Urteil vom Verwaltungsgericht Hamburg (2. Kammer) - 2 K 3939/13

Tenor

Der Bescheid vom 30. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. August 2013 wird aufgehoben, soweit für den Bewilligungszeitraum von November 2006 bis September 2007 die Ausbildungsförderung neu festgesetzt und soweit Ausbildungsförderung in einer 2.346,-- Euro übersteigenden Höhe zurückgefordert worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Beteiligten tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung und Rückforderung von Ausbildungsförderung, die für die Bewilligungszeiträume von April bis September 2005 und von November 2006 bis September 2007 geleistet worden ist.

2

Die 1982 geborene Klägerin nahm im Sommersemester 2003 das Studium im Diplomstudiengang A. an der Universität B. auf.

3

Auf den am 3. März 2005 eingegangenen Antrag der Klägerin auf Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum ab April 2005 (Bl. C 1 der Förderungsakte) traf die Beklagte folgende Entscheidungen:

4

– Mit Bescheid vom 24. Mai 2005 gewährte die Beklagte Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum von April 2005 bis März 2006 in Höhe von monatlich 530,-- Euro ausgehend von einem Gesamtbedarf in gleicher Höhe, ohne Anrechnung von Einkommen der Eltern, aber unter dem Vorbehalt der Rückforderung, weil der für die Einkommensanrechnung maßgebende Steuerbescheid der Eltern noch nicht vorliege (Bl. C 24 der Förderungsakte).

5

– Mit Bescheid vom 25. Juli 2005 gewährte die Beklagte im Hinblick auf eine im Oktober 2005 beginnende Auslandsausbildung unter Aufhebung des früheren Bescheids Ausbildungsförderung für den verkürzten Bewilligungszeitraum von April bis September 2005 in selber Höhe und unter dem selben Vorbehalt der Rückforderung (Bl. C 32 der Förderungsakte).

6

– Mit Bescheid vom 25. Januar 2006 gewährte die Beklagte unter Aufhebung des früheren Bescheids Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum von April bis September 2005 in selber Höhe, jedoch nunmehr unter dem Vorbehalt der Rückforderung, weil der für die Einkommensanrechnung maßgebende Steuerbescheid der Eltern gemäß § 164 AO noch vorläufig sei und unter dem Vorbehalt der späteren Nachprüfung durch die Finanzbehörde stehe (Bl. C 44 der Förderungsakte). Am 16. Dezember 2005 war die gemäß § 21 Abs. 4 SGB X erteilte Auskunft des Finanzamts D. zur Förderungsakte gelangt, dass am 5. Dezember 2005 für die Eltern ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO ergangen sei, nach dem allein die Mutter Einkünfte erzielt habe, und zwar aus selbständiger Arbeit in Höhe von 14.350,-- Euro (Bl. D 33 der Förderungsakte).

7

Auf den am 14. November 2006 eingegangenen Antrag der Klägerin auf Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum von November 2006 bis September 2007 (Bl. D 1 der Förderungsakte) traf die Beklagte folgende Entscheidungen:

8

– Mit Bescheid vom 21. Februar 2007 gewährte die Beklagte Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 530,-- Euro, ausgehend von einem Gesamtbedarf in gleicher Höhe, ohne Anrechnung von Einkommen der Eltern, aber unter dem Vorbehalt der Rückforderung, weil der für die Einkommensanrechnung maßgebende Steuerbescheid der Eltern noch nicht vorliege (Bl. D 50 der Förderungsakte).

9

– Mit Bescheid vom 23. Mai 2008 setzte die Beklagte die Förderung auf monatlich 0,-- Euro fest und forderte die für den Bewilligungszeitraum gewährte Ausbildungsförderung gestützt auf § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG zurück (Bl. D 80 der Förderungsakte). Auf eine Klage der Klägerin hin hob das Verwaltungsgericht Hamburg mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 24. Oktober 2011, 2 K 3267/08, den Bescheid vom 23. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2008 (Bl. D 91 der Förderungsakte) auf.

10

– Mit Bescheid vom 2. Februar 2012 gewährte die Beklagte unter Aufhebung früherer Bescheide, soweit für gleiche Zeiträume Entscheidungen getroffen wurden, Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 530,-- Euro, ausgehend von einem Gesamtbedarf in gleicher Höhe, ohne Anrechnung von Einkommen der Eltern, aber unter dem Vorbehalt der Rückforderung, weil der für die Einkommensanrechnung maßgebende Steuerbescheid der Eltern noch nicht vorliege (Bl. E 62 der Förderungsakte).

11

Das Finanzamt D. hatte mit zwei Bescheiden vom 12. August 2010 über Einkommensteuer, Zinsen zur Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer gegenüber den Eltern der Klägerin die Einkommensteuern für 2003 und 2004 festgesetzt, die am 18. August 2010 zur Förderungsakte gelangten (Bl. E 50 f., E 52 f. der Förderungsakte). Die Festsetzungen sind jeweils gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 AO in dem Umfang, wie er in den Bescheiden ausgeführt ist, vorläufig. Am 11. Oktober 2010 gelangte die Auskunft des Finanzamts D. zur Förderungsakte für die Schwester der Klägerin C., dass gegen die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 Einspruch eingelegt sei (Bl. E 124 der Förderungsakte für die Schwester). Am 2. November 2011 gelangte die Auskunft des Finanzamts D. zur Förderungsakte für die Schwester, dass das Klageverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 erledigt sei und es zu keiner Änderung der bisher bereits mitgeteilten Besteuerungsgrundlagen gekommen sei (Bl. E 144 der Förderungsakte für die Schwester). Eine Kopie gelangte am 27. Juni 2012 in die Förderungsakte der Klägerin (Bl. E 71 R, 72 der Förderungsakte). Am 21. Juni 2012 gelangte die Auskunft des Finanzamts D. zur Förderungsakte der Klägerin, das der Einkommensteuerbescheid der Eltern für das Jahr 2004 vom 12. August 2010 bestandskräftig sei (Bl. E 67 der Förderungsakte). Die Beklagte legte in einem Telefonvermerk vom 22. August 2013 zur Förderungsakte für die Schwester nieder, das Finanzamt D. habe mitgeteilt, dass die dort erstellten Einkommensteuerbescheide bestandskräftig und keine Verfahren mehr anhängig seien (Bl. E 195 der Förderungsakte für die Schwester).

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Mit dem durch die vorliegende Klage angefochtenen Bescheid vom 30. August 2012 hob die Beklagte die Bewilligung von Ausbildungsförderung für die benannten Bewilligungszeiträume teilweise auf und forderte geleistete Ausbildungsförderung in Höhe von 7.241,-- Euro zurück (Bl. E 85 ff. der Förderungsakte). Die Beklagte setzte die Bewilligung neu fest

13

– für den Bewilligungszeitraum von April bis September 2005 auf monatlich 139,-- Euro, ausgehend davon, dass der Klägerin bisher ein Betrag von 530,-- Euro bewilligt worden sei, der Gesamtbedarf ebenfalls 530,-- Euro betrage und Einkommen der Eltern in Höhe von 390,83 Euro anrechenbar sei (Bl. E 87 der Förderungsakte),

14

– für den Bewilligungszeitraum von November 2006 bis September 2007 auf monatlich 85,-- Euro, ausgehend davon, dass der Klägerin bisher ein Betrag von 530,-- Euro bewilligt worden sei, der Gesamtbedarf ebenfalls 530,-- Euro betrage und Einkommen der Eltern in Höhe von 444,75 Euro anrechenbar sei (Bl. E 88 der Förderungsakte).

15

Der Bescheid enthält für jeden Bewilligungszeitraum den Hinweis, dass über den Antrag der Klägerin auf den durch früheren Bescheid Ausbildungsförderung zunächst unter dem Vorbehalt der Rückforderung bewilligt worden sei, hiermit abschließend entschieden und eine Überzahlung zurückgefordert werde.

16

Die Klägerin legte mit Eingang am 20. September 2012 Widerspruch ein (Bl. E 94 der Förderungsakte). Zu dessen Begründung führte sie aus, die vom Finanzamt D. genannten Zahlen seien nicht korrekt, es sei diesbezüglich ein Strafverfahren gegen ihren Vater anhängig (Bl. E 98, 107 der Förderungsakte). Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2013 zurück (Bl. E 114 der Förderungsakte).

17

Zur Begründung führte sie aus, die Aufhebung und Rückforderung von Ausbildungsförderung sei rechtmäßig. Die Steuerbescheide seien bestandskräftig.

18

Die Beklagte forderte mit Bescheid vom 3. September 2013 gegenüber der Mutter der Klägerin gemäß § 47a BAföG zur Erstattung von Leistungen in Höhe von 1.322,64 Euro für den Bewilligungszeitraum von November 2006 bis September 2007 auf (Bl. E 116 der Förderungsakte) sowie mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag den Vater der Klägerin zur Erstattung von Leistungen in Höhe von 5.918,36 Euro für die Bewilligungszeiträume von April bis September 2005 sowie November 2006 bis September 2007 (Bl. E 119 der Förderungsakte).

19

Mit der am 30. September 2013 erhobenen Klage nimmt die Klägerin Bezug auf das von ihr erstrittene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Oktober 2011, 2 K 3267/08. Die Klägerin trägt weiter vor, nie in den Besitz der von der Beklagten angeforderten Steuerbescheide ihrer Eltern von 2003 und 2004 gelangt zu sein. Das Finanzamt D. habe im Jahr 2010 einen vorläufigen Einkommensteuerbescheid für die Jahre 2003 und 2004 erlassen. Das Finanzamt habe dabei zu Unrecht im Zusammenhang mit der Tätigkeit ihres Vaters als ehrenamtlicher Vorstand eines Vereins angenommen, dass er selbst Gewinne erzielt habe. Selbst wenn sie, die Klägerin, Mitwirkungspflichten verletzt habe, sei über §§ 60, 66 SGB I die Rückforderung bereits bewilligter Leistungen nicht möglich. Die vermeintliche Überzahlung sei ihren Eltern zuzurechnen.

20

Aus dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin ergibt sich der Antrag,

21

den Bescheid vom 30. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. August 2013 aufzuheben, soweit der Bewilligungszeitraum von April 2005 bis März 2006 und der Bewilligungszeitraum von April 2006 bis März 2007 betroffen sind.

22

Aus dem schriftsätzlichen Vorbringen der Beklagten ergibt sich der Antrag,

23

die Klage abzuweisen.

24

Die Beklagte bezieht sich zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid.

25

Das Gericht hat amtliche Auskünfte des Finanzamts D. vom 20. Februar 2014 und 6. August 2014 eingeholt. Danach wurde der Einkommensteuerbescheid 2004 der Eltern vor dem Finanzgericht E. mit der Klage angefochten und das Verfahren beim Register des Gerichts gelöscht, nachdem die Insolvenzverwalterin fruchtlos gebeten worden war, bis zum 31. August 2011 mitzuteilen, ob sie das Klageverfahren aufgreife und fortführe. Der Einkommensteuerbescheid 2004 war zu keinem Zeitpunkt von der Vollziehung ausgesetzt.

26

Bei der Entscheidung haben die Förderungsakte für die Klägerin, die Gerichtsakte im Verfahren ihrer Schwester C., 2 K 3940/13, die Förderungsakte für ihre Schwester und die Gerichtsakte im vorausgegangenen Verfahren der Klägerin, 2 K 3267/08, vorgelegen. Darauf sowie auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht gemäß § 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO durch den Berichterstatter anstelle der Kammer und gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne abschließende mündliche Verhandlung.

I.

28

Die zulässige Klage hat gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in der Sache zum Teil Erfolg. Der Bescheid vom 30. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. August 2013 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten, als die Beklagte für den Bewilligungszeitraum von November 2006 bis September 2007 Ausbildungsförderung Euro neu festgesetzt und geleistete Ausbildungsförderung zurückgefordert hat. Im Übrigen ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Die Aufhebung und Rückforderung von Ausbildungsförderung beruhen auf einer Rechtsgrundlage (1.). Die Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage liegen vor, soweit die Beklagte die Bewilligung von Ausbildungsbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum von April bis September 2005 bis zu einer Förderungshöhe von 139,-- Euro aufgehoben hat (2.). Die Voraussetzungen liegen nicht vor, soweit die Beklagte die Bewilligung von Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum von November 2006 bis September 2007 bis auf eine Höhe von monatlich 85,-- Euro aufgehoben hat (3.). Die Voraussetzungen einer Rückforderung, welche die Beklagte in Höhe von 7.241,-- Euro vorgenommen hat, liegen nur in Höhe von 2.346,-- Euro vor (4.).

29

1. Die Aufhebung und Rückforderung finden ihre Grundlage in § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG. Danach ist der Bewilligungsbescheid insoweit aufzuheben und der Förderungsbetrag zu erstatten, als die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung an keinem Tage des Kalendermonats vorgelegen haben, für den sie gezahlt worden ist, Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden ist.

30

Weitere Voraussetzungen der Aufhebung und Rückforderung sind nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG nicht zu prüfen. Der sich in der Vorschrift findende Zusatz „außer in den Fällen der §§ 44 bis 50 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch“ (– Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – i.d.F. der Bekanntmachung v. 18.1.2001, BGBl. I S. 130, m. spät. Änd. – SGB X) soll lediglich zum Ausdruck bringen, dass in den nicht von § 20 Abs. 1 Satz 1 BAföG erfassten Fällen die allgemeinen Aufhebungs- und Erstattungstatbestände zum Zuge kommen sollen (BVerwG, Urt. v. 17.9.1987, 5 C 26/84, BVerwGE 78, 101, juris Rn. 11). Insbesondere ist kein Rücknahmeermessen nach § 45 Abs. 1 SGB X zu prüfen und kommt kein Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 SGB X zum Tragen. Es kommt nicht auf ein (Mit-)Verschulden der Auszubildenden an der Überzahlung an. Dies wird der Klägerin auch nicht vorgehalten. Nach der Bewertung des Gesetzgebers ist, soweit sich das in der Bewilligung unter Vorbehalt liegende Risiko verwirklicht, das Vertrauen des Auszubildenden auf den Bestand der Förderung nicht schutzwürdig (VG Hamburg, Beschl. v. 24.7.2012, 2 K 2526/11, juris Rn. 22; Urt. v. 11.9.2014, 2 K 620/14).

31

2. Die teilweise Aufhebung der Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum von April bis September 2005 ist rechtmäßig. Zu Recht hat die Beklagte für diesen Bewilligungszeitraum die Förderungshöhe auf monatlich 139,-- Euro festgesetzt. Die Voraussetzungen einer Aufhebung der unter Vorbehalt stehenden Bewilligung sind nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG gegeben. Es ist Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden (a)). Die Voraussetzungen für die Leistung haben, soweit die Bewilligung durch den angefochtenen Bescheid aufgehoben wird, an keinem Tage der Kalendermonate vorgelegen, für die sie gezahlt worden ist (b)).

32

a) Die Beklagte hat in der Höhe von monatlich 530,-- Euro, wie sie in dem angefochtenen Bescheid vom 30. August 2012 angenommen hat, aufgrund eines vorausgegangene Bewilligungsbescheids Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet.

33

Abzustellen ist dabei auf den Bewilligungsbescheid vom 25. Januar 2006 als den letzten Bescheid, der vor dem angefochtenen Bescheid vom 30. August 2012 für den Bewilligungszeitraum wirksam erlassen worden ist. Der Bescheid vom 25. Januar 2006 hat den vorangegangenen Bescheid vom 25. Juli 2005 aufgehoben, der seinerseits den Bescheid vom 24. Mai 2005 aufgehoben hatte.

34

Aufgrund des Bewilligungsbescheids vom 25. Januar 2006 wurde in Höhe von monatlich 530,-- Euro Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet, weil der für die Einkommensanrechnung maßgebende Steuerbescheid gemäß § 164 AO noch vorläufig sei und unter dem Vorbehalt der späteren Nachprüfung durch die Finanzbehörde stehe. Der Vorbehalt der Rückforderung ist, wie es die höchstrichterliche Rechtsprechung ungeachtet der Bestandskraft des Bescheids verlangt (BVerwG, Urt. v. 17.4.1980, 5 C 50/78, BVerwGE 60, 99, juris Rn. 18), auch rechtmäßig. Im Einzelnen:

35

Nach § 24 Abs. 1 BAföG ist für die Anrechnung des Einkommens der Eltern die Einkommensverhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgebend, mithin für den Bewilligungszeitraum von April 2005 bis März 2006 das Kalenderjahr 2003. Ist der Einkommensbezieher für diesen Berechnungszeitraum zur Einkommensteuer zu verlangen, liegt jedoch der Steuerbescheid dem Förderungsamt noch nicht vor, so wird unter Berücksichtigung der glaubhaft gemachten Einkommensverhältnisse über den Antrag entschieden. Ausbildungsförderung wird insoweit gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 BAföG unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet. Sobald der Steuerbescheid dem Förderungsamt vorliegt, wird gemäß § 24 Abs. 2 Satz 3 BAföG über den Antrag abschließend entschieden.

36

Ein gemäß § 24 Abs. 2 BAföG für die abschließende Entscheidung ohne Vorbehalt der Rückforderung erforderlicher Steuerbescheid lag dem Förderungsamt der Beklagten bei Erlass des maßgeblichen Bewilligungsbescheids vom 25. Januar 2006 noch nicht vor.

37

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte sich nach Treu und Glauben so behandeln lassen muss, dass ihr bei Erlass des Bescheids vom 25. Januar 2006 der vom Finanzamt D. unter dem 5. Dezember 2005 erlassene Einkommensteuerbescheid 2003 vorgelegen hätte. Ausweislich der Förderungsakte ging bei der Beklagten am 16. Dezember 2005 die Antwort des Finanzamts D. auf ihr Auskunftsersuchen hinsichtlich der Einkommensverhältnisse der Eltern im Kalenderjahr 2003 ein. In dieser Antwort teilte das Finanzamt D. mit, dass am 5. Dezember 2005 ein Einkommensteuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO ergangen sei, nach dem allein die Mutter Einkünfte und zwar aus selbständiger Arbeit in Höhe von 14.350,-- Euro erzielt habe. Zumindest hätte der Einkommensteuerbescheid vom 5. Dezember 2005 einer Bewilligung unter Vorbehalt der Rückforderung nicht entgegengestanden.

38

Ein Einkommensteuerbescheid, der für eine abschließende Entscheidung hinreicht, ist entgegen der Rechtsauffassung in der überholten höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 25.4.1985, 5 C 42/82, Buchholz 436.36 § 24 BAföG Nr. 14; Beschl. v. 11.7.1990, 5 B 143/89, Buchholz 436.36 § 24 BAföG Nr. 14) und in Tz. 24.2.1 der gegenwärtigen Fassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (i.d.F. v. 15.10.1991, GMBl S. 770, zuletzt geändert unter dem 29.10.2013, GMBl S. 1094 – BAföGVwV 1991) nicht schon dann gegeben, wenn der Einkommensteuerbescheid gemäß § 164 der Abgabenordnung (i.d.F. der Bekanntmachung vom 1.10.2002, BGBl. I S. 3866, 2003 I S. 61 mit spät. Änd. – AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist. Diese norminterpretierende Verwaltungsvorschrift bindet die Gerichte nicht und kann dem Gesetz keinen Inhalt zuschreiben, der mit der objektiven Rechtslage unvereinbar ist (BVerwG, Urt. v. 12.7.2012, 5 C 14/11, BVerwGE 143, 314; Urt. v. 30.6.2010, 5 C 3/09, Buchholz 436.36 § 27 BAföG Nr. 6).

39

Das erkennende Gericht folgt der Rechtsauffassung der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 8.7.2004, 5 C 31/03, BVerwGE 121, 245, juris Rn. 13, ebenso VG Hamburg, Urt. v. 20.7.2012, 2 K 2526/11, juris Rn. 20; vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 30.12.2004, 4 LC 1/03, FamRZ 2004, 909; VG Halle, Urt. v. 30.12.2004, 4 A 814/03, juris Rn. 27; VG München, Urt. v. 19.2.2004, M 15 K 02.5108, juris Rn. 26), der Kommentarliteratur (Stopp, in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl. 2014, § 24 Rn. 11; Fischer, in Rothe/Blanke, BAföG, Stand Januar 2015, § 24 Rn. 13) sowie Tz. 24.2.1 der früheren Fassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (i.d.F. v. 15.10.1991, GMBl S. 770 – BAföGVwV 1991 a.F.). Danach genügt ein nach § 164 AO unter dem steuerrechtlichen Vorbehalt der Nachprüfung ergangener Einkommensteuerbescheid nicht zu einer abschließenden Entscheidung ohne förderungsrechtlichen Vorbehalt der Rückforderung und kann das Förderungsamt eine Leistung unter Vorbehalt der Rückforderung nach § 24 Abs. 2 BAföG gewähren.

40

Dies gilt ungeachtet dessen, dass ein nach § 165 AO vorläufiger Steuerbescheid eine geeignete Grundlage zu einer abschließenden förderungsrechtlichen Entscheidung ohne Vorbehalt der Rückforderung nach § 24 Abs. 2 Satz 3 BAföG bietet (so für den Fall der Unanfechtbarkeit entschieden: BVerwG, Urt. v. 8.7.2004, 5 C 31/03, BVerwGE 121, 245, juris Rn. 6, 12; VG Hamburg, Urt. v. 11.9.2014, 2 K 620/14; Urt. v. 7.9.2005, 2 K 970/01; VG Augsburg, Urt. v. 27.5.2003, Au 9 K 02.1295, juris Rn. 20; insoweit auch Tz. 24.2.1 BAföGVwV 1991 und vormals Tz. 24.2.1 BAföGVwV a.F.; a.A. VG Sigmaringen, Urt. v. 25.9.2001, 9 K 1707/00, juris Rn. 29; Fischer, in Rothe/Blanke, BAföG, Stand: Januar 2005, § 24 Rn. 13; offen Stopp, in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl. 2014, § 24 Rn. 11). Ein nach § 165 AO vorläufiger Steuerbescheid ist für eine abschließende förderungsrechtliche Entscheidung für hinreichend zu erachten, da der Gesetzgeber dem Tatbestandsmerkmal des Vorliegens eines Steuerbescheids nach § 24 Abs. 2 BAföG im Zweifel eine Bedeutung beimessen wollen, die das Gesetz praktisch handhabbar macht. Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO kann eine Steuer vorläufig festgesetzt werden, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind. Folge ist nach § 165 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Halbs. 1 AO, dass die zuständige Behörde die Festsetzung aufheben oder ändern darf und, wenn die Ungewissheit beseitigt ist, die vorläufige Steuerfestsetzung aufheben, ändern oder für endgültig zu erklären hat. Die Regelung ist nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO auch anzuwenden, wenn (Nr. 1) ungewiss ist, ob und wann Verträge mit anderen Staaten über die Besteuerung, die sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, für die Steuerfestsetzung wirksam werden oder (Nr. 2) das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit eines Steuergesetzes mit dem Grundgesetz festgestellt hat und der Gesetzgeber zu einer Neuregelung verpflichtet ist oder (Nr. 3) die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht ist oder (Nr. 4) die Auslegung eines Steuergesetzes Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesfinanzhof ist. Wegen dieses weiten Anwendungsbereichs ist die vorläufige Steuerfestsetzung nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Ist eine Steuer nach § 165 AO vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 8 Satz 1 AO nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 AO endet die Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 8 Satz 2 AO nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat. Eine nicht durch ihre Vorläufigkeit eingeschränkte Steuerfestsetzung ist damit auf lange Zeit hinausgeschoben (dies einräumend Fischer, a.a.O., Rn. 13).

41

Es kann auch nicht mit Erfolg eingewandt werden (so aber Fischer, a.a.O., Rn. 13 a.E.), dass nicht nur das Abwarten einer nicht mehr vorläufigen Steuerfestsetzung, sondern auch das Abwarten der Bestandskraft des Steuerbescheids eine abschließende förderungsrechtliche Entscheidung auf lange Zeit hinauszögern könnte. Dieses Argument spricht dafür, auf eine Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides zu verzichten (dazu s.u. b) aa)), aber nicht dagegen, eine vorläufige Steuerfestsetzung für hinreichend zu halten.

42

Die vorfindlichen steuerrechtlichen Unterschiede zwischen einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt nach § 164 AO und einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 AO rechtfertigen unterschiedliche ausbildungsförderungsrechtliche Rechtsfolgen. Eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung kann nach § 164 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 AO nicht nur jederzeit aufgehoben oder geändert werden, sondern der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung jederzeit beantragen. Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt nach § 164 Abs. 4 Satz 1 AO, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. Die Fristhemmung nach § 171 Abs. 8 AO findet nach § 164 Abs. 4 Satz 2 AO keine Anwendung. Die Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung bildet, anders als eine vorläufige Steuerfestsetzung, auch praktisch eine Ausnahme. Sie setzt, im Unterschied zu der vorläufigen Steuerfestsetzung, voraus, dass der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist. Der Vorbehalt rechtfertigt sich mithin nicht lediglich aus einer Ungewissheit in steuerrechtlicher Hinsicht wie in den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 AO.

43

b) Die Voraussetzungen für die Leistung haben, soweit die Bewilligung durch den angefochtenen Bescheid aufgehoben wird, an keinem Tage der Kalendermonate vorgelegen, für die sie gezahlt worden ist. Für den Bewilligungszeitraum von April bis September 2005 ist die Aufhebung der Bewilligung, welche die Förderung auf monatlich 139,-- Euro festsetzt hat, rechtmäßig. Dieser Betrag errechnet sich statt des im Bewilligungsbescheid vom 25. Januar 2006 unter Vorbehalt festgesetzten Betrags von 530,-- Euro aus der Differenz zwischen dem Gesamtbedarf von 530,-- Euro und dem Anrechnungsbetrag des elterlichen Einkommens von 390,83 Euro.

44

Der monatliche Gesamtbedarf der Klägerin ist in Übereinstimmung mit dem Bewilligungsbescheid vom 25. Januar 2006 mit 530,-- Euro anzusetzen. Denn der Vorbehalt der Rückforderung bestand nur hinsichtlich des Einkommens der Eltern.

45

Der monatliche Anrechnungsbetrag des Einkommens der Eltern ergibt sich in Übereinstimmung mit der Berechnung im angefochtenen Bescheid vom 30. August 2012. Hinsichtlich der Einkünfte der Eltern und der Steuern sind die Beträge anzusetzen, die im Bescheid des Finanzamts D. über Einkommensteuer, Zinsen zur Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 12. August 2010 für das nach § 24 Abs. 1 BAföG maßgebende Kalenderjahr 2003 (Einkommensteuerbescheid 2003) ausgewiesen sind. Dies gilt, unabhängig davon ob der Einkommensteuerbescheid 2003 unanfechtbar ist (aa)), und obwohl er gemäß § 165 AO vorläufig ergangen ist (bb)). Der Anrechnungsbetrag ergibt sich rechnerisch zu 390,83 Euro (cc)).

46

aa) Der Inhalt des einschlägigen Einkommensteuerbescheids ist für die abschließende Entscheidung über den Antrag auf Ausbildungsförderung unter Auflösung des Vorbehalts der Rückforderung rechtlich bindend. Höchstrichterlich anerkannt ist dies für bestandskräftige Steuerbescheide (BVerwG, Beschl. v. 18.2.1986, 5 B 84/85, Buchholz 436.36 § 24 BAföG Nr. 8, juris Rn. 4; Beschl. v. 9.11.1988, 5 B 143/87, Buchholz 436.36 § 24 BAföG Nr. 12, juris Rn. 2; Beschl. v. 11.7.1990, 5 B 143/89, Buchholz 436.36 § 24 BAföG Nr. 14, juris Rn. 2 f.). Der Gesetzgeber geht ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien zu dem eine Neufassung des § 21 Abs. 1 BAföG enthaltenden Siebenten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (Beschlussempfehlung und Bericht des federführenden Ausschusses, BT-Drucks. 9/603 S. 23 f.) davon aus, dass die Feststellung des Einkommens seitens der Förderungsämter aufgrund bereits vorliegender Feststellungen der Finanzämter erfolgen kann. Dadurch soll der Vollzug des Bundesausbildungsförderungsgesetzes als Massenvorgang erleichtert werden (BVerwG, Urt. v. 10.5.1990, 5 C 55/85, BVerwGE 85, 124, juris Rn. 8). Diese Gründe greifen unabhängig von der Unanfechtbarkeit des Bescheids bereits dann ein, wenn der Bescheid vollziehbar ist. Ein Abwarten der Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids würde eine abschließende förderungsrechtliche Entscheidung auf lange Zeit hinauszögern können. Ein Verwaltungsakt wird gegenüber dem Betroffenen nach § 124 Abs. 1 Satz 1 AO bereits in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts ist nach § 124 Abs. 3 AO grundsätzlich von seiner Rechtmäßigkeit unabhängig. Die Rechtsbehelfe des Einspruchs und der Klage hemmen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts nach § 361 Abs. 1 AO und § 69 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (i.d.F. der Bekanntmachung v. 28.3.2001, BGBl. I S. 442, 2262; 2002 I S. 679 m. spät. Änd. – FGO) grundsätzlich nicht. Von der Vollziehbarkeit des Einkommensteuerbescheids 2003 ist auszugehen.

47

bb) Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Einkommensteuerbescheid 2003 in dem dort ausgeführten Umfang gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 AO vorläufig ist. Anders als ein unter dem steuerrechtlichen Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO ergangener Bescheid ist ein nach § 165 AO vorläufiger Bescheid nach den obigen Ausführungen (s.o. a)) geeignet, als Grundlage einer abschließenden Entscheidung über den Antrag auf Ausbildungsförderung ohne einen Vorbehalt der Rückforderung zu dienen.

48

cc) Rechnerisch ergibt sich ein Anrechnungsbetrag von 390,83 Euro. Das anrechenbare Einkommen der Eltern der Klägerin errechnet sich gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 BAföG a.F. ausgehend von der Summe der positiven Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 und 2 EStG, unter Abzug der Steuern gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BAföG a.F., der Sozialpauschale gemäß § 21 Abs. 2 BAföG a.F., der Freibeträge gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 BAföG a.F. und § 25 Abs. 4 BAföG a.F. sowie des Aufteilungsbetrags gemäß § 11 Abs. 4 BAföG.

49

Im Einkommensteuerbescheid 2003 sind die Einkünfte des Vaters aus Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt 47.208,-- Euro ausgewiesen, d.h.

50

- Einkünfte von monatlich 3.934,-- Euro.

51

Denn steuerrechtlich gelten als Einkünfte des Vaters aus Kapitalvermögen sowohl die in die Bemessung der Steuer für das Jahr 2003 einfließenden Einkünfte in Höhe von nach Abzug eines Werbungskostenpauschbetrags und Sparerfreibetrags (25.205,-- – 102,-- – 3.100,-- =) 22.003,-- Euro als auch ein weiterer Betrag von 25.205,-- Euro der ausweislich des Einkommensteuerbescheids 2003 vom 12. August 2010 wegen des Halbeinkünfteverfahrens nicht in die steuerrechtliche Bemessungsgrundlage eingeflossen ist. Nach dem Halbeinkünfteverfahren gemäß der früheren Fassung des § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes (neugefasst durch Bek. v. 19.10.2002, BGBl. I S. 4210 – EStG a.F.) war die Hälfte der dort benannten Einkünfte steuerfrei. Begrifflich handelte es sich jedoch um Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 und 2 EStG a.F. und deshalb um Einkommen i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 1 BAföG a.F. Nach Abzug gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BAföG a.F. von festgesetzten Steuern, d.h.

52

- Steuern von monatlich 384,44 Euro,

53

einer Sozialpauschale für Nichterwerbstätige gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BAföG a.F. von jährlich höchstens 5.100,-- Euro, d.h.

54

- Sozialpauschalbeträgen von monatlich 425,-- Euro,

55

ergibt sich ein

56

- bereinigtes Einkommen von 3.124,56 Euro.

57

Im Hinblick auf die Mutter der Klägerin ergeben sich Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 14.350,-- Euro, d.h.

58

- Einkünfte von monatlich 1.195,83 Euro

59

und unter Abzug der

60

- Steuern von monatlich 116,86 Euro

61

sowie einer Sozialpauschale für Nichtarbeitnehmer gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG a.F. von 35 v.H. der Einkünfte, d.h.

62

– Sozialpauschalbeträgen von monatlich 418,55 Euro,

63

daraus ein

64

– bereinigtes Einkommen von monatlich 660,42 Euro.

65

Aus dem bereinigten Einkommen der Eltern von zusammen (3.124,56 + 660,42 =) 3.784,98 Euro folgt unter Abzug gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 BAföG

66

– des Freibetrags von monatlich 1.440,-- Euro

67

sowie gemäß § 25 Abs. 4 BAföG

68

– des Freibetrags von monatlich 1.172,49 Euro

69

und gemäß § 11 Abs. 4 BAföG für die beiden ebenfalls in Ausbildung befindlichen Schwestern der Klägerin

70

– des Aufteilungsbetrags von monatlich 781,66 Euro

71

schließlich ein

72

– anrechenbares Einkommen von monatlich 390,83 Euro.

73

Ein weiterer Freibetrag nach § 25 Abs. 6 Satz 1 BAföG ist nicht zuzuerkennen. Nach dieser Vorschrift kann zur Vermeidung unbilliger Härten auf besonderen Antrag ein weiterer Teil des Einkommens anrechnungsfrei bleiben. Ein solcher besonderer Antrag ist bis zum Ende des von April bis September 2005 reichenden Bewilligungszeitraums nicht gestellt worden. Nach dem Gesetzeswortlaut wäre der Antrag aber vor dem Ende des Bewilligungszeitraums zu stellen gewesen. Es kann dahinstehen, ob nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem entsprechenden Erfordernis eines rechtzeitigen Aktualisierungsantrags (BVerwG, Urt. v. 8.7.2004, 5 C 31/03, juris Rn. 18 ff.) noch Raum für eine vom Wortlaut abweichende Anwendung des Gesetzes ist, dass ein Antrag nach § 25 Abs. 6 Satz 1 BAföG dann noch rechtzeitig sei, wenn der Betroffene vorher keinen Anlass hatte, zur Vermeidung unbilliger Härten von der Behörde die Einräumung eines weiteren Freibetrags zu verlangen (so OVG Bautzen, Urt. v. 13.9.2012, 1 A 78/11, juris Rn. 21; VG Schwerin, Urt. v. 7.7.2010, 6 A 282/07, juris Rn. 29 ff.). Ein solcher Fall liegt zumindest nicht vor. Die Klägerin hat weder ausdrücklich noch konkludent einen solchen Antrag unverzüglich nach dem Ende des Bewilligungszeitraums gestellt. Sie hat mit Widerspruch und Klage lediglich die Richtigkeit der zugrundeliegenden Steuerfestsetzungen bezweifelt. Auf die steuerrechtliche Richtigkeit des Einkommensteuerbescheids 2003 kommt es aber ausbildungsförderungsrechtlich nicht an (s.o. aa)).

74

3. Die teilweise Aufhebung der Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum von November 2006 bis September 2007 ist hingegen rechtswidrig. Zu Unrecht hat die Beklagte für diesen Bewilligungszeitraum die Förderungshöhe auf monatlich 85,-- Euro festgesetzt. Die Voraussetzungen einer Aufhebung der unter Vorbehalt stehenden Bewilligung sind nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG nicht erfüllt.

75

Es fehlt bereits an einem rechtmäßigen Vorbehalt der Rückforderung, unter dem Ausbildungsförderung geleistet worden ist. Abzustellen ist dabei auf den Bewilligungsbescheid vom 2. Februar 2012, der Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 530,-- Euro gewährt hat unter dem Vorbehalt der Rückforderung, weil der für die Einkommensanrechnung maßgebende Steuerbescheid noch nicht vorliege. Der Bewilligungsbescheid vom 2. Februar 2012 ist unter Aufhebung früherer Bescheide, soweit für gleiche Zeiträume Entscheidungen getroffen wurden, ergangen, d.h. unter Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 21. Februar 2007. Der dazwischentretende Bescheid vom 23. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2008 war bereits durch das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Oktober 2011, 2 K 3267/08, aufgehoben worden.

76

Der Bewilligungsbescheid vom 2. Februar 2012 enthielt einen Vorbehalt der Rückforderung zu Unrecht. Denn der Beklagten lag seit dem 18. August 2010 der Einkommensteuerbescheid der Eltern für das Jahr 2004 vom 12. August 2010 vor. Dieser Einkommensteuerbescheid 2004 war hinsichtlich der Einkünfte der Eltern und der Steuern maßgebend. Eine Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids wird, wie dargelegt (s.o. 2. b) aa)), nicht vorausgesetzt. Auch kann nach den vorstehenden Ausführungen (s.o. 2. a)) eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 AO, wie diejenige durch den Einkommensteuerbescheid 2004, als Grundlage einer abschließenden Entscheidung über den Antrag auf Ausbildungsförderung ohne einen Vorbehalt der Rückforderung dienen.

77

Nichts anderes folgt aus der Bindungswirkung des zulasten der Beklagten ergangenen rechtskräftigen Urteils vom 24. Oktober 2011, 2 K 3267/08. Das Urteil hat den Bescheid vom 23. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2008 aufgehoben, mit dem die Beklagte die Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum von November 2006 bis September 2007 aufgehoben und zurückgefordert hatte. Die materielle Rechtskraft eines klagestattgebenden Anfechtungsurteils verwehrt es der unterlegenen Behörde, bei unveränderter Sach- und Rechtslage gegen den obsiegenden Kläger einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (BVerwG, Urt. v. 8.12.1992, 1 C 12/92, BVerwGE 91, 256, juris Rn. 12). Die Sach- und Rechtslage hat seit Erlass dieses Urteils keine wesentliche Änderung erfahren. Zur Beantwortung der Frage, worin eine wesentliche Änderung der Verhältnisse liegt, kann dabei nicht auf die Gründe des Urteils zurückgegriffen werden. Denn die in den Entscheidungsgründen enthaltenen Elemente nehmen nicht an der Rechtskraftwirkung teil (BVerwG, Urt. v. 19.1.1984, 3 C 88/82, BVerwGE 68, 306, juris Rn. 26). Nach Auffassung des erkennenden Gerichts sind nach Erlass des Urteils vom 24. Oktober 2011 keine Umstände eingetreten, die erst dann eine abschließende Entscheidung über den Förderungsantrag für den Bewilligungszeitraum von November 2006 bis September 2007 ermöglicht hätten. An einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage fehlt es. Denn die Umstände, die nach Auffassung des erkennenden Gerichts eine abschließende Entscheidung über den Förderungsantrag ermöglichen, lagen nach den vorstehenden Ausführungen bereits bei Erlass des Urteils am 24. Oktober 2011 vor.

78

4. Die Voraussetzungen einer Rückforderung, welche die Beklagte in Höhe von 7.241,-- Euro vorgenommen hat, liegen nur in Höhe von 2.346,-- Euro vor.

79

Für den Bewilligungszeitraum von April bis September 2005 ergibt sich ausgehend von einer abschließend festgesetzten Förderungshöhe von 139,-- Euro (s.o. 2.) und einem im vorausgegangenen Bewilligungsbescheid vom 25. Januar 2006 unter Vorbehalt festgesetzten Förderungshöhe von 530,-- Euro eine Überzahlung von monatlich 391,-- Euro, zusammen (6 x 391,-- =) 2.346,-- Euro.

80

Für den Bewilligungszeitraum von November 2006 bis September 2007 ergibt sich keine Überzahlung, da die Neufestsetzung keinen Bestand hat und es bei der mit Bescheid vom 25. Januar 2006 gewährten Ausbildungsförderung verbleibt (s.o. 3.).

81

Der Rückforderungsbetrag hat sich nicht durch Erfüllung der gesamtschuldnerisch in An-spruch genommen Eltern der Klägerin vermindert. Es ist nicht ersichtlich, dass die Mutter oder der Vater der Klägerin, die mit Bescheiden vom 3. September 2013 nach § 47a BA-föG neben der Klägerin auf Zahlung in Anspruch genommenen worden sind, geleistet hätten.

82

Der Rückforderungsbetrag ist auch nicht deshalb zu korrigieren, weil die Klägerin gegen-über dem für die Tilgung des Darlehensanteils zuständigen Bundesverwaltungsamt bereits Leistungen erbracht hat. Denn dafür ist nichts ersichtlich.

II.

83

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 188 Satz 2, 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VwGO. Mangels vollstreckungsfähigen Inhalts der Kostenentscheidung fehlt gemäß § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit insgesamt.

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