Beschluss vom Verwaltungsgericht Hannover (16. Kammer) - 16 B 406/05

Gründe

1

I. Im Zuge der Neugestaltung der Organisation der Bundesagentur für Arbeit wird eine neue Führungsstruktur in den örtlichen Agenturen für Arbeit eingeführt. Hierzu werden unter anderem im Kundenzentrum Dienstposten für Bereichsleiterinnen und Bereichsleiter, die bestimmte Geschäftseinheiten der Agenturen für Arbeit im operativen Bereich sowie im Bereich von Personal und Finanzen führen sollen, eingerichtet. Die Auswahlentscheidung für die Besetzung dieser im Bereich der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit Dienstposten für Bereichsleiterinnen und Bereichsleiter der Agenturen für Arbeit in Niedersachsen trifft der Beteiligte. Seit Dezember 2004 hat der Beteiligte den Antragsteller als den bei der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen eingerichteten Bezirkspersonalrat in einer Vielzahl von Fällen davon unterrichtet, dass namentlich genannten Beamtinnen, Beamten und Angestellten des gehobenen und höheren Dienstes vorübergehend die Tätigkeit einer Bereichsleiterin bzw. eines Bereichsleiters an einer Agentur für Arbeit übertragen werden soll.

2

Der Antragsteller hat am 12. Januar 2005 um Rechtsschutz im Verfahren 16 B 406/05 nachgesucht, um den Beteiligten im Wege einstweiliger Verfügung verpflichten zu lassen, das Mitbestimmungsverfahren hinsichtlich der Übertragung von zwei Dienstposten für Bereichsleiter operativ in der Agentur für Arbeit Osnabrück einzuleiten.

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Er macht geltend, die bezüglich der Beschäftigten G. und H. beabsichtigten Maßnahmen unterlägen seiner Mitbestimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 76 Abs. 1 Nr. 3 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG). Beiden Beschäftigten, zumindest aber einem von ihnen, solle eine höher oder niedriger zu bewertende Tätigkeit zugewiesen werden. Das folge schon aus dem Umstand, dass sich beide Personen in einem völlig unterschiedlich bewerteten Statusamt bzw. einer entsprechenden Vergütungsgruppe (VergGr.) befänden. Herr G. sei Beamter und habe ein Amt der Besoldungsgruppe (BesGr.) A 12, entsprechend VergGr. III, inne, Herr H. sei Angestellter und in der VergGr. I b, entsprechend der BesGr. A 14, eingruppiert. Dass gleichwohl beiden dieselbe Tätigkeit eines Bereichsleiters operativ zugewiesen werden solle, bedeute zwangsläufig, dass zumindest einer von ihnen zukünftig eine höher oder niedriger zu bewertende Tätigkeit ausüben werde.

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Der Antragsteller hat am 21. Februar 2005 im Verfahren 16 B 1082/05 und am 2. März 2005 im Verfahren 16 B 1332/05 weitere Anträge auf Erlass einstweiliger Verfügungen gestellt. Mit diesen soll der Beteiligte in insgesamt 30 weiteren Fällen von Beamtinnen und Beamten sowie sieben weiteren Fällen von Angestellten zur Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens verpflichtet werden. Hierzu trägt der Antragsteller vor, dass die in den Anträgen genannten Beamtinnen und Beamten Ämter der BesGr. A 11 bis A 13 innehätten, die genannten Angestellten seien in den VergGr. IVa bis Ib eingruppiert.

5

Die Eingruppierung der bei der Bundesagentur für Arbeit tätigen Angestellten richte sich nach der Vergütungsordnung, die als Anlage 1 Teil des geltenden Manteltarifvertrages für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit (MTA) sei und sich aus der Anlage 1a zum Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) ableite. Die in den ersten Fallgruppen der jeweiligen VergGr. genannten Merkmale entsprächen denjenigen der Vergütungsordnung des BAT. Anders als in der Vergütungsordnung des BAT seien aber in die Vergütungsordnung des MTA im Laufe der Zeit sehr spezielle Fallgruppen aufgenommen worden, so dass bisher fast jede Tätigkeit unmittelbar der Vergütungsordnung habe entnommen werden können, ohne dass es einer Subsumtion unter abstrakte Tätigkeitsmerkmale bedurft habe.

6

Dass die tarifvertragliche Vergütungsordnung noch keine speziellen Merkmale für die Tätigkeit Bereichsleiter vorsehe, stehe seinem Mitbestimmungsrecht nicht entgegen. Auch die Vergütungsordnung Anlage 1a zum BAT sehe nur in Ausnahmefällen für spezielle Arbeitsgebiete konkretisierten Tätigkeitsmerkmale vor. Im Übrigen sei nach ihr jede Tätigkeit unter die abstrakten Merkmale der ersten Fallgruppen zu subsumieren. Da die Vergütungsordnung zum MTA dieselben allgemeinen Fallgruppen enthalte und auch die besoldungsrechtliche Einstufung der Beamtinnen und Beamten der Bundesagentur dem folge, könnten die Stellen Bereichsleiterinnen und Bereichsleiter einem bestimmten Statusamt und einer bestimmten Vergütungsgruppe zugeordnet werden, wahrscheinlich der VergGr. III MTA.

7

Dass noch keine Dienstpostenbewertung vorliege, stehe einem Mitbestimmungsrecht ebenfalls nicht entgegen, denn vom Erfordernis der Bewertung von Dienstposten gebe es zahlreiche Ausnahmen, so auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Fällen der sogenannten „Topfwirtschaft“. Letztere sei dadurch gekennzeichnet, dass die Stellen nicht bestimmten Dienstposten zugeordnet seien, sondern von Fall zu Fall dort verwendet würden, wo eine Beförderungsmöglichkeit ausgeschöpft werden solle. Auch in diesen Fällen lasse sich die Wertigkeit eines Dienstposten oder einer Tätigkeit nicht aus irgendwelchen Listen ablesen. Dennoch habe hier eine Mitbestimmung zu erfolgen, wobei auf eine Bewertung der Gesamtumstände abgestellt werde, insbesondere auf die übliche Einstufung.

8

Im Übrigen sei nicht erkennbar, dass es sich bei den vorliegend infrage stehenden Maßnahmen um lediglich vorübergehende Übertragungen von Stellen handeln solle. Außerdem bestehe ein Mitbestimmungsrecht auch bei einer vorübergehenden Übertragung geringer- oder höherwertiger Dienstposten.

9

Der Antragsteller beantragt,

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den Beteiligten im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten,

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bezüglich der den Beamten I. G. und den Angestellten J. H. betreffenden Übertragung der Stelle eines Bereichsleiters operativ in der Arbeitsagentur Osnabrück das Mitbestimmungsverfahren nach § 69 BPersVG einzuleiten, sowie

12

bezüglich der die Beamtinnen und Beamten ... und der die Angestellten ... betreffenden Übertragung der Stelle einer Bereichsleiterin bzw. eines Bereichsleiters das Mitbestimmungsverfahren nach § 69 BPersVG einzuleiten.

13

Der Beteiligte beantragt,

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die Anträge abzulehnen.

15

Der Beteiligte vertritt die Auffassung, dass die Anträge gegen das Verbot der Vorwegnahme einer regelmäßig nur im Hauptsacheverfahren zu erstreitenden Entscheidung verstießen. Eine einstweilige Verfügung diene nicht dem Zweck, ein Recht endgültig zuzusprechen und abschließend über Ansprüche der Personalvertretung gegen die Dienststelle zu entscheiden. Im Übrigen fehle es an der Darlegung eines Verfügungsanspruchs und eines Verfügungsgrundes.

16

Der Mitbestimmung des Antragsteller stehe entgegen, dass die neuen Dienstposten bzw. Tätigkeiten derzeit nicht tarifiert und bewertet seien. Deshalb würden alle Dienstposten grundsätzlich nur vorübergehend besetzt, was im Einklang mit der verfassungsrechtlich garantierten Personal-, Sach- und Organisationshoheit der Verwaltung stehe. Mangels Bewertung der Dienstposten bzw. der Tätigkeit eines Bereichsleiters seien die Tatbestände der §§ 75 Abs.1 Nr. 2 und 76 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erfüllt, weshalb eine Mitbestimmung nicht stattfinde. Dieses sei von der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit gemeinsam mit dem Hauptpersonalrat der Bundesagentur für Arbeit für alle Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit einheitlich festgelegt worden.

17

Eine gerichtliche Verpflichtung, über die allgemein formulierten Fallgruppen der Vergütungsordnung eine vorläufige Bewertung der Dienstposten bzw. Tätigkeiten vorzunehmen, wäre nicht zulässig. Auch der Verweis auf die sog. Topfwirtschaft greife nicht. Hiervon spreche man, wenn die haushaltsmäßig bewilligten Planstellen nicht jeweils bestimmten Funktionen in der Dienststelle bindend zugeordnet seien, sondern von Fall zu Fall dort verwendet würden, wo eine Beförderungsmöglichkeit ausgeschöpft werden solle. Bei der Bundesagentur für Arbeit sei dieses aber gerade nicht der Fall, da die verschiedenen Dienstposten und Tätigkeiten grundsätzlich bewertet würden und eine Beförderung nicht „aus dem Topf“ erfolge.

18

Schließlich könne der Antragsteller auch nicht darlegen, dass ihm ohne Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, die in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr ausgeglichen werden könnten. Die von ihm vorgebrachten Gründe ließen dieses, insbesondere vor dem Hintergrund, dass alle Maßnahmen des Beteiligten nur vorübergehend ausgesprochen würden, nicht erkennen.

19

Die Kammer hat die Verfahren 16 B 406/05, 16 B 1082/05 und 16 B 1332/05 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten der Verfahren 16 B 406/05, 16 B 1082/05 und 16 B 1332/05 verwiesen.

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II. Die Anträge sind abzulehnen.

21

Die Kammer folgt der inzwischen gefestigten Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, wonach das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes mit der im Beschlussverfahren nach § 85 Abs. 2 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) ausdrücklich zulässigen einstweiligen Verfügung gesichert werden kann (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 8.11.1999, PersR 2000 S. 252 [253 f.]; Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.2.1993, PersR 1994 S. 30; jeweils m.w.N.).

22

Da einerseits der zwischenzeitliche Vollzug mitbestimmungspflichtiger Maßnahmen in der Regel einer Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens nicht entgegensteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.9.1994, BVerwGE 96, 355 [357 f.] = NVwZ 1996 S. 188) und somit gegen die Verletzung von Mitbestimmungsrechten auch im Hauptsacheverfahren in der Regel effektiv Rechtsschutz erlangt werden kann (vgl. Beschluss der Kammer vom 6.6.2002 - 16 B 1428/02 -), und andererseits eine einstweilige Verfügung mit der Verpflichtung zur Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens vorwegnimmt, sind an die gemäß § 920 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit §§ 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, 83 Abs. 2 BPersVG erforderliche Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruchs und eines Verfügungsgrundes strenge Anforderungen zu stellen (Nds. Oberverwaltungsgericht, a.a.O.).

23

Vorliegend spricht Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller die Frage der Mitbestimmungspflichtigkeit der vorläufigen Übertragung der Tätigkeit einer Bereichsleiterin oder eines Bereichsleiters an einer Agentur für Arbeit im Bereich der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen effektiv nicht in einem Hauptsacheverfahren klären lassen kann, denn die Maßnahmen des Beteiligten sind sowohl durch einen begrenzten zeitlichen Rahmen als auch durch die Einmaligkeit des Übertragungskonzepts gekennzeichnet. Dem von der Bundesagentur für Arbeit herausgegebenen Leitfaden zur Umstellung der Bundesagentur zufolge handelt es sich bei der streitbefangenen Übertragung von Tätigkeiten um eine erste, vorübergehende Maßnahme zur Umsetzung der neuen Organisationsstruktur in dem Arbeitsbereich unterhalb der Geschäftsführungen der Agenturen für Arbeit. Unter diesen Voraussetzungen kann mit dem Antragsteller davon ausgegangen werden, dass die ein Mitbestimmungsrecht ablehnende Handlungsanweisung im Leitfaden der Bundesagentur für Arbeit bis zur Entscheidung eines Hauptsacheverfahren überholt sein wird, weil schon in einigen Monaten endgültige Organisationsstrukturen und möglicherweise ein neues Tarifgefüge in den Dienststellen vorliegen werden. Das könnte zur Folge haben, dass dann für die gerichtliche Klärung des Mitbestimmungsstreits kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestehen wird, weil der Beteiligte seiner Ankündigung zufolge dann auf der Grundlage von Dienstpostenbewertungen und neuer tarifrechtlicher Eingruppierungsmerkmale nur noch endgültige Besetzungen von Bereichsleiterstellen unter Einhaltung des Mitbestimmungsverfahrens vornehmen wird.

24

Dem Erlass der beantragten einstweiligen Verfügungen steht aber entgegen, dass der Antragsteller einen Verfügungsanspruch auf Verpflichtung des Beteiligten zur Einleitung eines Mitbestimmungsverfahrens, welches die Zustimmung des Antragstellers zur Übertragung der Tätigkeit einer Bereichsleiterin oder eines Bereichsleiters an die in den Sachanträgen genannten Beschäftigten zum Gegenstand hat, nicht glaubhaft machen kann.

25

Das gilt auch dann, wenn für die Glaubhaftmachung des Bestehens eines Verfügungsanspruchs, dessen vorübergehende Erfüllung das Ergebnis eines Hauptsacheverfahrens vorwegnimmt, nicht ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit des späteren Obsiegens (Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.6.2003, PersR 2003 S. 423), sondern nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit verlangt wird.

26

Ein Verfügungsanspruch des Antragstellers ließe sich nur aus § 69 Abs. 1 BPersVG herleiten. Danach kann eine Maßnahme, soweit sie der Mitbestimmung des Personalrates unterliegt, nur mit Zustimmung des Personalrats, hier der Stufenvertretung (§ 82 Abs. 1 BPersVG) getroffen werden. Die von dem Beteiligten gegenwärtig beabsichtigte vorübergehende Übertragung der Tätigkeit einer Bereichsleiterin oder eines Bereichsleiters bei einer Agentur für Arbeit an die in den Sachanträgen genannten insgesamt 31 Beamtinnen, Beamten und acht Angestellten unterliegt nicht der Mitbestimmung des Antragstellers.

27

Die für die genannten Beamtinnen und Beamte beabsichtigten Maßnahmen erfüllen nicht den Mitbestimmungstatbestand des § 76 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG, wonach der Personalrat in Personalangelegenheiten der Beamten bei der Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit mitzubestimmen hat.

28

Der Mitbestimmungstatbestand des § 76 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG setzt abweichend von seiner ungenauen sprachlichen Fassung nicht voraus, dass die zu übertragende Tätigkeit noch zu bewerten sein wird. Vielmehr steht die Wertigkeit der Tätigkeit beamtenrechtlich nur dann fest, wenn für diese die in § 18 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) funktional vorgeschriebene und nach § 11 Bundeslaufbahnverordnung (BLV) laufbahnrechtlich vorausgesetzte Bewertung des Dienstpostens bereits vorgenommen worden ist. Insoweit ist der Begriff der höherwertigen Tätigkeit im Beamtenrecht besoldungs- und laufbahnrechtlich geprägt und mit dem Begriff des Beförderungsdienstpostens (vgl. § 4 Abs. 2 und 4 BLV) gleichzusetzen. Die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit auf eine Beamtin oder einen Beamten richtet sich somit stets darauf, dass Dienstaufgaben eines Amts mit höherem Endgrundgehalt (vgl. § 12 Abs. 1 BLV) wahrgenommen werden sollen.

29

Dem trägt das Mitbestimmungsrecht des Personalrats aus § 76 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG Rechnung. Es soll die Interessen der bei der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigten Beamtinnen und Beamten der jeweiligen Dienststelle schützen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.3.1990, PersR 1990 S. 135; Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, § 76 BPersVG Rdnr. 16) und dafür die mit einer entsprechenden Dienstpostenvergabe gefällte Vorentscheidung über eine anschließend mögliche Beförderung der Zustimmung der Personalvertretung unterwerfen (BVerwG, Beschluss vom 16.9.1994, a.a.O.). Das setzt jedoch voraus, dass dem betreffenden Dienstposten eine entsprechende höherwertige Planstelle zugeordnet ist, so dass sich daraus für die ausgewählte Person statusrechtliche Vorteile entwickeln können. Aus diesem Grund ginge eine Mitbestimmung des Antragstellers in den Fällen der in den Sachanträgen genannten Beamtinnen und Beamten tatsächlich ins Leere. Unstreitig sind die um Zuge der Umstrukturierung der Bundesagentur für Arbeit geschaffenen Funktionen der Bereichsleiterinnen und Bereichsleiter bei einer Agentur für Arbeit noch nicht analytisch bewertet und bestimmten Ämtern der Bundesbesoldungsordnung zugeordnet worden. Daraus folgt, dass gegenwärtig nicht vorhergesagt werden kann, ob und in welchem Einzelfall mit der Übertragung der Bereichsleiterfunktion entweder die Chance zur Erlangung eines beförderungsrelevanten Bewährungsvorsprungs oder aber die Übertragung einer geringerwertigen und damit nicht amtsangemessenen Tätigkeit verbunden wäre.

30

Insoweit lässt sich eine Mitbestimmungspflichtigkeit der Maßnahmen für die Beamtinnen und Beamten auch nicht mit den vom Antragsteller herangezogenen Grundsätzen des Bundesverwaltungsgerichts zur sog. „Topfwirtschaft“ bei der Vergabe von Planstellen begründen. Auch wenn zum Zweck der Beförderung aus einem Stellentopf Planstellen herangezogen werden, die nicht bestimmten Dienstposten zugeordnet sind, stehen schon in diesen Fällen schon im Zeitpunkt der Vergabe des freien Amt im funktionellen Sinne Gesamtumstände fest, aus denen der Schluss gezogen werden kann, dass sich daraus für die ausgewählte Beamtin bzw. den Beamten eine höherwertige Tätigkeit und folglich die Chance einer Beförderung ergeben wird. Hierbei handelt es sich namentlich um die übliche Bewertung der Tätigkeit durch den Dienstherrn, deren tatsächlich beabsichtigte Einstufung oder um die Wertigkeit der Tätigkeit des bisherigen Dienstposteninhabers (BVerwG, Beschluss vom 16.9.1994, a.a.O.). Dieses rechtfertigt es, den Personalrat in Anbetracht der sich bei einer solchen Sachlage ausreichend konkret ankündigenden Beförderungsmöglichkeit gemäß § 76 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG darüber wachen zu lassen, dass die Interessen der unberücksichtigt gebliebenen Bewerberinnen und Bewerber gewahrt werden. Diese Rechtfertigung der Mitbestimmung nach § 76 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG ist aber nicht gegeben, wenn sich im Zeitpunkt der Maßnahme mangels Vergleichbarkeit der Tätigkeit und einer diesbezüglichen Festlegung der Dienststelle noch nicht absehen lässt, ob sich deren Übertragung für den ausgewählten Einzelnen im Hinblick auf seinen Status vorteilhaft auswirken kann.

31

Schließlich hat die Kammer auch keine Möglichkeit, eigene Erwägungen zur Bewertung der Dienstposten für Bereichsleiterinnen und Bereichsleiter im Beamtenverhältnis, ggfs. nach Größe der Dienststelle, des Tätigkeitsbereichs und des Verantwortungsgrades, anzustellen. Die rechtliche Bewertung von Dienstposten, d.h. ihre Zuordnung zu statusrechtlichen Ämtern einer bestimmten Besoldungsgruppe, erfolgt im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des Besoldungsrechts sowie des Haushaltsrechts ausschließlich durch den Dienstherrn und nach Maßgabe seiner organisatorischen Gestaltungsfreiheit (BVerwG, ständ. Rspr., vgl. Beschluss vom 31.5.1990, NVwZ 1991 S. 375, m.w.N.). Sie kann deshalb im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht durch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorweggenommen werden.

32

Dass ihm nach § 69 Abs. 1 BPersVG ein Recht zur Mitbestimmung bei der Übertragung der Tätigkeit einer Bereichsleiterin oder eines Bereichsleiters an die in seinen Anträgen genannten acht Angestellten zusteht, hat der Antragsteller ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Auch der Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG, wonach der Personalrat in Personalangelegenheiten der Angestellten und Arbeiter bei Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit, Höher- oder Rückgruppierung, Eingruppierung mitzubestimmen hat, ist nicht erfüllt.

33

Zwar kommt es für die Anwendung dieser Mitbestimmungsregelung anders als im Rahmen des § 76 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG (s.o.) nicht darauf an, ob eine analytische Dienstpostenbewertung durch den öffentlichen Arbeitgeber vorliegt. Der Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG setzt allein voraus, dass die höher oder niedriger zu bewertende Tätigkeit nach ihrer Art und Gegenstand den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren oder niedrigeren Lohn- oder Vergütungsgruppe zuzuordnen ist. Daraus folgt, dass die Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit auf Dauer stets mit einer Höher- oder Rückgruppierung verbunden ist. Dass der Gesetzgeber in § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG dennoch neben den Tatbestandsmerkmalen Höher- oder Rückgruppierung das zusätzliche Tatbestandsmerkmal der Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit eingefügt hat, beruht darauf, dass nach dem bisher geltenden Tarifrecht im öffentlichen Dienst nur eine dauerhafte Übertragung der anders zu bewertenden Tätigkeit die Tarifautomatik (Eingruppierung) auslöst und den Lohn- oder Vergütungsanspruch unmittelbar ändert, vgl. § 22 Abs. 2 Satz 1 BAT. Mit der gesonderten Einführung des Tatbestandsmerkmales der Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit sollen dagegen auch die Fälle der Mitbestimmung unterworfen werden, in denen die Tätigkeitsübertragung nur einen Anspruch auf eine persönliche Zulage auslöst (vgl. § 24 Abs. 1 und 2 BAT), weil sie nur vorübergehender Natur ist oder nur vertretungsweise erfolgen soll (BVerwG, Beschluss vom 8.10.1997, BVerwGE 105, 247 [251 ff.] = PersR 1998 S. 155 [156 f.]).

34

Der Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG unterscheidet sich insoweit grundsätzlich von dem des § 76 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG (.s.o.), der dem für die Besoldung der Beamtinnen und Beamten vorgegebenen Grundsatz der Amtsübertragung (vgl. § 19 Abs. 1 BBesG) Rechnung trägt. § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG knüpft dagegen an das Tarifrecht an und setzt dieses mit Regelungen über die Eingruppierung, Höher- oder Rückgruppierung und den Erhalt von persönlichen Zulagen voraus. Das gilt auch für die Angestellten der Bundesagentur für Arbeit (vgl. § 22 MTA), für die sich die Wertigkeit ihrer Tätigkeit allein daraus ergibt, welchen Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung des Tarifvertrags ihre gesamte nach der Übertragung auszuübende Tätigkeit entspricht, § 22 Abs. 1 Satz 1 MTA.

35

Tarifrechtliche Bestimmungen, welche die dafür notwendige Bewertung der, wenn auch nur vorübergehenden, Übertragung der Tätigkeit von Bereichsleiterinnen und Bereichsleitern bei Agenturen für Arbeit im Zuständigkeitsbereich des Antragstellers vornehmen und Gegenstand einer Mitbestimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG sind, existieren jedoch bisher nicht. Die Tätigkeit einer Bereichsleiterin bzw. eines Bereichsleiters bei einer Agentur für Arbeit ist als besonderes Tätigkeitsmerkmal im Allgemeinen Teil der Vergütungsordnung zum MTA nicht beschrieben.

36

Entgegen der von dem Antragsteller vertretenen Rechtsauffassung wäre es auch nicht zulässig, die bei Abschluss des Tarifvertrages noch nicht bekannte Tätigkeit einer Bereichsleiterin bzw. eines Bereichsleiters im Einzelfall unter die allgemein beschriebenen Tätigkeitsmerkmale in den Fallgruppen 1a bis 1e der VergGr. Ib, II, III und IVa MTA zu subsumieren, um auf diese Weise im Vergleich mit der bisherigen Tätigkeit der betroffenen Person zu der Erkenntnis zu gelangen, dass die neue Tätigkeit einer Bereichsleiterin bzw. eines Bereichsleiters gegenüber der bisher übertragenen höher, gleich oder niedriger zu bewerten ist.

37

Zwar ist ein Rückgriff auf die allgemein beschriebenen Tätigkeitsmerkmale in den Fallgruppen 1 und 1a bis 1e nach Nr. 1 Unterabsatz 2 Satz 1 der Vorbemerkungen der Vergütungsordnung zum MTA grundsätzlich zulässig. Das setzt aber nach Auffassung der Kammer voraus, dass es darum geht, Tätigkeiten zu erfassen, die sich in das Gesamtgefüge des Tarifvertrags einordnen lassen. Für die Mitbestimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG, deren entscheidender Anknüpfungspunkt die Überprüfung der Richtigkeit des Vollzugs der tarifrechtlichen Normen, also die Wahrung des Tarifgefüges in der Dienststelle ist (vgl. Fischer/Goeres, a.a.O., § 75 BPersVG Rdnr. 26, m.w.N.), gilt nichts anderes. Die Tätigkeit einer Bereichsleiterin bzw. eines Bereichsleiters bei einer Agentur für Arbeit lässt sich gegenwärtig nicht in das Gesamtgefüge der Vergütungsordnung zum MTA einordnen. Die Vergütungsordnung geht ersichtlich von der früheren Organisation der ehemaligen Bundesanstalt für Arbeit sowie der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter aus. Für die vorliegend in Rede stehenden Vergütungsgruppen des gehobenen und höheren Dienstes gibt die Vergütungsordnung zum MTA nur auf der örtlichen Verwaltungsebene nur Tätigkeiten bei den ehemaligen Arbeitsämtern wieder, indem sie die Wertigkeit einzelner Tätigkeitsmerkmale der Dienstposten des gehobenen und höheren Dienstes (z.B. Arbeitsberater) von weiteren persönlichen und sachlichen Voraussetzungen wie z.B. von der Größe der Dienststelle und der Anzahl der unterstellten Mitarbeiter abhängig macht. Es liegt aber noch keine Einigung der Tarifvertragsparteien dazu vor, ob und in welcher Form die im Zuge der Umstrukturierung der Bundesagentur für Arbeit neu geschaffenen Tätigkeiten für Führungskräfte wie Vorsitzender der Geschäftsführung, Geschäftsführer, Bereichsleiter, Teamleiter und Geschäftstellenleiter im Bereich eines Kundenzentrums tarifrechtlich bewertet und in das Gesamtsystem des Tarifvertrags eingebunden werden sollen.

38

Da es Bereichsleiterinnen und Bereichsleiter in den früheren Arbeitsämtern nicht gab, können die für eine Subsumtion unter die allgemein beschriebenen Tätigkeitsmerkmale der VergGr. Ib bis IVa MTA unumgänglichen Vergleiche und Analogbewertungen zu anderen Fallgruppen nicht gezogen werden. Insoweit lässt sich auch dem Vorbringen des Antragstellers nichts Greifbares für eine bestimmte, an Art und Gegenstand des konkreten Aufgabenbereichs orientierte Einordnung der zu übertragenden Bereichsleitertätigkeiten entnehmen.

39

Das Fehlen von tarifrechtlichen Tätigkeitsmerkmalen zur Eingruppierung von Bereichsleiterinnen und Bereichsleitern bei Agenturen für Arbeit lässt sich schließlich auch nicht im Wege der Analogie zu den Fallgruppen der früheren Dienstposten z.B. von Abteilungsleitern, Abschnittsleitern, Arbeitsvermittlern oder -beratern, Ersten Sachbearbeitern, Nebenstellenleitern usw. schließen. Denn in Bezug auf die im Zuge der Umstrukturierung der Bundesagentur für Arbeit geschaffenen neuen Dienstposten liegt eine unbewusste und damit der Analogie zugängliche Lücke des MTA nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 24.4.1985, AP Nr. 4 zu § 3 BAT; s.a. die Hinweise bei Uttlinger u.a., Bundesangestelltentarifvertrag, Erl. 40 zu § 22 BAT) steht es den Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG frei, zu bestimmen, ob und für welche Berufsgruppen sie tarifliche Regelungen schaffen wollen. In diese Freiheit können die Gerichte nicht dadurch eingreifen, dass sie die Normen bestehender Tarifverträge auf bewusst nicht geregelte Sachverhalte analog anwenden. Die Frage, ob ein Gesetz lückenhaft ist, ist stets aus Sicht der Rechtsnorm selbst, nämlich gemessen an ihrer Regelungsabsicht, zu beantworten ist. Deshalb findet auch die analoge Anwendung von Tarifverträgen ihre Grenze dort, wo die Tarifvertragsparteien in Kenntnis der Sachlage (noch) nichts vereinbart haben. Ist ein veraltetes, weil durch die tatsächliche Entwicklung überholtes Gesetz nicht im Sinne der Rechtsquellenlehre lückenhaft (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl., S. 359), gilt dieses auch für einen bekanntermaßen veralteten Tarifvertrag.

40

Der Tarifvertragsparteien des MTA ist infolge der Umstrukturierung der Bundesagentur für Arbeit bekannt, dass die von ihnen vereinbarten Eingruppierungsregelungen nicht mehr den inzwischen geänderten Verhältnissen entsprechen. Daher kann es angesichts der Grundsatzentscheidung des Verfassungsgebers in Art. 9 Abs. 3 GG nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, im Mitbestimmungsstreit die tarifvertraglichen Regelungen weiterzuentwickeln und damit dem Ergebnis zukünftiger Tarifvertragsverhandlungen vorzugreifen (vgl. zu Eingruppierungsstreitigkeiten: BAG, Urteil vom 21.10.1992, AP Nr. 165 zu §§ 22, 23 BAT, PersV 1995 S. 516; Urteil vom 15.6.1994, PersV 1998 S. 445 [449]).

41

Das die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsordnung zum MTA in Bezug auf die neuen Führungsstrukturen der Agenturen für Arbeit tarifpolitisch überholt sind, führt insoweit zu einem tariflosen Zustand, was zugleich zur Folge hat, dass die am Tarifrecht orientierte Mitbestimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG in diesen Fällen entfällt. Insoweit bleibt es den einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern überlassen, etwaige individualrechtliche Ansprüche in Fällen der faktischen Höhergruppierung zu verfolgen (vgl. Fischer/Goeres, a.a.O., Rdnr. 23c), bis eine korrigierende Höhergruppierung durch die Novellierung der tariflichen Eingruppierungsvorschriften erfolgt ist.

 


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