Beschluss vom Verwaltungsgericht Hannover (6. Kammer) - 6 C 3915/02

Gründe

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I. Die Antragstellerin bewarb sich im regulären Zulassungsverfahren fristgerecht bis zum 15.07.2002 bei der Antragsgegnerin um Zulassung zum Studium im Studiengang Sonderpädagogik - Lehramt - zum Wintersemester 2002/2003. Mit Bescheid vom 22.08.2002 lehnte die Antragsgegnerin die beantragte Zulassung ab, weil bei 509 Bewerbungen nur 130 Studienplätze zur Verfügung gestanden hätten und hierauf Bewerber über die Leistungsrangliste bis Rang 75, über die Warterangliste bis Rang 37 und über die Auswahlliste bis Rang 36 hätten zugelassen werden können, die Antragstellerin jedoch lediglich Rang 305 auf der Leistungsrangliste, Rang 156 auf der Warterangliste und Rang 272 auf der Auswahlliste erreicht habe. Den gegen diesen Ablehnungsbescheid erhobenen Widerspruch der Antragstellerin vom 28.08.2002 wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2002, dieser der Antragstellerin nach eigenen Angaben zugestellt am 26.09.2002, als unbegründet zurück. Die hiergegen gerichtete Klage der Antragstellerin ist bei dem beschließenden Gericht seit dem 25.10.2002 zu Aktenzeichen 6 A 5327/02 anhängig. Die Gerichtsakten zu jenem Verfahren sind hier beigezogen worden.

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Die Antragstellerin hat am 31.08.2002 bei Gericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und diesbezüglich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen sinngemäß geltend, für das Wintersemester 2002/2003 stünden bei der Antragsgegnerin im Studiengang Sonderpädagogik - Lehramt - außerhalb der festgelegten Zulassungszahl von 130 noch Studienplätze zur Verfügung; die Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin sei unrichtig. Außerdem sei die Berechnung der Rangfolge bezüglich des Notendurchschnitts und der Wartezeiten durch die Antragsgegnerin rechtsfehlerhaft erfolgt. Schließlich sei die Berechnung der Wartezeit der Antragstellerin nicht rechtmäßig erfolgt, weil die Antragsgegnerin nicht hinreichend berücksichtigt habe, dass die Antragstellerin in der Zeit vom 01.09.2001 bis zum 31.08.2002 ein freiwilliges soziales Jahr absolviert habe.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie zum Wintersemester 2002/2003 vorläufig zum Studium im Studiengang Sonderpädagogik - Lehramt - zuzulassen,

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ihr für dieses Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe zu bewilligen und

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ihr Rechtsanwältin Waltraut B., Hannover, beizuordnen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.

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Zur Begründung verweist sie auf die dem Gericht vorgelegten Kapazitätsunterlagen. Die Festlegung der Zulassungszahl mit 130 sei danach rechtmäßig erfolgt.

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Das Gericht hat die Antragstellerin mit Verfügung vom 02.09.2002 darauf hingewiesen, dass sie bislang u.a. einen Antrag bei der Antragsgegnerin auf Zulassung außerhalb des Zulassungsverfahrens und der festgelegten Zulassungszahl nicht belegt habe, und ihr eine Frist zur Beseitigung der aufgezeigten Mängel ihrer Antragsschrift bis zum 20.09.2002 gesetzt. Die Antragstellerin hat hierauf bislang nicht reagiert, sondern lediglich mit Schriftsatz vom 02.10.2002 den Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 23.09.2002 vorgelegt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zu diesem Verfahren sowie zum Verfahren 6 A 5327/02 verwiesen.

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II. Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie auf Beiordnung von Rechtsanwältin B. nach § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff., 121 ZPO ist abzulehnen, weil die von der Antragstellerin mit ihrem Antrag beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgend genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 VwGO).

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Denn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist als solcher zwar statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet und deshalb abzulehnen, weil die Antragstellerin den erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

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Dabei ist hinsichtlich des Streitgegenstandes des vorliegenden Verfahrens zu differenzieren:

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Soweit die Antragstellerin mit dem vorliegenden Antrag ihren Zulassungsanspruch aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) wegen unausgeschöpfter Studienplatzkapazität verfolgt, mithin beabsichtigt, einen Studienplatz auf dem Gerichtsweg außerhalb des Zulassungsverfahrens und der festgesetzten Zulassungszahl zu erlangen, scheitert ihr Begehren schon daran, dass sie innerhalb der ihr hierfür vom Gericht gesetzten Frist bis zum 20.09.2002 und auch danach bislang nicht in der nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO gebotenen Weise glaubhaft gemacht hat, dass sie innerhalb der Ausschlussfrist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) der Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen durch die Hochschulen (Hochschul-VergabeVO) vom 11.10.2000 (Nds. GVBl. S. 267), zuletzt geändert durch Verordnung vom 29.08.2002 (Nds. GVBl. S. 374), bis zum 15.10.2002 einen entsprechenden Aufnahmeantrag bei der Antragsgegnerin eingereicht hat.

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Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 2 Hochschul-VergabeVO eindeutig zwischen einem Zulassungsantrag im regulären Zulassungsverfahren (Abs. 1) einerseits und einem Aufnahmeantrag für die Zulassung außerhalb des Zulassungsverfahrens und der festgesetzten Zulassungszahl (Abs. 2) andererseits unterscheidet. Diese Differenzierung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Prüfung der Zulassungsmöglichkeit innerhalb der festgesetzten Zulassungszahl (Kapazität) nur nach auf die Auswahl selbst bezogenen Kriterien erfolgt, während die Zulassung auf Grund mangelnder Kapazitätsausschöpfung eine gänzlich andere und inhaltlich schwierigere Prüfung voraussetzt. Dementsprechend ist auch regelmäßig davon auszugehen, dass mit dem innerkapazitären Zulassungsantrag nach § 2 Abs. 1 Hochschul-VergabeVO nicht zugleich auch ein außerkapazitärer Aufnahmeantrag nach § 2 Abs. 2 Hochschul-VergabeVO verbunden ist und insoweit zwei gänzlich verschiedene, gesondert voneinander zu behandelnde Verfahrens- und Streitgegenstände sowie Rechtsverhältnisse i.S.v. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorliegen (ständige Rspr. der Kammer; im Ergebnis ebenso u.a.: OVG Hamburg, Beschluss vom 05.03.1999 – 3 NC 139/98 – NVwZ-RR 2000, 27 f.; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 09.07.1990 – NC 9 S 58/90 – NVwZ-RR 1990, 566 und vom 22.06.1993 – NC 9 S 59/93 – JurisWeb).

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Im Interesse der Rechtssicherheit und der Chancengleichheit aller Bewerber sind dabei jedoch wiederum strenge Anforderungen an die Annahme des Vorliegens eines Aufnahmeantrages im Sinne von § 2 Abs. 2 Hochschul-VergabeVO zu stellen; eine großzügige Auslegung verbietet sich insoweit. Der Wille, einen solchen gesonderten Antrag zu stellen, muss daher unmissverständlich aus dem bei der Hochschule angebrachten Begehren des Studienbewerbers zu erkennen sein. Allein die Stellung eines Zulassungsantrages nach § 2 Abs. 1 Hochschul-VergabeVO genügt jedenfalls nicht, und auch die Erhebung der Kapazitätsrüge zur Begründung eines Widerspruches gegen die Ablehnung des Zulassungsantrages nach § 2 Abs. 1 Hochschul-VergabeVO reicht nicht aus (Beschluss der Kammer vom 10.10.2002 – 6 C 3916/02 – n.v.). Vielmehr handelt es sich dabei ggf. nur um eine sachlich unzutreffende Begründung für das innerkapazitäre Zulassungsbegehren nach § 2 Abs. 1 Hochschul-VergabeVO.

18

Dass die Antragstellerin einen solchen außerkapazitären Aufnahmeantrag nach § 2 Abs. 2 Hochschul-VergabeVO bei der Antragsgegnerin gestellt hätte, ist jedoch weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Damit kann die Antragstellerin hier schon aus formalen Gründen nicht mit ihrer Rüge der fehlerhaften Kapazitätsberechnung gehört werden.

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Vielmehr ist die Prüfung im vorliegenden Verfahren hinsichtlich des Zulassungsantrages der Antragstellerin nach § 2 Abs. 1 Hochschul-VergabeVO auf die Frage beschränkt, ob die Antragstellerin einen Zulassungsanspruch innerhalb des Zulassungsverfahrens und der festgesetzten Zulassungszahl hat, mithin ob die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin bezogen auf die durch Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 der Verordnung über Zulassungszahlen für Studienplätze zum Wintersemester 2002/2003 und zum Sommersemester 2003 (ZZ-VO 2002/2003) vom 28.06.2002 (Nds. GVBl. S. 326 [329]) festgesetzte Zulassungszahl von 130 möglicherweise rechtswidrig erfolgt sein könnte und die Antragstellerin ggf. bei Vermeidung der festzustellenden Rechtsfehler mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen Zulassungsanspruch hätte. Doch auch insoweit kann der Antrag keinen Erfolg haben.

20

Soweit die Antragstellerin allgemein rügt, die Antragsgegnerin habe die Rangfolge bei der Auswahl nach dem Grad der Qualifikation gem. § 12 Hochschul-VergabeVO („Notendurchschnitt“) sowie bei der Auswahl nach Wartezeit gem. § 13 Hochschul-VergabeVO rechtsfehlerhaft berechnet, so zeigt sie nicht in der nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO gebotenen Weise auf, worin der pauschal behauptete Rechtsfehler der Antragsgegnerin liegen soll. Zu der erforderlichen Glaubhaftmachung gehört es auch im Rahmen eines Eilverfahrens auf dem Gebiet des Hochschulzulassungsrechts, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert darlegt, worauf sich sein Zulassungsanspruch stützen soll und woraus sich die Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung der Hochschule ergeben soll; pauschale Behauptungen „ins Blaue hinein“ genügen insoweit nicht. Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Antragstellerin hier nicht gerecht, so dass auch das Gericht keine Veranlassung sieht, die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin diesbezüglich im Einzelnen zu überprüfen.

21

Soweit die Antragstellerin schließlich rügt, in ihrem Fall sei die Wartezeit nach § 13 Hochschul-VergabeVO nicht rechtmäßig berechnet worden, weil das von ihr abgeleistete freiwillige soziale Jahr nicht hinreichend berücksichtigt worden sei, führt auch dies nicht zur Begründetheit des Antrages. Die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres führt nämlich nicht in jedem Fall zu einer günstigeren Berechnung der Wartezeit. Abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall des § 6 Hochschul-VergabeVO verbessert die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 3 Hochschul-VergabeVO die Position des Bewerbers nach § 13 Abs. 2 Hochschul-VergabeVO nämlich nur dann, wenn eine Berufsausbildung außerhalb der Hochschule absolviert wurde bzw. wird und die Ableistung des Dienstes den Bewerber daran gehindert hat, vor dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung einen berufsqualifizierenden Abschluss außerhalb der Hochschule zu erlangen (Nr. 1 Buchst. b]) oder der Bewerber nach Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung wegen der Ableistung des Dienstes daran gehindert war, einen berufsqualifizierenden Abschluss außerhalb der Hochschule zu erlangen oder eine Berufstätigkeit von mindestens dreijähriger Dauer auszuüben (Nr. 3 Buchst. b]).

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Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die am 08.05.1982 geborene Antragstellerin, die ihre Hochschulzugangsberechtigung unter dem 20.06.2001 erworben und ihr freiwilliges soziales Jahr vom 01.09.2001 bis zum 31.08.2002 abgeleistet hat, nicht glaubhaft gemacht. Hierfür sind auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Hinweis der Antragsgegnerin in ihrem Widerspruchsbescheid vom 23.09.2002, die Voraussetzungen für eine Verbesserung der Wartezeit nach § 13 Hochschul-VergabeVO lägen bei der Antragstellerin nicht vor, dürfte sich daher als zutreffend erweisen.

 


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