Beschluss vom Verwaltungsgericht Hannover (6. Kammer) - 6 B 444/03

Gründe

1

I. Der Antragsteller will im Wege eines Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durchsetzen, dass er im Rahmen eines schulischen Betriebspraktikums der Rechtsanwaltskanzlei seines Vaters zugewiesen wird.

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Der minderjährige Antragsteller ist Schüler des Gymnasiums {D.} und besucht dort gegenwärtig die 11. Klasse. Das Gymnasium {D.} führt im Rahmen des dortigen Unterrichts im Fach Politik in der Zeit vom 10. bis zum 21. Februar 2003 ein Betriebspraktikum durch. Mit Schreiben vom 03.09.2002 informierte die Schule die Eltern der Schüler über dieses Praktikum und übersandte ihnen ein „Merkblatt für Betriebspraktika im Sekundarbereich I und II“. In dem Anschreiben heißt es u.a., die Schülerinnen und Schüler suchten sich in der Regel ihren Praktikumsplatz selbst, wobei das Praktikum grundsätzlich in Betrieben aller Art durchgeführt werden könne. Gewisse Einschränkungen ergäben sich jedoch „aus der Eignung für die Zielsetzung des Betriebspraktikums“ an der Schule. Danach sollten die Betriebe u.a. „nicht den Eltern der Praktikantinnen/Praktikanten gehören bzw. von diesen geleitet werden“.

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Der Antragsteller erklärte jedoch gegenüber der für die Leitung und Betreuung des Betriebspraktikums zuständigen Lehrerin Frau {E.}, er wolle sein Betriebspraktikum in der Rechtsanwalts- und Notarkanzlei {A.}, {G.} , {H.} ableisten. Dabei handelt es sich um eine Sozietät mit 12 Beschäftigten, der neben Herrn Rechtsanwalt und Notar {G.} und Herrn Rechtsanwalt {H.} auch der Vater des Antragstellers, Herr Rechtsanwalt und Notar {A.}, angehört. Hierzu legte er ihr eine Bestätigung dieser Kanzlei vom 14.11.2002 vor, in der als betrieblicher Betreuer des Antragstellers und Ansprechpartner Herr Rechtsanwalt {H.} angegeben war.

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Frau {E.} akzeptierte diese Auswahl des Antragstellers nicht, weil die Ableistung des Betriebspraktikums in der Kanzlei seines Vaters nicht in Betracht komme. Nachdem in mehreren Gesprächen keine Einigung erzielt werden konnte, wandten sich die Eltern des Antragstellers mit Schreiben vom 11.12.2002 an den Schulleiter des Gymnasiums {D.} und erhoben „Beschwerde“ gegen die ablehnende Haltung der Schule.

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Hierauf antwortete die Schule - offenbar nach Rücksprache mit der Antragsgegnerin - mit Schreiben vom 20.12.2002 und erklärte, der Beschwerde könne nicht abgeholfen werden. Hintergrund für die grundsätzliche Ablehnung des Wunsches, das Praktikum im Betrieb der Eltern abzuleisten, sei zum einen, dass der nach Abschluss des Betriebspraktikums zu fertigende aufgabenorientierte Praktikumsbericht als schriftliche Leistung im Rahmen eines Schülerpraktikums in die Bewertung der schulischen Leistung im Fach Politik einfließe. Zum anderen diene das Betriebspraktikum dem Erwerb eines Erfahrungshintergrundes für die unterrichtliche Arbeit und solle auf betriebliche Arbeitssituationen vorbereiten; in diesem Zusammenhang sollten sich die Schülerinnen und Schüler während des Betriebspraktikums in einer ihnen neuen, bisher fremden Lern- und Arbeitssituation auf sich selbst gestellt zurecht finden und mit ihnen nicht vertrauten Personen zusammenarbeiten. Besondere Gründe, von diesem Grundsatz im vorliegenden Einzelfall ausnahmsweise abzuweichen, seien nicht ersichtlich.

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Der Antragsteller hat am 29.01.2003 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

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Zur Begründung macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, die Weigerung der Schule, ihn sein Betriebspraktikum in der von ihm ausgewählten Kanzlei seines Vaters ableisten zu lassen, sei rechtswidrig, weil es hierfür keine rechtfertigenden Gründe und keine wirksame Rechtsgrundlage gebe. Vielmehr habe er einen Anspruch darauf, dass ihm die Ableistung seines Betriebspraktikums gerade in dieser Kanzlei gestattet werde.

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Die von der Schule geltend gemachten Ablehnungsgründe seien nicht überzeugend. Zum einen sei die offenbar bestehende Befürchtung der Schule, die Eltern könnten durch eine zu große Hilfestellung bei der Abfassung des Praktikumsberichtes in unzulässiger Weise Einfluss auf die Bewertung der schulischen Leistung des Schülers nehmen, kein geeigneter Ablehnungsgrund, weil diese Gefahr im Grunde bei jeder häuslichen Arbeit bestehe. Zum anderen rechtfertige auch die Erwartung, dass das Praktikum in einer fremden Lern- und Arbeitsumgebung ohne Zusammenarbeit mit vertrauen Personen abgeleistet werden solle, die Ablehnung im vorliegenden Fall nicht. Denn der Betrieb seines Vaters sei ihm, dem Antragsteller, tatsächlich nicht vertraut, und die Betreuung während des Praktikums solle eben nicht vom Vater, sondern von dessen Kollegen übernommen werden. Die Befürchtung, dass jemand seine „schützende Hand“ über den Schüler halte, gelte im Übrigen gleichermaßen für alle Betriebe, die nahe Verwandte des Schülers leiteten oder die solchen Personen gehörten.

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Demgegenüber sei sein Wunsch, sein Praktikum im Betrieb seines Vaters abzuleisten, schützenswert. Er habe nämlich ein subjektiv-öffentliches Recht auf die freie Wahl der Praktikumsstelle. Dies ergebe sich u.a. daraus, dass das schulische Betriebspraktikum der Berufsvorbereitung diene und daher einen „– wenn auch kleinen – abgesplitterten“ Aspekt der Berufswahl darstelle, die verfassungsrechtlich geschützt sei. Dementsprechend bedürfe es eines verhältnismäßig schwer wiegenden Grundes, um die Ableistung des Praktikums im elterlichen Betrieb abzulehnen. Ein solcher Grund sei hier jedoch nicht gegeben. Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen sei seinem Wunsch daher zu entsprechen.

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Der Antragsteller beantragt,

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der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, das Gymnasium {D.} anzuweisen, ihm die Ableistung seines Betriebspraktikums in der Rechtsanwaltskanzlei {A.}, {G.} {H.} zu gestatten.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Zur Begründung macht die Antragsgegnerin geltend, der Antragsteller habe keinen Anspruch darauf, dass sie, die Antragsgegnerin, die Schule fachaufsichtlich anweise, ihn im Rahmen des Betriebspraktikums der Kanzlei seines Vaters zuzuweisen. Die Erteilung einer Weisung im Rahmen der Fachaufsicht stehe nämlich im Ermessen der Aufsichtsbehörde und komme hier im Übrigen auch nur unter den in § 121 Abs. 2 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) geregelten Voraussetzungen in Betracht. Diese lägen jedoch nicht vor. Insbesondere verstoße die Entscheidung der Schule, die Ableistung eines Betriebspraktikums im elterlichen Betrieb grundsätzlich abzulehnen, nicht gegen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften. Diese Grundsatzentscheidung sei vielmehr durch die von der Schule verfolgte Zielsetzung des Praktikums, nämlich die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf eine betriebliche Arbeitssituation in einer fremden Umgebung ohne Zusammenarbeit mit vertrauten Personen, sachlich gerechtfertigt. Auf eine Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) könne sich der Antragsteller dabei nicht berufen, da an der Schule in der Vergangenheit keine Ausnahmen von der betreffenden Regel zugelassen worden seien. Vielmehr sei umgekehrt die Gleichbehandlung aller Schülerinnen und Schüler an der Schule zu gewährleisten. Schließlich sei auch nicht ersichtlich, warum hier eine Ausnahme zugelassen werden sollte. Das fragliche Berufsbild sei jedenfalls nicht selten, und es sei eine Vielzahl geeigneter Kanzleien vorhanden; ein Bedürfnis dafür, den Antragsteller sein Praktikum gerade in der Kanzlei seines Vaters ableisten zu lassen, sei nicht erkennbar.

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Hinsichtlich des Anordnungsgrundes sei im Übrigen fraglich, warum der Antragsteller sich erst rund fünf Wochen nach dem Schreiben der Schule vom 20.12.2002 an das Verwaltungsgericht gewandt habe.

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Der Antragsteller hatte seinen Antrag zunächst gegen das Land Niedersachsen, vertreten durch die Antragsgegnerin, gerichtet. Das Gericht hat dem Antragsteller jedoch mit Verfügung vom 29.01.2003 mitgeteilt, dass das Passivrubrum mit seinem vermuteten Einverständnis dahingehend gefasst wurde, dass die Antragsgegnerin als die für die Erteilung der begehrten Weisung zuständige Schulbehörde in entsprechender Anwendung des § 8 Abs. 2 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zur VwGO (Nds. VwGG) unmittelbar selbst als (richtige) Antragsgegnerin behandelt wird. Gleichzeitig hat das Gericht den Antragsteller darauf hingewiesen, dass nach Nr. 2.2 Abs. 1 Satz 1 des Erlasses „Betriebspraktika für Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen“ des Niedersächsischen Kultusministeriums (MK) vom 19.09.1998 (SVBl. S. 313) das Betriebspraktikum von den Schulen in eigener Zuständigkeit durchgeführt wird und demnach zweifelhaft sei, woraus sich ein Anspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin auf fachaufsichtliches Einschreiten nach § 120 Abs. 3 NSchG ergeben solle. Auf diese Verfügung hat der Antragsteller bislang nicht reagiert.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Antragsgegnerin (Beiakte A) verwiesen.

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II. Der Antrag des Antragstellers ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Form einer sog. Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO statthaft. Er kann jedoch keinen Erfolg haben.

19

Zunächst ist nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Antragsschrift vom 27.01.2003 davon auszugehen, dass der Antragsteller mit seinem Antrag erreichen will, dass gerade die Antragsgegnerin – oder das Land Niedersachsen als deren Rechtsträger – zu einer Weisung der Antragsgegnerin gegenüber dem Gymnasium {D.} verpflichtet wird, durch welche die Schule angewiesen werden soll, den Antragsteller im Rahmen des anstehenden Betriebspraktikums der Rechtsanwaltskanzlei seines Vaters zuzuweisen; das Gymnasium {D.} selbst wird demgegenüber ausdrücklich nicht in Anspruch genommen, und auch auf den diesbezüglichen Hinweis in der richterlichen Verfügung vom 29.01.2003 hat der Antragsteller seinen Antrag nicht entsprechend umgestellt.

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Hiervon ausgehend kann letztlich offen bleiben, ob der Antrag mit dieser Zielrichtung formal richtigerweise in entsprechender Anwendung des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 8 Abs. 2 Nds. VwGG gegen die Antragsgegnerin als die ggf. für den Erlass der begehrten Weisung zuständige Behörde oder nach dem sog. Rechtsträgerprinzip (vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) gegen das Land Niedersachsen als Rechtsträger der Antragsgegnerin zu richten wäre.

21

Denn der auf eine aufsichtsbehördliche Weisung der Antragsgegnerin gegenüber der Schule gerichtete Antrag ist in jedem Fall unbegründet, weil nicht ersichtlich ist, dass dem Antragsteller ein entsprechender materiell-rechtlicher Anspruch auf eine solche Weisung zustehen könnte, und er mithin das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

22

Rechtsgrundlage für die von dem Antragsteller begehrte Weisung könnte nur § 120 Abs. 3 NSchG sein. Danach übt die Antragsgegnerin als die nach § 120 Abs. 6 i.V.m. § 119 Nr. 2 NSchG zuständige nachgeordnete Schulbehörde die Fachaufsicht über die Schulen, zu denen auch das des Gymnasium {D.} zählt, aus; Gegenstand der Fachaufsicht ist dabei die Kontrolle der Recht- und Zweckmäßigkeit des Handelns der Schule. Zu diesem Zweck kann die Antragsgegnerin – unter Beachtung der Vorgaben des § 121 NSchG – u.a. Weisungen gegenüber der Schule aussprechen (vgl. § 120 Abs. 4 NSchG).

23

In diesem Zusammenhang kann wiederum offen bleiben, ob es sich bei der Entscheidung über die Zuweisung eines Schülers zu einem bestimmten Betrieb im Rahmen eines schulischen Betriebspraktikums, wie sie hier im Streit steht, tatsächlich, wie die Antragsgegnerin meint, um eine „unterrichtliche oder pädagogische Entscheidung“ im Sinne von § 121 Abs. 2 NSchG handelt und deshalb die dort genannten, verhältnismäßig engen Grenzen für die Ausübung der Fachaufsicht eingreifen.

24

Ebenfalls dahingestellt bleiben kann, ob die Ablehnung des Antrages des Antragstellers auf Zuweisung zum Betrieb seines Vaters durch das Gymnasium {D.} rechtmäßig war oder nicht.

25

Denn der auf eine fachaufsichtliche Weisung gegenüber der Schule gerichtete Antrag des Antragstellers kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil es kein subjektiv-öffentliches Recht eines Bürgers auf Einschreiten der (Fach-) Aufsichtsbehörde gegenüber der beaufsichtigten Behörde – hier: der Schule – gibt. Die (Fach-) Aufsicht der übergeordneten Behörde gegenüber der nachgeordneten Behörde dient vielmehr allein der verwaltungsinternen Kontrolle des Verwaltungshandelns. Der außenstehende Bürger kann zwar durch eine (Fach- oder Dienst-) Aufsichts-„beschwerde“ ein Tätigwerden der Aufsichtsbehörde anregen (vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 1999, § 22 Rn. 33). Ein gerichtlich durchsetzbarer Rechtsanspruch eines Bürgers auf Einschreiten der Aufsichtsbehörde gegenüber der beaufsichtigten Behörde im Rahmen der (Fach- oder Dienst-) Aufsicht besteht jedoch nicht (vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band 1, 11. Aufl., 1999, § 40 Rn. 22). Hierfür besteht im Übrigen auch kein Bedürfnis, weil der durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotene effektive Schutz subjektiver Rechte durch die Möglichkeit des gerichtlichen Vorgehens unmittelbar gegenüber der betreffenden Behörde – hier: der Schule – hinreichend gewährleistet ist.

26

Ein formal gegen das Land Niedersachsen als (Teil-) Rechtsträger der Schule (§ 1 Abs. 3 Satz 2 NSchG) gerichteter Antrag mit dem Ziel, die streitige Zuweisungsentscheidung der Schule unmittelbar zu erstreiten, könnte aber – selbst wenn man den Antrag des Antragstellers sehr wohlwollend entgegen seinem Wortlaut in diese Richtung auslegen wollte – ebenfalls keinen Erfolg haben. Das Land Niedersachsen käme nämlich in Anwendung des Rechtsträgerprinzips (vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) für einen solchen Antrag allenfalls dann als richtiger Antragsgegner in Betracht, wenn es sich bei der begehrten Zuweisungsentscheidung der Schule nicht um einen in der Hauptsache mit einer Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO) zu erstreitenden Verwaltungsakt i.S.v. § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 8 Abs. 2 Nds. VwGG, sondern um einen sog. Realakt handeln würde, der in der Hauptsache nur im Wege einer allgemeinen Leistungsklage begehrt werden könnte. Letzteres ist jedoch nicht der Fall.

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Vielmehr handelt es sich bei der fraglichen Zuweisungsentscheidung der Schule um einen Verwaltungsakt i.S.v. §§ 35 Satz 1 VwVfG, 42, 113, 68 ff., 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, 8 Abs. 2 Nds. VwGG. Denn bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 35 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG). Insbesondere kommt der Entscheidung eine nach außen gerichtete Regelungswirkung zu, da an die Zuweisung eines Schülers zu einem bestimmten Betrieb im Rahmen des schulischen Betriebspraktikums eine Reihe unmittelbarer und rechtserheblicher Folgewirkungen geknüpft sind. So wird u.a. die Schulpflicht des betroffenen Schülers dahingehend modifiziert, dass er während der Dauer des Praktikums nicht am Unterricht, sondern an dem Betriebspraktikum als einer „sonstigen Veranstaltung der Schule“, und zwar in dem jeweiligen Betrieb, teilnehmen muss (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 NSchG). Ferner wird auch die Aufsichtspflicht der Schule (§ 62 NSchG) in entsprechendem Umfang modifiziert. Schließlich werden verschiedene Schutzbestimmungen im Bereich des Gesundheitsschutzes, des Versicherungsschutzes und des Jugendarbeitsschutzes (vgl. Nr. 3 des zitierten Erlasses) durch die auf einen bestimmten Betrieb bezogene Zuweisungsentscheidung aktualisiert und konkretisiert.

28

Für diese Entscheidung wäre schließlich auch die Schule, die eine Behörde i.S.v. § 1 Abs. 4 NVwVfG darstellt (vgl. Seyderhelm/Nagel/Brockmann, NSchG, Kommentar, Stand: 20. Nachlieferung September 2002, § 59 Erl. 8 a.E.), zuständig. Die Schule führt nämlich, wie in der richterlichen Verfügung vom 29.01.2003 dargelegt, nach Nr. 2.2 Abs. 1 Satz 1 des Erlasses „Betriebspraktika für Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen“ des MK vom 19.09.1998 (SVBl. S. 313) das Betriebspraktikum in eigener Zuständigkeit durch und trifft nach Nr. 2.2 Satz 2 des Erlasses die Auswahl geeigneter Praktikumsstellen. Sie ist daher auch unmittelbar selbst zuständig für die Zuweisung der Schülerinnen und Schüler zu den einzelnen Praktikumsbetrieben.

29

Demzufolge wäre die Zuweisung zu einem bestimmten Betrieb im Rahmen des schulischen Betriebspraktikums in der Hauptsache mit einer Verpflichtungsklage zu verfolgen, die gem. § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 8 Abs. 2 Nds. VwGG gegen die Schule selbst zu richten wäre. Entsprechendes würde dann auch für den im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu stellenden Antrag nach § 123 VwGO gelten, so dass das Land Niedersachsen in seiner Eigenschaft als (Teil-) Rechtsträger der Schule auch insoweit als richtiger Antragsgegner ausscheiden würde.

30

Unabhängig von all diesen Erwägungen dürfte der Antragsteller aber auch in der Sache keinen Anspruch darauf haben, im Rahmen des schulischen Betriebspraktikums gerade der Kanzlei seines Vaters zugewiesen zu werden. Ein „subjektiv-öffentliches Recht auf freie Wahl der Praktikumsstelle“, wie es der Antragsteller geltend macht, dürfte nämlich nicht bestehen.

31

Aus verfassungsrechtlicher Sicht dürfte die Annahme einer solchen Wahlfreiheit des Schülers wohl nur in Betracht kommen, wenn man seine Auswahlentscheidung hinsichtlich einer Praktikumsstelle im Rahmen eines schulischen Betriebspraktikums dem sachlichen Schutzbereich des Grundrechtes auf freie Wahl des Berufes bzw. der (beruflichen) Ausbildungsstätte aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zuordnen würde. Dies erscheint aus Sicht der Kammer jedoch nicht angezeigt. Zwar ist nicht zu verkennen, dass der genannte Schutzbereich in Literatur und Rechtsprechung teilweise sehr weit verstanden wird (vgl. Jarass/Pieroth, GG, Kommentar, 5. Aufl., 2000, Art. 12 Rn. 55; Jarass, Zum Grundrecht auf Bildung und Ausbildung, DÖV 1995, S. 674 [675]; BVerfGE 41, 251 [260 ff.]; 58, 257 [272 ff.], jeweils m.w.N.) und dabei insbesondere auch das BVerfG gerade den Bereich der gymnasialen Oberstufe wegen seiner zeitlichen und inhaltlichen Nähe zur anschließenden Berufswahl des Schülers in verstärktem Umfang in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG mit einbezogen hat (BVerfGE 58, 257 [272 ff.]). Voraussetzung ist hierfür ist jedoch immer, dass die in Rede stehende Maßnahme geeignet ist, die Berufs(wahl)freiheit (zumindest mittelbar) derart erheblich zu beeinträchtigen, dass ihre Einbeziehung in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG geboten ist (BVerfGE 41, 251 [262]), was wiederum voraussetzt, dass die Maßnahme den weiteren Bildungs- und Lebensweg des betroffenen Schülers und damit seine soziale Rolle in erheblichem Maße beeinflusst und geeignet ist, seine Lebens- und Berufschancen maßgeblich zu beeinträchtigen (BVerfGE 58, 257 [273 f.]). Eine solche Bedeutung kommt der hier streitigen Zuweisungsentscheidung im Rahmen eines schulischen Betriebspraktikums an einer gymnasialen Oberstufe jedoch nicht zu.

32

Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass das Betriebspraktikum gem. Nr. 1 des zitierten Erlasses vom 19.09.1998 an allgemein bildenden Schulen als Schulveranstaltung im Rahmen des Bildungsauftrages der Schule nach § 2 NSchG durchgeführt wird und dem Erwerb eines Erfahrungshintergrundes für die unterrichtliche Arbeit dient, indem es auf betriebliche Arbeitssituationen vorbereiten soll. Insbesondere ein Betriebspraktikum in der Vorstufe der gymnasialen Oberstufe (11. Schuljahrgang), wie es hier in Rede steht, dient darüber hinaus gem. Nr. 1 Abs. 3 des zitierten Erlasses in Verbindung mit Nr. 8.1 der Ergänzenden Bestimmungen zur Verordnung über die gymnasiale Oberstufe (EB-VO-GO) gem. Erlass des MK vom 26.05.1997 (SVBl. S. 187), zuletzt geändert durch Erlass vom 20.07.2001 (SVBl. S. 344) der gezielten Förderung der für den Übergang in die Kursstufe (12. und 13. Schuljahrgang) „erforderlichen personalen, sozialen und fachlichen Kompetenzen“. Dementsprechend zählen die im Rahmen eines solchen Schülerbetriebspraktikums anzufertigenden schriftlichen Leistungen gem. Nr. 7.9 EB-VO-GO zur Mitarbeit im Unterricht und werden als Leistungsnachweise bewertet. Aus alledem folgt, dass ein Betriebspraktikum der hier streitigen Art nicht in spezifischer Weise der Vorbereitung des Schülers auf einen bestimmten Beruf oder auf seine spätere Berufswahl dient, mithin auch nicht in der erforderlichen Weise in engem Zusammenhang mit der späteren Wahl des Berufs oder der beruflichen Ausbildungsstätte steht. Vielmehr dient ein solches Praktikum nach dem dargelegten Regelungszusammenhang eindeutig unterrichtlichen und pädagogischen Zwecken und soll den Schüler lediglich in allgemeiner Form auf spätere berufliche Arbeitssituationen vorbereiten, um ihm dadurch bestimmte Kompetenzen für die Mitarbeit in der gymnasialen Kursstufe zu vermitteln.

33

Zum anderen kann keine Rede davon sein, dass die Wahl des Betriebes für ein Schülerbetriebspraktikum in der 11. Klasse (der Vorstufe) der gymnasialen Oberstufe den weiteren Bildungs- und Lebensweg des betroffenen Schülers und seine soziale Rolle in erheblichem Maße beeinflussen oder die Weigerung, ihn sein Betriebspraktikum in einem bestimmten Betrieb ableisten zu lassen, seine Lebens- und Berufschancen maßgeblich beeinträchtigen könnte (vgl. BVerfGE 58, 257 [273 f.]). Für den weiteren Lebens- und Bildungsweg des Schülers ist diese Maßnahme vielmehr in aller Regel offenkundig von vollkommen untergeordneter Bedeutung.

34

Vor diesem Hintergrund erscheint es keinesfalls geboten, die streitige Maßnahme dem sachlichen Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG zuzuordnen. Vielmehr kommt allenfalls in Betracht, die Teilnahme an einem von der Schule durchgeführten Betriebspraktikum dem Schutzbereich des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. dazu BVerfGE 58, 257 [274]; Jarass, a.a.O. [675 f.]) oder dem Grundrecht auf Bildung aus Art. 4 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung (NV) (das möglicherweise auch aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 GG ableitbar ist; vgl. Jarass, a.a.O. [677 f.]) zuzuordnen oder aus Art. 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) ein entsprechendes Recht auf Teilhabe an dieser schulischen Bildungsveranstaltung herzuleiten (vgl. Jarass, a.a.O. [676 f.]). Unabhängig davon, wie man die genaue Einordnung vornehmen will, folgt daraus jedoch in jedem Fall, dass die Auswahlentscheidung des Schülers hinsichtlich der konkreten Praktikumsstelle nicht verfassungsrechtlich geschützt ist. Vielmehr besteht allenfalls ein Anspruch auf Teilnahme an dem Praktikum selbst, weil es sich dabei um eine von der Schule für alle Schüler durchgeführte schulische Ausbildungsveranstaltung handelt. Hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung derartiger Ausbildungsveranstaltungen steht dem Staat demgegenüber kraft seiner verfassungsrechtlichen Aufsichtsbefugnis aus Art. 7 Abs. 1 GG und Art. 4 Abs. 2 Satz 2 NV ein weitreichender Regelungsspielraum zu (vgl. Jarass, a.a.O. [677 f.]; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 7 Rn. 3 m.w.N.).

35

Daher ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn in Nr. 2.2 Satz 2 des Erlasses vom 19.09.1998 geregelt ist, dass die Schule die Auswahl geeigneter Praktikumsstellen trifft. Der Antragssteller hätte es somit wohl auch hinnehmen müssen, wenn die Schule die Wahl der Praktikumsstelle von vornherein auf bestimmte, von ihr vorausgewählte Praktikumsstellen beschränkt hätte.

36

Im Übrigen ist lediglich zu beachten, dass die Entscheidung der Schule selbstverständlich nicht willkürlich sein und das Recht des Schülers auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG; vgl. auch § 2 Abs. 2 NSchG) nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen darf. Hiervon kann indes im vorliegenden Fall wiederum keine Rede sein. Die Entscheidung der Schule, Betriebe, die den Eltern des Praktikanten gehören oder von diesen geleitet werden, als nicht geeignet zur Ableistung des Betriebspraktikums anzusehen, ist vielmehr von einem sachlichen Grund getragen, nämlich der Erwägung, dass der Schüler das Praktikum in einer möglichst fremden Lern- und Arbeitsumgebung ableisten soll, und beeinträchtigt den Antragsteller in keinem Fall übermäßig. Immerhin wird ihm nicht untersagt, sein Praktikum überhaupt in einer Rechtsanwalts- und Notarkanzlei abzuleisten, sondern nur, dies gerade in der Kanzlei seines Vaters zu tun. Worin dabei ein Verstoß gegen das Willkürverbot oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liegen soll, ist nicht erfindlich. Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vor, weil die Schule nach ihren eigenen, vom Antragsteller nicht substantiiert bestrittenen Angaben in der Vergangenheit noch nie einem Schüler die Ableistung eines Betriebspraktikums im elterlichen Betrieb gestattet hat.

 


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