Gerichtsbescheid vom Verwaltungsgericht Hannover (6. Kammer) - 6 A 2751/00

Tatbestand

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Die Klägerin zu 1. ist eine am 28. November 1960 in Cluj-Napoca (Rumänien) rumänische Staatsangehörige. Sie lebt gemeinsam mit ihren Kindern, den Klägern zu 2. und 3., mit ihrem Ehemann A. F., der irakischer Staatsangehöriger turkmenischer Abstammung ist, sowie dem gemeinsamen erwachsenen Sohn J. A. (alias J. D.), der ebenfalls die irakische Staatsangehörigkeit besitzt, in G..

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Der 13 Jahre alte Kläger zu 2. und die 15 Jahre alte Klägerin zu 3. sind in Kirkuk (Irak) geboren. Für Herrn A. F. und Herrn J. A. ist das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iraks festgestellt worden.

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Mit einem Schreiben ihrer damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 18. April 1997 stellten die Kläger erstmalig Asylanträge. Bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - Bundesamt - gab die Klägerin zu 1. an, sie habe ihren Ehemann 1977 in Rumänien kennen gelernt und mit ihm Rumänien im Jahre 1986 endgültig verlassen, um in den Irak zu gehen, wo sie gemeinsam bis 1996 in Kirkuk gelebt hätten. Im Mai 1996 seien sie zunächst nach Arbil geflüchtet. Nach dem Einmarsch der irakischen Truppen in Arbil, habe ihr Ehemann den Irak verlassen. Sie selbst sei mit ihren Kindern am 5. März 1997 aus dem Irak ausgereist.

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Mit Bescheid vom 14. November 1997 hat das Bundesamt die Asylanträge als unbegründet abgelehnt. Zugleich hat das Bundesamt entscheiden, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausländergesetz - AuslG - und Abschiebungshindernisse im Hinblick auf eine Abschiebung der Kläger nach Rumänien nicht vorliegen. Überdies hat es den Klägern die Abschiebung nach Rumänien oder - mit Ausnahme des Irak - in einen anderen Staat angedroht.

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Die dagegen erhobene Klage der Kläger hat das Verwaltungsgericht Hannover mit Urteil vom 13. Oktober 1999 (6 A 7000/97) als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Kläger hätten nicht glaubhaft gemacht, den Irak im Jahre 1997 in der Situation politisch Verfolgter verlassen zu haben. Nachfluchtgründe stünden den Klägern ebenfalls nicht zur Seite. Der Kläger zu 2. und die Klägerin zu 3. hätten sich beim Verlassen des Irak noch in einem Alter befunden, in dem auch nach irakischer Auffassung allein ihre Eltern für ihren Auslandsaufenthalt die Verantwortung trugen. In einem solchen Fall sei es unrealistisch, von einer Verfolgung der Kinder wegen des illegalen Auslandsaufenthalts und der Asylantragstellung auszugehen. Die Klägerin zu 1. könne nicht glaubhaft machen, wegen des Verlassens des Irak und des Stellens eines Asylantrags dort zur Rechenschaft gezogen zu werden, weil sie nicht bewiesen habe, irakische Staatsangehörige zu sein.

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Am 19. Mai 2000 stellte die Klägerin zu 1. bei dem Bundesamt für sich und die Kläger zu 2. und 3. Asylfolgeanträge mit der Begründung, ihr und ihren beiden Kindern sei von der irakischen Botschaft in Bonn nach der Überprüfung ihrer irakischen Staatsangehörigkeit ein irakischer Pass ausgestellt und mit Schreiben vom 3. Mai 2000 übersandt worden. Mit Bescheid vom 26. Mai 2000 lehnte das Bundesamt die Durchführung weiterer Asylverfahren sowie die Änderung der im Bescheid vom 14. November 1997 getroffenen Feststellung zu § 53 AuslG ab.

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Die Kläger haben gegen diesen Bescheid am 9. Juni 2000 fristgemäß Klage erhoben, mit der sie einen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG verfolgen.

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Nachdem im Verlauf des Klageverfahrens aus anderen Verwaltungsrechtssachen der Kläger gerichtsbekannt geworden ist, dass sich die Familie der Kläger vor dem Betreiben ihrer Asylverfahren seit 1993 in Rumänien aufgehalten hat, tragen die Kläger nunmehr vor, ihr Ehemann und Vater A. F. habe bis 1986 in Rumänien Bauingenieurwesen studiert. Er sei daraufhin in den Irak zurückgekehrt und habe dort zunächst Militärdienst geleistet und anschließend als Bauingenieur gearbeitet. Nach seiner erneuten Heranziehung zum Militärdienst im 2. Golfkrieg habe er teilweise als Bauingenieur gearbeitet und mit Devisen gehandelt. Nachdem er den Irak 1993 illegal verlassen habe, habe er in Rumänien wegen der Ehe mit der Klägerin zu 1. eine Aufenthaltserlaubnis erhalten und von 1993 bis 1996 als Warendistributor gearbeitet.

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Die Kläger beantragen,

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den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 26. Mai 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass im Hinblick auf eine Abschiebung der Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen,

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hilfsweise die Beklagte zu der Feststellung zu verpflichten, dass im Hinblick auf eine Abschiebung der Kläger Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Gericht hat eine Auskunft des Deutschen Orient-Instituts zu der Frage der Gefährdung der Klägerin zu 1. im Fall einer Rückkehr in den Irak durch staatliche Repressalien wegen ihres Asylaufenthalts in Deutschland eingeholt. Wegen des Ergebnisses dieser Ermittlungen wird auf den Inhalt der Auskunft des Deutschen Orient-Instituts vom 27. November 2001 verwiesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts nimmt das Gericht ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten 6 A 2751/00, 6 A 7000/97 und 6 B 3518/01 sowie der Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (K. und I.) Bezug.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über die nach erfolgter Anhörung der Beteiligten nach § 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden kann, ist nicht begründet.

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Soweit der Kläger zu 2. und die Klägerin zu 3. den Bescheid des Bundesamtes vom 26. Mai 2000 anfechten und die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG ist ihre Klage schon unbegründet, weil sie nach § 71 Abs. 1 AsylVfG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - keinen Anspruch auf eine erneute Sachentscheidung über ihre Asylbegehren, die gemäß § 13 Abs. 2 AsylVfG auch auf die Feststellung eines Abschiebungsschutzes wegen politischer Verfolgung gerichtet sind, haben.

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Aus § 71 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG folgt, dass mit einem Folgeantrag unter anderem die Tatsachen und Beweismittel anzugeben sind, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ergibt. Danach hat der Folgeantragsteller bereits dann einen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens wegen nachträglicher Änderung der Sach- und Rechtslage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, wenn er eine solche Änderung der Sachlage gegenüber dem früheren Asylverfahren glaubhaft und substantiiert vorträgt (sog. verfahrensrelevanter Folgeantrag); ob dieser Vortrag den Asylanspruch nach vollständiger Prüfung der Sach- und Rechtslage auch trägt, bleibt dagegen der abschließenden Sachentscheidung im weiteren Asylverfahren vorbehalten (BVerfG, DVBl. 1993 S. 601, und DVBl. 2000 S. 1048, jeweils m.w.N.). Dasselbe gilt für neue Beweismittel im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG. Dabei kann sich der Asylbewerber auch auf weitere im Verlauf des behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens eingetretene Folgeantragsgründe berufen, sofern die für jeden neuen Grund geltende Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG für jeden selbständigen Wiederaufgreifensgrund gewahrt wird (BVerwG, NVwZ 1990, S. 359). Diese Voraussetzungen der ersten Stufe im sog. Verfahren des Durchentscheidens über den Folgeantrag (vgl. BVerfG, DVBl. 2000 S. 1048) sind im Fall der Kläger zu 2. und 3. zweifelsfrei nicht erfüllt.

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Die Kläger zu 2. und 3. haben weder zur Begründung des Folgeantrags vom 19. Mai 2000 noch mit der Klagebegründung ihrer Verfahrensbevollmächtigten dargelegt, dass sich im Hinblick auf die Gründe für das Scheitern ihrer ersten Asylanträge in irgendeiner Hinsicht die entscheidungserhebliche Sach- und Rechtslage nachträglich zu ihren Gunsten geändert haben könnte. Vielmehr erschöpft sich der Folgeantrag in dem Vortrag, sie könnten jetzt mit der Vorlage des am 4. Mai 2000 von der irakischen Botschaft ausgestellten irakischen Passes nachweisen, irakische Staatsangehörige zu sein. Dieses Vorbringen lässt schon keine schlüssige Folgenantragsbegründung erkennen. Dass die Kläger zu 2. und 3. neben der rumänischen durch Geburt auch die irakische Staatsangehörigkeit besitzen, ist bisher nicht bezweifelt worden. Vielmehr sind sowohl das Bundesamt als auch das Verwaltungsgericht (s. Seite 6 des Urteilsabdrucks 6 A 7000/97) von dieser Tatsache ausgegangen. Deshalb handelt es sich bei dem irakischen Pass vom 4. Mai 2000 für die Kläger zu 2. und 3. auch nicht um ein verfahrensrelevantes neues Beweismittel. "Neu" im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG ist ein Beweismittel nur, wenn es einen Beweiswert für die im Asylverfahren entscheidungserheblichen Tatsachenfragen hat und so zu neuen Erkenntnissen führen kann. Das ist aber nicht der Fall, wenn sein Aussagewert in keiner inneren Beziehung zum Erfolg oder Misserfolg des Asylbegehrens steht. Insoweit fehlt es bereits an einer schlüssigen Folgeantragsbegründung der Kläger zu 2. und 3.

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Die Klägerin zu 1. hat zwar mit der Vorlage des ihr am 4. Mai 2000 ausgestellten irakischen Passes schlüssig eine neue Tatsachenlage vorgetragen, weil nunmehr mit überwiegender Wahrscheinlichkeit tatsächlich davon auszugehen ist, dass sie in der Zeit bis zum Jahre 1993 im Wege der Einbürgerung die irakische Staatsangehörigkeit erlangt hat. Das hat zur Folge, dass sich zu treffende neue Sachentscheidung über ihren Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs., 1 AuslG an den für Asyl-Erstanträge geltenden Prüfungsmaßstab halten muss (BVerfG, a.a.O.).

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Die Klage der Klägerin zu 1. ist aber unbegründet, weil die Klägerin zu 1. in dem maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) nicht glaubhaft machen kann, dass ihr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Irak die Gefahr einer von politischen Verfolgung droht.

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Aus Gründen, die ihre Ursache in Ereignissen vor der Ausreise der Klägerin zu 1. aus dem Irak hätten (sog. Vorfluchtgründe), lässt sich nicht auf die Gefahr einer politischen Verfolgung der Klägerin zu 1. im Irak schließen. Nachdem nunmehr feststeht, dass die Klägerin zu 1. den Irak gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren Kindern bereits 1993 verlassen hat und von dort nach Rumänien übergesiedelt ist, steht fest, dass die von ihr im ersten Asylverfahren gemachten Angaben zu dem Zeitpunkt, den Gründen und den Umständen einer angeblichen Flucht aus Kirkuk im Jahre 1997 falsch waren. Dass der Klägerin zu 1. stattdessen aus Vor- oder Nachfluchtgründen politische Verfolgung in ihrem Herkunftsland Rumänien drohen könnte, wird von der Klägerin zu 1. nicht geltend gemacht und ist angesichts der Tatsache, dass Rumänien ein sicherer Herkunftsstaat nach § 29a AsylVfG ist, auch nicht ersichtlich.

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Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht mehr gestützt auf den erfolgten Nachweis ihrer irakischen Staatsangehörigkeit mit Erfolg auf die Gefahr einer politischen Verfolgung im Irak wegen etwaiger Nachfluchtgründen berufen, weil insoweit eine für die Anwendung des § 51 Abs. 1 AuslG entscheidende Änderung der Sachlage eingetreten ist:

24

Bis zum Ausbruch des Irak-Krieges am 20. März 2003 war die Kammer noch in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass jeder Asylbewerber, der in die unter der staatlichen Sicherheitsüberwachung stehenden Gebiete des Irak zurückkehrte, aus Anlass seines Asylverfahrensaufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland mit willkürlichen staatlichen Maßnahmen zu rechnen hatte. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 21.6.2002 - 9 LB 3662/01 -) stützte sich die Kammer dabei auf die Annahme, dass in Anbetracht des willkürlichen, unberechenbaren Vorgehens irakischer Sicherheitsorgane im Fall der Rückkehr eines Asylbewerbers in den Irak dort schon ein mehr als kurzzeitiger, nicht staatlich genehmigter oder veranlasster Aufenthalt im westlichen Ausland jedenfalls im Zusammenhang mit dem Betreiben eines Asylverfahrens als strafbares Handeln angesehen wurde, wobei insbesondere der Tatbestand des Art. 180 des irakischen Strafgesetzbuches in Betracht kam, der die Bestrafung eines Inländers mit Gefängnis und Geldstrafe vorsah, wenn dieser falsche oder tendenziöse Nachrichten, Mitteilungen oder Gerüchten über die inneren Verhältnisse des Staates verbreitete oder in irgendeiner Weise Aktivitäten entfaltete, die ihrer Art nach die nationalen Interessen schädigten (amnesty international, Auskunft vom 28.10.1997 an das VG Arnsberg). Ferner sah das Dekret Nr. 840 des Revolutionären Kommandorats vom 4.12.1996 die Todesstrafe für Kritik und Beleidigung des Staatspräsidenten, der Baath-Partei und von Regierungsinstitutionen vor (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 13.6.1997 an das VG Freiburg). Zugleich ließ sich die für das Vorliegen einer politischen Verfolgung maßgebliche Frage, wie der irakische Staat mit seinen Sicherheits- und Justizorganen diese Strafvorschriften auf in den Irak zurückkehrende Asylbewerber in der Strafverfolgungs- und Justizpraxis tatsächlich anwendete, nicht sicher beantworten, weil in dem totalitären und unberechenbaren irakischen System Verhaftungen willkürlich erfolgten und Strafprozesse im Geheimen stattfanden (amnesty international, Auskunft vom 6.8.1996 an das VG Magdeburg; so wohl auch: Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 15.2.2001, S. 15). Außerdem existierte eine Gewaltenteilung nicht und festgeschriebene Zuständigkeiten der neben der Polizei agierenden Sicherheits- und Geheimdienste waren nach außen nicht erkennbar (Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 16.10.2002, S. 3, 6, 11). Als gesichert konnte auch die Erkenntnis gelten, dass im Irak jedem Verdacht einer regimegegnerischen Äußerung und Einstellung nachgegangen wurde und in diesem Fall mit Verfolgung zu rechnen war (Auswärtiges Amt, Lageberichte Irak, u.a. vom 27.1.1999 und 16.10.2002).

25

Diese Erkenntnisse sind für die Annahme einer gegenwärtigen Verfolgungsgefahr im Irak weitgehend gegenstandslos geworden, jedenfalls soweit es um die Beurteilung der Rückkehrgefährdung nicht vorverfolgter irakischer Staatsangehöriger geht. Demzufolge hält die Kammer an ihrer vorstehend beschriebenen Rechtsprechung nicht mehr fest.

26

Infolge des Irak-Krieges vom 20. März bis 1. Mai 2003 ist das bis zum Kriegsausbruch herrschende, maßgeblich von der irakischen Baath-Partei und dem persönlichen Einflussbereich der Familie des früheren Staatsoberhaupts Saddam Hussein geprägte Herrschaftssystem im Irak zusammengebrochen (s. Lagebericht Irak des Auswärtigen Amtes vom 6.11.2003, Stand: Oktober 2003). Dieses und die Tatsache, dass von den früheren Machtstrukturen des Saddam-Clans und der Baath-Partei heute keine staatlichen oder quasi-staatlichen Reste übrig geblieben sind, ist im Übrigen allgemein bekannt und damit eine offenkundige Tatsache. Der Irak steht unter Besatzungsrecht und wird derzeit noch von einer Verwaltung der an der Kriegskoalition beteiligten Staaten unter der Führung der USA (Coalition Provisional Authority - CPA) regiert. Zum Aufbau einer - entweder zu ernennenden oder zu wählenden - Übergangsregierung wurde am 13. Juli 2003 unter Beteiligung der Volksgruppen und Glaubensrichtungen ein provisorischer Regierungsrat (Transitory Govering Council - TGC) eingerichtet, dessen wechselnder Vorsitz von Vertretern unterschiedlicher ethnischer und politischer Gruppierungen wahrgenommen wird. Der TGC ist am 9. September 2003 de facto von der Arabischen Liga als Außenvertretung des Irak für die Übergangszeit bis zur Wahl einer durch eine neue Verfassung des Irak legitimierte Regierung anerkannt worden, was die endgültige Beseitigung des früheren Regimes auch nach außen im Hinblick auf die Haltung der Nachbarländer des Irak dokumentiert. Am 15. November 2003 haben die CPA und der TGC ein Abkommen geschlossen, demzufolge am 15. März 2004 die Mitglieder einer verfassunggebenden Versammlung gewählt und die Besatzungsmacht am 1. Juli 2004 beendet werden sollen (FAZ vom 20.11.2003). Danach steht zum einen fest, dass es in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit von Repressalien an zurückkehrenden Asylbewerbern wegen unterstellter Gegnerschaft zum irakischen Herrschaftssystem nicht mehr gibt. Zum anderen folgt daraus zugleich, dass es in rechtlicher Hinsicht gegenwärtig (noch) an einer irakischen Staatsmacht fehlt, die für sich in Anspruch nehmen könnte, mit ordnungsrechtlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Mitteln eine Friedensordnung im Irak durchzusetzen und aufrecht zu erhalten. Mithin fehlt es gegenwärtig im Irak auch an einer staatlichen Autorität fehlt, die politische Verfolgung im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG ausüben könnte (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.8.2003 - 10 A 430.02.A -).

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Die Klage ist auch unbegründet, soweit die Kläger hilfsweise die Feststellung von Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 AuslG geltend machen.

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Dass den Klägern im Irak von staatlicher irakischer Seite Gefahren im Sinne von § 53 Abs. 1, 2 und 4 AuslG drohen könnten, wird von den Klägern nicht substantiiert geltend gemacht. Dasselbe gilt für eine Abschiebung der Kläger nach Rumänien.

29

Dass die Kläger bei einer Abschiebung in den Irak einer anderen erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ausgesetzt wären, lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Die bloße theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit oder der allgemein schlechten Lebensbedingungen zu werden, reicht nicht aus (BVerwGE 99, 324), um einen Abschiebungsschutz zu begründen. Die wegen der ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse und aufgrund des bisher ungelösten Kriminalitäts- und Terrorismusproblemes allgemein schlechten Lebens- und Sicherheitsverhältnisse im Irak treffen alle Bevölkerungsteile. Derartige Gefahren, denen nicht nur die religiöse, ethnische oder andere Minderheiten, sondern die Bevölkerung wegen der im Irak anzutreffenden Verhältnisse allgemein ausgesetzt ist, werden gemäß § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG nur bei Entscheidungen nach § 54 AuslG (sog. Abschiebungsstop) berücksichtigt. Nur dann, wenn sich diese Gefahrenlage im individuellen Einzelfall zu einer extremen Gefahrenlage konkretisiert, können solche Gefahren nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (NVwZ 1999 S. 668 m.w.N.) auch im Rahmen der Einzelfallentscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG Berücksichtigung finden. Das gilt aber nicht, wenn die individuelle Gefährdung nur eine typische Auswirkung der allgemein schwierigen Lebensverhältnisse ist (BVerwG, NVwZ 1999 S. 666). Diese Lebensverhältnisse sind zum einen durch die seit dem Ende des Irak-Krieges sich erst langsam verbessernde Versorgung der Bevölkerung im Irak mit Lebensmitteln durch die Wiederaufnahme des oil-for-food-Programms und die weiterhin angespannte Versorgung mit Strom, Trinkwasser und medizinischen Leistungen gekennzeichnet (Lagebericht Irak des Auswärtigen Amtes vom 6.11.2003, Stand: Oktober 2003). Zum anderen fehlt es in vielen Teilen des Landes weiterhin an einer rechtsstaatlichen Ordnung, und ein effektiver nationaler Schutz ist mangels Polizeikräften und administrativer Strukturen in vielen Teilen Iraks nicht gewährleistet (UNHCR, Stellungnahme zur Rückkehrgefährdung irakischer Schutzsuchender, Asylmagazin 12/2003 S. 16), wobei neben dem Problem der Gewaltkriminalität weiterhin Bombenanschläge in Bagdad und sog. „sunnitischen Dreieck“ des Zentraliraks überwiegend auf Einrichtungen der Koalitionstruppen und der irakischen Zivilverwaltung verübt werden. Diese generell schlechten Lebensbedingungen im Irak können aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (ebd.) nicht zum (individuellen) ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz führen.

 


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