Urteil vom Verwaltungsgericht Hannover (2. Kammer) - 2 A 4312/04

Tatbestand

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Der am B. geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er ist Beamter auf Lebenszeit bei dem Beklagten und wurde zuletzt am 18.12.2001 zum technischen Bundesbahnamtsrat befördert.

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Unter dem 26.05.2004 wies die Beigeladene den Kläger zum 01.06.2004 gem. §§ 23, 12 Abs. 2 DBGrG der DB Vermittlung GmbH (nunmehr: DB Job Service GmbH) zur Dienstleistung zu und teilte mit, dass diese Gesellschaft im gleichen Umfang wie sie zur Ausübung des Weisungsrechts befugt sei.

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Am 25.06.2004 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein und führte aus, ihm sei nicht mitgeteilt worden, auf welchen tatsächlichen Grundlagen die Sozialauswahl beruhe und welche Kollegen bei der Sozialauswahl herangezogen worden seien. Er sei seit 26 Jahren bei der DB beschäftigt, seine Frau habe kein eigenes Einkommen und sein 14-jähriger Sohn gehe noch zur Schule. Außerdem zahle er monatlich Unterhalt von 400 € für ein nichteheliches Kind im Alter von 18 Jahren, das sich ebenfalls noch in der Schulausbildung befinde. Er habe keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigungen, sei voll motiviert und die Versetzung treffe ihn daher „aus vollem Galopp“.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2004 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte aus, um den Personalbestand an den um zwei Arbeitsplätze reduzierten Bedarf anzupassen, sei von der zuständigen Personalbetreuung Regionalnetze der Beigeladenen eine Sozialauswahl unter den betroffenen Mitarbeitern durchgeführt worden. Der Kläger gehöre zu den Mitarbeitern, die ihre Beschäftigung im Anlagenmanagement der Regionalnetze Nord verlieren. Ihm seien erfolglos mehrere Arbeitsplatzangebote durch die Personalbetreuung Regionalnetze unterbreitet worden. Mitarbeiter mit Spezialistenfunktion aus den Bereichen Leit- und Sicherungstechnik, Infrastruktur- und Betriebsplanung und Programmsteuerung sowie Mitarbeiter mit herausgehobenen Tätigkeiten (Eingruppierung AT 1) seien nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen gewesen. Danach seien 11 Mitarbeiter aus dem betroffenen Aufgabenfeld in die Vergleichsgruppe aufgenommen worden. Aus berechtigtem betrieblichen Interesse im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG seien zwei von diesen 11 Mitarbeitern aus der Sozialauswahl herausgenommen worden. Herr C. verfüge über weitreichende Erfahrungen im Bereich der Projektsteuerung und im Projektmanagement von Großprojekten. Er begleite verantwortlich ein strategisch entscheidendes Projekt, das im Jahr 2004 ende. In dieser kritischen Phase kurz vor Projektende sei kein Wechsel des Projektleiters denkbar, ohne das Projekt entscheidend zu gefährden. Frau W. sei zur Verbesserung der Altersstruktur als jüngste Mitarbeiterin aus der Vergleichsgruppe herausgenommen worden. Die Sozialauswahl sei unter neun Mitarbeitern nach den in § 1 Abs. 3 KSchG vorgegebenen Kriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung durchgeführt worden. Die Mitarbeiterin mit den geringsten schutzwürdigen Sozialdaten habe als erste ihren Arbeitsplatz verloren. Aus dem Kreis der verbliebenen acht Mitarbeiter habe der Kläger auch unter Berücksichtigung seiner Beschäftigung bei der Deutschen Reichsbahn die geringste Betriebszugehörigkeit und das jüngste Lebensalter. Lediglich bei den Unterhaltspflichten habe der Kläger mit drei gegenüber zwei Unterhaltspflichten des nächsten mit ihm zu vergleichenden Mitarbeiters eine höhere soziale Schutzwürdigkeit. Insoweit sei aber zu berücksichtigen gewesen, dass beide vergleichbaren Mitarbeiter ihren Unterhaltspflichten nachkämen und dies aufgrund ihres Status auch künftig könnten. Bei der abschließenden Abwägung habe die Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter den Ausschlag gegeben.

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Am 07.09.2004 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben und vorgetragen, die durchgeführte Sozialauswahl sei nicht ausreichend transparent. Er könne nicht im Einzelnen nachvollziehen, aus welchen Gründen ausgerechnet er von der Zuweisung betroffen sei. Da sich die Teilnehmer an der Sozialauswahl aus den verschiedenen Regionalnetzen in Norddeutschland rekrutierten, wisse er gar nicht, mit wem man ihn verglichen habe und welche Merkmale bei den Teilnehmern vorlägen. Es sei bisher auch nicht ersichtlich, warum Mitarbeiter aus bestimmten Bereichen und mit herausgehobenen Tätigkeiten nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen seien. Er selbst sei auch Projektleiter im Oberbau von ca. 40 Projekten gewesen, die er vor der Zuweisung habe übergeben müssen. Es sei auch nicht ersichtlich, warum Herr C. und Frau D. aus der Sozialauswahl herausgenommen worden seien, die zum Zeitpunkt der Sozialauswahl nur ca. ein Jahr bei der Bahn beschäftigt gewesen seien, er dagegen 26 Jahre. Die Argumentation, er komme seinen Unterhaltspflichten für drei Personen genauso nach wie vergleichbare Mitarbeiter für zwei Personen, bedeute die völlige Aufgabe dieses Kriteriums. Da es sich um eine Sozialauswahl handele, müsse die höhere Unterhaltsverpflichtung mehr wiegen als die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter. Die Zeiten seiner Zugehörigkeit zu der Deutschen Reichsbahn seien in die Berechnung der Betriebszugehörigkeit einzubeziehen. Der Begründung des Beklagten, warum er weniger schutzwürdig als der Kollege E. sei, fehle die innere Logik. Der Altersunterschied von 7,5 Monaten zu diesem sei minimal und gegenüber den Unterhaltspflichten für ein zusätzliches Kind zu vernachlässigen, bei einer Betriebszugehörigkeit von deutlich über 20 Jahren könne es auch nicht ausschlaggebend sein, dass Herr E. 26 und er 24 Jahre Betriebszugehörigkeit aufweise. Seine Betriebszugehörigkeit sei mit 24 Jahren auch unzutreffend festgestellt worden. Es könne auch nicht nachvollzogen werden, warum die Mitarbeiter F. und G., die deutlich jünger als er seien, aus der Sozialauswahl von vornherein herausgenommen worden seien. Von einer herausgehobenen Tätigkeit dieser Personen könne nicht die Rede sein. Seit der Zuweisung sei er bei vollen Bezügen zu Hause ohne einen festen Arbeitsplatz. Er mache im Grunde genommen gar nichts bis auf das wöchentliche Schreiben von Bewerbungen. Sämtliche Bewerbungen seien von der Beigeladenen bisher mit der Begründung, er sei nicht ausreichend qualifiziert, abgelehnt worden.

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Der Kläger beantragt,

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die Zuweisungsentscheidung der Beigeladenen mit Bescheid vom 26.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 18.08.2004 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er trägt vor, in die Sozialauswahl seien alle Mitarbeiter der OE N.MR-N-L 1 einbezogen worden. Nach Herausnahme von acht Mitarbeitern mit Spezialfunktionen und zwei Mitarbeitern mit herausgehobenen Tätigkeiten sowie weiterer Herausnahme von Herrn C. und Frau D. aus der Vergleichsgruppe sei die Sozialauswahlentscheidung streng nach den in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorgegebenen Kriterien durchgeführt worden. Für jedes der Kriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten sei eine Rangfolge gebildet und in einer vergleichenden Betrachtung zusammengefasst worden. Dabei seien die drei Kriterien gleich gewichtet worden. Die DB Vermittlung GmbH sei aus dem nach Gründung der DB AG geschaffenen Dienstleistungszentrum Arbeit (DZA) hervorgegangen. Alle Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz rationalisierungsbedingt im DB AG - Konzern verloren hätten, seien in das DZA versetzt worden. Deren vorrangiges Ziel sei es gewesen, die Mitarbeiter auf freie Arbeitsplätze im DB-Konzern zu vermitteln. Zum 01.01.1999 sei die DZA in die DB Arbeit umbenannt worden. Zum 01.06.1999 sei die DB Arbeit GmbH ausgegründet worden. Hieraus sei zum 01.08.2001 die DB Vermittlung GmbH entstanden, die seit 01.04.2005 DB Job Service GmbH heiße. Der Geschäftszweck sei die Organisation der vorübergehenden Beschäftigung bzw. Qualifikation kündigungsbeschränkter, vom Beschäftigungswegfall betroffener Arbeitnehmer und zugewiesener Beamter bis zu deren Vermittlung. Diese würden ohne Übertragung konkreter Tätigkeiten im Rahmen der beruflichen Neuorientierung mit dem Ziel übernommen, möglichst bald auf einen dauerhaften Arbeitsplatz innerhalb und auch außerhalb des DB-Konzerns vermittelt zu werden. Allein in der Region Nord der DB Job Service GmbH seien im Jahre 2005 23 Beamte dauerhaft auf Arbeitsplätze im DB-Konzern vermittelt worden. Unter Berücksichtigung der unternehmerischen Ziele sei der DB AG eine weitergehende organisatorische Gestaltungsfreiheit als üblich bei der amtsangemessenen Beschäftigung zuzugestehen. Eine andere Auslegung liefe dem Grundgedanken der gesamten Bahnreform zu wider.

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Die Beigeladene hatte Gelegenheit zur Äußerung.

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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem der Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 VwGO übertragen wurde.

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Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger verlangt zu Recht die Aufhebung seiner Zuweisung an die DB Vermittlung GmbH / DB Job Service GmbH, denn diese ist rechtswidrig.

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Zutreffend ist die Klage gegen den Beklagten gerichtet, der ungeachtet einer Zuweisung an die Deutsche Bahn AG Dienstherr der Bundesbahnbeamten bleibt. Nach Art. 143 a Abs. 1 Satz 3 GG können Beamte der Bundeseisenbahnen durch Gesetz unter Wahrung ihrer Rechtsstellung und der Verantwortung des Dienstherrn einer privatrechtlich organisierten Eisenbahn des Bundes zur Dienstleistung zugewiesen werden. Dadurch wird aber kein zusätzlich Arbeitsverhältnis begründet (vgl. BVerwG, B. v. 10.03.2004 - 2 B 66/03 -; OVG NW, Urteil v. 22.06.2006 - 1 A 2632/04 -). Die Dienstherreneigenschaft des Beklagten entfällt auch nicht in Folge der Übertragung bestimmter beamtenrechtlicher Befugnisse auf die DB AG nach § 12 Abs. 6 DBGrG. Im Unterschied zu der Beleihung, wie sie für den Bereich der ehemaligen Deutschen Bundespost nach Art. 143 b Abs. 3 Satz 2 GG geregelt ist und die eine vollständige Kompetenzverlagerung von dem Träger hoheitlicher Gewalt auf den Beliehenen beinhaltet, handelt es sich bei der Übertragung beamtenrechtlicher Befugnisse im Bereich der ehemaligen Bundesbahn nach Art. 143 a GG um eine Rechtsfigur eigener Art. Durch sie werden der DB AG Teile der Hoheitsgewalt des Dienstherrn zur Ausübung übertragen, während die Dienstherreneigenschaft selbst bei dem Beklagten verbleibt. Der Bund bleibt Dienstherr der Beamten der Bundeseisenbahnen und als Dienstherr alleiniger Träger der Rechte und Pflichten, die durch das Beamtenverhältnis begründet werden.

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Die mit der Klage angefochtene Zuweisung des Klägers zur DB Vermittlung GmbH / DB Job Service GmbH verletzt dessen Anspruch auf Übertragung eines amtsangemessenen Funktionsamtes. Der Kläger kann wie jeder Inhaber eines statusrechtlichen Amtes gemäß Art. 33 Abs. 5 GG beanspruchen, das ihm ein abstrakt-funktionelles Amt sowie ein amtsgemessenes konkret-funktionelles Amt, d. h. ein entsprechender Dienstposten, übertragen wird (vgl. BVerwG, U. v. 22.06.2006 - 2 C 26/05 - zu der vergleichbaren Situation der Vivento zugewiesenen Postbeamten).

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Das statusrechtliche Amt wird durch die Zugehörigkeit zu einer Laufbahn und Laufbahngruppe, durch das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe und durch die dem Beamten verliehene Amtsbezeichnung gekennzeichnet. In abstrakter Weise wird dadurch seine Wertigkeit in Relation zu anderen Ämtern zum Ausdruck gebracht. Der Kläger gehört der Laufbahn des gehobenen technischen Bundesbahndienstes an, ist in die BesGr A 12 BBesO eingruppiert und trägt die Amtsbezeichnung Technischer Bundesbahnamtsrat.

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Das Amt im funktionellen Sinne bezieht sich auf die dienstlichen Aufgaben des Beamten. Das konkret-funktionelle Amt, der Dienstposten, bezeichnet die dem Beamten tatsächlich übertragene Funktion, seinen Aufgabenbereich. Das abstrakt-funktionelle Amt knüpft ebenfalls an die Beschäftigung des Beamten an, jedoch im abstrakt verstandenen Sinne. Gemeint ist der einem statusrechtlichen Amt entsprechende Aufgabenkreis. Die für die amtsgemäße Besoldung gemäß § 18 BBesG notwendige Zusammenschau von Amt im statusrechtlichen und im funktionellen Sinne steht einer dauernden Trennung von Amt und Funktion grundsätzlich entgegen. Im Rahmen dieser Vorgaben liegt es im Ermessen des Dienstherren, den Inhalt des abstrakt- und des konkret-funktionellen Amtes festzulegen. Das bedeutet aber auch, dass der Dienstherr gehalten ist, dem Beamten solche Funktionsämter zu übertragen, die in ihrer Wertigkeit dem Amt im statusrechtlichen Sinne entsprechen. Auch wenn damit dem Beamten keine stets ungeschmälerte Ausübung eines bestimmten Amtes im funktionellen Sinne garantiert wird, muss ihm aber bei jeder sachlich begründbaren Änderung der übertragenen Funktionsämter stets ein angemessener Tätigkeitsbereich verbleiben. Ohne seine Zustimmung darf dem Beamten diese Beschäftigung weder entzogen noch darf er auf Dauer unterwertig beschäftigt werden. Er darf insbesondere nicht aus dem Dienst gedrängt und nicht dadurch, dass ihm Pseudobeschäftigungen zugewiesen werden, zur Untätigkeit in perspektivlosem Zuwarten genötigt werden (vgl. BVerwG, U. v. 22.06.2006 a. a. O., m. w. N.).

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Dieser auch dem Kläger zustehende Anspruch wird weder durch höherrangiges oder einfaches Bundesrecht noch durch die wirtschaftliche Zielsetzung der Neuordnung der Deutschen Bahn AG verdrängt oder verändert. Wie bei den Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost nach Art. 143 b Abs. 3 Satz 1 GG gilt der Schutz auch für die Beamten der Bundeseisenbahnen nach Art. 143 a Abs. 1 Satz 3 GG nicht nur für etwaige Veränderungen des jeweiligen Statusamtes, sondern auch für die Funktionsämter. Eine darüber hinausgehende Intention ist Art. 143 a Abs. 1 Satz 3 GG nicht zu entnehmen, insbesondere kein über die Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG hinausgehender Gestaltungsspielraum der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundesbahn. Mit Art. 143 a Abs. 1 Satz 3 GG sollte lediglich klargestellt werden, dass die Beschäftigung von Beamten bei privaten Unternehmen verfassungsrechtlich zulässig ist. Gleichzeitig beinhaltet die Vorschrift aber auch, dass die gemäß Art. 33 Abs. 5 GG anerkannten Strukturprinzipien des Beamtenrechts auch bei der Weiterbeschäftigung der Beamten bei privaten Nachfolgeunternehmen grundsätzlich uneingeschränkt Anwendung finden. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, ihrer systematische Stellung im Abschnitt der Übergangs- und Schlussbestimmungen und dem Umstand, dass der verfassungsgebende Gesetzgeber Art. 33 Abs. 5 GG für den betroffenen Beamtenkreis weder modifiziert noch ergänzt hat.

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Das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis des Artikel 33 GG setzt voraus, dass der Beamte zur Dienstleistung herangezogen und ihm ein funktionelles Amt übertragen wird, das den Einsatz seiner Arbeitskraft überhaupt erfordert. Dem widerspricht es, dem Beamten auf unbestimmte Zeit kein Funktionsamt zu übertragen und ihn dadurch in den Zustand der Beschäftigungslosigkeit zu versetzen, oder ihn, vergleichbar einem Leiharbeiter, über einen längeren Zeitraum in Dienststellen anderer Dienstherren zu beschäftigen. Der zeitlich nicht bestimmte Entzug des abstrakten wie des konkreten Funktionsamtes verletzt den Grundsatz der Verknüpfung von Status und Funktion und damit das Prinzip der lebenszeitigen Übertragung aller einer Laufbahn zugeordneten Ämter, das Leistungsprinzip und den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation. Zwar erlaubt Art. 33 Abs. 5 GG die Fortentwicklung und Anpassung des Beamtenrechts an veränderte Umstände. Dieser Gestaltungsspielraum steht aber dem Gesetzgeber und nicht den die Organisationsgewalt ausübenden Exekutivorganen des Dienstherrn zu.

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Mit seiner Zuweisung zur DB Vermittlung GmbH / DB Job Service GmbH hat der Kläger seine bis dahin innegehabten Funktionsämter nicht nur vorübergehend verloren, ohne dass ihm andere amtsangemessene Funktionsämter auf Dauer übertragen worden sind. Bei der DB Vermittlung GmbH / DB Job Service GmbH besteht die Aufgabe des Klägers im Wesentlichen darin, sich aktiv an der Suche nach einem Dienstposten für ihn zu beteiligen, an Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen und ggf. Tätigkeiten vorübergehend zu übernehmen. Dies folgt zwanglos auch aus der von der Vertreterin der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärung, dass der Kläger vom 28.06.2004 bis zum 13.07.2004 an einer Qualifizierungsmaßnahme teilgenommen hat, vom 10.02.2005 bis zum 08.05.2005 zu DB Zeitarbeit in Braunschweig verliehen war, vom 09.05.2005 bis 31.10.2005 ein Praktikum beim Zweckverband Großraum Braunschweig absolviert hat und vom 27.03.2006 bis zum 31.12.2006 bei DB Station und Service in Hannover ein Praktikum zur Vermittlung abgeleistet hat. Daraus ergibt sich eindeutig, dass ihm ein amtsangemessener, d. h. seinem statusrechtlichen Amt eines technischen Bundesbahnamtsrates entsprechender Tätigkeitsbereich bei DB Vermittlung GmbH / DB Job Service GmbH nicht zugewiesen war. Durch seine Versetzung zu DB Vermittlung GmbH / DB Job Service GmbH ist ihm vielmehr sein Funktionsamt für eine zeitlich nicht bestimmte Dauer entzogen worden. Dies lässt sich aufgrund der durch Art. 143 a Abs. 1 Satz 3 GG garantierten Wahrung der Rechtsstellung der Beamten der Bundeseisenbahnen und der Verantwortung des Dienstherrn auch nicht mit dem Geschäftszweck der privatrechtlich organisierten DB AG begründen. Es ist zwar nicht zu übersehen, dass insoweit ein Spannungsverhältnis besteht. Dieses nicht zu Lasten der Eisenbahnbeamten und der Substanz ihres Dienstverhältnisses zu lösen, ist aber gerade Inhalt der Garantie des Art. 143 a Abs. 1 Satz 3 GG.

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Darauf, ob die Sozialauswahl des Beklagten für die Versetzung zur DB Vermittlung GmbH / DB Job Service GmbH rechtsmäßig war, kommt es danach nicht mehr an. Es kann daher dahinstehen, ob die Beigeladene zu Recht 12 Personen nicht in die Sozialauswahl einbezogen hat und die zu erfüllenden Unterhaltspflichten tatsächlich ein mit einem Altersunterschied von wenigen Monaten und einem Unterschied in der Betriebszugehörigkeit von 2 Jahren im Hinblick auf die Rechtsprechung des BAG gleichrangiges Auswahlkriterium darstellen. Im Bereich unvermeidbarer Kündigungen ist danach aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer der sozial Stärkste, d. h. grundsätzlich derjenige Arbeitnehmer ausfindig zu machen, der auf Grund seiner Sozialdaten am wenigsten auf seinen Arbeitsplatz angewiesen ist (vgl. U. v. 04.05.2006 - 8 AZR 299/05 -).

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Im Ergebnis war der Klage mit der auf § 154 Abs. 1 VwGO beruhenden Kostenfolge stattzugeben. Dabei waren die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig zu erklären, denn sie hat sich nicht durch Stellen eines eigenen Antrages dem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 


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