Urteil vom Verwaltungsgericht Hannover (6. Kammer) - 6 A 2792/05

Tatbestand

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Der Kläger ist Mitglied der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers. Er ist ferner Mitglied des Beklagten, des Kirchenkreistages C., und war Vorsitzender des Kirchenkreistagsausschusses für Erwachsenenarbeit. Einer schriftlichen Stellungnahme der Vorstandsvorsitzenden zufolge hatten die Mitglieder des Vorstands des Beklagten in einer Sitzung am 18. Januar 2002 verabredet, in Bezug auf eine seit dem Jahre 2001 geführte Auseinandersetzung über die Vorgänge um die Einsetzung des Ausschusses für Erwachsenenarbeit und die Wahl des Ausschussvorsitzenden nicht mehr mit dem Kläger zu kommunizieren.

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Am 29. August 2003 hatte der Kläger bei dem Rechtshof der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen eine Klage erhoben, mit welcher er unter anderem die Aufhebung der von ihm als Beschluss bezeichneten Entscheidung des Vorstands vom 18. Januar 2002 begehrt hatte. Der Rechtshof hat die Klage des Klägers mit Urteil vom 14. Mai 2004 - Konf R 5/03 - als unzulässig abgewiesen und in den Entscheidungsgründen des Urteils ausgeführt, dem Kläger fehle das Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung des Beschlusses des Vorstands des Kirchenkreistages vom 18. Januar 2002. Ob überhaupt ein Vorstandsbeschluss ergangen sei, könne dahingestellt bleiben, denn die unter den Mitgliedern des Vorstandes getroffene Vereinbarung über den zukünftigen Umgang mit dem Kläger berühre dessen Rechtsstellung weder als Mitglied des Kirchenkreistages, noch als Vorsitzender des Ausschusses für Erwachsenenarbeit oder als Kirchenglied.

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Der Kläger hat am 13. Mai 2005 bei dem Verwaltungsgericht Hannover Klage erhoben.

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Er beansprucht auch im vorliegenden Verfahren die Aufhebung des Beschlusses des Vorstands des Beklagten vom 18. Januar 2002 und macht geltend, der Beschluss vom 18. Januar 2002, durch den die Arbeit des Ausschusses für Erwachsenenarbeit nachhaltig geschädigt worden sei, sei nicht nur ein innerkirchlicher Vorgang, sondern betreffe ihn auch in seinen Grundrechten.

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So habe der Vorstand des Beklagten den Beschluss, mit ihm nicht mehr zu kommunizieren, damit begründet, dass Rechtsstreitigkeiten mit ihm anhängig seien und dass er mit seinen Anfragen eine kafkaeske Situation schaffe, die sich bei den angefragten Personen in massiven vegetativen Störungen wie Schlaflosigkeit und Magenbeschwerden widergespiegelt habe. Angesichts der dadurch ausgelösten psychosomatischen Beschwerden habe die Kommunikation mit ihm, dem Kläger, zur Pflege der Psychohygiene der Mitglieder des Vorstands des Kirchenkreistages eingestellt werden müssen.

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Die Entscheidung des Vorstands des Beklagten vom 18. Januar 2002 verstoße gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, denn sie sei geheim getroffen worden, und die von ihm später gemachten Versuche, die Kommunikation wieder aufzunehmen seien unbeantwortet geblieben. Der Beschluss verletze das Willkürverbot, die guten Sitten und den ordre public, indem er geheim gefasst worden sei und geheimgehalten werde. Mit der Kommunikationsverweigerung werde er, der Kläger, nahezu vollständig von der Willens- und Entscheidungsbildung in der kirchlichen Gemeinschaft ausgegrenzt.

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Die öffentlich gemachte Begründung der Entscheidung vom 18. Januar 2002, die durch keinerlei Tatsachen belegt sei, diffamiere ihn, indem sie ihm unbewiesene Verhaltensweisen unterstelle. Damit sich die rufschädigende Wirkung des Beschlusses nicht nachteilig auf die Tätigkeit des Ausschusses für Erwachsenenarbeit auswirke, habe er dessen Vorsitz am 24. August 2004 niedergelegt. Das mobbinghafte Verhalten des Vorstands des Beklagten setze sich fort. So habe der Superintendent des Beklagten die Mitglieder des Kirchenkreistages falsch informiert und deren Meinungsbildung zu seinem Nachteil manipuliert, indem er behauptet habe, der Rechtshof habe festgestellt, dass der Vorstand des Kirchenkreistages keine Amtspflichtverletzung begangen habe. Tatsächlich habe der Rechtshof hierzu aber keine Feststellungen getroffen. Außerdem hätten der Beklagte und das Landeskirchenamt ihm gegenüber zu weiteren Ausgrenzungsmaßnahmen gegriffen und damit im Sinne eines Fortsetzungszusammenhangs einen mobbingartigen Gesamtsachverhalt geschaffen. Damit seien die Voraussetzungen für die Eröffnung des Rechtsweges zu den staatlichen Gerichten erfüllt.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten zu verpflichten, den Beschluss des Kirchenkreistagsvorstands vom 18. Januar 2002 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hält die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte für das Begehren des Klägers, das sich auf Angelegenheiten des kirchlichen Organisationsrechts beziehe, für nicht gegeben.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unzulässig.

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Für die gerichtliche Entscheidung über das Klagebegehren ist der Rechtsweg zu dem Verwaltungsgericht Hannover nicht eröffnet.

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Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Macht jemand geltend, dass er nicht als Folge der Ausübung öffentlicher Gewalt des Staates in seinen Rechten verletzt wird (vgl. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz - GG -), sondern gerichtlichen Rechtsschutz in einer eigenen Angelegenheiten seiner Religionsgemeinschaft begehrt, liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht vor (BVerwGE 66, 241, 244 ff.; NJW 1982 S. 2580 ff., m.w.N.). Das folgt aus der in Art. 140 GG zum Bestandteil des Grundgesetzes gemachten Bestimmung des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 der Verfassung des Deutschen Reichs - Weimarer Verfassung - (WRV). Nach dieser Verfassungsnorm ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes, und sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

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Diese grundlegende Bestimmung der Verfassung ist auch in Bezug auf das Klagebegehren des Klägers zwingend zu beachten. Seine Auseinandersetzung mit dem Vorstand des Kirchenkreistages um das notwendige Maß an Kommunikation innerhalb einer kirchlichen Organisation (Kirchenkreistag) und die Zulässigkeit der dabei gewählten Mittel bei einem Streit um die Bestimmung kirchlicher Selbstverwaltungsorgane ist eine rein innerkirchliche Angelegenheit. Einrichtung, Organisation und Kommunikation kirchlicher Selbstverwaltungsorgane sind der Natur der Sache nach als eigene Angelegenheit der Kirche anzusehen und - soweit nicht eine Vereinbarung zwischen Kirche und Staat besteht - der staatlichen Einflussnahme entzogen. Das gilt auch für die Organisation und Tätigkeit der Kirchenkreise als kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 5 Kirchenkreisordnung) und der bei ihnen nach Maßgabe der Kirchenkreisordnung vorgesehenen Kirchenkreisvorstände.

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Allein die in der Klagebegründung im Einzelnen dargestellte persönliche Betroffenheit des Klägers rechtfertigt es nicht, die in Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV verfassungsrechtlich garantierte Trennung von Kirche und Staat in der vorliegenden Sache aufzugeben. Der Kläger selbst geht ausweislich seiner Klagebegründung davon aus, dass es sich bei dem von ihm so bezeichneten Beschluss des Kirchkreistagsvorstands um eine (kirchen-) verwaltungsrechtliche Angelegenheit handelt und er dadurch in seinen Rechten als Mitglied des Kirchenkreistages und als Glied der Landeskirche betroffen sei. Die Frage, ob eine kirchliche Maßnahme dem innerkirchlichen Bereich zuzurechnen ist oder sich auf vom Staat verliehene Befugnisse gründet oder den staatlichen Bereich berührt, entscheidet sich - soweit nicht hierzu eine Vereinbarung zwischen Kirche und Staat vorliegt - danach, was materiell, der Natur der Sache oder Zweckbeziehung nach als eigene Angelegenheit der Kirche anzusehen ist (BVerfGE 18, 385, 387; NJW 1965 S. 961). Ist die Kirche nur im Bereich ihrer innerkirchlichen Angelegenheiten tätig geworden, dann liegt kein Akt der öffentlichen Gewalt vor. Nach diesem verfassungsrechtlichen Verständnis des Begriffs der „Angelegenheiten“ verlassen die vom Kläger empfundenen Rechtsverletzungen durch die Mitglieder des Kirchenkreistagsvorstandes weder rechtlich noch tatsächlich den Bereich der Selbstverwaltung der Landeskirche. Dass der Kläger sich durch den Kirchenkreistagsvorstand zugleich in seinen Grundrechten aus den Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG verletzt sieht, ändert hieran nichts, denn die behaupteten Grundrechtsverletzungen sind nicht Ausfluss staatlicher Gewalt im Sinne von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, sondern ausweislich der von dem Kläger vorgetragenen Klagebegründung die Reaktion der Mitglieder des Vorstands des Kirchenkreistages auf seine eigene Art, Kirchenkreistags- und Ausschussangelegenheiten zu behandeln. Behauptete Grundrechtsverletzungen durch ein Tätigwerden von Organen der Kirche in eigenen Angelegenheiten können daher eine Zuständigkeit staatlicher Gereichte nicht begründen (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 386).

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Die Behandlung der Angelegenheit des Streits zwischen dem Kläger und dem Kirchenkreistagsvorstand ist danach gemäß Art. 140 GG der eigenen Ordnung und Selbstverwaltung durch die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers als Inhalt ihrer verfassungsrechtlich garantierten Freiheit (Art. 137 Abs. 2 WRV) vorbehalten. In Art. 140 GG erkennt der Staat die Kirchen als Institutionen mit dem Recht der Selbstbestimmung an, die ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind und ihre Gewalt nicht von ihm herleiten. Die Folge ist, dass der Staat in ihre inneren Verhältnisse nicht eingreifen darf. Das gilt auch für die Gerichte des Staates, denn zur Ordnung und Verwaltung innerkirchlicher Angelegenheiten zählt auch die Einrichtung und Ausübung kirchlicher Rechtspflege, so dass den staatlichen Gerichten eine Nachprüfung innerkirchlicher Angelegenheiten nach Art. 140 GG untersagt ist (BVerfG, a.a.O., S. 386).

19

Eine davon abweichende Vereinbarung zwischen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers und der Bundesrepublik Deutschland oder dem Land Niedersachsen darüber, den Rechtsweg zu den staatlichen Verwaltungsgerichten für Streitigkeiten aus dem Bereich der Tätigkeit von Kirchenkreistagen zu eröffnen, besteht nicht. Ein Fall kirchenrechtlich vorgesehener oder in anderen Fällen ausnahmsweise von der Kammer (Beschluss vom 3.8.1998 - 6 D 4677/98 -) für zulässig erachteten Rechtshilfe für ein kirchliches Gericht liegt ebenfalls nicht vor. Vielmehr ist für den Streit zwischen den Beteiligten der (innerkirchliche) Rechtsweg zum Rechtshof der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen eröffnet. Dieser ist in Verwaltungssachen in § 12 des Kirchengesetzes der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen über den Rechtshof (Rechtshofordnung - ReHO -) ausdrücklich vorgesehen und dementsprechend von dem kirchlichen Verwaltungsgericht im Fall des Klägers auf dessen Klage gegen den Beschluss des Kirchkreistagsvorstands vom 18. Januar 2002 auch als eröffnet angesehen worden.

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Der Kläger verlangt von der Kammer im Ergebnis, das klageabweisende Urteil des Rechtshofs vom 14. Mai 2004 zu korrigieren. Dieses ist nach Art. 140 GG verfassungsrechtlich ausgeschlossen. Ob aus der staatlichen Justizgewährungspflicht in besonderen Fällen etwas anderes gilt, wenn die Justizgewährung vor einem kirchlichen Verwaltungsgericht willkürlich verweigert würde, kann dahingestellt bleiben. Denn ein entsprechender Rechtssatz könnte angesichts der uneingeschränkten Geltung des Art. 137 Abs. 3 WRV allenfalls für Situationen aufgestellt werden könnte, deren Auswirkungen in das staatliche Rechtsleben hinein so schwerwiegend und unerträglich wäre, dass sie auch unter Würdigung der verfassungsrechtlich verbürgten kirchlichen Gerichtsbarkeit ein staatlich richterliches Handeln schlechthin unerlässlich machten (Urteil vom 23.7.1999, - 6 A 1333/99 -). Hierfür würde es aber nach der Rechtsprechung der Kammer (ebd.) in keiner Weise ausreichen, dass ein Kläger wie im vorliegenden Verfahren geltend macht, das Urteil des kirchlichen Gerichts sei fehlerhaft.

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Soweit der Kläger meint, anlässlich der Ausübung kirchlicher Selbstverwaltung von Mitgliedern des Kirchenkreistagsvorstands seien zu seinem Nachteil Straftatbestände der §§ 185 und 186 StGB verwirklicht worden, und der Beklagte oder die Landeskirche seien ihm gegenüber zur Leistung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verpflichtet, kann dieser Vortrag allein eine den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zugewiesene öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht begründen.

 


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