Urteil vom Verwaltungsgericht Hamburg (6. Kammer) - 6 K 1928/15

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zur Zahlung von Abschiebungskosten.

2

Der Kläger reiste nach eigenen Angaben erstmals im September 1992 in das Bundesgebiet ein. Er beantragte im selben Monat die Anerkennung als Asylberechtigter; in dem entsprechenden Antrag gab er den Namen „N1“ und als Staatsangehörigkeit „togoisch“ an. Mit Bescheid vom 25. Oktober 1994 wurde der Antrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt und dem Kläger die Abschiebung nach Togo angedroht. Der gegen die Entscheidung gerichtete Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und die zugleich erhobene Klage blieben erfolglos.

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Im Dezember 1997 stellte die togoische Botschaft in Bonn ein für drei Monate gültiges Laissez-passer für den Kläger zum Zweck der Heimreise aus. Im Januar 1998 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, im Fall der Mitteilung eines Flugtermins freiwillig am Flughafen zu erscheinen. Die Beklagte plante daraufhin die Abschiebung des Klägers nach Togo auf dem Luftweg für den 9. Februar 1998. Der entsprechenden Meldeauflage kam der Kläger nicht nach.

4

Am 9. Februar 1998 stellte der Kläger einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, der mit Bescheid vom 11. Februar 1998 abgelehnt wurde. Gegen die Entscheidung suchte der Kläger wiederum erfolglos um – auch einstweiligen – Rechtsschutz nach.

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Im August 2000 entsprach das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einem von den französischen Behörden gestellten Übernahmeersuchen nach dem Dubliner Übereinkommen betreffend den Kläger. Dieser hatte gegenüber den französischen Behörden den Namen „N2“ und als Staatsangehörigkeit „nigerianisch“ angegeben. Ausweislich einer AZR-Gesamtauskunft aus Mai 2006 verzog der Kläger im Januar 2004 in das Ausland.

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Im August 2010 stellte der Kläger in Hamburg einen weiteren Asyl-Folgeantrag. Bei seiner Anhörung gab er an, etwa 10 Jahre zusammen mit einer deutschen Frau in … gelebt zu haben. Mit Bescheid vom 11. September 2012 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab; schon zuvor – mit Bescheid vom 31. August 2012 – wies die Beklagte den Kläger aus.

7

Bei einer im März 2013 unter Mitwirkung togoischer Botschaftsangehöriger durchgeführten Vorsprache (Sammelanhörung) wurde der Kläger als Staatsangehöriger Togos identifiziert. Dem Bericht der Bundespolizei zufolge äußerte der Kläger während der Anhörung, er werde „unter keinen Umständen nach Togo zurückkehren“. Auf Betreiben der Beklagten stellte die togoische Botschaft am 24. Januar 2014 ein weiteres, drei Monate gültiges Laissez-passer für den Kläger zum Zweck der Heimreise aus.

8

Am 13. März 2014 sollte der Kläger auf dem Luftweg nach Togo abgeschoben werden. Die Mitarbeiter der Beklagten suchten den Kläger hierzu am Morgen des Tages in seiner Wohnung auf, wo er nach Ankündigung der Abschiebung erklärte, kein Flugzeug zu besteigen. Da die Mitarbeiter der Beklagten infolgedessen mit Widerstand des Klägers rechneten und eine Begleitung nicht geplant bzw. gebucht war, wurde die Abschiebung abgebrochen. Aufgrund Beschlusses des Amtsgerichts Hamburg vom selben Tag wurde der Kläger in Abschiebungshaft genommen. Mit weiterem Beschluss vom 3. April 2014 ordnete das Amtsgericht Abschiebungshaft bis längstens 9. Mai 2014 an; bei der im Rahmen dieses Verfahrens durchgeführten Anhörung erklärte der Kläger, nigerianischer Staatsangehöriger zu sein und bisher falsche Angaben zu seinem Geburtsdatum und seiner Staatsangehörigkeit gemacht zu haben.

9

Am 4. April 2014 stellte die togoische Botschaft nochmals ein für drei Monate gültiges Laissez-passer für den Kläger zum Zweck der Heimreise aus.

10

Am 6. Mai 2014 sollte der Kläger erneut auf dem Luftweg nach Togo abgeschoben werden. Die Übernahme in Lomé wurde von den dortigen Grenzbehörden verweigert, da der Kläger nicht togoischer Staatsangehöriger sei; am 9. Mai 2014 erfolgte die Rückreise des Klägers und der Begleitbeamten nach Deutschland. Gegen die Abschiebung suchte der Kläger zuvor um einstweiligen Rechtsschutz nach, gab dabei – soweit ersichtlich – erstmals den Namen „N3“ an und berief sich u.a. auf seine nigerianische Staatsangehörigkeit. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 5. Mai 2014 abgelehnt (4 E 2319/14), die anschließende Beschwerde mit Beschluss vom 6. Mai 2014 zurückgewiesen (4 Bs 99/14).

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Mit Bescheid vom 14. November 2014 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger Abschiebungskosten in Höhe von 9.221,65 EUR fest; die Zusammensetzung der Kosten ergibt sich aus der als Anlage zu dem Bescheid übersandten Kostenaufstellung, auf die Bezug genommen wird. Zur Begründung verwies die Beklagte auf die nach § 81 Abs. 1 AuslG 1990, § 66 Abs. 1 AufenthG bestehende Kostentragungspflicht des Klägers bezüglich der drei Abschiebungsversuche in den Jahren 1998 und 2014. Hinsichtlich der Kosten des Abschiebungsversuchs im Jahr 1998 sei auch keine Verjährung eingetreten, da der Aufenthalt des Klägers zwischenzeitlich unbekannt gewesen und die Verjährung hierdurch unterbrochen worden sei.

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Gegen den Bescheid wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 17. Dezember 2014 und machte – stichpunktartig – geltend, die für den Abschiebungsversuch im Jahr 1998 festgesetzten Kosten seien durch Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes präkludiert. Weiter rügte er das teilweise Fehlen von Datumsangaben für einzelne Kostenpositionen sowie die mangelnde Nachvollziehbarkeit des zur Berechnung der Haftkosten zugrunde gelegten Tagessatzes. Schließlich seien die festgesetzten Flugkosten in Höhe von 948,40 EUR durch Stornierung entfallen.

13

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2015 wies die Beklagte den Widerspruch unter Verweis auf die Gründe des angefochtenen Bescheids zurück.

14

Am 7. April 2016 hat der Kläger Klage erhoben. Er wiederholt das bereits dem Widerspruch zugrunde liegende Vorbringen und macht darüber hinaus geltend, die Abschiebungshaft im Jahr 2014 sei aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 36 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK) rechtswidrig gewesen. Die für den Abschiebungsversuch im Jahr 1998 festgesetzten Kosten seien außerdem jedenfalls verjährt. Ergänzend – nach Wechsel des Prozessbevollmächtigen – beruft sich der Kläger darauf, zu keiner Zeit die Staatsangehörigkeit Togos besessen zu haben, weshalb eine Abschiebung nach Togo nicht zulässig und die Abschiebungsversuche einschließlich der Haft insgesamt rechtswidrig gewesen seien. Die Anhörung im März 2013 sei nicht nachvollziehbar dokumentiert worden, die von der Botschaft Togos ausgestellten Reisedokumente wiesen Widersprüche auf. Es sei zu vermuten, dass die Beschaffung der Dokumente gegen togoisches Recht verstoßen habe, was auch die Verweigerung der Einreise durch die togoischen Behörden bei dem Abschiebungsversuch im Mai 2014 erklären könne; die weitere Aufklärung obliege insoweit der Beklagten. Ferner sei nicht ersichtlich, dass die Staatsanwaltschaft – wie erforderlich – der Abschiebung zugestimmt habe.

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Der Kläger beantragt,

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den Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten vom 14. November 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2015 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und bezieht sich zunächst auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung. Sie ist im Übrigen der Ansicht, der Kläger habe nach Togo abgeschoben werden dürfen, da der togoische Staat durch Ausstellung der Reisedokumente seine Aufnahmebereitschaft zu erkennen gegeben habe; entsprechend hätten sowohl das Verwaltungs- als auch das Oberverwaltungsgericht entschieden (4 E 2319/144 Bs 99/14). Der Kläger habe sich über zwei Jahrzehnte als Staatsangehöriger Togos ausgegeben und sei im Rahmen der Anhörung im März 2013 auch als solcher identifiziert worden. Aus welchem Grund er bei dem Abschiebungsversuch Anfang Mai 2014 von den Grenzbehörden zurückgewiesen wurde, müsse der Kläger selbst am besten wissen; vermutlich habe er die Einreise durch Bestreiten der togoischen Staatsangehörigkeit vereitelt. Weitere Erkenntnisse lägen der Beklagte hierzu nicht vor.

20

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 26. Mai 2020 den „Verzicht auf den mit der Klage geltend gemachten Anspruch“ erklärt.

21

Die Sachakte der Beklagten hat bei der Entscheidung vorgelegen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

I.

22

Die Entscheidung ergeht im Einvernehmen der Beteiligten durch den Berichterstatter, § 87a Abs. 2 und 3 VwGO.

23

Ein Verzichtsurteil konnte nicht ergehen; die vom Kläger nach Schluss der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung entfaltet nicht die in § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 306 ZPO geregelte prozessuale Wirkung (vgl. – auch zum Folgenden – VG Münster, Urt. v. 7.3.2019, 3 K 7444/17, juris Rn. 16 ff. mit Verweis auf OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.3.2013, I-20 U 63/12 u.a., juris Rn. 25). Aus § 306 ZPO ergibt sich, dass ein Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch – hier der Aufhebungsanspruch nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO – „bei der mündlichen Verhandlung“ zu erklären ist (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 28.9.2010, X ZR 112/07, juris Rn. 3 m.w.N.). Darüber hinaus setzt § 87a Abs. 1 Nr. 2 VwGO für den Verwaltungsprozess zwar die Möglichkeit eines Verzichts im vorbereitenden Verfahren voraus, nicht jedoch nach Schluss der mündlichen Verhandlung. Unter diesem Gesichtspunkt scheidet auch eine analoge Anwendung des § 307 Satz 2 ZPO aus: Wenn der Gesetzgeber die Möglichkeit eines Verzichts vor Beginn der mündlichen Verhandlung geregelt hat, dann stellt es sich nicht als planwidrige Regelungslücke dar, dass ein Verzicht außerhalb der mündlichen Verhandlung im Übrigen nicht (wirksam) erklärt werden kann.

24

Zu keinem anderen Ergebnis führt eine Auslegung der vom Kläger abgegebenen Erklärung als Ankündigung, nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auf den Anspruch zu verzichten (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 17.10.2007, 8 U 28/07, juris Rn. 16), denn eine Wiedereröffnung gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO war nicht veranlasst. Zwar würde dem Kläger auf diese Weise ermöglicht, durch wirksamen Verzicht oder Rücknahme eine ihm günstige Gebührenfolge herbeizuführen, Nr. 5111 der Anlage 1 zum GKG. Da ihm dies bereits in der geschlossenen mündlichen Verhandlung möglich war und eine zwischenzeitliche Veränderung entscheidungserheblicher Umstände nicht erkennbar ist, ist aber weder der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör betroffen noch eine weitere Sachaufklärung geboten. In Ausübung des durch § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO eingeräumten Ermessens war daher dem Interesse an einem möglichst zeitnahen Abschluss des Verfahrens der Vorrang zu geben.

II.

25

Die gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg: Der angegriffene Kostenfestsetzungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

26

1. Der Bescheid findet eine taugliche Rechtsgrundlage in § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Dies gilt auch, soweit die Kostenfestsetzung den (ersten) Abschiebungsversuch im Februar 1998 betrifft: Weder dem Wortlaut der §§ 66, 67 AufenthG noch den entsprechenden Materialien (s. BT-Drs. 15/420, S. 93) ist zu entnehmen, dass vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes entstandene Kosten nicht (mehr) festgesetzt werden könnten und insofern – wie der Kläger meint – präkludiert wären. Die Befugnis zur Erhebung von vor dem 1. Januar 2005 entstandenen Kosten begegnet auch unter dem Aspekt des rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutzes keinen durchgreifenden Bedenken, denn die in §§ 66, 67 AufenthG geregelte Kostentragungspflicht des Ausländers entspricht in Art und Umfang der bereits nach dem Ausländergesetz v. 9.7.1990 bestehenden (vgl. nochmals BT-Drs. 15/420, S. 93). Eine rückwirkende Belastung, die an Art. 20 Abs. 3 GG zu messen sein könnte, liegt in der Anwendbarkeit des Aufenthaltsgesetzes auf unter Geltung der §§ 82, 83 AuslG 1990 entstandene Kosten nicht (so auch VG Hamburg, Beschl. v. 27.6.2017, 15 K 4854/15, n.v., S. 5 f.).

27

2. Die von der Beklagten festgesetzten Kosten sind gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AufenthG dem Grunde nach festsetzungsfähig.

28

a) Ohne Erfolg macht der Kläger unter Verweis auf seine nigerianische Staatsangehörigkeit die Rechtswidrigkeit der kostenauslösenden Abschiebungsmaßnahmen insgesamt geltend. Zwar deutet angesichts des erstmals im August 2015 vorgelegten Nationalpasses manches darauf hin, dass der Kläger tatsächlich nigerianischer – und nicht togoischer – Staatsangehöriger ist. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der in den Jahren 1998 und 2014 ergriffenen Abschiebungsmaßnahmen bleibt hiervon aber unberührt, da insoweit allein die behördliche Sicht bei Durchführung der Maßnahmen – ex ante – maßgeblich ist (stRspr, s. nur BVerwG, Urt. v. 14.12.2016, 1 C 13/16, juris Rn. 21; Urt. v. 21.8.2018, 1 C 21/17, juris Rn. 15 m.w.N.). Unter Berücksichtigung dessen durfte die Beklagte den Kläger zu den bewussten Zeitpunkten nach Togo abschieben.

29

Ein Ausländer kann grundsätzlich in jeden zu seiner Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat abgeschoben werden (vgl. § 59 Abs. 2 Satz 1 AufenthG; auch OVG Hamburg, Beschl. v. 4.12.2008, 4 Bs 229/08, juris Rn. 13; VGH München, Beschl. v. 25.7.2014, 10 ZB 14/633, juris Rn. 6). Seine Aufnahmebereitschaft kann ein Staat insbesondere dadurch zu erkennen geben, dass er dem Betroffenen die Einreise erlaubt, etwa durch Ausstellung von Reisepapieren. So verhält es sich hier: Die togoische Botschaft hat für den Kläger schon im Dezember 1997 ein zur Einreise nach Togo berechtigendes Reisedokument ausgestellt. Nachdem der Kläger 2013 – unter Mitwirkung der Botschaft – als togoischer Staatsangehöriger identifiziert worden war, stellte die Botschaft entsprechende Dokumente nochmals im Januar und April 2014 aus. Anhaltspunkte, dass der Kläger dennoch nicht nach Togo würde einreisen dürfen, bestanden zu dieser Zeit nicht. Zwar sind im Rahmen des in den 1990er Jahren durchgeführten Asylverfahrens sowohl das zuständige Bundesamt als auch – anschließend – das Verwaltungsgericht Hamburg davon ausgegangen, dass der Kläger entgegen seiner damaligen Angabe nicht Staatsangehöriger Togos ist. Auch hat der Kläger noch vor dem dritten Abschiebungsversuch erklärt – nämlich bei der Haftanhörung am 3. April 2014 –, die nigerianische Staatsangehörigkeit zu besitzen und bislang falsche Angaben gemacht zu haben. Allein aufgrund dieser Umstände musste die Beklagte zum relevanten Zeitpunkt – Anfang Mai 2014 – jedoch nicht an der (fortbestehenden) Aufnahmebereitschaft Togos zweifeln. Hierzu hat das Hamburgischer Oberverwaltungsgericht in dem Beschluss vom 6. Mai 2014 ausgeführt (4 Bs 99/14, n.v., S. 3):

30

Hiergegen macht der Antragsteller [= Kläger im vorliegenden Verfahren] mit seiner Beschwerde geltend, das von der togoischen Botschaft ausgestellte Passersatzpapier sei eine bloße Gefälligkeitsbescheinigung, weil es keine Dokumente über seine togoische Herkunft gebe und er die dortige Sprache nicht beherrsche. Bei einer Einreise mache er sich strafbar, weil er mit diesem Passersatzpapier illegal einreise. Mit diesem sinngemäßen Einwand, seiner Ausreise stehe ein tatsächliches Ausreisehindernis im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG entgegen, weil ihm die straffreie Einreise durch die togoischen Behörden nicht ermöglicht werde, zieht er die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Zweifel. Der Antragsteller hat bereits keine Nachweise darüber vorgelegt, dass er nicht die togoische Staatsangehörigkeit, sondern – wie er in der Antragsschrift vom 30. April 2014 vorträgt – die nigerianische Staatsangehörigkeit besitzt. Die Bescheinigung der nigerianischen Staatsangehörigen […] vom 21. März 2014, der [...] sei ihr Sohn und in Nigeria geboren, besagt nichts darüber, dass diese Person mit dem Antragsteller identisch ist. Im Übrigen spricht einiges dafür, dass er togoischer Staatsangehöriger ist. So hat der Antragsteller am 5. März 2013 bei der togoischen Botschaft vorgesprochen und ist dort als togoischer Staatsangehöriger identifiziert worden. Die togoische Botschaft hat zudem im Dezember 1997, im Januar 2014 und zuletzt im April 2014 für ihn ein Passersatzpapier (‚laisser passer‘) zur einmaligen Einreise nach Lome/Togo erteilt. Anhaltspunkte dafür, dass die togoischen Grenzschutz- oder Polizeibehörden – unabhängig von der tatsächlichen Staatsangehörigkeit des Antragstellers – im Fall seiner Abschiebung das am 4. April 2014 ausgestellte Passersatzpapier als Einreisevoraussetzung nicht anerkennen werden oder dass der Antragsteller mit diesem Dokument nach Togo nicht legal wird einreisen können, sondern sich strafbar macht, ergeben sich nicht und solche hat der Antragsteller auch nicht vorgetragen.

31

Das (weitere) Vorbringen des Klägers im hiesigen Verfahren gibt zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass. Soweit er anführt, die Reisedokumente könnten rechtswidrig beschafft worden sein, handelt es sich um eine bloße Mutmaßung; dass ihm bei dem Abschiebungsversuch im Mai 2014 die Einreise nach Togo verweigert wurde, erlaubt eine derartige Feststellung für sich genommen nicht. Hierfür bedürfte es belastbarer Anhaltspunkte, dass zum einen die Einreise wegen der (rechtlichen) Fehlerhaftigkeit der Reisedokumente verweigert wurde und zum anderen die Beklagte bei Durchführung der Abschiebung Kenntnis von dieser Fehlerhaftigkeit hatte oder hätte haben müssen. Solche liegen indes nicht vor: Der Einwand, die im März 2013 erfolgte Anhörung des Klägers sei nicht nachvollziehbar dokumentiert worden, lässt unabhängig von seiner – fraglichen – Berechtigung außer Acht, dass die togoische Botschaft später Reisedokumente für den Kläger ausgestellt hat. Dass und weshalb dies erfolgt wäre, obwohl der Kläger zuvor nicht als togoischer Staatsangehöriger identifiziert wurde, ist weder dargetan noch naheliegend. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger als Grund für die Einreiseverweigerung eine widersprüchliche Angabe in dem Laissez-passer vom 4. April 2014 vermutet, dessen Dokumentennummer entgegen dem Ausstellungsdatum auf das Jahr 2013 verweise.

32

Die Entscheidung, den Kläger nach Togo abzuschieben, erweist sich auch nicht als willkürlich oder aus sonstigen Gründen unverhältnismäßig. Abgesehen davon, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Entscheidung von der togoischen Staatsangehörigkeit des Klägers ausgehen durfte, bedarf es für die Rechtmäßigkeit einer Abschiebung grundsätzlich keiner Bindung des Ausländers zu dem jeweiligen Zielstaat (vgl. – auch zum Folgenden – OVG Hamburg, Beschl. v. 4.12.2008, 4 Bs 229/08, juris Rn. 13; VGH München, Beschl. v. 25.7.2014, 10 ZB 14/633, juris Rn. 6). Selbst wenn der Kläger seine nigerianische Staatsangehörigkeit bereits vor den Abschiebungsversuchen nachgewiesen hätte, wäre eine Abschiebung nach Togo danach nicht schlechthin unzulässig, sondern lediglich das Fortbestehen der Aufnahmebereitschaft zu prüfen gewesen. Diesbezüglich gilt das oben Gesagte.

33

b) Ebenfalls erfolglos beruft sich der Kläger auf die Rechtswidrigkeit der Abschiebungsmaßnahmen bzw. jedenfalls der Abschiebungshaft wegen fehlender Zustimmung der Staatsanwaltschaft. Es ist schon nicht ersichtlich, dass im Februar 1998 und/oder im März/Mai 2014 gegen den Kläger Anklage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet war, § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG bzw. § 64 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990. Letztlich kommt es darauf aber nicht an, denn mit Rücksicht auf den Zweck des Beteiligungserfordernisses verletzt selbst eine trotz fehlenden Einverständnisses der Staatsanwaltschaft durchgeführte Abschiebung den Betroffenen nicht in seinen Rechten (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 14.12.2016, 1 C 11/15, juris Rn. 22 ff.; OVG Hamburg, Urt. v. 26.3.2015, 5 Bf 1/13, juris Rn. 44 ff.; auch – zu § 64 Abs. 3 AuslG 1990 – BVerwG, Urt. v. 5.5.1998, 1 C 17/97, juris Rn. 19).

34

c) Ein die Rechtswidrigkeit der Abschiebungshaft bedingender Verstoß gegen Art. 36 WÜK ist nicht feststellbar. Aus den Anlagen zum jeweiligen Anhörungsprotokoll geht – im Gegenteil – hervor, dass der Kläger bei seinen Haftanhörungen am 13. März und am 3. April 2014 über sein Recht auf Verständigung der konsularischen Vertretung des Heimatlandes unterrichtet wurde, Art. 36 Abs. 1 lit. b) Satz 3 WÜK, und hierauf jeweils verzichtet hat.

35

d) Der Bescheid vom 14. November 2014 leidet auch nicht unter einem Bestimmtheitsmangel, § 37 Abs. 1 HmbVwVfG. Zwar ist unter den Positionen I., V. und VIII. der dem Bescheid beigefügten Kostenaufstellung (teilweise) kein Datum zu den kostenauslösenden Maßnahmen angegeben. Durch den Zusatz „Überstellung nach Frankfurt/M.“ bzw. „Kosten Bundespolizei Frankfurt/M.“ (Positionen I. und VIII.) ist jedoch hinreichend klar erkennbar, aufgrund welcher konkreten Maßnahmen die jeweiligen Beträge festgesetzt wurden, denn der Kläger wurde – wie ihm bekannt ist – nur bei dem Abschiebungsversuch im Mai 2014 nach Frankfurt/Main überstellt und von dort unter Mitwirkung der Bundespolizei nach Togo ausgeflogen (vgl. zur Berücksichtigung der Sachverhaltskenntnis des Betroffenen in diesem Zusammenhang VG Aachen, Urt. v. 10.9.2014, 8 K 2329/12, juris Rn. 84). Aus entsprechenden Gründen sind auch die Festsetzung von „Reisekosten/Spesen“ und „Übernachtungskosten (Begleiter) – anteilig“ (Positionen V. und VIII.) nicht zu beanstanden.

36

e) Schließlich ist hinsichtlich der den Abschiebungsversuch im Jahr 1998 betreffenden Kosten keine Verjährung eingetreten. Insoweit kann dahinstehen, ob § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG 1990 oder § 70 Abs. 1 AufenthG in der bei Erlass des angefochtenen Bescheids geltenden Fassung (v. 7.8.2013) maßgeblich ist, da der Anspruch der Beklagten nach dieser wie nach jener Norm der Fälligkeits-, nicht aber der Festsetzungsverjährung unterlag (vgl. zum einen Kloesel/Christ/Häußer, AuslR, Stand: 38. Lfg. (Dezember 1993), § 83 AuslG Rn. 22 f.; zum anderen BVerwG, Urt. v. 8.5.2014, 1 C 3/13, juris Rn. 10 ff.). Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die Kostenfestsetzung ohne sachlichen Grund verzögert hätte (vgl. dazu BVerwG, aaO Rn. 15), zumal der Kläger zumindest zwischen 2000 und 2010 unbekannten Aufenthalts war.

37

3. Auch der Höhe nach unterliegt die Kostenfestsetzung keinen durchgreifenden Bedenken. Den Einwand, der für die Berechnung der Abschiebungshaftkosten (Position IV.) zugrunde gelegte Tagessatz sei nicht nachvollziehbar, hat der Kläger nach Vorlage der entsprechenden Verfügung in der mündlichen Verhandlung fallen gelassen. Die unter Position III. angegebenen Flugkosten sind außerdem in Höhe von 948,40 EUR tatsächlich entstanden, nämlich für Hin- und Rückflug des Klägers im Rahmen des Abschiebungsversuchs im Mai 2014. Durch Stornierung entfallen sind lediglich die Kosten des für die Abschiebung des Klägers im März 2014 gebuchten Flugs; die angefallenen Stornierungskosten in Höhe von 24,96 EUR hat die Beklagte korrekt festgesetzt.

III.

38

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711, § 709 Satz 2 ZPO.

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