dass das im Bebauungsplan festgesetzte Maß der baulichen Nutzung von maximal drei bis fünf Vollgeschossen unmittelbar nördlich des A-Wegs zum Schutz der Wohnanlage der Antragstellerin bestimmt worden sei, um dort gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu gewährleisten. Der Bebauungsplan habe die damals geltenden Höchstwerte des Maßes der baulichen Nutzung deutlich überschritten. Der Plangeber habe die Überschreitung damit begründet, dass sie durch Maßnahmen ausgeglichen werde, durch die sichergestellt werde, dass die allgemeinen Voraussetzungen für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gegeben seien und den Anforderungen des Verkehrs Rechnung getragen werde. In dem Geltungsbereich des Bebauungsplans sei aber nur das Gebiet, in dem sich die Wohnanlage der Antragstellerin befinde, als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen. Daher sei offenkundig, dass der Plangeber gerade auf diesen Wohngrundstücken für gesunde Wohnverhältnisse habe sorgen wollen. Dem Plangeber sei demnach bewusst gewesen, dass angesichts der Gemengelage von allgemeinem Wohngebiet auf der südlichen Seite des A-Wegs und Kerngebiet auf der anderen Straßenseite ein Ausgleich für die deutlichen Überschreitungen des Maßes der baulichen Nutzung auf dem Grundstück der Beigeladenen erfolgen müsse. Nur so sei es im Rahmen der Abwägung planungsrechtlich vertretbar gewesen, von den Höchstwerten des § 17 BauNVO 1968 abzuweichen. Dieser Hintergrund lasse sich durch die Unterlagen zum städtebaulichen Wettbewerb, der die Grundlage des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 gebildet habe, beleuchten. Durch das jetzt genehmigte Einrichtungshaus würden die vom Plangeber vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen aufgehoben und rückgängig gemacht. Zugleich würden die zulässigen Höchstwerte des Maßes der baulichen Nutzung noch einmal deutlich überschritten, insbesondere hinsichtlich der zusätzlichen Vollgeschosse und der Überschreitung der Baugrenzen. Die insoweit erteilten umfangreichen Befreiungen seien rechtswidrig, weil die Grundzüge der Planung nicht nur erheblich berührt, sondern verletzt würden. Es werde rechtswidriger Planersatz durch Befreiung betrieben. Ein neuer Bebauungsplan sei auch aufgrund der Wertung des § 11 Abs. 3 BauNVO erforderlich. Die Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs in der durch die Beigeladene geplanten Dimension löse stets ein städtebauliches Planungsbedürfnis aus. Dies gelte umso mehr, wenn der Betrieb unmittelbar an ein Wohngebiet grenze. Ein Einrichtungshaus mit einer Verkaufsfläche von 17561,97 m² und einem Restaurant für 700 Personen dürfe nicht neben 214 Wohnungen errichtet werden. Hinsichtlich der Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauNVO sei auch zu berücksichtigen, dass bei einer Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans zumindest ein subjektiv-öffentliches Recht auf Würdigung der nachbarlichen Interessen bestehe (OVG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2012, 2 Bs 165/12, juris). Dieser Anspruch der Antragstellerin sei verletzt.

14

Darüber hinaus würden die notwendigen Abstandsflächen nicht eingehalten. Zweifelhaft sei bereits, dass die Abstandsflächen mit 0,4 H und nicht nach der bei Beschlussfassung über den Bebauungsplan Altona-Altstadt 14 geltenden Abstandsvorschrift von 0,5 H berechnet und genehmigt worden sei. Davon unabhängig sei aus dem Abstandsflächenplan zu erkennen, dass die Beigeladene das Maß von 0,4 H zunächst von der Geländeoberfläche bis zu einer Brüstung auf der ersten Parkgeschossebene berechnet habe. Nach § 6 Abs. 4 HBauO sei aber die Höhe von Dächern der Wandhöhe hinzuzurechnen. Grundsätzlich sei für die Bemessung der Abstandsfläche der Schnittpunkt der Außenwand mit der Dachhaut entscheidend. Einen solchen Schnittpunkt gebe es aber in der Planung der Beigeladenen nicht. Vielmehr habe die Beigeladene das Schrägdach zurückversetzt, d.h. von der Wohnanlage der Antragstellerin „weggeschoben“. Tatsächlich hätte die Abstandsfläche von 1/3 des Schrägdaches aber dem Maß von 0,4 H ohne Berücksichtigung des Rücksprungs hinzugerechnet werden müssen. Durch Einbau eines Rücksprungs des Schrägdachs werde nämlich die Abstandsflächenregelung des § 6 HBauO umgangen. Bei korrekter Berechnung würde die notwendige Abstandsfläche nicht eingehalten. Des Weiteren liege ein Verstoß gegen § 6 Abs. 6 HBauO vor. Gemäß dieser Vorschrift würden Vorbauten bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht bleiben, wenn sie insgesamt nicht mehr als 1/3 der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nehmen würden. Das Brüstungsgeländer der Parkebenen müsse bei der Berechnung der Abstandsflächen berücksichtigt werden, was nicht geschehen sei.

15

Die Größenverhältnisse gemäß der genehmigten Schnitte würden außerdem zeigen, dass das Einrichtungshaus insbesondere an der engsten Stelle des A-Wegs die Wohnungen der Antragstellerin auf unzumutbare Weise verdunkle und eine abriegelnde, erdrückende Wirkung besitze. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die lichte Höhe eines Vollgeschosses im Gebäude der Beigeladenen die Vollgeschosshöhe in den Gebäuden der Antragstellerin deutlich überschreiten werde.

16

Des Weiteren seien die Emissionen bei Betrieb des Vorhabens der Beigeladenen unzumutbar. Die Lärm- und Schadstoffbelastungen für die Mieter der Wohnanlage A-Weg würden durch die Zu- und Abfahrten zu den 713 Stellplätzen auf vier Parkgeschossebenen unzumutbar erhöht. Zusätzlich erfolge über den A-Weg die Anlieferung der Möbel und der Fahrzeugverkehr der „Möbeltaxis“. Die prognostizierten 8300 Fahrzeugbewegungen an allen Freitagen und Samstagen sowie bei Sonderveranstaltungen seien unzumutbar. Midnight- und Sonntagsshopping sowie sonstige Sonderveranstaltungen würden weitere Konfliktsituationen herbeiführen. Hinsichtlich der Verkehrsuntersuchungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen sei zu berücksichtigen, dass der durch das „Forum Altona“ hervorgerufene Verkehr außer Betracht gelassen worden sei, ebenso wie der Verkehr, der durch die 214 Wohnungen der Antragstellerin selbst entstehe. Bezüglich der Verkehrsbelastung sei auch zu berücksichtigen, dass die Ziffer 15.2. der Baugenehmigung die Alternativen zur Pkw-Nutzung konterkariere. Dort sei vorgesehen, dass von den 404 notwendigen Fahrradplätzen 204 nicht auf dem Grundstück der Beigeladenen oder einem Grundstück in der Nähe hergestellt werden könnten, so dass insoweit Ausgleichsbeträge zu zahlen seien. Die von der Beigeladenen mit der Bauvoranfrage vorgelegten schalltechnischen Untersuchungen seien unvollständig. Im Vorbescheid sei daher gefordert worden, die Begutachtung zu vervollständigen. Dem seien die Antragsgegnerin bzw. Beigeladene allerdings nicht nachgekommen. Es gebe lediglich eine nachgelieferte Stellungnahme der Firma LK vom 18. August 2009 in den Akten, die sich jedoch auf die Untersuchungen der Stausituationen beschränke. Eine Messung der Immissionen nach Fertigstellung sei unzureichend. Vielmehr seien die Immissionen anhand vollständiger, plausibler Gutachten zu prognostizieren. Auch bezüglich der Luftschadstoffbelastung fehle eine qualifizierte Schadstoffprognose, obwohl bereits in Ziffer 6 des Vorbescheids angekündigt worden sei, dass im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens eine qualifizierte Schadstoffprognose vorzunehmen sei. Dass die Anlage 7 zum Baugenehmigungsbescheid mit keinem Wort auf die Luftschadstoffbelastung eingehe, sei rechtswidrig. Es seien auch unzumutbare Lichtimmissionen zu befürchten. Das geplante leuchtende Schild an der den Wohnhäusern der Antragstellerin zugewandten Fassade wirke in erheblichem Maße in das Wohngebiet hinein und bewirke während der Öffnungszeiten eine nicht hinzunehmende Raumaufhellung. Dabei würden die Lichtimmissionen auf die besonders störungssensiblen Aufenthaltsräume in den Wohnungen der Antragstellerin einwirken.

17

Schließlich werde das Eigentumsrecht der Antragstellerin und das Recht der Mieter auf körperliche Unversehrtheit dadurch verletzt, dass sich die Zufahrt zu den 713 Stellplätzen direkt gegenüber der Feuerwehrzufahrt für die Wohnanlage der Antragstellerin befinde. Es bestehe die Gefahr, dass durch wartende Fahrzeuge vor der Parkanlage die Feuerwehrauffahrt blockiert werde. Dies sei bereits bei zwei wartenden Fahrzeugen im A-Weg der Fall. Bei vier bzw. acht wartenden Fahrzeugen würden darüber hinaus die Zufahrten zu den beiden Tiefgaragen der Wohnanlage der Antragstellerin versperrt.

18

Die Antragstellerin beantragt,

19

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 22. März 2012 gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 17. Februar 2012 anzuordnen.

20

Die Antragsgegnerin beantragt,

21

den Antrag abzuweisen.

22

Die Akte zum Bebauungsplanverfahren Altona-Altstadt 14 sei vernichtet worden, da die 30jährige Aufbewahrungsfrist schon lange überschritten sei. Die Annahme, dass nur 50 % der Kunden der Beigeladenen das Einrichtungshaus mit dem Auto aufsuchen würden, sei geprüft und für plausibel gehalten worden, da es sich um ein innerstädtisches Einrichtungshaus handele. Bei einem solchen ähnele das Einkaufsverhalten der Kunden mehr dem bei einem innerstädtischen Kaufhaus und weniger dem bei einem klassischen Möbelmarkt auf der „grünen Wiese“. Beim innerstädtischen Einkaufsverkehr bestehe in Hamburg der Anteil des motorisierten Individualverkehrs bei 36 %. Der hier angenommene Wert von 50 % liege deutlich darüber und trage der Tatsache Rechnung, dass es sich um einen innerstädtischen Möbelmarkt handele. Hamburg verfüge bereits über zwei Einrichtungshäuser der Beigeladenen, die jeweils sehr gut mit dem Auto erreichbar seien. Deshalb werde davon ausgegangen, dass relativ wenige Kunden das innerstädtische Einrichtungshaus mit dem eigenen Pkw anfahren würden. Durch die drei Zufahrten zu den Parkdecks werde die Gefahr eines nennenswerten Rückstaus in den öffentlichen Verkehrsraum verhindert. Selbst in Phasen erhöhten Verkehrsflusses sei ein Rückstau nicht zu erwarten. Zur Frage der Luftschadstoffbelastung habe sich die zuständige Stelle am 15. November 2011 geäußert. Überschreitungen der als Vergleichsmaßstab heranzuziehenden Grenzwerte der 39. BImSchV seien nicht prognostiziert worden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass für den A-Weg und die Altonaer Poststraße von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ausgegangen worden sei, wodurch die Immissionen voraussichtlich überschätzt worden seien, weil tatsächlich mit niedrigeren Geschwindigkeiten zu rechnen sei.

23

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie ist der Auffassung, dass der Antrag bereits unzulässig sei. Durch das lange Zuwarten mit der Einlegung des Eilantrags trotz Kenntnis der Baugenehmigung und des Baubeginns habe die Antragstellerin ihr Antragsrecht verwirkt. In jedem Fall fehle ihr sowohl hinsichtlich der Errichtung des Einrichtungshauses als auch hinsichtlich des Betriebs das Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragstellerin hätte ohne weiteres eine abschließende Klärung der Rechtsfragen in dem Klageverfahren gegen den Vorbescheid (9 K 754/11) erreichen können. Da sie dies nicht getan habe, sei nunmehr kein Bedürfnis für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegeben. In Bezug auf den Betrieb des Einrichtungshauses könne auch im Hauptsacheverfahren gegen die Baugenehmigung effektiver Rechtsschutz erlangt werden.

24

In jedem Fall sei der Antrag unbegründet. Die Befreiungen für das Überschreiten der Baugrenzen und der zulässigen Anzahl der Vollgeschosse seien städtebaulich vertretbar. Die nachbarlichen Interessen seien in ausreichendem Maße in die Interessenabwägung eingestellt worden. Die planungsrechtlichen Befreiungen würden dem Willen des Plangebers Rechnung tragen, in zentraler Lage ein Baugebiet von übergeordneter Bedeutung für den gesamten Stadtbereich auszuweisen. Ziel des städtebaulichen Wettbewerbs vor Verabschiedung des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 sei es gewesen, an besonders geeigneten zentralen Punkten stadtbildgestaltende Dominanten zu schaffen. Im Geltungsbereich des Bebauungsplans sei deshalb ein zentraler Bereich mit einer intensiven Bebauung von bis zu 16 Geschossen geschaffen worden. Auch der angrenzende Bebauungsplan Altona-Altstadt 46 aus dem Jahre 2004 sehe für den Bereich nordwestlich des Goethe-Platzes eine zwingende Bebauung mit sieben Vollgeschossen vor, um einen zentralen Ort mit stadtbildgestaltendem Charakter zu schaffen. Nach Süden zu den Grundstücken der Antragstellerin hin werde die Baugrenze zwar tatsächlich um 7,54 m und in Teilbereichen bis maximal 16,50 m überschritten. Dadurch solle jedoch erreicht werden, dass die bisher an der Rückseite des Kaufhauses befindliche offene Anliefer- und Stellplatzzone beseitigt und in das neue Gebäude integriert werde. Durch die integrierte Anlieferung mit eingehauster Rampe sowie die Einhausung der Stellplätze verbessere sich die Immissionssituation für die Nachbarn. Soweit die Begründung des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 davon spreche, dass allgemeine Voraussetzungen für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu schaffen seien, seien gerade keine Ausgleichmaßnahmen im Bebauungsplan festgesetzt worden, die das vorliegende Bauprojekt ausschließen würden. Dass sich die Baugenehmigung aus dem Jahre 2012 auf die damals gültige gesetzliche Grundlage zur Abstandsflächenberechnung stütze, sei nicht zu bemängeln. Die neuen Festsetzungen der Abstandsflächen würden der Entwicklung eines sich immer weiter verdichtenden Stadtkerns Rechnung tragen.

25

Es seien auch keine rücksichtslosen Immissionen zu befürchten. Die Anlieferung des Einrichtungshauses erfolge ausschließlich über die Einfahrt an der Altonaer Poststraße. Eine Anlieferung über den A-Weg finde nicht statt. Die Lieferverkehrseinfahrt erfolge an der südwestlichen Gebäudeecke und sei unmittelbar eingehaust. Es erfolge eine Abfahrt in das Untergeschoss mit den entsprechenden Andockstationen. Die Besucher-Pkw würden sowohl über den östlichen als auch über den westlichen A-Weg anfahren, Mitarbeiterparkplätze seien nicht vorgesehen. Die Lage der Zufahrt für die Parkdecks befinde sich im Straßenraum an vergleichbarer Stelle wie früher die Kundenzufahrt zum Karstadt-Gebäude. Die Verkehrslenkung der Zufahrt von den umliegenden Straßen werde durch Hinweisschilder und die Einbindung des Parkhauses in das dynamische Parkleitsystem in Altona gesteuert. Damit könne der Kunde bereits in Entfernungen von über einem Kilometer vor der Einfahrt in die Altonaer Poststraße prüfen, ob überhaupt ausreichend freie Plätze im Parkhaus vorhanden seien. Die im Vorbescheid angemahnte Vervollständigung der lärmtechnischen Untersuchung sei erfolgt. Dazu sei die „schalltechnische Untersuchung zum Bauvorhaben in Hamburg-Altona“ von der LK GmbH am 20. Oktober 2011 vorgelegt worden. Nach dieser Untersuchung würden durch die Zusatzbelastungen der geplanten Anlage in Verbindung mit der Gesamtbelastung durch bestehende Anlagen an den maßgeblichen Immissionsorten die Immissionsrichtwerte der TA Lärm (Nr. 6.1) nicht oder nur in geringem Umfang überschritten.

26

Die Ergänzungsbescheide würden weder das Rücksichtnahmegebot noch den Immissionsschutz oder andere nachbarschützende Aspekte betreffen. Die einzige substantielle Änderung im ersten Änderungsbescheid sei die Entfernung des Daches über der Parkspindel (Zu- und Abfahrt). Diese Änderung sei aus lüftungstechnischen Gründen erfolgt. Insoweit sei eine ergänzende schalltechnische Stellungnahme eingeholt und Bestandteil der Baugenehmigung geworden.

27

Selbst bei Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung würde ausnahmsweise das Vollzugsinteresse der Beigeladenen das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegen. Dies folge daraus, dass die Beigeladene aufgrund der sofort vollziehbaren Baugenehmigung formell legal bis zum Eingang des Aussetzungsantrages bereits einen erheblichen Teil ihres Bauvorhabens fertiggestellt habe.

28

Zwischen den Beteiligten haben umfangreiche Vergleichsverhandlungen über die Verkehrsführung im A-Weg (Möglichkeit einer zusätzlichen Abbiegespur für das Einrichtungshaus) und über mögliche Lärmschutzmaßnahmen in Bezug auf die Wohnanlage der Antragstellerin stattgefunden. Diese Vergleichsverhandlungen hat die Antragstellerin hinsichtlich des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes Ende November 2013 für gescheitert erklärt.

II.

29

Der Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes ist zulässig (1.), aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet (2.).

30

1. Der Antrag vom 16. Juli 2013 ist so auszulegen (vgl. § 88 VwGO), dass er darauf gerichtet ist, die aufschiebende Wirkung der gegen die Baugenehmigung vom 17. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013 und des Änderungsbescheids vom 14. Mai 2013 eingereichten Klage (9 K 299/13) anzuordnen. Der so verstandene Antrag ist zulässig. Er ist gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO statthaft, da der Klage der Antragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung zukommt.

31

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen steht der Antragstellerin auch ein Rechtsschutzbedürfnis zu:

32

a) Die Antragstellerin hat ihr Antragsrecht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechtsbehelfs setzt einen längeren Zeitraum voraus, währenddessen die Möglichkeit bestand, ihn einzulegen (BVerwG, Urt. v. 10.8.2000, 4 A 11/99, juris, Rn. 16). Diese Möglichkeit muss dem Berechtigten bewusst gewesen sein. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt vor, wenn der Berechtigte trotz vorhandener Kenntnis erst zu einem derart späten Zeitpunkt den Rechtsbehelf einlegt, zu dem die Gegenseite nicht mehr mit einer Klageerhebung rechnen musste. Das ist dann der Fall, wenn ein Berechtigter unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen jedermann vernünftigerweise etwas zur Wahrung seines Rechts unternommen hätte (BVerwG, Urt. v. 10.8.2000, a.a.O.). In diesen Fällen darf die Gegenseite darauf vertrauen, dass ein Rechtsbehelf nicht mehr eingelegt wird. Schließlich muss sich die Gegenseite auch tatsächlich in einer Weise auf das Verhalten des Berechtigten eingerichtet haben, dass für sie ein begründeter Rechtsbehelf mit nicht mehr zumutbaren Nachteilen verbunden wäre (BVerwG, Urt. v. 10.8.2000, a.a.O.).

33

Danach liegt keine Verwirkung vor. Zwar hat die Antragstellerin den Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes trotz erkennbaren Baufortschritts für einen nicht unerheblichen Zeitraum nicht gestellt. Sie hat - trotz Kenntnis von Baubeginn und Baufortschritt - erst im Juli 2013, etwa acht Monate nach Baubeginn hinsichtlich des Neubaus, etwa ein Jahr und drei Monate nach Einlegung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung und mehr als zweieinhalb Jahre nach Beginn der Abrissarbeiten, den vorliegenden Antrag gestellt. Jedoch durfte weder die Antragsgegnerin noch die Beigeladene berechtigterweise darauf vertrauen, dass ein solcher Antrag nicht mehr gestellt wird. Die Antragstellerin hat zu keinem Zeitpunkt der Antragsgegnerin oder der Beigeladenen gegenüber explizit zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre schon gegen den Vorbescheid und dann gegen die Baugenehmigung gerichteten Bedenken nicht in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geltend machen wird. Die Antragstellerin hat keine der beiden Klagen gegen Vorbescheid und Baugenehmigung zurückgenommen und auch sonst nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie ohne Abschluss eines Vergleichs auf weitere Rechtsbehelfe verzichten werde. Vor diesem Hintergrund konnte kein schutzwürdiges Vertrauen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen entstehen.

34

b) Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch nicht deshalb entfallen, weil bei Stellung des Antrags im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits der Rohbau fertiggestellt war (vgl. VGH München, Beschl. v. 26.7.2010, 2 CS 10.465, juris). Dabei kommt es grundsätzlich auf die Stellung des Antrags beim Verwaltungsgericht an. Zu diesem Zeitpunkt am 16. Juli 2013 war der Rohbau selbst nach Angaben der Beigeladenen noch nicht einmal zur Hälfte fertiggestellt.

35

c) Die Antragstellerin hat weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl sie im Verfahren gegen den Vorbescheid das Ruhen angeregt hat. Zwar ist ein von den Rechtsschutzmöglichkeiten in der Hauptsache abgekoppelter Eilrechtsschutz verfassungsrechtlich nicht nur nicht geboten; für einen Antrag auf vorläufigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz entfällt grundsätzlich auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, wenn effektiver Rechtsschutz bereits in der Hauptsache möglich gewesen wäre (VGH München, Beschl. v. 29.7.2008, 9 CS 08.1347, juris, Rn. 4). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsgerichtshof München selbst in dem von ihm zu entscheidenden Fall, in dem der Kläger über einen Zeitraum von fast drei Jahren keine Untätigkeitsklage neben seinem Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erhoben hatte, offen gelassen hat, ob das Rechtsschutzbedürfnis tatsächlich entfallen ist (VGH München, Beschl. v. 29.7.2008, a.a.O., Rn. 7). In jedem Fall sind die Voraussetzungen für ein Entfallen des Rechtsschutzes gemäß dieser Fallgruppe nicht gegeben. Die Klage gegen den Vorbescheid betrifft einen anderen Streitgegenstand als die Klage gegen die Baugenehmigung und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage. Bei der Frage, ob der Antragstellerin effektiver Rechtsschutz bereits in der Hauptsache möglich gewesen wäre, kommt es auf die Klage gegen die Baugenehmigung an. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin bis zu ihrem Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Juli 2013 effektiven Rechtsschutz gegen die Baugenehmigung in der Hauptsache hätte erlangen können, zumal die Antragsgegnerin erst im April 2013 über den Widerspruch gegen die Baugenehmigung entschieden hat und die Antragstellerin im Verfahren gegen die Baugenehmigung nicht untätig geblieben ist, sondern bereits im Januar 2013 Untätigkeitsklage erhoben hatte.

36

d) Das Rechtsschutzbedürfnis besteht auch in Bezug auf die im Zusammenhang mit dem Betrieb des Einrichtungshauses der Beigeladenen befürchteten Immissionen. Die zukünftige Immissionsbelastung wird entscheidend durch die Eigenart der baulichen Anlage, insbesondere die Zufahrt zu den Parkdecks und die Parkdecks selbst, geprägt sein. Deshalb hat die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse daran, sich gegen die Fertigstellung des Bauvorhabens zu wehren und kann insoweit nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden.

37

2. Der Antrag ist jedoch nur teilweise begründet. Allerdings überwiegt bei der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung entgegen der Auffassung der Beigeladenen ihr Interesse das Interesse der Antragstellerin nicht allein aufgrund der späten Stellung des Antrags im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und des bis zur Stellung des Antrags realisierten Baufortschritts. Zwar ist ein Nachbar, der sich durch ein Bauvorhaben in seinen Rechten betroffen sieht, gehalten, durch zumutbares aktives Handeln den wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn und dessen Vermögensverlust so gering wie möglich zu halten, indem er unverzüglich seine Einwendungen geltend macht (BVerwG, Beschl. v. 18.3.1988, 4 B 50/88, juris, Rn. 4). Dieser im baurechtlichen Nachbarverhältnis wurzelnde Grundsatz gilt auch für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. OVG Saarlouis, Beschl. v. 30.1.2002, 2 W 5/01, juris, Rn. 6). Jedoch hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ihre Einwendungen gegen den Vorbescheid und gegen die Baugenehmigung frühzeitig mitgeteilt. Sie hat die insoweit bestehenden gerichtlichen Verfahren zwar u.a. aufgrund der schwebenden Vergleichsverhandlungen nicht mit Nachdruck betrieben. Im Verfahren gegen den Vorbescheid hat sie sogar das Ruhen des Verfahrens angeregt. Sie hat aber keine der Klagen zurückgenommen und auch sonst nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie ohne Abschluss eines Vergleichs auf weitere Rechtsbehelfe verzichten werde. Vor diesem Hintergrund konnte die Beigeladene zu keinem Zeitpunkt darauf vertrauen, dass die Antragstellerin ihre Einwendungen gegen das Vorhaben nicht mehr erheben wird. Die Durchführung des Bauvorhabens trotz der bestehenden Klagen gegen den Vorbescheid und die Baugenehmigung erfolgte auf eigenes Risiko der Beigeladenen. Die Antragstellerin ist ihren Obliegenheiten aus der Nachbarstellung durch Geltendmachung ihrer Einwendungen in den beiden Klagen ausreichend nachgekommen.

38

Unter Berücksichtigung der offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache [a)] überwiegt das Interesse der Antragstellerin daran, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren Rechtsbehelf keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, das öffentliche Vollzugsinteresse und die Interessen der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung lediglich insoweit, als bei einer Nutzung des Einrichtungshauses im genehmigten Umfang die Gefahr unzumutbarer Immissionen besteht [b)]. Deshalb ist die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auszusprechen. Im Übrigen überwiegen die Interessen der Beigeladenen und das öffentliche Vollzugsinteresse.

39

a) Die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache sind nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung offen. Ob die angegriffene Baugenehmigung vom 17. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013 und des Änderungsbescheids vom 14. Mai 2013 die Antragstellerin in ihren subjektiven Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt und deshalb im Hauptsacheverfahren aufzuheben sein wird, ist offen. Ein Grundstückseigentümer kann sich gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die Genehmigung dieses Vorhabens ihn in seinen eigenen Rechten verletzt, also gegen solche baurechtlichen Bestimmungen verstößt, die nach dem erkennbaren Willen des Normgebers ein subjektiv-öffentliches (eigenes) Abwehrrecht des betroffenen Nachbarn begründen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.9.1986, 4 C 8/84, juris, Rn. 11; OVG Hamburg, Beschl. v. 7.5.1990, Bs II 65/90, juris, Rn. 6). Demgegenüber kann durch den Drittbetroffenen weder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch im Hauptsacheverfahren eine umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Baugenehmigung erreicht werden. Insofern kommt es nicht darauf an, ob das Bauvorhaben objektiv genehmigungsfähig war oder ist. Entscheidungserheblich ist vielmehr allein, ob durch die Baugenehmigung solche Normen verletzt sind, die die Antragsteller schützen sollen.

40

Ob dies hier der Fall ist, ist offen. Zwar verletzt die angegriffene Baugenehmigung aller Voraussicht nach keine nachbarschützenden Vorschriften des Bauordnungsrechts. Insbesondere hält die Baugenehmigung die gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO allein nachbarschützende Mindesttiefe der Abstandsflächen von 2,50 m ein. Auch dürfte der Antragstellerin weder ein gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch [aa)] noch ein gebietsübergreifender Anspruch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets zustehen [bb)]. Außerdem sind die der Beigeladenen erteilten Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB von den im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen und der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse lediglich am Rücksichtnahmegebot zu messen [cc)]. Jedoch ist offen, ob dieses Gebot der Rücksichtnahme durch das Vorhaben der Beigeladenen verletzt wird [dd)].

41

aa) Die Antragstellerin kann sich nicht auf einen gebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch, der allein in Betracht kommt, da ihr Grundstück in einem anderen Baugebiet als das Vorhabengrundstück liegt, berufen. Zwar ist in der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt, dass ein solcher Anspruch bestehen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.1973, IV C 71.71, juris, Rn. 28; OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.3.2009, 1 LA 184/06, juris, Rn. 14, m.w.N.; zurückhaltender: BVerwG, Beschl. v. 18.12.2007, 4 B 55/07, juris, Rn. 6). Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet setzt allerdings den erkennbaren Willen des Plangebers voraus, dass Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen (OVG Koblenz, Beschl. v. 2.7.2013, 1 B 10480/13, juris, Rn. 9; OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.3.2009, 1 LA 184/06, juris, Rn. 14). Ein solcher Anspruch scheidet hier aus. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen und es ist auch nicht ersichtlich, dass die Festsetzung des Baugebiets des Vorhabengrundstücks als Kerngebiet dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung im allgemeinen Wohngebiet dienen soll. Dies ist im Gegenteil wegen der mit einem Kerngebiet regelmäßig zusammenhängenden Immissionsbelastung fernliegend. Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht auf die Frage der Gebietsverträglichkeit des Einrichtungshauses an (vgl. zur Gebietsverträglichkeit BVerwG, Beschl. v. 28.2.2008, 4 B 60/07, juris).

42

bb) Der Antragstellerin steht gegen das Vorhaben der Beigeladenen auch kein Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO zu (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 4.5.2009, 2 Bs 154/08, juris; Beschl. v. 5.6.2009, 2 Bs 26/09, juris; Beschl. v. 2.9.2010, 2 Bs 144/10, juris). Da ihr Grundstück in einem anderen Baugebiet als das Vorhabengrundstück liegt, könnte sie sich lediglich auf einen gebietsübergreifenden Anspruch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO berufen. Der Anspruch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dient dazu, die typische Prägung des jeweiligen Baugebiets zu sichern. Deshalb kann ein gebietsübergreifender Anspruch gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nur bestehen, wenn nach dem erkennbaren Willen des Plangebers die Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen. Dies ist für die Kerngebietsausweisung, in dem das Vorhaben der Beigeladenen liegt, nicht der Fall [s.o. II. 2. a) aa)].

43

cc) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt es nicht darauf an, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB - etwa die Wahrung der Grundzüge der Planung - für die der Beigeladenen erteilten Befreiungen von den im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen und der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse vorliegen. Hinsichtlich des Nachbarschutzes im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB ist nämlich danach zu unterscheiden, ob von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans oder von nichtdrittschützenden Festsetzungen befreit wird (BVerwG, Beschl. v. 8.7.1998, 4 B 64/98, juris, Rn. 5 f.; OVG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2012, 2 Bs 165/12, juris, Rn. 27). Weicht ein Bauvorhaben von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans ab, hat der Dritte einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (BVerwG, Beschl. v. 8.7.1998, a.a.O.; OVG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2012, a.a.O). Bei der Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung eines Bebauungsplans hat der Nachbar lediglich ein subjektiv öffentliches Recht auf Würdigung seiner nachbarlichen Interessen; unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung die Rechte des Nachbarn verletzt, ist dabei nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum drittschützenden Gebot der Rücksichtnahme i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO entwickelt hat (BVerwG, Beschl. v. 8.7.1998, a.a.O.). Für den Nachbarn bedeutet das, dass er ein Bauvorhaben, für das eine Befreiung erteilt wurde, in diesem Fall nur dann mit Erfolg angreifen kann, wenn dieses ihm gegenüber rücksichtslos ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2012, a.a.O, Rn. 29).

44

Vor diesem Hintergrund kann sich die Antragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilten Befreiungen von den im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen und der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse nur im Rahmen des Rücksichtnahmegebots wehren. Denn im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Festsetzung der Baugrenzen und der zulässigen Vollgeschossanzahl ausnahmsweise drittschützend sein könnten.

45

Bei beiden Festsetzungen handelt es sich um solche zum Maß der baulichen Nutzung, die grundsätzlich nicht nachbarschützend sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass § 30 BauGB aus sich heraus keine subjektiv-öffentlichen Rechte zugunsten des Nachbarn begründet. Ob Festsetzungen auf der Grundlage der §§ 16 ff. und des § 23 BauNVO auch darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt vom Willen der Gemeinde als Planungsträger ab (BVerwG, Beschl. v. 19.10.1995, 4 B 215.95, juris, Rn. 3). Etwas anderes ergibt sich nicht aus der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (VGH Mannheim, Beschl. v. 8.3.1988, BRS 48 Nr. 169). An dieser Rechtsprechung, die vor der grundlegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erging, hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim nicht festgehalten (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 1.2.1993, 8 S 2796/92, juris, Rn. 15). Von der Ausweisung von Baugebieten abgesehen, die kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung hat, dient ein Bebauungsplan mit Rücksicht auf seine städtebauliche Ordnungsfunktion für ein Plangebiet zunächst öffentlichen Interessen. Ob darüber hinaus einer Festsetzung nachbarschützender Charakter zukommt, muss im Einzelfall für die jeweilige Ausweisung durch Auslegung ermittelt werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, 2 Bs 188/07, juris, Rn. 6 f.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts eröffnen Ausweisungen über das Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich keine nachbarlichen Abwehrrechte (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, a.a.O., Rn. 7, m.w.N.).

46

Ein von diesem Grundsatz ausnahmsweise abweichender Wille des Plangebers lässt sich dem Bebauungsplan Altona-Altstadt 14 und seiner Begründung weder in Bezug auf die Baugrenzen noch in Bezug auf die Anzahl der genehmigten Vollgeschosse entnehmen. In der Begründung heißt es (S. 2):

47

„Im Kerngebiet an der Großen Bergstraße ist eine intensive Bebauung mit maximal sechzehn Geschossen ausgewiesen. … Entsprechend der Empfehlungen der Unabhängigen Kommission für den Aufbauplan an besonders geeigneten zentralen Punkten stadtbildgestaltende Dominanten zu schaffen, wurde für das Wohn- und Kerngebiet eine verdichtete Nutzung ausgewiesen. Das Maß der Nutzung überschreitet dabei die im § 17 Absatz 1 … [BauNVO 1968] festgelegten Höchstwerte. Die Überschreitung wird durch Maßnahmen ausgeglichen, durch die sichergestellt ist, dass die allgemeinen Voraussetzungen für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gegeben sind und den Anforderungen des Verkehrs Rechnung getragen wird. Diese Maßnahmen sind als Vorbedingung in dem städtebaulichen Wettbewerb festgesetzt worden. Da auch sonst keine öffentliche Belange entgegenstehen, sind die Voraussetzungen des § 17 Absatz 9 der Baunutzungsverordnung gegeben“

48

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ergibt sich ein Wille des Plangebers, den Festsetzungen der Baugrenzen und der Vollgeschossanzahl auf dem Grundstück der Beigeladenen ausnahmsweise nachbarschützende Wirkung zu geben, nicht daraus, dass die Begründung auf Ausgleichsmaßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse Bezug nimmt, die in dem städtebaulichen Wettbewerb als Vorbedingung gesetzt wurden.

49

(1) Es bestehen bereits keine Anhaltspunkte dafür, dass die Baugrenzen und die Vollgeschossanzahl auf dem Grundstück der Beigeladenen zu den Ausgleichsmaßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Plangebiet gehören. Die Unterlagen zum städtebaulichen Wettbewerb sind nach Angaben der Antragsgegnerin nicht mehr auffindbar, so dass sich im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend klären lässt, welche Maßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse als Ausgleich für die Überschreitung der in der Baunutzungsverordnung 1968 festgelegten Höchstwerte für das Maß der baulichen Nutzung festgelegt wurden. Jedoch lässt sich der Begründung des Bebauungsplans weder entnehmen, dass die Festsetzungen der Baugrenzen oder der Anzahl der Vollgeschosse als Ausgleichsmaßnahmen anzusehen sind noch, dass diese Festsetzungen dem Schutz des allgemeinen Wohngebiets südlich des A-Wegs dienen sollen. Hinweise auf einen ausnahmsweise angeordneten Nachbarschutz der Festsetzungen sind auch in den weiteren Materialien zur Entstehung des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 nicht enthalten. Gemäß der Drucksache V / Nr. 156 für die Bezirksversammlung Altona vom 7. Oktober 1969 und des Bebauungsplanentwurfs vom 7. November 1969 (beide in der Sachakte Altona-Alt 14 II) ist die Überschreitung der Maximalwerte der Baunutzungsverordnung für das allgemeine Wohngebiet und das Kerngebiet besonders durch die günstige Verkehrslage begründet. Diese günstige Verkehrslage dürfte damit nach Ansicht des Plangebers als bereits bestehender Umstand (vgl. zur Zulässigkeit schon bestehender Umstände als Ausgleichsmaßnahme im Rahmen des § 17 BauNVO: Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 2013, § 17 BauNVO, Rn. 25) maßgeblich zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Plangebiet trotz der Nutzungsverdichtung beitragen. Dass darüber hinaus auf dem Grundstück der Beigeladenen die Vollgeschossanzahl im südlichen Bereich begrenzt und Baugrenzen festgesetzt wurden, um als Ausgleichsmaßnahmen gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse sicherzustellen, ergibt sich aus den vorhandenen Materialien nicht. Dies ist auch deshalb nicht wahrscheinlich, weil die Anzahl der Vollgeschosse auf dem Grundstück der Beigeladenen - selbst im nördlichen Grundstücksbereich mit der höchsten Festsetzung von sechs Vollgeschossen -deutlich geringer ausfällt als auf den benachbarten Flurstücken (1756 und 1758) mit bis zu 12 bzw. 16 zulässigen Vollgeschossen. Ausgleichsmaßnahmen wären demnach vor allem hinsichtlich dieser Grundstücke und nicht in Bezug auf das Grundstück der Beigeladenen zu erwarten gewesen.

50

(2) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Begrenzung der Vollgeschossanzahl und die Festlegung der Baugrenzen auf dem Grundstück der Beigeladenen als Ausgleichsmaßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Plangebiet erforderlich gewesen wären. Eine Begrenzung des Verkehrs und der damit zusammenhängenden Emissionen dürfte aus Sicht des Plangebers angesichts der günstigen Verkehrslage, auf die in den Materialien zum Bebauungsplan explizit hingewiesen wurde (s.o.), nicht erforderlich gewesen sein. Die weiteren Voraussetzungen gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 6.6.2002, 4 CN 4/01, juris, Rn. 29), wie etwa Belichtung, Belüftung und sozialer Abstand zwischen Gebäuden, werden durch die bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu den Abstandsflächen sichergestellt (vgl. § 6 HBauO). Zusätzliche Festsetzungen im Bebauungsplan waren insoweit nicht erforderlich.

51

(3) Davon unabhängig sind selbst dann keine Anhaltspunkte für den Willen des Plangebers, den Festsetzungen der Baugrenzen und der Vollgeschossanzahl ausnahmsweise nachbarschützende Wirkung beizumessen, vorhanden, wenn diese Festsetzungen als Maßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Sinne der Begründung des Bebauungsplans anzusehen wären. Die Begründung des Bebauungsplans orientiert sich nämlich am Wortlaut des § 17 Abs. 9 BauNVO 1968. Sie legt dar, weshalb der Bebauungsplan ausnahmsweise die Vorgaben des § 17 Abs. 1 BauNVO 1968 zum Maß der baulichen Nutzung überschreiten darf. § 17 Abs. 1 und 9 BauNVO 1968 dienen aber maßgeblich stadtplanerischen Zielen und nicht dem privaten Nachbarschutz. Gleiches gilt für den städtebaulichen Wettbewerb, der dem Bebauungsplan zu Grunde liegt. Die Maßnahmen, die als Ausgleichsmaßnahmen zur Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse als Vorbedingung des städtebaulichen Wettbewerbs festgesetzt wurden, dienten damit grundsätzlich städtebaulichen Zielen. Auch insoweit bedürfte es besonderer Anhaltspunkte für einen vom Plangeber ausnahmsweise angeordneten Drittschutz dieser Ausgleichsmaßnahmen. Solche Anhaltspunkte sind weder im Wortlaut der Begründung noch in den vorhandenen Materialien zur Entstehungsgeschichte des Bebauungsplans Altona-Altstadt 14 enthalten.

52

dd) Jedoch ist derzeit offen, ob das innerstädtische Einrichtungshaus der Beigeladenen in der genehmigten Form das Gebot der Rücksichtnahme (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) verletzt. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2004, 4 C 1/04, juris, Rn. 22, m.w.N.). Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, sind dann gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.10.1989, 4 C 14/87, juris, Rn. 14).

53

Gemessen an diesem Maßstab liegt zwar kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot unter den Gesichtspunkten der Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung, Besonnung oder wegen entstehender Einsichtsmöglichkeiten [(1)] bzw. der erdrückenden Wirkung [(2)] vor. Jedoch ist derzeit offen, ob das genehmigte Vorhaben wegen der mit seinem Betrieb einhergehenden Emissionen rücksichtslos ist [(3)].

54

(1) Ein Verstoß gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme folgt nicht aus einer Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung oder Besonnung oder wegen entstehender Einsichtsmöglichkeiten. Wenn ein Bauvorhaben auf eigenem Grund die bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Abstandsflächen gegenüber den angrenzenden Nachbargrundstücken einhält, fehlt es in der Regel an einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 17.9.2012, 2 Bs 169/12, juris, Rn. 28, m.w.N.). Dies gilt jedenfalls wegen einer möglichen Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung oder Besonnung oder wegen entstehender Einsichtsmöglichkeiten (OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, 2 Bs 188/07, juris, Rn. 8).

55

Das Vorhaben des Beigeladenen hält die notwendigen Abstandsflächen von 0,4 H gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 HBauO ein. Dabei ist - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - bei der Berechnung der Abstandsflächen nicht auf die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Altona-Altstadt 14, sondern auf die im Zeitpunkt der Entscheidung über die Baugenehmigung geltende Fassung der Hamburgischen Bauordnung abzustellen. Da die Baugenehmigung die hoheitliche Erklärung ist, dass dem Vorhaben im Zeitpunkt der Entscheidung Hindernisse aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften nicht entgegenstehen, ist die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage maßgeblich (Niere in: Alexejew, HBauO, 2012, § 72, Rn. 67).

56

Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 HBauO müssen Abstandsflächen auf dem Grundstück des Vorhabens oder auf öffentlichen Verkehrsflächen - allerdings nur bis zu deren Mitte - liegen. Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 HBauO bemisst sich die Tiefe der Abstandsfläche nach der Wandhöhe; sie wird rechtwinklig zur Wand gemessen. Die Wandhöhe ist das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wandaußenseite mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Danach werden die Abstandsflächen von dem Vorhaben der Beigeladenen zu der südlich gelegenen Wohnanlage der Antragstellerin hin eingehalten, wie sich aus dem Abstandsflächenplan vom 5. Juli 2011 ergibt.

57

Dies gilt auch dann, wenn die Auffassung der Antragstellerin zutrifft, dass die Brüstung auf der ersten Parkebene bei Berechnung der Abstandsfläche gemäß § 6 Abs. 6 Nr. 2 HBauO zu berücksichtigen ist, weil sie mehr als ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nimmt. Denn auch bei Berücksichtigung der Brüstung werden die Abstandsflächen eingehalten. Die Brüstung hat eine zusätzliche Höhe von etwa 1,20 m über dem höchsten Punkt der Außenwand (20,85 m) also eine geplante Höhe von etwa 22,05 m. Sie ist aber gleichzeitig um ca. 80 cm zurückversetzt. Die zusätzlichen 0,4 H von 1,20 m (48 cm) werden durch den Rücksprung der Brüstung gewahrt.

58

Die Abstandsflächen werden auch bei Berücksichtigung der weiteren Parkebenen eingehalten. Die zusätzliche Höhe der Parkebenen wird durch den ansteigenden Rücksprung ausgeglichen. Eine Unterschreitung der notwendigen Abstandsflächen zu den Grundstücken der Antragstellerin hin, ist an keiner Stelle zu erwarten.

59

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin handelt es sich beim Zurücksetzen der Brüstung und der Parkgeschosse auch nicht um eine unzulässige Umgehung der Abstandsflächenvorschriften. Vielmehr entspricht es bei konisch zulaufenden bzw. pyramidenartig ausgeführten Gebäuden ohne abgegrenzte Dachfläche dem Sinn der Abstandsflächenvorschriften, die Abstandsfläche schichtweise, das heißt gesondert für jedes Stockwerk, zu ermitteln. Maßgebend ist auch hier das Maß H mit der größten Ausdehnung (Niere in: Alexejew, HBauO, 2012, § 6, Rn. 85). Schutzzweck der Abstandsflächenregelung ist es nämlich, die ausreichende Belichtung, Belüftung und einen ausreichenden sozialen Abstand durch Sicherung eines Mindestabstands zweier Gebäude sicherzustellen. Es ist also auf die Entfernung der Gebäude in der jeweils zu betrachtenden Höhe abzustellen. Wie bei pyramidenartig ausgeführten Gebäuden vergrößert sich durch den Rücksprung die Entfernung zwischen dem Gebäude des Beigeladenen und denen der Antragstellerin. Der Rücksprung ist bei der Berechnung der Abstandsflächen zutreffend berücksichtigt worden.

60

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin findet auch keine Umgehung des § 6 Abs. 4 Satz 3 HBauO durch eine Deklarierung der Parkgeschosse als Dach statt. Bei den überdachten Parkgeschossen handelt es sich nicht um das Dach, sondern um eigenständige Vollgeschosse. Ansonsten wäre die Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB für das Überschreiten der zulässigen Anzahl der Vollgeschosse nicht erforderlich. Demnach ist ihre Höhe schichtweise pro Vollgeschoss hinzuzuzählen. Auch bei dieser schichtweisen Einbeziehung der vollständigen Geschosshöhe werden die Abstandsflächen aufgrund des ansteigenden Rücksprungs eingehalten.

61

Anhaltspunkte für einen darüber hinausgehenden atypischen Fall der Verletzung des Rücksichtnahmegebots trotz Einhaltung der Abstandsflächen sind nicht ersichtlich, zumal das Vorhaben der Beigeladenen im Norden der Wohnanlage der Antragstellerin liegt, so dass insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verschattung keine relevante Beeinträchtigung zu erwarten ist. Gleiches gilt für den Gesichtspunkt der Einsichtsmöglichkeiten, da die Fensterflächen auf der Gebäudeseite, die der Wohnanlage der Antragstellerin zugewandt ist, von geringer Größe im Verhältnis zur gesamten Fassadenfläche sind.

62

(2) Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme unter dem Gesichtspunkt der erdrückenden Wirkung. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat offengelassen, ob für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen einer erdrückenden Wirkung in der Regel kein Raum ist, wenn die notwendige Abstandsfläche eingehalten wird (OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, 2 Bs 188/07, juris, Rn. 11). Dies kann auch vorliegend dahinstehen, denn von dem Vorhaben der Beigeladenen wird aller Voraussicht nach keine erdrückende Wirkung ausgehen.

63

Eine erdrückende Wirkung wird angenommen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich „die Luft nimmt", wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins" entsteht oder wenn die Größe des „erdrückenden" Gebäudes aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls derartig übermächtig ist, dass das „erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird (OVG Münster, Beschl. v. 30.8.2013, 7 B 252/13, juris, Rn. 15 f.; Urt. v. 19.7.2010, 7 A 3199/08, juris, Rn. 58 f.). Erdrückende Wirkung kann insbesondere bei einer Riegelwirkung oder einem Einmauerungseffekt vorliegen (OVG Hamburg, Beschl. v. 12.2.2010, 2 Es 2/09.N, juris, Rn. 38). Dabei erzeugt selbst das Nebeneinander einer dreigeschossigen und einer eingeschossigen Bebauung als solches noch keine erdrückende Wirkung (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, 2 Bs 188/07, juris, Rn. 12). Soweit eine beengende Wirkung darauf zurückzuführen ist, dass das Gebäude der Antragstellerin selbst nur einen geringen Abstand zur Grundstücksgrenze auf ihrem Grund-stück einhält, hat sie keinen Anspruch darauf, dass die Beigeladene bei der Gestaltung der Bebauung ihres Grundstücks die Nachteile ausgleicht, die dem Grundstück der Antragstellerin aufgrund der grenznahen Bebauung anhaften (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, a.a.O.).

64

Gemessen an diesem Maßstab ist keine erdrückende Wirkung zu befürchten. Insbesondere wird das innerstädtische Einrichtungshaus weder eine Riegelwirkung noch einen Einmauerungseffekt erzeugen. Aufgrund der großen Entfernung zum Vorhaben der Beigeladenen ist eine erdrückende Wirkung für alle Gebäude der Antragstellerin bis auf das Gebäude A-Weg 9 von vorneherein ausgeschlossen. Auch für das Gebäude A-Weg 9 ist eine erdrückende Wirkung nicht zu erwarten. Durch den Rücksprung der Parkgeschosse werden diese auf Straßenhöhe bzw. im Erdgeschoss in den Gebäuden der Antragstellerin nicht zur beengenden Wirkung beitragen, so dass insoweit nur die Traufhöhe des Einrichtungshauses von etwa 21 Metern zu berücksichtigen ist. An jeder Stelle besteht ein Mindestabstand von über 14 Metern zum Einrichtungshaus. Beide Gebäude sind durch den A-Weg getrennt. Darüber hinaus befindet sich das Gebäude A-Weg 9 fast unmittelbar an der Grundstücksgrenze der Antragstellerin. Da eine eventuell eintretende beengende Wirkung auch auf diese Lage des Wohngebäudes der Antragstellerin zurückzuführen ist, hat sie keinen Anspruch darauf, dass die Beigeladene bei der Gestaltung der Bebauung ihres Grundstücks die Nachteile ausgleicht, die dem Grundstück der Antragstellerin aufgrund der eigenen grenznahen Bebauung anhaften. Schließlich ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass beide Gebäude in einem sehr zentralen, innerstädtisch geprägten Bereich Altonas liegen. In dieser Lage sind die Anwohner verpflichtet, eine intensivere Bebauung der Nachbargrundstücke hinzunehmen, als es etwa in Randbereichen der Stadt der Fall wäre. Wie die umgebende Bebauung, insbesondere auf den Flurstücken 6 und 7 mit bis zu 12 bzw. 16 zulässigen Vollgeschossen zeigt, handelt es sich bei dem geplanten Gebäude der Beigeladenen mit einer Höhe von etwa 32 m auf der vierten Parkebene (die Aufbauten auf der Parkebene sind so mittig gelegen, dass sie zu der beengenden Wirkung nicht beitragen), in diesem innerstädtischen Bereich nicht um ein außergewöhnlich hohes Gebäude.

65

(3) Jedoch ist derzeit offen, ob das genehmigte Vorhaben wegen der mit seinem Betrieb einhergehenden Emissionen rücksichtslos sein wird.

66

Ab welchem Maß an Immissionen ein Bauvorhaben den Nachbarn gegenüber rücksichtslos ist, ergibt sich aus §§ 3, 22 BImSchG, wonach u.a. bauliche Anlagen keine schädlichen Umwelteinwirkungen, d.h. Immissionen herbeiführen dürfen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen. Gemessen an diesem Maßstab sind zwar voraussichtlich keine unzumutbaren Lichtimmissionen für die Antragstellerin zu befürchten [(a)]. Jedoch ist offen, ob das genehmigte Vorhaben unzumutbare Lärmimmissionen [(b)] bzw. eine unzumutbare Luftschadstoffbelastung auslösen wird [(c)].

67

(a) Die Baugenehmigung lässt voraussichtlich keine durch den Betrieb des Einrichtungshauses verursachten unzumutbaren Lichtimmissionen zu. Die Vorgaben der Baugenehmigung zur Beleuchtungsstärke und zum Proportionalitätsfaktor (Nr. 10.3 des Änderungsbescheids vom 14. Mai 2013) entsprechen den Vorgaben der Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (Beschluss des Länderausschusses für Immissionsschutz vom 10. Mai 2000 - LAI-Hinweise). Zwar sind die LAI-Hinweise nicht allgemeinverbindlich, jedoch können sie als sachverständige Beurteilungshilfe und als Bewertungsmaßstab bei der Einzelfallprüfung im Rahmen des Rücksichtnahmegebots herangezogen werden (VGH Mannheim, Urt. v. 29.3.2012, 3 S 2658/10, juris, Rn. 40; OVG Münster, Beschl. v. 27.2.2009, 7 B 1647/08, juris, Rn. 48 ff.). Dass im Einzelfall trotz der Einhaltung der Grenzwerte der LAI-Hinweise unzumutbare Lichtemissionen von dem Einrichtungshaus der Beigeladenen ausgehen könnten, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Es bestehen auch keine Indizien dafür, dass die Grenzwerte der LAI-Hinweise beim Betrieb des Einrichtungshauses überschritten werden könnten. Die in dem Gutachten zu den Lichtimmissionen im April 2012 (Anlage 324 zur Baugenehmigung) prognostizierten Werte auf der südlichen Gebäudeseite des Vorhabens der Beigeladenen, welche den Gebäuden der Antragstellerin zugewandt ist, liegen mit einer Beleuchtungsstärke von 0,47 Lux deutlich unterhalb des zulässigen Höchstwertes von 1 Lux (S. 14 des Gutachtens). Zu der zu erwartenden Blendungswirkung (Proportionalitätsfaktoren) enthält das Gutachten zwar keine näheren Angaben. Jedoch werden nach Ansicht des Gutachters bei Einhaltung der im Gutachten zu Grunde gelegten Bedingungen (Leuchtdichtenobergrenzen und lichttechnische Kennziffern) auch die Höchstwerte bezüglich der Blendungswirkung eingehalten (S. 17 des Gutachtens). Darüber hinaus ist die Beigeladene gemäß Nr. 10.3. des Änderungsbescheids vom 14. Mai 2013 verpflichtet, die Einhaltung der in der Baugenehmigung festgesetzten Höchstwerte in Bezug auf die Beleuchtungsstärke und die Blendungswirkung durch sachverständige Messung nachzuweisen. Sollten die zulässigen Höchstwerte überschritten werden, hat die Beigeladene in Abstimmung mit der Antragsgegnerin unverzüglich die Maßnahmen, die zur Reduzierung der Werte auf das zulässige Maß notwendig sind, zu treffen. Vor diesem Hintergrund sind unzumutbare Lichtimmissionen auch in Bezug auf eine mögliche Blendungswirkung nicht zu erwarten.

68

(b) Ob das genehmigte Vorhaben unzumutbare Lärmimmissionen auslösen wird, ist im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend aufklärbar. Insoweit bedarf es ggf. einer Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren.

69

Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärmimmissionen bei Nachbarkonflikten im Rahmen des Rücksichtnahmegebots ist die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm (BVerwG, Urt. v. 29.11.2012, 4 C 8/11, juris, Rn. 17, 19). Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu (BVerwG, Urt. v. 29.11.2012, a.a.O., Rn. 18). Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z.B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (BVerwG, Urt. v. 29.11.2012, a.a.O.; Urt. v. 29.8.2007, 4 C 2.07, juris, Rn. 12).

70

Es ist derzeit offen, ob das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen im Betrieb die Richtwerte und übrigen Vorgaben der TA Lärm einhalten wird [(aa)]. Die in der Baugenehmigung enthaltenen Auflagen sind nicht geeignet, sicherzustellen, dass von dem genehmigten Vorhaben keine unzumutbaren Lärmimmissionen ausgehen [bb)].

71

(aa) Es ist erstens offen, ob das genehmigte Vorhaben den Immissionsrichtwert gemäß Nr. 6.1 Buchstabe d TA Lärm für allgemeine Wohngebiete von tagsüber 55 dB(A) einhalten wird. Nach der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011 (Anlage 137 zur Baugenehmigung) wird durch den Gewerbelärm inklusive der bestehenden Vorbelastung dieser Richtwert an drei Immissionsorten um 1 dB(A) überschritten (vgl. Anlage 7 zur schalltechnischen Untersuchung).

72

Jedoch bestehen erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Prognose. Denn sie beruht auf einer fragwürdigen Grundannahme, die im Rahmen einer Beweisaufnahme in der Hauptsache zu überprüfen sein wird. Die in der schalltechnischen Untersuchung zu Grunde gelegten Emissionsdaten der Zu- und Abfahrten in das Parkhaus des Einrichtungshauses und auf den Parkdecks beruhen auf der Ermittlung des zu erwartenden Neuverkehrs durch die Verkehrsuntersuchungen des Verkehrsplanungsbüros (vgl. S. 15 der schalltechnischen Untersuchung vom 20.10.2011). Der Prognose des Neuverkehrs liegt ihrerseits die Annahme zu Grunde, dass lediglich die Hälfte der Kunden mit dem eigenen PKW zum Einrichtungshaus fahren wird (sogenannter Modal-Split, S. 7 der Verkehrsuntersuchung vom 20. März 2009). Diese Annahme wird mit der „sehr guten Anbindung“ des Einrichtungshauses an den öffentlichen Personennahverkehr begründet. Allerdings dürfte eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr nicht zwangsläufig zu einer deutlichen Verringerung des Anteils von PKW-Nutzern an den Kunden der Beigeladenen führen. So ist das Einrichtungshaus der Beigeladenen in Hamburg-Moorfleet sehr gut an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden (S-Bahn Station Billwerder-Moorfleet und Bushaltestelle der Linie 230 in unmittelbarer Nähe). Dennoch liegen dem Gericht keine Erkenntnisse über einen deutlich geringeren Anteil an PKW-Nutzern unter den Kunden dieses Einrichtungshauses vor.

73

Unabhängig davon spricht entscheidend gegen einen lediglich hälftigen Anteil der Kunden mit eigenem PKW, dass es das traditionelle Konzept der Beigeladenen ist, Möbel zum Selbstabholen und Selbstaufbauen zu verkaufen. Von diesem Konzept ist die Beigeladene auch bei dem streitgegenständlichen innerstädtischen Einrichtungshaus nicht abgewichen. Insbesondere ist - wie bei den übrigen Einrichtungshäusern der Beigeladenen - eine große Selbstbedienungs-Halle ohne Einschränkung des Sortiments - etwa auf leicht ohne PKW zu transportierende Gegenstände - vorgesehen (vgl. S. 3 der Bau- und Projektbeschreibung, Anlage 28 zur Baugenehmigung). Es ist auch keine verbindliche Anlieferung der Möbel durch die Beigeladene von einem anderen - etwa in einem verkehrsgünstigen Gewerbegebiet gelegenen - Lager aus vorgesehen. Vor diesem Hintergrund ist dem Gericht nicht ersichtlich, wie den Kunden der Transport der gekauften Möbel ohne PKW in relevantem Umfang möglich sein soll. Zwar besteht die Möglichkeit des Möbeltransports durch spezielle „Möbeltaxis“. Auch diese müssen aber von dem Einrichtungshaus zum Kunden und zurück fahren und nutzen dabei die gewöhnliche Parkhausein- und ausfahrt der Beigeladenen (vgl. etwa Anlage 7 zur schalltechnischen Untersuchung vom 20.10.2011). Deshalb dürfte der Einsatz von „Möbeltaxis“ die Lärmemissionen im Vergleich zur PKW-Anfahrt der Kunden nicht wesentlich verringern.

74

Darüber hinaus ist durch die Baugenehmigung nicht sichergestellt, dass der von der Beigeladenen angenommene Modal-Split beim Betrieb des Einrichtungshauses erreicht wird. Zwar sieht die Baugenehmigung vom 17. Februar 2012 unter Nr. 9.1. (S. 7) vor, dass Grundlage für die Beurteilung die von der Beigeladenen getroffene Annahme über den hälftigen Anteil der PKW-Nutzer am Kundenaufkommen sei. Jedoch bleibt schon unklar, worauf sich die „Beurteilung“ bezieht (z.B. Rechtmäßigkeit oder Wirksamkeit der Baugenehmigung). Unabhängig davon sieht die Baugenehmigung lediglich vor, dass die Einhaltung der Annahme über den Modal-Split „anzustreben“ sei. Es ist weder angeordnet, den Modal-Split beim tatsächlichen Betrieb des Einrichtungshauses zu überprüfen, noch bei einem zu hohen Anteil von PKW-Nutzern verbindliche Maßnahmen zu treffen (etwa Einschränkung der Betriebszeiten oder des vor Ort angebotenen Sortiments bzw. verbindliche Anlieferung von einem gesonderten, verkehrsgünstiger gelegenen Lager). Vor diesem Hintergrund muss es dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, die Annahmen zum Modal-Split zu überprüfen.

75

Sollte sich herausstellen, dass entgegen der Annahme der Beigeladenen ein höherer Kundenanteil mit dem eigenen PKW zum Einrichtungshaus fahren wird, so ist mit im Vergleich zur schalltechnischen Untersuchung erhöhten Immissionswerten zu rechnen. Aus zwei Gründen ist allerdings offen, ob die Immissionsrichtwerte des Nr. 6.1 Buchstabe d TA Lärm (ggf. mit Gemengelagenzuschlag) beim Betrieb des Einrichtungshauses eingehalten werden können. Zum einen kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden, wie stark die Verkehrsbelastung ansteigen könnte und ob bei einer erhöhten Verkehrsbelastung die Immissionsrichtwerte der TA Lärm überschritten werden. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin wegen der Gemengelage von Kerngebiet und allgemeinem Wohngebiet die Richtwerte des allgemeinen Wohngebiets gemäß Nr. 6.7 TA Lärm um einen Zuschlag erhöhen könnte, wenn der Stand der Lärmminderungstechnik eingehalten wird. Für die Bildung eines Zwischenwerts gemäß Nr. 6.7 TA Lärm ist die zuständige Behörde verantwortlich (Hansmann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, 2013, 3.1 TA-Lärm, Nr. 6, Rn. 26). Dabei sind sowohl die schutzwürdigen Interessen der Antragstellerin an der Wohnnutzung ihrer Gebäude als auch der Beigeladenen am Betrieb ihres Einrichtungshauses zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.2010, 7 B 4/10, juris, Rn. 32). Allerdings ist ein möglicher Zwischenwert zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht berücksichtigungsfähig, da die Antragsgegnerin bisher keinen Zwischenwert festgesetzt hat.

76

Zweitens ist offen, ob durch den An- und Abfahrtsverkehr, der nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm zu berücksichtigen ist, unzumutbare Lärmimmissionen hervorgerufen werden. Zwar wird die Regelung des Nr. 7.4 Abs. 2 der TA-Lärm in der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011 zitiert (S. 8). Jedoch wird nicht untersucht, ob beim Betrieb des Einrichtungshauses Beurteilungspegel vorliegen werden, die zusätzliche organisatorische Maßnahmen zur Emissionsreduzierung erforderlich machen. Ob dies der Fall sein wird, lässt sich derzeit nicht abschließend klären. Nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm sollen Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 Metern von dem Betriebsgrundstück in Gebieten nach Nummer 6.1 Buchstaben c bis f durch Maßnahmen organisatorischer Art soweit wie möglich vermindert werden, soweit sie den Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche für den Tag oder die Nacht rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöhen, keine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt ist und die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) erstmals oder weitergehend überschritten werden.

77

Es spricht einiges dafür, dass die Voraussetzungen für (weitere) organisatorische Maßnahmen gemäß Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm zumindest in Bezug auf den A-Weg in dem Bereich zwischen den Gebäuden A-Weg 3 und 9 erfüllt sein werden. In diesem Bereich liegt der A-Weg zwischen Kerngebiet und allgemeinem Wohngebiet, also in Gebieten nach Nr. 6.1 Buchstabe c und d TA-Lärm. Dieser Bereich ist auch weniger als 500 m von dem Einrichtungshaus der Beigeladenen entfernt. Der Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche wird durch den An- und Abfahrtverkehr für den Tag rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöht (vgl. Anlage 5 zur schalltechnischen Untersuchung v. 20.10.2011, wonach die Werte um bis zu 7,7 dB(A) im Vergleich zum Bestand erhöht werden). Eine Vermischung mit dem übrigen Verkehr wird aller Voraussicht nach nicht erfolgt sein, da sich das Verkehrswegenetz an dieser Stelle noch nicht verzweigt hat (vgl. zu diesem Kriterium: Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, 2013, 3.1 TA-Lärm, Nr. 7, Rn. 54).

78

Schließlich werden voraussichtlich die Immissionsgrenzwerte der Sechzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV) vom 12. Juni 1990 (BGBl. I S. 1036), geändert am 19. September 2006 (BGBl. I S. 2146) erstmals überschritten. Nach der 16. BImSchV sind Immissionsgrenzwerte am Tag in allgemeinen Wohngebieten von 59 dB(A) und in Kerngebieten von 64 dB(A) einzuhalten. Zwar kann die Antragsgegnerin auch bei der Anwendung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV im Rahmen der Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm bei einer Gemengelage einen Zwischenwert festlegen (vgl. OVG Münster, Urt. v. 9.3.2012, 2 A 1626/10, juris, Rn. 106). Einen solchen hat die Antragsgegnerin aber bisher nicht gebildet. Selbst wenn ein Zwischenwert unterstellt wird, der voraussichtlich bei 61 oder 62 dB(A) liegen würde, überschreiten die in der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011 prognostizierten Beurteilungspegel diesen Wert an mehreren Immissionsorten (vgl. Anlage 4 zur schalltechnischen Untersuchung). Dies gilt selbst dann, wenn bei der Prognose nicht auf die zulässige Höchstgeschwindigkeit, sondern auf die in der Praxis mögliche Geschwindigkeit abzustellen ist (in diese Richtung: VGH München, Beschl. v. 23.7.2013, 2 ZB 11.1605, juris, Rn. 16). Auch bei reduzierter Geschwindigkeit wird der Immissionsgrenzwert selbst bei unterstelltem Zwischenwert von 62 dB (A) an mindestens sieben Immissionsorten überschritten (Anlage 8 zur schalltechnischen Untersuchung vom 20.10.2011). Diese Grenzwertüberschreitung dürfte noch dadurch verschärft werden, dass diese Berechnung auf dem in der schalltechnischen Untersuchung angenommenen Modal-Split beruht. Sollte beim Betrieb des Einrichtungshauses eine tatsächlich höhere Verkehrsbelastung eintreten - wofür einiges spricht - wird die Belastung durch Verkehrsgeräusche im Sinne des Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm entsprechend zunehmen.

79

Angesichts dessen hätte die Anordnung weiterer organisatorischer Maßnahmen zur Reduzierung des zurechenbaren Verkehrslärms in der Baugenehmigung nahegelegen, zumal die Antragsgegnerin selbst davon ausgeht, dass der Verkehrslärm des An- und Abfahrtverkehrs nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm bei der Berechnung der Zusatzbelastung durch das Vorhaben zu berücksichtigen ist (S. 48 der Baugenehmigung, letzter Spiegelstrich). Zu den organisatorischen Maßnahmen gemäß Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm zählen auch betriebliche Maßnahmen (Hansmann in: Landmann/Rohmer, a.a.O., Rn. 57), so dass etwa die Reduzierung der Öffnungszeiten des Einrichtungshauses in Betracht kommt (vgl. zur Zulässigkeit der Beschränkung der Anzahl von Besuchern einer Veranstaltung als Maßnahme nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm: OVG Münster, Urt. v. 13.9.2010, 7 A 1186/08, juris, Rn. 79). Sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass weitere organisatorische Maßnahmen gemäß Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm erforderlich sind und die Antragsgegnerin diese nicht anordnen, dann wäre das genehmigte Vorhaben rücksichtslos. Denn Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm ist die Wertung zu entnehmen, dass ein Vorhaben jedenfalls dann die gebotene Rücksichtnahme gegenüber dem betroffenen Nachbarn vermissen lässt, wenn mögliche Maßnahmen organisatorischer Art zur Verminderung der die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllenden Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf der öffentlichen Verkehrsfläche unterbleiben (OVG Münster, Urt. v. 13.9.2010, a.a.O.). In Bezug auf das Einrichtungshaus der Beigeladenen kommt eine Vielzahl an organisatorischen und betrieblichen Maßnahmen zur Verminderung der Verkehrsgeräusche in Betracht. So ist beispielsweise an eine Beschränkung der Öffnungszeiten, eine Beschränkung des Sortiments auf Produkte, die nicht mit dem PKW transportiert werden müssen oder an eine Pflicht zur Anlieferung der Möbel aus einer räumlich getrennten Lagerhalle, die verkehrsgünstiger gelegen ist, zu denken.

80

(bb) Es ist auch nicht durch Auflagen in der Baugenehmigung sichergestellt, dass von dem genehmigten Vorhaben keine unzumutbaren Lärmimmissionen ausgehen werden.

81

Dies gilt erstens für die in Ziffer 55.1. der Anlage 7 der Baugenehmigung getroffene Regelung, dass spätestens drei Monate nach Inbetriebnahme der Anlage durch Messung nachzuweisen ist, dass die Grenzwerte nach Ziffer 1.2.3 bis 1.2.5 eingehalten werden. Zwar ist Ziffer 55.1. der Baugenehmigung nicht unbestimmt (vgl. zur Frage der Unbestimmtheit: OVG Hamburg, Urt. v. 14.7.2008, 2 Bf 277/03, juris, Rn. 31), obwohl der Verweis auf die Ziffern 1.1.2, 1.2.2 bis 1.2.5, 1.3.1 und 1.3.3 aus sich heraus unverständlich ist. Angesichts der zwingend vorgeschriebenen Schriftform der Baugenehmigung (§ 58 Abs. 4 Satz 1 HBauO) muss sich der Baugenehmigung selbst – gegebenenfalls durch Auslegung – der Regelungshalt entnehmen lassen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 30.5.2005, 10 A 2017/03, juris, Rn. 4). Im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung des Vermerks vom 14. Dezember 2011 (S. 140 der Sachakte des Baugenehmigungsverfahrens; das Gericht geht insoweit davon aus, dass der Beigeladenen als Adressatin der Baugenehmigung auch der Vermerk vom 14.12.2011 zur Verfügung steht) ergibt sich ein ausreichend eindeutiger Regelungsgehalt, da sich die Ziffern den Regelungen in der Anlage 7 der Baugenehmigung zuordnen lassen (die Regelungsvorschläge des Vermerks vom 14. Dezember 2011 sind inhaltlich unverändert in die Anlage 7 der Baugenehmigung übernommen worden, ohne dass die Nummerierung angepasst wurde). Jedoch bezieht sich die in Ziffer 55.1. der Baugenehmigung angeordnete Pflicht zur Durchführung einer Messung nach Inbetriebnahme des Einrichtungshauses lediglich auf die kurzzeitigen Geräuschspitzen (1.2.3), die Nachhallzeit in der eingehausten Parkhauszufahrt (1.2.4) und den Schallleistungspegel in der Toreinfahrt (1.2.5). Dass die Grenzwerte der Nr. 6.1 Buchstabe d TA Lärm für ein allgemeines Wohngebiet (ggf. mit Gemengelagenzuschlag) und der Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm hinsichtlich des dem Vorhaben zurechenbaren Verkehrslärms im allgemeinen Wohngebiet (ggf. mit Gemengelagenzuschlag) eingehalten werden, muss die Beigeladene nicht durch eine nach Aufnahme des Betriebs der Anlage durchgeführte Immissionsmessung nachweisen. Insoweit hat sich die Antragsgegnerin auch keine zusätzlichen Auflagen für den Fall der Nichteinhaltung der Grenzwerte vorbehalten.

82

Dies gilt zweitens für die in der Nr. 55.1. in Anlage 7 der Baugenehmigung enthaltenen Zielauflagen, wonach die Bestimmungen der TA Lärm einzuhalten sind und insbesondere die Zusatzbelastung durch den Betrieb des Einrichtungshauses bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten dürfe (dabei ergibt die Auslegung der Baugenehmigung, dass mit den auf S. 48 als Ziffer 1.2.2 bezeichneten Immissionsgrenzwerten, die auf S. 49 aufgeführten Werte gemeint sein sollen). Zwar ist es im Grundsatz zulässig, den Lärmschutz durch zielorientierte Festlegung bestimmter Grenzwerte zu regeln (vgl. VGH München, Beschl. v. 29.8.2013, 15 ZB 13.1023, juris, Rn. 17; Beschl. v. 17.8.2010, 15 CS 10.981, juris, Rn. 13; Beschl. v. 29.6.2009, 15 CS 09.860, juris, Rn. 14). Dabei muss jedoch gewährleistet sein, dass die Richtwerte im regelmäßigen Betrieb der Anlage auch eingehalten werden können (VGH München, Beschl. v. 29.8.2013; Beschl. v. 17.8.2010, a.a.O.; Beschl. v. 29.6.2009, a.a.O.). Bestehen berechtigte Zweifel, dass dies nicht der Fall sein wird, ist das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht der angemessene Ort, um zu klären, in welcher Weise diese Zweifel ausgeräumt werden können (VGH München, Beschl. v. 17.8.2010, a.a.O., Rn. 17).

83

Vorliegend bestehen erhebliche Zweifel, dass die in Nr. 55.1. der Anlage 7 der Baugenehmigung enthaltenen Zielauflagen beim regelmäßigen Betrieb des Einrichtungshauses eingehalten werden können. Ob die Bestimmungen der TA Lärm allgemein eingehalten werden können, ist wegen der zweifelhaften Annahmen zur künftigen Verkehrsbelastung und der damit zusammenhängenden Immissionen sowie wegen des nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm dem Vorhaben zuzurechnenden erheblichen Lärms des An- und Abfahrtverkehrs fraglich [s.o. II. 2. a) dd) (3) (b) (aa)]. Noch unwahrscheinlicher ist, es dass die durch das Einrichtungshaus ausgelöste Zusatzbelastung die in der Baugenehmigung (S. 49) insoweit festgelegten Immissionsgrenzwerte einhalten wird. Die Baugenehmigung schreibt zu Recht vor, dass die „Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen“ (S. 48, letzter Spiegelstrich der Baugenehmigung) bei der Berechnung der Zusatzbelastung durch das Vorhaben zu berücksichtigen sind. Selbst bei der auf einer Geschwindigkeit von 30 km/h beruhenden Prognose (Anlage 8 der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011) werden allein die nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm zurechenbaren Immissionen des An- und Abfahrtverkehrs die festgesetzten Grenzwerte für die Zusatzbelastung deutlich überschreiten. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich die Immissionsorte auf S. 49 der Baugenehmigung und in Anlage 11 der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011 auf falsche Hausnummern beziehen. Die Nummerierung des A-Wegs geht nur bis Nummer 11, eine Hausnummer 13 gibt es nicht. Dementsprechend dürften sich die Immissionsorte auf die Gebäude mit um zwei reduzierten Hausnummern (5 statt 7 usw.) beziehen. Am Beispiel des Immissionspunkts 1 (A-Weg 5, 1. Obergeschoss) zeigt sich, dass der festgesetzte Immissionsgrenzwert von 54 dB(A) tagsüber (S. 49 der Baugenehmigung) allein durch den prognostizierten zurechenbaren Verkehrslärm von 62 dB(A) (Anlage 8 der schalltechnischen Untersuchung) deutlich überschritten wird. Vergleichbare Überschreitungen liegen an allen in der Baugenehmigung aufgeführten Immissionsorten vor. Diese Überschreitungen folgen daraus, dass die Antragsgegnerin richtigerweise bei der Definition der Zusatzbelastung (S. 48 der Baugenehmigung) auch die nach Nr. 7.4. Abs. 2 TA Lärm zurechenbaren Verkehrsgeräusche berücksichtigt hat, gleichzeitig aber die Immissionsgrenzwerte (S. 49 der Baugenehmigung) aus der Anlage 11 der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Oktober 2011 übernommen hat, in der diese Verkehrsgeräusche nach Nr. 7.4. Abs. 2 TA Lärm nicht berücksichtigt werden.

84

(c) Schließlich ist offen, ob bei Betrieb des genehmigten Einrichtungshauses unzumutbare Luftschadstoffimmissionen auftreten werden. Zwar geht das Luftschadstoffgutachten vom 19. Oktober 2011 davon aus, dass die gesetzlichen Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub [vgl. §§ 3, 4 und 5 der Neununddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065)] eingehalten werden. Jedoch beruht auch dieses Gutachten auf den Verkehrsuntersuchungen und damit auf einem lediglich hälftigen Anteil an Kunden, die mit einem PKW an- und abfahren werden (S. 13 des Luftschadstoffgutachtens). Es ist aber fraglich, ob diese Annahmen zum Modal-Split und damit zum Verkehrsaufkommen im realen Betrieb des Einrichtungshauses eingehalten werden [s.o. II. 2. a) dd) (3) (b) (aa)]. Eine tatsächlich höhere Verkehrsbelastung würde auch die Luftschadstoffimmissionen erhöhen. Da selbst bei der im Gutachten unterstellten Verkehrsbelastung der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV) im A-Weg nur knapp unterschritten wird (S. 33 des Luftschadstoffgutachtens), ist derzeit offen, ob bei einem ggf. erhöhten Verkehrsaufkommen im realen Betrieb der Grenzwert eingehalten werden kann. Eine ergänzende Luftschadstoffmessung bei Betrieb des Einrichtungshauses ist aber in der Baugenehmigung ebenso wenig vorgesehen, wie Auflagen, für den Fall, dass die Grenzwerte überschritten werden.

85

(4) Offen ist darüber hinaus, ob es beim Betrieb des Einrichtungshauses im A-Weg zu einer Rückstaubildung vor den Parkhausein- und ausfahrten kommen kann, welche die Feuerwehrzufahrt und ggf. auch die Tiefgaragenzufahrten zu den Wohngebäuden der Antragstellerin versperren könnte. Zwar hat die Antragsgegnerin zu dieser Problematik in ihrem Schreiben vom 5. Juli 2013 (Bl. 217 d. A. 9 E 2814/13) ausführlich Stellung genommen und nachvollziehbar geschildert, weshalb es bei der in den Verkehrsgutachten prognostizierten Verkehrsbelastung aller Voraussicht nach nicht zu einer Rückstaubildung in den A-Weg hinein kommen wird. Jedoch greifen auch insoweit die Bedenken gegen die prognostizierte Verkehrsbelastung durch [s.o. II. 2. a) dd) (3) (b) (aa)]. Es ist derzeit offen, ob es bei einer erhöhten Verkehrsbelastung im realen Betrieb des Einrichtungshauses zu einer problematischen Rückstaubildung kommen kann.

86

b) Vor dem Hintergrund der offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache in Bezug auf die beim Betrieb des Einrichtungshauses zu erwartende Verkehrsbelastung und die daraus resultierenden Immissionen überwiegen die Interessen der Antragstellerin die Interessen der Beigeladenen, soweit die Baugenehmigung letzterer erlaubt, das Einrichtungshaus werktags nach 19.30 Uhr für den Kundenverkehr zu öffnen [aa)]. Im Übrigen überwiegen die Interessen der Beigeladenen [bb)].

87

aa) Nach Ansicht der Kammer überwiegt in Bezug auf die Nutzung des Einrichtungshauses werktags nach 19.30 Uhr das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollzugsinteresse und das private Ausnutzungsinteresse der Beigeladenen. Ausschlaggebend ist hierfür, dass bei einer vorläufigen Ausnutzung der Baugenehmigung in vollem Umfang jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Antragstellerin bzw. ihre Mieter Lärm- und Luftschadstoffimmissionen ausgesetzt sein werden, die das Maß des Zumutbaren übersteigen. Das Interesse, von unzumutbaren Immissionen verschont zu bleiben, überwiegt das wirtschaftliche Interesse der Beigeladenen an einer vollständigen Ausnutzung der Baugenehmigung, zumal von der Beigeladenen nicht vorgetragen wurde und auch nicht ersichtlich ist, dass die aufschiebende Wirkung hinsichtlich eines begrenzten Teils der beabsichtigten Öffnungszeiten über die damit einhergehenden vorläufigen wirtschaftlichen Einbußen hinaus eine besondere Härte oder gar eine Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Existenz darstellt (vgl. zu diesem Aspekt: VG Lüneburg, Beschl. v. 21.2.2011, 2 B 85/10, juris, Rn 27). Im Übrigen halten sich die nachteiligen Wirkungen der Entscheidung der Kammer im einstweiligen Rechtsschutz für die Beigeladene und die Antragsgegnerin auch dadurch in Grenzen, dass ihnen die Möglichkeit offen steht, nach § 80 Abs. 7 VwGO einen Abänderungsantrag zu stellen, soweit eine ergänzende Sachverhaltsermittlung ergeben sollte, dass unzumutbare Lärm- und Luftschadstoffeinwirkungen auf die Grundstücke der Antragstellerin nicht zu besorgen sind (vgl. auch insoweit: VG Lüneburg, Beschl. v. 21.2.2011, a.a.O.).

88

Die Beschränkung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf die Zeit ab 19.30 Uhr erfolgt, um einerseits weitgehend sicherzustellen, dass es beim Betrieb des Einrichtungshauses nicht zu unzumutbaren Lärm- bzw. Luftschadstoffimmissionen [(1) und (2)] kommen wird und um andererseits der Beigeladenen den Betrieb in dem Umfang zu ermöglichen, in dem nicht mit unzumutbaren Immissionen zu rechnen ist.

89

(1) Unzumutbare Lärmimmissionen sind bei der im Tenor angeordneten beschränkten Öffnungszeit des Einrichtungshauses nach Ansicht des Gerichts aller Voraussicht nach nicht zu befürchten.

90

(a) Dies gilt zunächst für die Lärmimmissionen, die von dem Einrichtungshaus selbst - inklusive des zurechenbaren Verkehrs auf dem Betriebsgrundstück gemäß Nr. 7.4 Abs. 1 TA Lärm - ausgehen. Bei einer entsprechenden Begrenzung der Öffnungszeiten ist nach Auffassung der Kammer ausreichend sichergestellt, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm nach Nr. 6.1 Buchstabe d TA Lärm (ggf. inklusive eines Gemengelagenzuschlags) beim Betrieb des Einrichtungshauses nicht überschritten werden. Denn die Begrenzung der Öffnungszeiten führt aus zwei Gründen zu erheblich verringerten Beurteilungspegeln:

91

Erstens entfällt der Zuschlag nach Nr. 6.5 TA-Lärm von 6 dB(A) für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit, wenn sichergestellt ist, dass in der besonders schutzwürdigen Zeit von 20 bis 22 Uhr keine Immissionen zu erwarten sind. Allein dadurch wird der Beurteilungspegel für den Tageszeitraum werktags um etwa 1,9 dB(A) gesenkt (Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, 2013, 3.1 TA-Lärm, Nr. 6, Rn. 32; die 1,9 dB(A) beziehen sich allerdings zusätzlich auch auf den Zeitraum von 6 bis 7 Uhr, der vorliegend nicht relevant ist, so dass sich der Wert noch leicht verändern könnte). Die vorläufige Begrenzung der Öffnungszeiten des Einrichtungshauses auf 19.30 Uhr dürfte ausreichend sicherstellen, dass ab 20 Uhr keine Immissionen aus dem Betrieb des Parkhauses und des An- und Abfahrtverkehrs zu erwarten sind. Dies entspricht der in § 1 des städtebaulichen Vertrags vom 7. August 2012 (S. 218 der Sachakte des Baugenehmigungsverfahrens) vorgeschlagenen Differenz von 30 Minuten zwischen Schließung des Einrichtungshauses (21.30 Uhr) und sicherem Ende der Benutzung des Parkhauses (22 Uhr).

92

Zweitens handelt es sich bei dem Beurteilungspegel, auf den sich die Immissionsrichtwerte beziehen (vgl. Nr. 2.10 TA Lärm) und der auf dem Mittelungspegel (vgl. Nr. 2.7 TA Lärm) beruht, um einen zeitlichen Mittelwert des Schalldruckpegels. Daraus folgt, dass der Beurteilungspegel kleiner wird, wenn sich bei gleichbleibendem Beurteilungszeitraum (6 bis 22 Uhr) die Einwirkungszeit durch reduzierte Öffnungszeiten verringert.

93

(b) Dies gilt auch für den nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm zu berücksichtigenden Lärm des An- und Abfahrtverkehrs. Zwar ist der Beurteilungspegel für den Straßenverkehr auf öffentlichen Verkehrsflächen gemäß Nr. 7.4 Abs. 3 TA Lärm nach den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen - Ausgabe 1990 - RLS-90 und damit nach anderen Maßstäben als der Beurteilungspegel des Gewerbelärms zu bestimmen. Der Beurteilungspegel von Straßen wird danach aus der Verkehrsstärke, dem LKW-Anteil, der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, der Art der Straßenoberfläche und der Steigung bestimmt. Insoweit reduziert die Beschränkung der Öffnungszeiten den Beurteilungspegel nur mittelbar, in dem sie sich aller Voraussicht nach reduzierend auf die Verkehrsstärke auswirken wird. Eine Unterscheidung zwischen Zeiträumen tagsüber mit erhöhter und gewöhnlicher Sensibilität entsprechend der Regelung in Nr. 6.5 TA Lärm ist nicht vorhanden, so dass keine Reduzierung des Beurteilungspegels durch Wegfall eines Zuschlags erfolgt. Dennoch lässt sich bei der Interessenabwägung im Rahmen des Rücksichtnahmegebots auch bezüglich der gemäß Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm zu berücksichtigenden Verkehrsgeräusche die Wertung des Nr. 6.5 TA Lärm übertragen. Eine vorläufige deutliche Reduzierung des Verkehrslärms in Zeiträumen mit besonderer Sensibilität zwischen 20 und 22 Uhr trägt den Interessen der Antragstellerin bzw. ihrer Mieter an einem Schutz ihrer Wohnruhe vor dem Lärm des An- und Abfahrtverkehrs im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hinreichend Rechnung.

94

(2) Durch die Beschränkung der Öffnungszeiten wird auch hinreichend sichergestellt, dass keine unzumutbaren Luftschadstoffimmissionen beim Betrieb des Einrichtungshauses entstehen. Zwar wirkt sich die Beschränkung auch insoweit nur mittelbar auf die prognostizierten Emissionen aus, da diese maßgeblich auf der täglichen Verkehrsstärke beruhen (vgl. S. 9 des Luftschadstoffgutachtens vom 19. Oktober 2011). Nach Auffassung des Gerichts ist aber zu erwarten, dass durch die Beschränkung der Öffnungszeiten die tägliche Verkehrsstärke in etwa soweit reduziert wird, dass selbst bei einer erhöhten Verkehrsbelastung durch einen im Vergleich zu den Annahmen der Verkehrsuntersuchungen höheren PKW-Anteil am Modal-Split, der Grenzwert des § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV beim Betrieb des Einrichtungshauses eingehalten werden kann. Eine eingehende Prüfung bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

95

(3) Hinsichtlich der Rückstaugefahr vor den Parkhauseinfahrten, die bei einer möglicherweise erhöhten Verkehrsbelastung im A-Weg im Vergleich zu den fraglichen Annahmen der Baugenehmigung zum Modal-Split nicht ausgeschlossen ist [s.o. II. 2. a) dd) (4)], sieht das Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von einer weitergehenden Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Dies geschieht vor allem angesichts der in den Vergleichsverhandlungen zwischen den Beteiligten erörterten und nach Angaben der Antragsgegnerin ernsthaft in Betracht zu ziehenden geänderten Verkehrsführung im A-Weg (Möglichkeit einer zusätzlichen Abbiegespur für das Einrichtungshaus).

96

bb) Im Übrigen überwiegen die Interessen der Beigeladenen das Interesse der Antragstellerin. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Fertigstellung des genehmigten Baukörpers. Die möglicherweise beim Betrieb des Einrichtungshauses drohende unzumutbare Immissionsbelastung lässt sich aller Voraussicht nach durch organisatorische und betriebliche Maßnahmen auf ein zumutbares Maß reduzieren. Deshalb wäre ein kompletter Baustopp unverhältnismäßig. Die gegen die Art und das Maß der Nutzung und die Ausmaße des genehmigten Baukörpers selbst gerichteten Einwendungen der Antragstellerin haben aller Voraussicht nach im Hauptsacheverfahren keine Aussicht auf Erfolg [s.o. II. 2. a) aa), bb) und cc) sowie dd) (1) und (2)].

III.

97

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 3, § 155 Abs. 1 VwGO sowie § 162 Abs. 3 VwGO. Die Antragstellerin hat zu einem eher geringen Anteil hinsichtlich der Nutzungszeiten des Einrichtungshauses obsiegt. Diesen Anteil beziffert das Gericht mit 1/4. Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt, so dass ihr einerseits keine Kosten auferlegt werden können und es andererseits der Billigkeit entspricht, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.

98

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei hält die Kammer den in der ständigen Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts angewendeten Rahmen von 7.500,-- bis 30.000,-- Euro für den Streitwert einer baurechtlichen Nachbarklage in einem Hauptsacheverfahren (OVG, Beschl. v. 29.11.2006, 2 Bs 148/06, juris) für ausnahmsweise zu gering. Angesichts der Größe des Vorhabens der Beigeladenen und den 214 betroffenen Wohnungen der Antragstellerin und der erheblichen Immissionsbelastung, die von dem Vorhaben der Beigeladenen ausgehen wird, erscheint dem Gericht ein Streitwert von 40.000,-- Euro in der Hauptsache angemessen. Dieser Wert ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen

This content does not contain any references.