Beschluss vom Verwaltungsgericht Hannover (12. Kammer) - 12 B 756/02

Gründe

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Zum Sachverhalt: Die Gemeinde X (Ast.) wendet sich gegen die vom Ag. der Beigel. zu 1) erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines "Nahversorgermarktes" mit einer Verkaufsfläche von über 1.055,64 m² und einer Geschossfläche von 1.591,36 m² sowie zwischen 65 und 100 genehmigten Kfz-Einstellplätzen auf dem Gebiet der benachbarten Gemeinde Y (Beigel. zu 2]). Das Baugrundstück liegt in unmittelbarer Nähe der Gemeindegrenze im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 15 "K.E." der Beigel. zu 2), der ein Mischgebiet (MI) ausweist.

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Im Planaufstellungsverfahren hatte die Industrie- und Handelskammer (IHK) unter dem 23.6.2000 ausgeführt: "In den Misch- und Gewerbegebieten des Plangebietes soll Einzelhandel zulässig sein. Wir machen darauf aufmerksam, dass damit Risiken für die Funktion des städtebaulich integrierten Einzelhandels und auch für die Versorgung der Bevölkerung verbunden sind. Auch wenn die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben unter dem Vorbehalt des § 11 III BauNVO 1990 stünde, wäre nicht auszuschließen, dass sich z.B. durch Ansiedlung von mehreren Betrieben unterhalb der Schwelle der Großflächigkeit (ca. 700 - 800 m² Verkaufsfläche) Agglomerationseffekte zulasten von Betrieben in Ladengröße innerhalb der Ortslage einstellen würden. Diese Entwicklung in Gewerbegebieten zu verhindern, kann im Einzelfall schwierig sein. Wir empfehlen deshalb den Ausschluss des Einzelhandels im Plangebiet oder - alternativ - den Ausschluss von Branchen, die für die Funktion des innerörtlichen Versorgungsbereiches maßgeblich in X sowie für die wohnungsnahe Grundversorgung von wesentlicher Bedeutung sind." Der Rat der Beigel. zu 2) nahm folgende Abwägung vor: "Grundsätzlich erscheinen die vorgebrachten Bedenken zwar berechtigt; im vorliegenden Fall jedoch haben die Vorgespräche in der Gemeinde ergeben, dass wegen der Hanglage der Baugebiete, ihrer ungünstigen Erreichbarkeit von der Bundes- und Landesstraße, der vorgeschriebenen Eingrünung zu diesen Straßen und möglichem Zuschnitt und möglicher Größe der Grundstücke geeignete Standorte für Betriebe mit ca. 700 - 800 m² Verkaufsfläche fehlen und Befürchtungen unberechtigt sind. Die angeregten Festsetzungen sind nicht erforderlich. Beschlussempfehlung: Die Anregung, Einzelhandelsbetriebe im ausgewiesenen Mischgebiet (MI) und eingeschränkten Gewerbegebiet (GEs) auszuschließen, bleibt unberücksichtigt, weil das Erfordernis dazu nicht erkennbar ist. Die Begründung wird entsprechend ergänzt."

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Im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens holte das Bauamt des Ag. eine Stellungnahme seines Amtes für Wirtschaftsförderung und Regionalplanung ein, die am 14.12.2001 wie folgt erteilt wurde: "Gegen das o.g. Bauvorhaben bestehen aus raumordnerischer [Sicht] keine Bedenken, sofern die Gesamtverkaufsfläche des geplanten Supermarktes auf max. 1.078 m² begrenzt bleibt. Es bestehen bis zu der beantragten Verkaufsflächengröße keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der Realisierung des Projektes wesentliche Beeinträchtigungen ausgeglichener Versorgungsstrukturen und der Funktionsfähigkeit des im Entwurf des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) für den [Ag.] 2001 festgelegten grundzentralen Standortes [der Ast.] zu erwarten sind (siehe Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen 1994, Abschnitt ... und RROP-Entwurf 2001, Abschnitt ...)." Eine entsprechende Anfrage an die IHK zog der Ag. zurück.

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Die Ast. befürchtet einen Verdrängungswettbewerb zum Nachteil der beiden in ihrem Ortszentrum gelegenen Ladengeschäfte. Ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widerspruchs gegen die Baugenehmigung in der Gestalt einer Nachtragsbaugenehmigung hatte Erfolg.

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Aus den Gründen: Das Gericht kann gemäß §§ 80a, 80 V, II 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 212a I BauGB die aufschiebende Wirkung der von der Ast. erhobenen Widersprüche gegen die vom Ag. der Beigel. zu 1) erteilten Baugenehmigung in Gestalt der Nachtragsbaugenehmigung anordnen, wenn das Verhinderungsinteresse der Ast. das Interesse der Bauherrin an der Fertigstellung ihres Vorhabens überwiegt.

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Dies ist vorliegend der Fall. Gegenwärtig spricht Überwiegendes dafür, dass sich die Baugenehmigung für die Errichtung des "Nahversorgermarktes" am gewählten Standort im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird (1). Ebenso spricht gegenwärtig Überwiegendes dafür, dass hierdurch Rechte der Ast. als Nachbargemeinde verletzt werden (2). Da der Ag. eine ordnungsgemäße Prüfung der Auswirkungen des Bauvorhabens auf die innergemeindliche Versorgungsstruktur der Ast. unterlassen hat, gebietet die Abwägung der widerstreitenden Interessen, vollendete Tatsachen zum Nachteil der Ast. zu verhindern. Der Beigel. zu 1) ist es deshalb zuzumuten, mit der Fertigstellung und Nutzung ihres Vorhabens zuzuwarten, bis geklärt ist, ob Rechte der Ast. verletzt werden.

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1.Das Bauvorhaben ist am gewählten Standort gegenwärtig sehr wahrscheinlich bauplanungsrechtlich unzulässig.

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Zugunsten der Beigel. zu 2) unterstellt die Kammer mit Geltung für das vorläufige Rechtsschutzverfahren die Rechtsgültigkeit des Bebauungsplans Nr. 15 "K.E." insoweit, als die Fläche, in der das Baugrundstück gelegen ist, als Mischgebiet (MI) festgesetzt worden ist. Gemäß § 30 BauGB in Verbindung mit § 6 II Nr. 3 BauNVO sind in Mischgebieten Einzelhandelsbetriebe zwar zulässig. Handelt es sich jedoch um großflächige Einzelhandelsbetriebe (a.), die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können (b.), sind sie gemäß § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. So verhält es sich hier.

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a. Die BauNVO enthält keine Schwellenangabe, ab welcher Größe ein Einzelhandelsbetrieb als großflächig einzustufen ist. Nach der Rechtsprechung des BVerwG kann auch ein Einzelhandelsbetrieb mit weniger als 1.000 m² Verkaufsfläche ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb im Sinne von § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO sein. Das BVerwG hat die Großflächigkeit für Verkaufsflächen von 951 m² und 838 m² bejaht sowie ausgeführt, dass vieles dafür spreche, dass die Verkaufsflächen-Obergrenze für Einzelhandelsbetriebe der wohnungsnahen Versorgung nicht wesentlich unter 700 m², aber auch nicht wesentlich darüber liege (BVerwG NVwZ 1987, 1076). Da die Beigel. zu 1) einen "Nahversorgermarkt" im ländlich strukturierten Raum zur Genehmigung gestellt hat, ist diese Schwellengröße maßgebend. Auch das Nds.OVG hat sich noch mit einem Beschluss vom 26.4.2001 mit Geltung für vorläufige Rechtsschutzverfahren dieser Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen und es abgelehnt, entsprechend den heutigen Marktforderungen die Grenzen der in einem allgemeinen Wohngebiet noch zulässigen Verkaufsfläche von Läden auf 800 m² anzuheben (BauR 2001, 1239; a.A. OVG Koblenz NVwZ-RR 2001, 573: 802 m²). Auch nach der Rechtsprechung des OVG Münster handelt es sich bei einem SB-Markt mit einer Verkaufsfläche von 900 m² um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb, der in einer Umgebung, die auch Merkmale eines Mischgebiets umfasst, bauplanungsrechtlich unzulässig ist (OVG Münster, Urteil vom 20.6.1991 - 11 A 728/88 - juris; vgl. auch VG Frankfurt NVwZ-RR 2000, 584; Lebensmitteleinzelhandelsbetrieb mit einer Verkaufsfläche von 821,49 m² neben einem allgemeinen Wohngebiet). Die Kammer folgt mit Geltung für das vorläufige Rechtsschutzverfahren dieser gesicherten Rechtsprechung und wendet sie auch auf das von der Beigel. zu 2) festgesetzte Mischgebiet an, das direkt an Wohnbebauung angrenzt. Die Kammer sieht keinen Anlass, im vorliegenden Fall die Schwellenangabe für das Merkmal der "Großflächigkeit" auf 1.000 m² und mehr anzuheben. Auch liegt eine verbindliche Festlegung des Gesetz- oder Verordnungsgebers im Sinne einer 1.000 m²-Schwelle noch nicht vor. Gegenwärtig sind lediglich rechtspolitische Äußerungen bekannt, die eine Anhebung des Schwellenwertes fordern und an die weder die Verwaltung noch die Rechtsprechung  gebunden sind.

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Bei dem vom Ag. genehmigten Vorhaben der Beigel. zu 1) handelt es sich nach gegenwärtiger Rechtslage um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb, weil seine Verkaufsfläche den Schwellenwert von ca. 700 m² deutlich überschreitet. Verkaufsfläche ist die Fläche, auf der die Verkäufe abgewickelt werden und die von den Kunden zu diesem Zweck betreten werden darf. Sie umschließt die dem Verkauf dienende Fläche einschließlich der Gänge, Treppen, Aufzüge, Standflächen für Einrichtungsgegenstände, Kassenzonen, Schaufenster und Freiflächen, soweit sie dem Kunden zugänglich sind (BVerwG BauR 1990, 569, 571; Fickert/Fieseler, BauNVO, 8. Aufl., § 11 Rdnr. 19.3). Ebenso zählt hierzu die Einpack- und Kassenzone (VG Frankfurt NVwZ-RR 2000, 584). Die Kammer geht mit Geltung für das vorläufige Rechtsschutzverfahren davon aus, dass bei Zugrundelegung der Nachtragsbaugenehmigung von einer Verkaufsfläche des streitbefangenen "Nahversorgermarktes" von mindestens 1.055,64 m² auszugehen ist (Verkaufsfläche "N" 954,71 m² + "Vorkasse" 57,46 m² + "Bäcker" 43,47 m²). Der "N"-Markt im engeren Sinne hat eine genehmigte Verkaufsfläche von 954,71 m². Aus den der Kammer vorliegenden Bauvorlagen ist nicht ersichtlich, dass der Bereich der "Fleischerei" den Kunden nicht zugänglich ist. Ein Abzug ist deshalb nicht vorzunehmen. Die Vorkasse dient ganz offenkundig als Einpackzone und ist deshalb der Verkaufsfläche hinzuzurechnen. Im Übrigen ist gerichtsbekannt, dass in entsprechenden Vorkassenbereichen häufig u.a. Blumen und Gartenzubehör angeboten werden und sich auch diese Fläche in der Praxis als Verkaufsfläche darstellt. Die Fläche "Bäcker" ist hinzuzurechnen, weil aus den Bauvorlagen, insbesondere der Betriebsbeschreibung, nicht ersichtlich ist, dass sie einem Dritten zugeordnet wird. Die entsprechende Behauptung der Beigel. zu 1) findet in den genehmigten Bauvorlagen keinen Niederschlag. Im Übrigen folgt die Kammer auch in diesem Zusammenhang der Rechtsprechung des OVG Münster, nach der ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb auch aus mehreren, bautechnisch selbständigen Betrieben bestehen kann, weil ein gemeinsames Nutzungskonzept vorliegt und keine Konkurrenzsituation gegeben ist (vgl. OVG Münster NVwZ 2000, 1066). Zudem hatte der Entwurfsverfasser des Vorhabens die Verkaufsfläche unter dem 4.12.2001 unter Einbeziehung der Fläche für den "Fleischer", des Vorkassenraums und der für die Nutzung "Bäcker" vorgesehenen Fläche selbst mit 1.077,74 m² angegeben. Diese vom Entwurfsverfasser der Beigel. zu 1) selbst vorgenommene Berechnung scheint bei summarischer Überprüfung am ehesten der Verkaufsfläche in rechtlicher Hinsicht zu entsprechen. Auch das Amt für Wirtschaftsförderung und Regionalplanung des Ag. war in seiner Stellungnahme vom 14.12.2001 von einer Verkaufsfläche zur Größe von (aufgerundet) 1.078 m² ausgegangen. Die Differenz zu der von der Kammer mit Geltung für das vorläufige Rechtsschutzverfahren zugrunde gelegten Verkaufsfläche von 1.055,64 m² ergibt sich aus der verringerten Gebäudegröße, wie sie Gegenstand der Nachtragsbaugenehmigung ist.

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b.Das vom Ag. genehmigte Vorhaben der Beigel. zu 1) wird sich gemäß § 11 III 1 Nr. 2, S. 2 BauNVO nicht nur geringfügig auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich, auf die infrastrukturelle Ausstattung und den Verkehr auswirken. Denn nach § 11 III 3 BauNVO sind solche Auswirkungen bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben in der Regel anzunehmen, wenn deren Geschossfläche 1.200 m² überschreitet. Das Vorhaben der Beigel. zu 1) weist nach der Nachtragsbaugenehmigung eine Geschossfläche von - unstreitig - 1.591,36 m² auf. Rechtspolitische Empfehlungen, § 11 III 3 BauNVO dahingehend zu ändern, dass aufgrund geänderten Kundenverhaltens die Regelvermutung erst bei Überschreitung einer Geschossfläche von 2.000 m² einsetzt, sind für die Kammer unerheblich, weil sie in den Wortlaut der BauNVO noch keinen Einzug gefunden haben. Maßgeblich für das vorläufige Rechtsschutzverfahren ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

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Ein Abweichen von der Regelvermutung ist nur bei einer atypischen Fallgestaltung angezeigt, d.h. der Frage, ob keine oder nur unwesentliche Auswirkungen möglich sind, ist nur dann nachzugehen, wenn das Vorhaben nicht zu der Art der Betriebe gehört, die von der Regelung des § 11 III BauNVO erfasst werden soll, oder wenn die konkrete städtebauliche Situation von derjenigen abweicht, in der § 11 III BauNVO das Entstehen großflächiger Einzelhandelsbetriebe wegen deren Auswirkungen verhindert wissen will (Fickert/Fieseler, aaO, § 11 Rdnr. 27.1). Dass eine solche atypische Situation vorliegt, ergibt sich nachvollziehbar nicht aus der Stellungnahme des Amtes für Wirtschaftsförderung und Regionalplanung des Ag. vom 14.12.2001. Im Gegenteil bestätigt die Stellungnahme der IHK vom 23.6.2000 zum Bebauungsplan der Beigel. zu 2) eher die Regelvermutung. Denn in dieser Stellungnahme wurde der Beigel. zu 2) ausdrücklich empfohlen, den Einzelhandel oder - alternativ - solche Branchen im Plangebiet auszuschließen, die für die Funktion des innerörtlichen Versorgungsbereichs maßgeblich im Gebiet der Ast. sowie für die wohnungsnahe Grundversorgung von wesentlicher Bedeutung sind. Begründet wurde diese Empfehlung mit der Befürchtung, dass sich durch die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben im Plangebiet "K.E." der Beigel. zu 2) Agglomerationseffekte zulasten von Betrieben in Ladengröße innerhalb der Ortslage einstellen würden. Insbesondere mit dieser Stellungnahme hat sich der Ag. nicht auseinandergesetzt. Er hat sogar eine weitere Anfrage an die IHK zum konkreten Vorhaben zurückgezogen. Auch der Beteiligtenvortrag der Beigel. widerlegt die Regelvermutung des § 11 III 3 BauNVO nicht. Hierbei handelt es sich um Behauptungen, denen im Widerspruchsverfahren durch Einholung eines entsprechenden Marktgutachtens nachgegangen werden kann. Für die Regelvermutung spricht schließlich auch, dass die Beigel. zu 2) über den Stellplatznachweis hinaus einen qualifizierten Lageplan vorgelegt hat, der 100 Kfz-Einstellplätze darstellt, und der vom Ag. mit "Grünstempel" zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärt wurde.

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c.Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 II BauGB ist der Beigel. zu 1) nicht erteilt worden.

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2.Es spricht bei summarischer Überprüfung auch Überwiegendes dafür, dass durch die Erteilung einer sehr wahrscheinlich bauplanungsrechtlich unzulässigen Baugenehmigung für einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb unmittelbar vor der Gemeindegrenze der Ast. deren Rechte verletzt werden. Zu diesen Rechten, die die Ast. in einer kommunalen Nachbarklage geltend machen kann, zählt die ihr Gemeindegebiet betreffende Planungshoheit.

15

Nach der Rechtsprechung des BVerwG (BVerwGE 84, 209, 215 ff.) enthält die Vorschrift des § 2 II BauGB, nach der die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen sind, eine gesetzliche Ausformung der gemeindlichen Planungshoheit, die das Recht einschließt, sich gegen solche Planungen anderer Stellen zur Wehr zu setzen, die die eigene Planungshoheit rechtswidrig verletzen. Ermöglicht die Gemeinde mit einer entsprechenden - nicht abgestimmten - Bauleitplanung die Ansiedlung eines Vorhabens mit gewichtigen Auswirkungen auf die Nachbargemeinde, kann letztere sich hiergegen unter Berufung auf § 2 II BauGB wehren. Entsprechendes gilt erst recht für ein - wie im vorliegenden Fall - nicht von der Bauleitplanung ermöglichtes Vorhaben, für das die Baugenehmigungsbehörde unter Berufung auf den Bebauungsplan der Gemeinde die Baugenehmigung erteilt. Denn aus den vorstehenden Ausführungen zu 1) folgt, dass die Baugenehmigung für einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb mit einer Geschossfläche von mehr als 1.200 m² im durch Bebauungsplan festgesetzten "Mischgebiet" der Beigel. zu 2) sehr wahrscheinlich rechtswidrig ist. Der aus § 2 II BauGB hergeleitete Abwehranspruch kommt auch dann in Betracht, wenn die Zulassung auf einer mitwirkungsbedürftigen Ermessensentscheidung in Gestalt einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans beruhen müsste, diese Entscheidung - oder die Mitwirkung der Gemeinde an ihr - aber unterblieben ist. Insoweit ist die Ast. als Nachbargemeinde hinsichtlich ihrer Rechte nämlich in keiner anderen Situation als ein Nachbar, der sich durch ein Vorhaben in seinen Rechten verletzt sieht, das nicht dem Nachbarschutz dienenden Festsetzungen eines Bebauungsplans widerspricht. So wie es für diese Fallgestaltung anerkannt ist, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten des Nachbarn nicht davon abhängen, ob die erforderliche Befreiung von den Festsetzungen - mit der gemäß § 31 II BauGB gebotenen Würdigung nachbarlicher Belange - erteilt wurde oder nicht, sondern nur darauf ankommt, ob die nachbarlichen Belange gewahrt sind, kann es aus dem Blickwinkel einer möglichen Verletzung des Rechts auf zwischengemeindliche Abstimmung letztlich nur entscheidend sein, ob das Vorhaben gewichtige Auswirkungen auf die Nachbargemeinde hat oder nicht (BayVGH BauR 2000, 365, 367; vgl. auch OVG Münster NVwZ-RR 1988, 11 ff. zur Umgehung des Planerfordernisses). Dabei kann allerdings die Vermutungsregel des  § 11 III 3 BauNVO den Nachweis einer Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebotes nach § 2 II BauGB nicht ersetzen (OVG Lüneburg Nds.Rpfl. 2001, 277). Die Ast. muss deshalb die durch das genehmigte Vorhaben hervorgerufenen Auswirkungen gewichtiger Art auf ihre Planungshoheit substantiiert dartun (OVG Münster NVwZ-RR 1988, 11).

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Dies hat die Ast. jedenfalls mit Wirkung für das vorläufige Rechtsschutzverfahren ausreichend unternommen. Geschützt sind nicht nur die in die Zukunft gerichteten planungsrechtlichen Gestaltungsspielräume der Ast.. Nicht nur dann, wenn die gemeindliche Planung ganz oder teilweise nicht mehr verwirklicht werden kann, sondern auch dann, wenn die Ast. zur nachträglichen Änderung ihrer Planung gezwungen wird, kann sie in ihrer Planungshoheit verletzt sein. Selbst die Vorstellung, an der vorgegebenen Art der Bodennutzung im Gemeindegebiet für die absehbare Zeit nichts zu ändern, ist nicht schutzlos, wenn sie durch überörtliche oder überörtlich wirkende Planung mit Auswirkungen auf den gemeindlichen Bereich nachhaltig betroffen wird (OVG Münster NVwZ-RR 1988, 11).

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So verhält es sich hier. Die Ast. hat nachvollziehbar dargelegt, dass die beiden Lebensmittelgeschäfte in ihrem Gebiet von dem Vorhaben nachhaltig betroffen sind. Zwar schützt § 2 II BauGB nicht vor neuer Konkurrenz. Jedoch kann die Unzumutbarkeit eines Vorhabens dann angenommen werden, wenn - durch die erteilte Baugenehmigung verursacht - ein Verdrängungswettbewerb ausgelöst wird, der den Charakter einer benachbarten Innenstadt grundlegend verändert oder die Nachbargemeinde in ihrer Nahversorgungsfunktion gefährdet. Dies ist vorliegend mit Geltung für das vorläufige Rechtsschutzverfahren offensichtlich der Fall, zumal für das im unmittelbaren Bereich zur Gemeindegrenze der Ast. angesiedelte Vorhaben der Beigel. zu 1) bis zu 100 Kfz-Einstellplätze genehmigt sind. Das Gebiet der Ast. hat nach der Stellungnahme des Amtes für Wirtschaftsförderung und Regionalplanung des Ag. vom 14.12.2001 grundzentrale Bedeutung. Ein Kaufkraftabfluss von 10 bis 30% kann eine wesentliche Auswirkung auf die Ast. begründen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 21.2.2002 - 1 MN 4128/01 -, Beschlussabdruck S. 16 mwN aus der Rechtsprechung). Gerade bei kleineren Grundzentren können sich großflächige Ansiedlungsvorhaben noch kleinerer Nachbargemeinden verstärkt auf die Planungshoheit der Nachbargemeinde auswirken.

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Vor diesem Hintergrund ist die pauschale Feststellung in der Stellungnahme des Amtes für Wirtschaftsförderung und Regionalplanung des Ag. vom 14.12.2001, das Vorhaben der Beigel. zu 1) lasse selbst bei einer zugrunde gelegten Verkaufsfläche von 1.078 m² keine wesentlichen Beeinträchtigungen ausgeglichener Versorgungsstrukturen und der Funktionsfähigkeit des grundzentralen Standortes der Ast. erwarten, nicht nachvollziehbar. Weder werden in der Stellungnahme die Grundlagen für diese Bewertung genannt, noch wird dargelegt, dass sich der erwartete Kaufkraftabfluss unterhalb der in der Rechtsprechung diskutierten 10 bis 30% bewegt. Eine aktuelle Marktanalyse hat der Ag. weder vorgelegt, noch hat er auf sie Bezug genommen. Entsprechende Untersuchungen haben auch die Beigel. nicht zur Gerichtsakte gereicht. Sie haben einen Kaufkraftabfluss lediglich bestritten oder andere Ursachen hierfür behauptet. Aus welchen Gründen der Ag. vor diesem Hintergrund seine Anfrage an die IHK zurückgezogen hat, ist unerfindlich. Der Grund, es liege bereits die Stellungnahme der IHK vom 23.6.2000 zum Bebauungsplan der Beigel. zu 2) vor, überzeugt jedenfalls nicht. Denn diese Stellungnahme bestätigt nicht die Einschätzung in der Stellungnahme des Amtes für Wirtschaftsförderung und Regionalplanung vom 14.12.2001, sondern gelangt zu einem anderen Ergebnis. Die IHK hatte nämlich bereits abgeraten, im Plangebiet der Beigel. zu 2) Einzelhandelsbetriebe zur Größe von lediglich 700 bis 800 m² zuzulassen und dies mit den Auswirkungen "maßgeblich auf [die Ast.]" insbesondere für innerörtliche Ladengeschäfte begründet. Die Stellungnahme der IHK vom 23.6.2000 ist jedenfalls geeignet, erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der nicht näher begründeten Einschätzung in der Stellungnahme des Amtes für Wirtschaftsförderung und Regionalplanung des Ag. vom 14.12.2001 hervorzurufen.

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Die Annahme einer Rechtsverletzung auf Seiten der Ast. können der Ag. im Abhilfeverfahren oder die Widerspruchsbehörde im Widerspruchsverfahren durch Einholung einer aktuellen Marktanalyse widerlegen. Gegenwärtig überwiegt jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass die Fertigstellung des mit einer Geschossfläche von 1.591,35 m² und bis zu 100 Kfz-Einstellplätzen genehmigten großflächigen Einzelhandelsbetriebes gewichtige Auswirkungen auf die Planungshoheit der Ast. hervorrufen würde. Es überwiegt deshalb das Interesse der Ast., vorläufig die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern. Dem gegenüber kann sich die Beigel. zu 1) nicht darauf berufen, bereits Baukosten im Umfang von ca. 230.000 ¤ investiert zu haben. Sie ist bereits im Beiladungsbeschluss der Kammer vom 26.2.2002 darauf hingewiesen worden, dass die Ausnutzung der Baugenehmigung auf ihr eigenes finanzielles Risiko erfolgt.

 


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