Urteil vom Verwaltungsgericht Hannover (6. Kammer) - 6 A 1986/02
Tatbestand
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Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Abstammung und 1975 in D. (Irak) geboren. Auf seinen Asylantrag vom 11. März 1996 hatte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - Bundesamt - den Kläger mit Bescheid vom 28. März 1996 als Asylberechtigten anerkannt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausländergesetz - AuslG - in bezug auf eine Abschiebung in den Irak vorliegen. Dabei ging das Bundesamt davon aus, dass der Kläger in seinem Heimatland einer Gruppenverfolgung unterliegt.
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Nachdem der Kläger von Ende Januar bis Anfang März 1998 eine sechswöchige Reise in den Irak durchgeführt hatte, erließ das Bundesamt am 16. September 1998 einen Bescheid, mit welchem es seinen Anerkennungsbescheid vom 28. März 1996 widerrief. Es entschied dabei, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Die dagegen erhobene Anfechtungsklage des Klägers hat das Verwaltungsgericht Hannover mit Urteil vom 16. August 1999 - 6 A 6408/98 - als unbegründet abgewiesen. Das Gericht führte in seinen Entscheidungsgründen aus, die Situation im Nordirak habe sich nach der Asylanerkennung des Klägers geändert und außerdem habe dieser durch seine Reise in den Irak einen neuen Widerrufsgrund geschaffen.
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Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 2. April 2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Rücknahme des Widerrufsbescheides vom 16. September 1998. Zur Begründung bezog er sich auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 19. September 2000 (NVwZ 2001 S. 335). Diesen Antrag lehnte das Bundesamt mit formlosem Bescheid vom 4. Mai 2001 ab, weil der Rücknahme die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Hannover vom 16. August 1999 im Verfahren 6 A 6408/98 entgegenstehe. Auf die dagegen im Verfahren 6 A 3284/01 erhobenen Anfechtungsklage des Klägers hob das Verwaltungsgericht Hannover den Bescheid vom 4. Mai 2001 mit Urteil vom 30. November 2001 auf, weil das Bundesamt mit seinem Bescheid vom 4. Mai 2001 das behördliche Ermessen zum Wiederaufgreifen des Verfahrens weder ausgeübt, noch seine ablehnende Entscheidung auf einen sachlich zutreffenden Grund gestützt hatte. Zugleich wurde die Beklagte verpflichtet, über die Rücknahme ihres Widerrufsbescheides vom 16. September 1998 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Insoweit führte das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen des Urteils folgendes aus:
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"Bei seiner Ermessensentscheidung wird die Beklagte zu berücksichtigen haben, dass der Widerruf einer rechtmäßigen oder rechtswidrigen Asylanerkennung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (NVwZ 2001 S. 335) und der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover (InfAuslR 2000 S. 43) nur zulässig ist, wenn sich die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse nachträglich geändert haben. Die als tragender Grund für den Widerrufsbescheid vom 16. September 1998 herangezogene Änderung der Erkenntnislage oder deren geänderte Bewertung durch das Bundesamt und die Gerichte reichen dafür nicht aus. Für den Widerruf genügt es auch nicht, dass sich der Kläger nach seiner Asylanerkennung für die Dauer von drei Wochen im Nordirak aufgehalten hat (BVerwG, a.a.O.). Schließlich wird die Beklagte zu würdigen haben, dass sich die Änderung der Sachlage in bezug auf die Gefahr einer politischen Verfolgung im Nordirak nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 8.9.1998 - 9 L 2142/98 -; a.A..: VG Hannover - 6. Kammer -, a.a.O.) nicht erst ab Herbst 1996, sondern bereits seit der im Oktober 1991 vollzogenen Etablierung einer kurdischen Verwaltung und Gebietskontrolle in den drei Nordprovinzen dergestalt geändert hat, dass die irakische Regierung dort keine effektive Herrschaft mehr ausübt. Bei Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte wird abzuwägen sein, ob und warum der Bestandskraft des Widerrufsbescheides im Asylverfahren des Klägers mehr Bedeutung beizumessen ist als in den Fällen derjenigen Ausländer, in denen das Bundesamt die Widerrufsbescheide im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2000 (a.a.O.) zurückgenommen hat."
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Daraufhin traf das Bundesamt mit Bescheid vom 23. April 2002 die Entscheidung, den Widerrufsbescheid vom 23. April 2002 nicht aufzuheben. Zur Begründung führte es aus, seine Verfahrenspraxis, die früher erlassenen Widerspruchsbescheide im Fall der Klageerhebung zurückzunehmen, führe nicht zwangsläufig dazu, dass alle Widerrufsbescheide aufgehoben werden müssten. Die Verfahrenspraxis sei seinerzeit aus verfahrensökonomischen Gründen geboten gewesen, weil die Widerrufsbescheide nach Ergehen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr geeignet gewesen seien, die materiell-rechtlich gebotene Rechtsstellung der von ihnen Betroffenen herzustellen. Diese wäre nur über die Einleitung von Verfahren zur Rücknahme der Asylanerkennungen nach § 48 VwVfG möglich gewesen. Hierzu sei das Bundesamt allerdings der vorrangig zu entscheidenden Verfahren von Asylbewerbern aus der Bundesrepublik Jugoslawien und aus Afghanistan nur in besonders gelagerten Einzelfällen in der Lage gewesen. Außerdem bestehe im Fall eines bereits unanfechtbar gewordenen Widerrufsbescheides eine andere Ausgangslage, denn in diesen Fällen hätten im Interesse der Gleichbehandlung in allen, der Anzahl nach nicht geringen Fällen unanfechtbare Widerrufsbescheide zurückgenommen werden müssen. Zudem könnte das vorliegende, materiell-rechtmäßige Ergebnis auch im Wege der Rücknahme des Anerkennungsbescheides herbeigeführt werden. Bei Abwägung dieser Umstände sei es sachgerecht, der materiellen Rechtmäßigkeit den Vorrang einzuräumen. Im Übrigen sei anzumerken, dass nach Ergehen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2000 zwei rechtskräftige Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Karlsruhe und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf ergangen seien, in denen vertreten werde, dass durch einen Aufenthalt im Irak zwar nicht auf einen Fortfall der Verfolgungsgefahr, aber auf einen Fortfall der Verfolgungsfurcht geschlossen werden könne, was ebenfalls ein Widerrufsverfahren nach § 73 AsylVfG auslöse.
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Der Kläger hat gegen den zuletzt genannten Bescheid des Bundesamtes vom 23. April 2002 am 7. Mai 2002 Klage erhoben. Er vertritt die Auffassung, dass auch die vorliegend angefochtene Entscheidung des Bundesamtes rechtsfehlerhaft sei, weil die Beklagte von dem ihr eingeräumten Ermessen keinen ausreichenden Gebrauch gemacht habe. Die Beklagte habe die in dem Urteil vom 30. November 2001 geäußerte Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht angemessen gewürdigt. Die mit gleichgelagerten Fällen begründeten Erwägungen und die Überlegung, dass dasselbe Ergebnis auch nach § 48 VwVfG hätte erzielt werden können, erfüllten die Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Ermessensausübung nicht.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 23. April 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über die Rücknahme ihres Widerrufsbescheides vom 16. September 1998 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 6 A 1986/02, 6 A 3284/01 und 6 A 6408/98 sowie der beigezogenen Verfahrensakten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (E. und C.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die auf Neubescheidung gerichtete Verpflichtungsklage ist zulässig.
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Insbesondere besteht ein rechtlich geschütztes Interesse des Klägers, den Bescheid des Bundesamtes vom 23. April 2002 gerichtlich aufheben und die Beklagte erneut zu einer neuen Entscheidung verpflichten zu lassen. Der Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses steht nicht entgegen, dass der Kläger nach § 172 VwGO die Möglichkeit hätte, einen Antrag auf gerichtliche Vollstreckung des Urteils vom 23. November 2001 zu stellen. Zwar wird die bindende Rechtskraftwirkung des Urteils vom 30. November 2001 nicht nur durch die Urteilsformel (§ 121 Nr. 1 VwGO) bestimmt, sondern auch durch die Teile der Entscheidungsgründe des Bescheidungsurteils (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), auf die der Bescheidungsanspruch maßgeblich gestützt und in denen die für dieses Urteil maßgebliche Rechtsauffassung verbindlich zum Ausdruck gebracht worden ist (BVerwG, ständ. Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 27.1.1995, NJW 1996 S. 737 f. m.w.N.). Deshalb können auch Bescheidungsurteile gemäß § 172 VwGO gegen die Behörde vollstreckt werden, wenn die Behörde zwar einen neuen Bescheid erlassen, die in dem Urteil zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung des Gerichts dabei aber nicht beachtet (vgl. Hess. VGH, NVwZ-RR 1999 S. 805 m.w.N.; Beschluss der Kammer vom 15.8.2001 - 6 D 2874/01 -).
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Die Möglichkeit des Vollstreckungsantrages macht aber nicht regelmäßig eine erneute Klage auf Neubescheidung entbehrlich. Das gilt insbesondere dann, wenn dem ersten Bescheidungsurteil wie vorliegend ein Sachverhalt zugrunde liegt, bei dem die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt oder auf einen sachlich nicht zutreffenden Grund gestützt hat. In diesem Fall muss der Betroffene die Möglichkeit haben, die mit der Neubescheidung verbundene, erstmalig angestellte oder auf andere Erwägungen gestützte Ermessenausübung Gericht überprüfen zulassen. Den Kläger in diesen Fällen regelmäßig auf den Antrag auf Vollstreckung des (ersten) Bescheidungsurteils zu verweisen (so offenbar: Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 113 Rdnr. 216), hätte eine von dem Gesetzgeber in § 114 Satz 1 VwGO nicht gewollte Verkürzung des Rechtsschutzes zur Folge.
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Die Klage ist auch begründet.
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Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 23. April 2002 ist gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, denn er ist rechtswidrig und verletzt den Klägern in seinen Rechten. Zugleich ist die Beklagte nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO (erneut) zu verpflichten, eine Entscheidung über die Rücknahme ihres Widerrufsbescheides vom 16. September 1998 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu treffen, denn diesen bereits im Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 30. November 2001 - 6 A 3284/01 - zugesprochenen Anspruch des Klägers hat die Beklagte auch mit dem Bescheid des Bundesamtes vom 23. April 2002 nicht erfüllt. Der Kläger hat weiterhin einen Anspruch darauf, dass auf seinen Antrag auf Rücknahme des Widerrufsbescheides des Bundesamtes vom 16. September 1998 eine ermessensfehlerfreie Behördenentscheidung getroffen wird.
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Die Behörde kann nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG, DVBl. 2001 S. 726; BVerwG, NVwZ 1985 S. 265; jeweils m.w.N.) ein Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen auch dann - im weiteren Sinne - wiederaufgreifen und über einen durch unanfechtbaren Verwaltungsakt beschiedenen materiellrechtlichen Anspruch erneut sachlich entscheiden, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - nicht vorliegen. Dabei ist es gleich, aus welcher Rechtsgrundlage des VwVfG die Ermessensermächtigung hergeleitet wird. Das gilt auch in Bezug auf das im Fall des Klägers durchgeführte Widerrufsverfahren. Die auf § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG beschränkte Verweisung des § 71 AsylVfG schließt ein Wiederaufgreifen nicht aus, denn diese bezieht sich lediglich auf erneute
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Asylanträge im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylVfG und nicht auf Anträge auf Wiederaufgreifen bestandskräftig abgeschlossener Widerrufsverfahren.
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Das behördliche Ermessen zum Wiederaufgreifen des Verfahrens ist im Regelfall nicht gebunden, muss aber als solches nach § 22 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ausgeübt und auf einen tragenden sachlichen Grund gestützt werden. Nur bei besonders gelagerten Sachverhalten kann das Ermessen der Behörde "auf Null" reduziert sein, so dass ein Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens und damit auf eine neue Sachentscheidung über einen gestellten Antrag besteht. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Aufrechterhaltung des Erstbescheides schlechthin unerträglich wäre, wenn besondere Umstände gegeben sind, welche die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit des Erstbescheides als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (BVerwG, NVwZ 1985, a.a.O.), oder wenn das anzuwendende Recht eine Aufhebung oder Änderung der bestandskräftigen Entscheidung gebietet (BVerwGE 113, 322 = NVwZ 2000 S. 202 f.). Allerdings kann in besonderen Fällen auch eine Ermessensreduzierung "auf Null" vorliegen, die ein Wiederaufgreifen des Verfahrens ausschließt. Das ist dann der Fall, wenn das wieder aufgegriffene Verfahren angesichts der materiellen Rechtslage zu keinem für den Betroffenen günstigeren Ergebnis führen könnte.
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Im Fall des Klägers liegen keine besonderen Umstände vor, die zu einer Ermessensbindung der Beklagten führen könnten. Zwar widerspricht der bestandskräftige Widerrufsbescheid den rechtlichen Vorgaben des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Seit Ergehen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12.00 - (NVwZ 2001 S. 335) ist davon auszugehen, dass der Widerruf einer Asylanerkennung und/oder einer Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nur aufgrund einer nachträglich eingetretenen Änderung der Sachlage ausgesprochen werden kann. Eine bloße Änderung der Beurteilung der Verfolgungssituation in einem bestimmten Land erfüllt diese Tatbestandsvoraussetzung dagegen nicht. Danach ist die Behörde nicht zum Widerruf der Rechtsstellung des Asylberechtigten ermächtigt, wenn sich wie im Fall des Klägers im Nachhinein lediglich die Beurteilung der Verfolgungslage ändert; das gilt selbst dann, wenn die geänderte Beurteilung auf erst nachträglich bekannt gewordenen oder neu erstellten Erkenntnismitteln beruht. Zugleich hat das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) darauf hingewiesen, dass eine Umdeutung des auf § 73 Abs. 1 AsylVfG gestützten Widerrufs in eine Rücknahme (§ 48 VwVfG) nach § 47 Abs. 3 VwVfG ausgeschlossen ist und dass auch eine vorübergehende Rückreise in den verfolgungssicheren Nordirak keinen Widerrufsgrund darstellt. Allein die dadurch bedingte Rechtswidrigkeit des Widerrufsbescheides vom 16. September 1996 stellt noch keinen besonderen Umstand dar, der die Behörde nach den oben dargestellten Grundsätzen in der Ausübung ihres Ermessens binden könnte.
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Entscheidend ist vielmehr, dass die Ausübung von Ermessen ein einzelfallbezogenes, auf tatsächlich und rechtlich richtige Überlegungen gestütztes Abwägen der widerstreitenden Interessen an dem Wiederaufgreifen eines bestandskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens erfordert. Diesen Anforderungen an eine Ermessensentscheidung wird auch der Bescheid des Bundesamtes vom 23. April 2002 nicht gerecht.
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Zunächst lässt der Bescheid des Bundesamtes vom 23. April 2002 eine Auseinandersetzung mit dem Interesse des Klägers an dem Wiederaufgreifen des Widerrufsverfahrens vermissen. Ersichtliches Interesse des Klägers ist es, eine rechtsfehlerfreie Sachentscheidung über die Frage, ob der ihn begünstigende Anerkennungsbescheid vom 28. März 1996 widerrufen werden darf, zu erhalten und diese gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen. Dieses Interesse ist gegen das Interesse an der Bestandskraft des Widerrufsbescheides abzuwägen, wobei davon auszugehen ist, dass im Regelfall weder das eine noch das andere Interesse prinzipiell überwiegt (BVerwG, NVwZ 1985 S. 265). Grundsätzlich ist das Interesse eines Betroffenen, das über seine Rechte materiell rechtmäßig entschieden wird nicht höher oder minder einzuschätzen wir das Interesse an der Rechtssicherheit einer bestandskräftig getroffenen Einzelfallregelung. Schon deshalb kommt es für die Interessenabwägung nicht darauf an, ob der Kläger "besondere" Gründe, die in der Person des Ausländers liegen (Bescheid vom 23.4.2002, Seite 3, letzter Absatz) und eine Aufhebung des Widerrufsbescheides rechtfertigen, vorgetragen hat.
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Im Übrigen geht die Beklagte für ihre Ermessensentscheidung von einer in rechtlicher Hinsicht fehlerhaften Beurteilung des Sachverhalts aus. Das Bundesamt stützt die Begründung seines Bescheides vom 23. April 2002 (Seite 2; letzter Absatz) entscheidend darauf, dass das Festhalten am Widerrufsbescheid vom 16. September 1996 zu einem materiell rechtmäßigen Ergebnis führte, und dass es andernfalls mit einer Aufhebung des Widerrufsbescheides "sehenden Auges einen materiell rechtswidrigen Rechtsstatus des Betroffenen herbeiführen" müsste. Das Bundesamt verkennt dabei, dass der angesprochene materiell-rechtliche Status des asylberechtigten und Abschiebungsschutz genießenden Klägers nicht durch die objektiv-rechtlichen Regelungen der Art. 16a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG, sondern erst durch die Regelungen des bestandskräftigen Anerkennungsbescheides vom 28. März 1996 begründet worden ist, und zwar gleich ob der Anerkennungsbescheid seinerseits objektiv rechtmäßig oder rechtswidrig war. Entgegen der vom Bundesamt vertretenen Rechtsauffassung ist folglich auch die Frage, ob die durch den Anerkennungsbescheid begründete Rechtsstellung des Klägers nach § 73 Abs. 1 AsylVfG widerrufen werden durfte, materiell-rechtlicher Natur und keine Frage der "verfahrensmäßigen Rechtmäßigkeit". Daraus folgt, dass nicht ein Aufheben des Widerrufsbescheides, sondern dessen Aufrechterhaltung der Rechtslage widerspricht, denn der Widerrufsbescheid vom 16. September 1998 hätte nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG mangels Vorliegens einer nachträglichen Änderung der für die angenommene Verfolgungsgefahr maßgeblichen Sachlage nicht ergehen dürfen. Insoweit wird auf die oben dargestellte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. vom 19.9.2000, NVwZ 2001 S. 335) zur materiell-rechtlichen Voraussetzung eines auf § 73 Abs. 1 AsylVfG gestützten Widerrufs der Asylberechtigung und des Abschiebungsschutzes verwiesen.
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Daraus folgt, dass sich auch die Ermessenserwägung des Bundesamtes, einem Wiederaufgreifen des Widerrufsverfahrens stehe entgegen, dass dasselbe materiell-rechtmäßige Ergebnis auch im Wege der Rücknahme des Anerkennungsbescheides hätte herbeigeführt werden können, auf eine rechtlich unzutreffende Überlegung stützt. Im Übrigen geht diese Ermessenserwägung des Bundesamtes rechtsfehlerhaft davon aus, dass ein bloßer Austausch der Rechtsgrundlagen der §§ 73 Abs. 1 AsylVfG und 48 VwVfG zur Beseitigung der bestandskräftig festgestellte Asylberechtigung und den Abschiebungsschutz des Klägers führen könnte.
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Das ist schon deshalb unzutreffend, weil sich dieses Ergebnis nicht mit einer Rücknahme des Anerkennungsbescheides vom 28. März 1996 erreichen ließe, denn eine Rücknahme würde schon an der Ausschlussfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG scheitern. Dem Bundesamt war die Rechtswidrigkeit der Asylanerkennung und der Zuerkennung des Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG wegen Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen im Fall des Klägers bereits seit längerer Zeit bekannt; das folgt eindeutig aus der Begründung des Widerrufsbescheides vom 16. September 1998. Dass die Behörde deshalb den Anerkennungsbescheid grundsätzlich nach Maßgabe der Regelungen des § 48 VwVfG hätte zurücknehmen können, war ihr spätestens seit dem Ergehen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12.00 - (a.a.O.) positiv bekannt, so dass die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG im Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides vom 23. April 2002 bereits zweifelsfrei verstrichen war.
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Schließlich sind die mit Blick auf eine Rücknehmbarkeit nach § 48 VwVfG angestellten Ermessenerwägungen der Beklagten auch unvollständig, denn sie lassen nicht erkennen, dass und warum das nach § 48 Abs. 1 VwVfG eröffnete Rücknahmeermessen nur zu einer dem Kläger ungünstigen Entscheidung hätte führen können. Insoweit fehlen zum einen Erwägungen zum Gewicht des Vertrauensschutzes (§ 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG) des Klägers an der Bestandskraft seiner Asylanerkennung und seines Abschiebungsschutzes sowie der daran geknüpften weiteren materiellen Rechte und Leistungen in der Bundesrepublik Deutschland sowie zum anderen Erwägungen zu der Frage, warum das öffentliche Interesse eine Rücknahme des Anerkennungsbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit und nicht ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft gebieten sollte.
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