Urteil vom Verwaltungsgericht Hannover (7. Kammer) - 7 A 123/03

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Die Entscheidung über die Kosten ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

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Der 1946 geborene Kläger begehrt die Übernahme der vollen, vom Einrichtungsträger geforderten Heimkosten. Er lebt schon seit 1951 im Langzeitbereich des {E.} und erhält vom Beklagten laufende Hilfe zur Pflege. Unbestritten trägt der Kläger vor, ihm sei vom Beklagten kein anderer, kostengünstigerer Heimplatz angeboten worden.

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Für die hier streitigen Zeiträume gibt es keine Vergütungsvereinbarungen iSd. § 93 Abs. 2 Nr. 2 BSHG. Im Rahmen seiner Zuständigkeit hat der Beklagte die ungedeckten Heimkosten aus Sozialhilfemitteln übernommen, im Hinblick auf die noch ausstehenden Pflegesatzvereinbarungen jedoch nur Abschlagspflegesätze gezahlt.

3

Nach dem am 21.08.1995 geschlossenen Heimvertrag ist der Kläger verpflichtet, einen Pflegesatz von täglich 253,64 DM zuzahlen. Für das Jahr 1996 fordert der Einrichtungsträger (Erhöhungsverlangen vom 30.11.1995) einen täglichen Satz von 263,61 DM, für das Jahr 2000 fordert er (Schreiben vom 14.12.1999) einen täglichen Satz von 255,74 DM.

4

Mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten von Anfang Dezember 1999 machte der Kläger einen Anspruch auf Übernahme des vollen, heimvertraglich geschuldeten Heimentgeltes ab 01.01.1995 geltend.

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Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 15.12.1999 ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2000, zugestellt am 09.06.2000, zurückwies.

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Der Kläger hat am Montag, den 10.07.2000, Klage erhoben.

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Er ist der Ansicht, ihm stehe ein Anspruch auf Übernahme des vollen Heimentgeltes durch den Beklagten zu.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 15.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2000 des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm, dem Kläger, Sozialhilfe des vollen, von ihm mit dem Einrichtungsträger vereinbarten Heimentgeltes von pflegesatztäglich 253,64 DM für das Jahr 1995 , 263,61 DM für die Jahre 1996 bis 1999 und 255,74 DM seit dem 01.01.2000 bis 07.06.2000 abzüglich geleisteter Abschläge zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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Er nimmt Bezug auf die angefochtenen Bescheide und hat Zweifel an der Zulässigkeit der Klage.

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Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

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Weiterhin haben sich alle Beteiligte mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter.

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Daneben ergeht im Einverständnis der Beteiligten die Entscheidung weiterhin ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.

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Die Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben.

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Dem Kläger kann ferner nicht vorgehalten werden, ihm stehe kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite. Wohl wurde er im hier streitbefangenen Zeitraum vom Einrichtungsträger ohne Einschränkungen betreut, obwohl dieser nur Abschlagspflegesätze erhalten hat. Die Gefahr eines Verlustes seines Heimplatzes wegen Nichterfüllung von Verpflichtungen aus dem Heimvertrag stand nie zur Debatte. Der Kläger ist aber aus dem Heimvertrags verpflichtet, einen Pflegesatz an den Einrichtungsträger zu entrichten, der über den vom Beklagten gezahlten Abschlagspflegesatz liegt. Er ist insoweit den zivilrechtlichen Forderungen des Einrichtungsträgers ausgesetzt und hat ein rechtliches Interesse daran zu klären, inwieweit der Beklagte aus Sozialhilfemitteln diese Pflegesätze übernehmen muss. Etwas anderes wäre nur dann anzunehmen, wenn eine - auch stillschweigende - Vereinbarung im Sinne der gerichtlichen Verfügung vom 14.02.2002 zwischen dem Kläger und dem Einrichtungsträger angenommen werden könnte, worin der Träger sich verpflichtet , bis zum Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung die notwendigen Hilfeleistungen zunächst auf Grundlage der Kostenübernahmeerklärung der Beklagten zu erbringen und bis dahin auf die Geltendmachung seiner Forderung zu verzichten, während sich der Kläger im Gegenzug verpflichtet, insoweit auf die Erhebung der Verjährungseinrede zu verzichten (sog. „pactum de non petendo“). Eine derartige Vereinbarung hat der anwaltlich vertretene Kläger jedoch trotz ausdrücklicher Anfrage nicht bestätigt und es sind auch keine Anhaltspunkte hierfür ersichtlich.

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Die Klage ist jedoch unbegründet.

21

Zwar hat sowohl die Kammer (Urteil vom 24.09.2002 - 7 A 1904/01) und dem folgend auch Einzelrichter der Kammer (Urteil vom 23.10.2003 - 7 A 2365/03 und Urteil vom 12.11.2003 - 7 A 3010/03 -) gem. § 3 BSHG Bewohnern von Pflegeeinrichtungen auch ohne Vorliegen einer Vergütungsvereinbarung dann einen Anspruch auf Übernahme des vollen heimvertraglichen Entgeltes zugesprochen, wenn dem Bewohner vom Sozialhilfeträger kein anderer, preisgünstigerer gleichwohl aber zumutbarer Heimplatz angeboten wurde. Dem Kläger wurde auch unstreitig kein anderer, kostengünstigerer Heimplatz angeboten. Gleichwohl kann die Klage keinen Erfolg haben. Denn der Kläger kann im vorliegenden Fall von der Beklagten keine weiteren Leistungen für den hier streitigen Zeitraum mehr begehren. Sozialhilfe erhält nicht, wer sich selbst helfen kann, § 2 Abs. 1 BSHG. Der Kläger kann hier selbst erreichen, dass sein Gläubiger - der Einrichtungsträger - seine Forderung auf Zahlung des vollen Heimentgeltes für den hier streitigen Zeitraum nicht mehr durchsetzen kann. Dann aber entfällt auch ein offener, noch aus Sozialhilfemitteln zu deckender Bedarf.

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Die Forderungen des Einrichtungsträgers gegenüber dem Kläger unterliegen den (zivilrechtlichen) Verjährungsvorschriften. Nach den im hier streitigen Zeitraum geltenden Vorschriften unterlagen die Forderungen der zweijährigen Verjährung nach § 196 Abs. 1 Nr. 11 BGB in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung. Danach trat für die 1995 entstandenen Ansprüche Verjährung mit Ablauf des Jahres 1997 ein, für die 1996 entstandenen Ansprüche mit Ablauf des Jahres 1998 und für die Folgejahr entsprechend bis einschließlich der Vergütung für das Jahr 1999 (verjährt mit Ablauf des Jahres 2001). Allerdings ist nach den allgemeinen Grundsätzen im Sozialhilferecht der Hilfefall des Klägers, soweit es um die begehrten laufenden Leistungen geht, bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides zu prüfen. Gegenstand der Klage sind mithin auch die Heimentgelte bis einschließlich 07.06.2000. Im Hinblick auf Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBG sind aber auch diese Ansprüche mit Ablauf des 31.12.2002 verjährt.

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Die Verjährung wurde nicht durch die vom Beklagten geleisteten Abschlagszahlungen nach § 208 BGB a.F. bzw. § 212 Abs. 1 Nr. 1 n.F. unterbrochen (a.A. in einem vergleichbaren Fall: VG Lüneburg, Urteil vom 19.12.2001 - 4 A 92/00 -). Eine Rechtsnorm, wonach die Klägerin sich das Verhalten des Beklagten zurechnen lassen muss, gibt es nicht. Das Verwaltungsgericht Lüneburg nennt in seiner Entscheidung keiner derartige Vorschrift, sondern geht ohne jede Begründung davon aus, dass die Abschlagszahlungen dem Hilfeempfänger zuzurechnen seien. Außerdem hat nach der besonderen Fallgestaltung im Hinblick auf die Auseinandersetzungen um die Höhe des Pflegesatzes zwischen dem Land Niedersachsen und dem Einrichtungsträger der Beklagte, die insoweit als herangezogener überörtlicher Träger für das Land handelte, nicht durch die Zahlung von Abschlägen die Forderung in Höhe des ungedeckten Restes anerkannt. Vielmehr wurde und wird die Berechtigung der Forderung des Einrichtungsträgers, soweit sie über die gezahlten Abschläge hinausgehen, vehement in Abrede gestellt.

24

Nach alledem hat es der unter Betreuung stehende und anwaltlich vertretene Kläger selbst in der Hand, durch die Einrede der Verjährung sich ohne weiteres in zumutbarer Weise von ihrer vertraglichen Entgeltverpflichtung zu befreien.

25

Die Grundsätze von Treu und Glauben hindern den Kläger ebenfalls nicht daran, die Verjährungseinrede zu erheben. Zwar streitet sich der Einrichtungsträger bereits seit Jahren mit dem Land Niedersachsen über die Festsetzung der Pflegesätze für seine Einrichtung in S. und es sind mehrere Verwaltungsstreitverfahren hierzu anhängig. Dies berührt aber erst einmal nicht das sich aus dem Heimvertrag ergebene Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Einrichtungsträger. Es folgt daraus aber auch keine Verpflichtung der Beklagten, es zu unterlassen, den Kläger auf den Weg der Selbsthilfe durch Einrede der Verjährung zu verweisen. Zum einen würde es dadurch in das Belieben des Klägers selbst gestellt werden, entweder die Einrede zu erheben oder sie zu unterlassen und sich dadurch erst bedürftig zu machen, zum anderen wird durch die Führung von verwaltungsrechtlichen Verfahren über den Abschluss von Pflegesatzvereinbarungen nicht per se ein irgendwie gearteter Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass etwaige zivilrechtliche Ansprüche eines der an diesen verfahren Beteiligten gegen Dritte nicht der Einrede der Verjährung unterliegen bzw. diese Einrede nicht erhoben wird.

26

Da die Klage bereits aus den vorstehenden Gründen keinen Erfolg hat, bedarf es an dieser Stelle keiner Prüfung mehr, ob eventuell eine Kostenübernahmeerklärung für die Heimunterbringung den Kläger seitens des Beklagten abgegeben wurde und ob dadurch die Unterbringung beim Einrichtungsträger nicht zu einer Sachleistung des Sozialhilfeträgers geworden ist mit der Folge, dass durch die Sachleistung bereits der Bedarf der Klägerin gedeckt wurde, so dass es einer begehrten Leistung in Geld daneben nicht mehr bedarf. Der Umstand, dass der Sozialhilfeträger die Sachleistung durch einen beauftragten Dritten erbringt, der dafür ggf. auch einen Entgeltanspruch gegen den Sozialhilfeträger hat, würde in diesem Fall jedenfalls nicht zu einem Zahlungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten führen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

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Die Berufung war gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

 


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