Urteil vom Verwaltungsgericht Hannover (12. Kammer) - 12 A 2078/02

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen eine an ihn in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter seitens des Beklagten ergangene immissionsschutzrechtliche Anordnung zur Abfallbeseitigung.

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Der Kläger wurde mit Beschluss des Amtgerichtes Hildesheim vom 01. Mai 2001 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der AMD Anlagen- und Maschinenbau GmbH i. L. (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) bestellt. Diese hatte mit Pachtvertrag vom 29. Oktober 1997 das Grundstück X. in 31061 Alfeld gepachtet, betrieb dort eine nicht genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) und lagerte Abfälle auf dem Grundstück.

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Bei einer Besichtigung der Betriebsstätte am 29. Mai 2001, die im Beisein des Prokuristen und des Betriebsleiters der Gemeinschuldnerin stattfand, stellte der Beklagte sowohl innerhalb als auch außerhalb der Betriebsräume verschiedene abgelagerte Stoffe und Behälter fest, die er als Abfall im abfallrechtlichen Sinne ansah; bezüglich der Einzelheiten der Feststellungen wird auf den Inhalt des Aktenvermerks des Beklagten vom 29. Mai 2001 verwiesen. Der Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 06. Juni 2001 auf, die darin aufgelisteten und durch Farbfotos näher aufgezeigten Abfälle fachgerecht entsorgen zu lassen und entsprechende Nachweise darüber vorzulegen. Die angegebenen Mengen waren geschätzt; die Angaben über die Stoffe beruhten zum Teil auf Aussagen des Betriebsleiters. Mit Schreiben vom 24. Juli 2001 teilte der Kläger dem Beklagten mit, die Entsorgung der nicht betriebsnotwendigen Stoffe werde fachgerecht erfolgen und der Nachweis darüber umgehend eingereicht. Ferner werde der Betrieb zum 01. August 2001 unter der Firmenbezeichnung X. fortgeführt.

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Nach Mitteilung des Amtsgerichts Hildesheim vom 11. Januar 2002 zeigte der Kläger am 16. August 2001 gegenüber dem Insolvenzgericht die am 20. September und 01. Oktober 2001 öffentlich bekannt gemachte Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Insolvenzordnung (InsO) an.

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Die Gemeinschuldnerin, vertreten durch den Kläger, verkaufte mit Kaufvertrag vom 10. Oktober 2001 „ihr gesamtes Anlagevermögen gemäß Anlage“ zum Preis von 300.000,- DM an die X. GmbH.

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Mit Schreiben vom 26. November 2001 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens seien keine Abfallablagerungen erfolgt und es bestehe für ihn kein Anlass, irgendwelche Abfälle zu entsorgen.

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Bei einer Ortsbesichtigung am 30. Januar 2002 stellte der Beklagte fest, dass die im Mai 2001 vorgefundenen, von ihm als Abfall angesehenen Behältnisse größtenteils unverändert auf dem Betriebsgelände gelagert, allerdings teilweise Farben/Lacke sowie Bearbeitungsemulsionen in den Werkzeugmaschinen und drei Fässer mit Frischöl und mehrere Kleingebinde aus dem Beschichtungsraum vom Nachfolgebetrieb verwendet wurden bzw. worden waren.

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Der Beklagte erließ daraufhin unter dem 06. März 2002 die angegriffene Anordnung, mit der er dem Kläger als Insolvenzverwalter der Gemeinschuldnerin gemäß § 24 i.V.m. § 22 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG aufgab,

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- alle auf dem Betriebsgelände der Gemeinschuldnerin befindlichen, in der Anlage 1 zu dem Bescheid qualitativ und quantitativ aufgelisteten Abfälle zeitnah einer schadlosen Entsorgung zuzuführen und über die durchgeführte Entsorgung unverzüglich schriftliche Nachweise vorzulegen; der Entsorgungsverpflichtung werde auch nachgekommen, wenn die Abfälle einer Rechtsnachfolgerin der Gemeinschuldnerin vertraglich übereignet und dies ihm, dem Beklagten, nachgewiesen werde;

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- die Entsorgungsmaßnahme spätestens innerhalb eines Jahres nach Bestandskraft der Anordnung und vor Beendigung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens zum Abschluss zu bringen;

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- die Abfälle bis zu deren ordnungsgemäßer Entsorgung vor Vandalismus und Diebstahl, Auslaufen und Verstreuung zu sichern und dementsprechend eine ordnungsgemäße Abfalllagerung, als Bereitstellung zum Abtransport, sicher zu stellen.

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Für den Fall, dass der Kläger der Anordnung nicht, nicht richtig oder nicht vollständig nachkomme, werde die Ersatzvornahme angedroht.

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Hiergegen legte der Kläger am 13. März 2002 Widerspruch ein, den er im Wesentlichen damit begründete, er, der Kläger, sei nicht Betreiber der Anlage gewesen; weder habe er das unternehmerische Risiko getragen noch weisungsfrei gehandelt. Nunmehr sei die X GmbH in der Betreiberstellung. Zudem seien etwaige ordnungsrechtliche Beseitigungspflichten als Insolvenzforderungen im Insolvenzverfahren zur Tabelle anzumelden. Ferner genüge die Entsorgungsanordnung nicht dem in § 37 Abs. 1 VwVfG festgelegten Bestimmtheitsgebot, weil in dieser Anordnung „ca."-Angaben gemacht worden seien, die Entsorgungsart bei der angeordneten „schadlosen" Entsorgung nicht erkennbar sei und die Sicherungsmöglichkeiten völlig offen gelassen worden seien.

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Die Bezirksregierung Hannover hob mit Widerspruchsbescheid vom 06. Mai 2002 die Anordnung des Beklagten insoweit auf, als darin dem Kläger die Entsorgung der von der Nachfolgefirma der Gemeinschuldnerin teilweise verwendeten Farben und Lacke sowie Bearbeitungsemulsionen in den Werkmaschinen und drei Fässer mit Frischöl aufgegeben worden war; den Widerspruch im Übrigen wies sie als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen der §§ 24, 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG lägen vor. Bei dem Betrieb der Gemeinschuldnerin handele es sich um eine nicht genehmigungsbedürftige Anlage i.S.d. BImSchG, die gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG so zu betreiben sei, dass die beim Betrieb der Anlage entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden könnten. § 24 BImSchG ermächtige die zuständige Behörde, die im Einzelfall zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen erforderlichen Anordnungen zu treffen. Diese Vorschrift diene der Durchsetzung der Grundpflichten aus § 22 Abs. 1 BImSchG. Nach § 3 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) seien Abfälle alle beweglichen Sachen, die unter die im Anhang I zum KrW-/AbfG aufgeführten Gruppen fielen. Die im Anhang 1 der angegriffenen Anordnung aufgelisteten Stoffe und Behältnisse seien - mit Ausnahme der von der Nachfolgefirma teilweise verwendeten Farben, Lacke sowie Bearbeitungsemulsionen in den Werkzeugmaschinen und die drei Fässer mit Frischöl - im Anhang I zum KrW-/AbfG aufgeführt. Mit Fortführung des Betriebes als Insolvenzverwalter habe der Kläger die Betreiberstellung inne gehabt und sei damit richtiger Adressat der Anordnung. Eine ordnungsgemäße Beseitigung der Abfälle nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG habe der Kläger nicht vorgenommen. Der vorgelegte Kaufvertrag zwischen der Gemeinschuldnerin und der X. GmbH und die darin einbezogene Auflistung der Vertragsgegenstände enthalte die Abfälle nicht.

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Durch die Anordnung sei nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus § 37 Abs. 1 VwVfG verstoßen worden. Alle geforderten Maßnahmen seien für den Kläger inhaltlich hinreichend erkennbar. Die „ca."-Angaben seien schon deshalb unschädlich, weil unter Bezugnahme auf das Schreiben des Beklagten an den Kläger vom 06. Juni 2001 und die Fotos letztlich eindeutig sei, welche Gegenstände gemeint gewesen seien. Zudem seien bei der ersten Besichtigung Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin anwesend gewesen, die sogar Auskünfte über die Stoffe gegeben hätten. Auch die Formulierung, die Abfälle einer „schadlosen" Entsorgung zuzuführen, sei nicht zu unbestimmt. Die Gemeinschuldnerin habe jahrelang mit diesen Stoffen gearbeitet, so dass die daraus entstandenen Abfälle schon häufiger hätten entsorgt werden müssen. Die genaue Ausgestaltung der ordnungsgemäßen Beseitigung sei zudem in den §§ 4 ff. KrW-/AbfG und § 9 Sätze 2 und 3 KrW-/AbfG geregelt. Ferner könne sich der Kläger bei Entsorgungsträgern oder -firmen danach erkundigen, sofern ihm seine Kenntnisse als Dipl.-Ing. oder die jahrelange Erfahrung als Insolvenzverwalter von technischen Unternehmen dafür nicht genügten. Die Entsorgungsträger seien zur Beratung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 KrW/AbfG verpflichtet. Der angeordnete schriftliche Nachweis der Entsorgung diene der Kontrolle. Die geforderte Art der Abfalllagerung sei aufgrund der Zusammensetzung der Abfälle notwendig, um evtl. Umweltschäden (z.B. Bodenkontaminierungen) vorzubeugen. Die Androhung der Ersatzvornahme sei rechtmäßig. Der Ersatzvornahme stehe kein Vollstreckungshindernis durch die Lagerung der Abfälle auf dem Betriebsgelände der Nachfolgefirma, d.h. auf einem adressatenfremden Grundstück, entgegen. Dies könne durch die Anordnung an die Nachfolgefirma, das Betreten zum Abholen der Abfälle zu dulden, ausgeräumt werden.

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Der Kläger hat am 14. Mai 2002 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er vertiefend sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Er betont, nicht Anlagenbetreiber i.S.d. BImSchG (gewesen) zu sein. Er habe den Betrieb der Gemeinschuldnerin nicht auf eigene Rechnung geführt und dabei nicht in eigenem Namen gehandelt. Auch sei er nicht weisungsfrei gewesen. Denn er habe gemäß §§ 157, 158 InsO den Weisungen der Gläubigerversammlung, des Gläubigerausschusses und des Insolvenzgerichts unterlegen. Schließlich verlange die Anordnung etwas rechtlich unmögliches von ihm, denn insolvenzrechtlich sei anerkannt, dass Ansprüche gegen die Masse aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht als Masseforderungen im Insolvenzverfahren behandelt werden dürften. 

17

Der Kläger hat (zunächst) mit dem Antrag gestritten, den Bescheid des Beklagten vom 06. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 06. Mai 2002 aufzuheben.

18

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung die angegriffene Anordnung insoweit aufgehoben, als darin dem Kläger (u.a. auch) aufgegeben worden ist, mehrere im Beschichtungsraum der Gemeinschuldnerin vorgefundene Kleingebinde als Abfall zu entsorgen. Die Beteiligten haben daraufhin insoweit den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

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Der Kläger beantragt (nunmehr noch),

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den Bescheid des Beklagten vom 06.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 06.05.2002 und der Erklärung des Beklagten vom 14.08.2003 aufzuheben

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(und die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären).

22

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

24

Der Beklagte verteidigt die angefochtenen Bescheide.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

27

Im übrigen ist die zulässige Klage nicht begründet.

28

Die angegriffene Anordnung des Beklagten vom 06. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 06. Mai 2002, geändert durch Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 14. August 2003, ist nicht aufzuheben, da sie rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

29

Der Beklagte stützt seine Anordnung zutreffend auf die Regelungen der §§ 24 und 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG. Nach § 24 Satz 1 BImSchG kann die zuständige Behörde im Einzelfall die zur Durchführung des § 22 und der auf das BImSchG gestützten Verordnungen erforderlichen Anordnungen treffen. Die Anordnung des Beklagten war hier erforderlich zur Durchführung des § 22 BImSchG. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so ... zu betreiben, dass die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass der Betrieb der Gemeinschuldnerin als eine nicht genehmigungsbedürftige Anlage in diesem Sinne zu qualifizieren ist und der Kläger als Insolvenzverwalter diese Anlage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die Gemeinschuldnerin fortgeführt hat.

30

Bei den Behältern und Gebinden, deren schadlose Entsorgung die angegriffene Anordnung (nunmehr noch) von dem Kläger verlangt, handelt es sich um Abfall i.S.d. Abfall- und damit auch des Immissionsschutzrechts; dieser Abfall ist „beim Betrieb der Anlage“ entstanden. Die angegriffene Anordnung zur Entsorgung dieser Abfälle ist auch bestimmt i.S.d. § 37 VwVfG. Die Androhung der Ersatzvornahme ist rechtsfehlerfrei ergangen. Das Gericht folgt insoweit der Begründung des angegriffenen Widerspruchsbescheides und sieht daher insofern gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

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Zwischen den Beteiligten ist im wesentlichen streitig, ob der Kläger als Betreiber i.S.d. §§ 24, 22 BImSchG anzusehen und daher richtiger Adressat der Anordnung (gewesen) ist. Diese Frage ist zu bejahen. Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 22.10.1998 - 7 C 38/97 -, BVerwGE 107, 299 = UPR 1999, 110 = BB 1999, 391 = DÖV 1999, 303 = Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 25 = NJW 1999, 1416; vgl. auch: OVG Lüneburg, Urt. v. 20.03.1997 - 7 L 2062/95 -, NJW 1998, 398), hat hierzu ausgeführt, dass der Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter in die Betreiberstellung eintritt, wenn er die Anlage fortführt, denn er handelt dabei kraft eigenen Rechts und im eigenen Namen. Als Anlagenbetreiber ist der Insolvenzverwalter zur Beseitigung der von der Gemeinschuldnerin abgelagerten Abfälle auch dann verpflichtet, wenn sie in der Zeit vor der Betriebsübernahme angefallen waren. Diese Pflicht geht, soweit sie durch die Gemeinschuldnerin nicht erfüllt worden ist, mit der uneingeschränkten Betriebsübernahme auf den Kläger über. Dem steht nicht entgegen, dass er den Betrieb in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter weiterführt. Zwar dient das Insolvenzverfahren dazu, die Gläubiger des Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder im Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird (§ 1 Satz 1 InsO). Diese Vorschrift ist in Fällen wie dem vorliegenden jedoch nicht von entscheidender Bedeutung. Denn der Insolvenzverwalter muss mit der Beseitigung der Abfälle eine eigene Pflicht - und nicht eine der Gemeinschuldnerin - erfüllen. Die immissionsschutzrechtlichen Vorschriften nehmen nämlich den jeweiligen Betreiber der Anlage im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr umfassend und unabhängig von dem Rechtsgrund seiner Betriebsübernahme in Pflicht. Die infolge der Betriebsübernahme in der Person des Insolvenzverwalters entstandene immissionsschutzrechtliche Verantwortlichkeit erlischt durch eine spätere Weiterveräußerung des Betriebes nur dann, wenn nach dem Inhalt des Kauf- bzw. Pachtvertrages der Erwerber/Pächter den vorhandenen Abfall mit übernimmt. Geht die Beseitigungspflicht nicht auf den Erwerber/Pächter über, verbleibt sie beim Insolvenzverwalter, und zwar ungeachtet der zwischenzeitlichen Beendigung seiner Betreiberstellung. Für wirksam herausgelöste oder abgespaltene Teile eines Betriebes erlöschen die bis zur Lösung des betrieblichen Zusammenhangs noch nicht erfüllten immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten mangels eines Adressaten nicht. Vielmehr bestehen sie bis zu ihrer Erfüllung beim bisherigen Betreiber fort, weil er sich ihrer nicht zu Lasten des neuen Betreibers entledigt hat. Zeigt der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit an, ändert dies nichts an der Ordnungsmäßigkeit der Verfügung, sondern bewirkt (lediglich), dass er für die Kosten der Beseitigung des Abfalls oder einer Ersatzvornahme nur im Rahmen der vorhandenen Masse nach § 209 InsO haftet.

32

Dem folgt die Kammer.

33

Der Kläger vermag dem gemäß nicht damit durchzudringen, er sei nicht Betreiber, weil er nicht weisungsfrei gehandelt habe bzw. habe handeln können, da sein Vorgehen gemäß §§ 157, 158 InsO den Weisungen der Gläubigerversammlung, des Gläubigerausschusses und des Insolvenzgerichts unterlegen habe. Hierauf kommt es nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht an.

34

Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, es verbiete sich, Ansprüche gegen die Masse, die aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens herrühren, in den Rang von Masseforderungen zu erheben (vgl. Pape, „Folgen der aktuellen Rechtsprechung des BGH für die Behandlung von Altlasten im Insolvenzverfahren“ in: ZInsO 2002, 453 <455>). Denn die Ordnungspflicht des Insolvenzverwalters, der die Befugnis der zuständigen Behörde zum Erlass einer immissionsschutzrechtlichen Anordnung entspricht, bezieht sich weder in inhaltlicher noch in zeitlicher Hinsicht auf eine frühere Verpflichtung des Gemeinschuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Sie knüpft vielmehr ausschließlich an den aktuellen Zustand der zur Masse gehörenden Gegenstände an, der die abzuwehrende Gefährdung bewirkt. Die Befugnis zum Erlass der Anordnung besteht mithin unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Gefahr entstand, ob der Gemeinschuldner bereits in Anspruch genommen wurde oder genommen werden konnte und zu welchem Zweck der Insolvenzverwalter den Besitz ausübt (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1999 - 11 C 9/97 -, BVerwGE 108, 269 = NVwZ 1999, 653 = RdL 1999, 167 = UPR 1999, 311 = Buchholz 445.3 Landeswasserrecht Nr. 2 = NuR 2000, 92; sich davon abgrenzend: BGH, Urt. v. 18.04.2002 - IX ZR 161/01 -, BGHZ 150, 305 und Urt. v. 05.07.2001 - IX ZR 327/99 -, BGHZ 148, 252).

35

Der Kläger hat gemäß §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 u. 2 VwGO die Kosten des Verfahrens (insgesamt) zu tragen. Soweit das Verfahren einzustellen ist, entspricht es zwar billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 VwGO), die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen, denn dieser hat im Verlauf des Klageverfahrens die Erledigung herbeigeführt, indem er dem Klagebegehren insoweit abgeholfen hat, ohne dass ihm etwa der in § 156 VwGO zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke zur Seite steht. Da aber der Kläger im Übrigen, d.h. für den ganz überwiegenden Teil, unterlegen ist, sind ihm gemäß §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

36

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

37

Die Sprungrevision wird gemäß § 134 VwGO zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§§ 134 Abs. 2 Satz 1, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Zwar sind - wie in der Entscheidung dargelegt - die aufgeworfenen Rechtsfragen bereits Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gewesen. Die Kammer sieht aber eine Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die neuere, zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung. Der Kläger und der Beklagte haben der Einlegung der Sprungrevision in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll zugestimmt.

 


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