Urteil vom Verwaltungsgericht Hannover (7. Kammer) - 7 A 6025/99

Tatbestand

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Der Kläger begehrt Kostenerstattung auch unterhalb der Bagatellgrenze (§ 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG) für vorläufig erbrachte Aufwendungen der Hilfe in Einrichtungen (§ 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG) für Personen ohne festen Wohnsitz in Höhe von 3.221,25 DM.

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Der 28jährige Hilfeempfänger J. wurde vom 11.03.1996 - 14.03.1996 im St. B.-Hospital (Landkreis W.) wegen eines Abzesses der Ferse (ICD-Schlüssel 682) stationär behandelt. In diesem Zusammenhang sind Krankenbehandlungskosten in Höhe von 1.717,70 DM sowie Krankentransportkosten von 1.503,55 DM entstanden, zusammen 3221,25 DM. Ein gewöhnlicher Aufenthalt des Hilfeempfängers konnte nicht ermittelt werden.

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Am 07.05.1996 beantragte der Kläger beim beklagten Amt Kostenerstattung. Mit Schreiben vom 09.04.1998 lehnte das beklagte Amt eine Kostenerstattung ab. Ein vorläufiges Eintreten setze zwingend auch einen anderen endgültig zur Leistung verpflichteten Sozialhilfeträger voraus, der bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art naturgemäß nicht vorhanden sei. Die Zuständigkeit des örtlichen Trägers ergäbe sich in den Fällen des § 103 Abs.1 Satz 2 BSHG nur analog aus § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG und sei endgültig, so dass die Bagatellgrenze in Höhe von 5.000,-- DM anwendbar sei.

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Am 01.12.1999 hat der Kläger Klage erhoben.

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Er ist der Auffassung, dass Wortlaut und Sinn der gesetzlichen Regelung die Anwendung der Bagatellgrenze ausschlösse.

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Der Kläger beantragt,

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die vorläufig erbrachten Aufwendungen der Hilfe in Einrichtungen (§ 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG) für Personen ohne festen Wohnsitz (hier Hilfeempfänger J.) unabhängig von einer Bagatellgrenze von 5.000,-- DM (§ 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG) in tatsächlicher Höhe von (hier) 3.221,25 DM zu erstatten.

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Das beklagte Amt beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Zentrale Spruchstelle habe mehrfach seine Auffassung bestätigt, dass die Bagatellgrenze auch in den Fallgestaltungen gelte, in denen ein Träger der Sozialhilfe stationäre Hilfe gewähre und ein gewöhnlicher Aufenthalt des Hilfeempfängers im maßgeblichen Zeitraum nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln sei. In den Fällen eines eindeutig nicht vorhandenen gewöhnlichen Aufenthaltes sei jedoch kein Raum für Zweifel an der endgültigen Zuständigkeit des Trägers mit der Folge, dass die Bagatellgrenze aus § 111 Abs. 2 BSHG anzuwenden sei.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.

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Der Kläger hat nach §§ 97 Abs. 2 Satz 3; 103 Abs. 1 Satz 2; 111 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz BSHG einen Anspruch auf Erstattung auch unterhalb der Bagatellgrenze.

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Die Kammer folgt der Rechtsansicht der Zentralen Spruchstelle nicht, wonach sich die Anwendung der Bagatellgrenze daraus ergebe, dass der endgültig leistungspflichtige örtliche Träger der Sozialhilfe feststehe. Er sei nicht, wie § 97 Abs. 2 Satz 3 iVm § 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG voraussetze, vorläufig tätig (z.B. Zentrale Spruchstelle in Weimar, Entsch. v. 12.02.1998 - B 37/97 -). Die zentrale Spruchstelle leitet die endgültige Leistungsträgerschaft aus einer fehlenden anderweitigen endgültigen Zuständigkeit ab.

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Nach Auffassung der Kammer ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, dass unter vorläufig leistendem örtlichen Träger der Sozialhilfe iSd Gesetzes auch ein Träger zu verstehen ist, in dessen Bereich sich ein Hilfeempfänger aufhält, ohne überhaupt einen gewöhnlichen Aufenthaltsort zu haben, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob das Fehlen einer anderweitigen endgültigen Zuständigkeit zur endgültigen Zuständigkeit der Klägerin führt.

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Schon der Wortlaut des § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG mit der Formulierung "....ob .... der gewöhnliche Aufenthalt .... begründet worden ist", legt nahe, dass in den Fällen, in denen nicht innerhalb von vier Wochen feststeht, dass überhaupt ein gewöhnlicher Aufenthalt besteht, der nach Abs. 1 zuständige Träger der Sozialhilfe  vorläufig einzutreten hat. Hat ein Hilfeempfänger von vornherein keinen gewöhnlichen Aufenthalt, hat er ihn naturgemäß auch nach mehr als vier Wochen nicht. Per gesetzlicher Definition tritt der Träger mithin auch im Fall eines fehlenden gewöhnlichen Aufenthalts vorläufig ein. Dies findet seine Entsprechung in § 103 Abs. 1 Satz 2 BSHG. Der Gesetzeswortlaut geht davon aus, dass es auch in den Fällen des § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG möglich ist, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt (von vornherein) nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist. Die amtliche Begründung (BT-Drucksache 12/4401 S. 84) verdeutlicht dies dadurch, als sie darüber hinaus davon ausgeht, dass es einen  vorläufig leistenden örtlichen Träger auch dann gibt, wenn ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht vorhanden ist, mithin der leistende Träger nach Auffassung der Zentralen Spruchstelle endgültig leistet (aaO).

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Es heißt dort:

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"Eine Kostenerstattung soll nur noch stattfinden, ... - nach § 103 Abs. 1 Satz 2 durch den überörtlichen Träger an den vorläufig leistenden Träger, wenn ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht vorhanden oder endgültig nicht feststellbar ist."

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Die amtliche Begründung geht im Gegensatz zur Zentralen Spruchstelle davon aus, dass § 103 Abs. 1 Satz 2 BSHG eben nicht (nur) die Fallgestaltung der endgültigen Leistungsverpflichtung des Kostenerstattung begehrenden Sozialhilfeträgers erfasst.

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Der Hinweis der Zentralen Spruchstelle (aaO) darauf, dass sich § 103 Abs. 1 Satz 2 BSHG mit seiner Verweisung auf § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG nur auf die Fälle der Hilfeempfänger ohne feststellbaren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland beziehe (Streichung des § 106 BSHG) geht fehl. Aus der Streichung des § 106 BSHG folgt nicht, dass § 103 Abs. 1 Satz 2 BSHG sich nur auf die im alten § 106 BSHG geregelten Fälle bezieht. Zwar erfasst der § 103 Abs. 1 Satz 2 BSHG auch diese Fälle. Eine Beschränkung darauf lassen aber weder Wortlaut noch Begründung erkennen.

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Der Hinweis, dass der Gesetzgeber die Kostenerstattung einschränken wollte, hilft nicht. So hat er in § 111 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz BSHG Ausnahmen geschaffen. Eine weitere Beschränkung bedarf der gesetzlichen Regelung.

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Auch der Sinn der Nichtanwendung der Bagatellgrenze in § 111 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz BSHG stützt die vorstehende Auslegung. Die Bagatellgrenze soll immer dann nicht angewandt werden, wenn ein Hilfeempfänger sich nicht gewöhnlich im Bereich des örtlichen Sozialhilfeträgers aufhält. Dies stellt nämlich sicher, dass Kosten auf den örtlichen Sozialhilfeträger nicht immer dann zukommen, wenn er besonders viele oder gute Anstalten, Heime oder gleichartige Einrichtungen entweder selbst aufgebaut oder deren Ansiedlung gefördert hat und dadurch der Zustrom auch der sich nicht gewöhnlich in seinem Bereich aufhaltenden Hilfeempfänger verstärkt wird. Es ist nicht ersichtlich, warum der Kreis der Umherziehenden aus dieser Regelung herausfallen sollte.

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Die Höhe des Erstattungsbetrages steht nicht im Streit. Fehler sind auch nicht ersichtlich.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

 


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