Urteil vom Verwaltungsgericht Hannover (6. Kammer) - 6 A 3522/07

Tatbestand

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Die Klägerin ist bei der beklagten Universität in dem zur Ausbildung für das Lehramt an berufsbildenden Schulen eingerichteten Studiengang Master of Science in Technical Education immatrikuliert. Die Ausbildung besteht in dem Studium der Berufs- und Wirtschaftpädagogik, der Didaktik der beruflichen Fachrichtung und dem weiteren Unterrichtsfach Sport.

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Im Sommersemester 2006 bestand die Klägerin die im Pflichtmodul „II Spezielle Fachdidaktik des Unterrichtsfachs Sport“ als Bestandteil der Masterprüfung zu erbringende Prüfungsleistung in Gestalt einer von dem Prüfer D. ausgegebenen Hausarbeit erstmalig nicht. Grund war, dass sie den Abgabetermin der Hausarbeit nicht eingehalten hatte und ihre nachträgliche Begründung mit Bescheid der Beklagten vom 2. Januar 2007 nicht anerkannt worden war. Dasselbe galt für die ebenfalls in Gestalt von Hausarbeiten bei den Prüfern E. und Prof. F. zu erbringenden Prüfungsleistungen in den Modulen „IV Vertiefung in Fachwissenschaft und Fachdidaktik“ sowie „V Spezielle Formen des Lehrens und Lernens“. Die Beklagte hatte daraufhin der Klägerin mit Bescheid vom 2. Januar 2007 für die Wiederholung dieser Prüfungsleistungen eine Frist zur Abgabe der drei Hausarbeiten bis zum 16. März 2007 gesetzt.

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Am 15. März 2007 übermittelte die Klägerin dem akademischen Prüfungsamt der Beklagten einer unter ihrer eigenen Mailadresse verfasste E-Mail, der sie als Dateianhang ihr Schreiben vom 14. März 2007 vorab beigefügt hatte. Darin heißt es unter Bezugnahme auf ein Attest über eine Krankmeldung, dass im Februar unter einem zwei Wochen dauernden Infekt gelitten haben, von dem sie sich nicht richtig erholt habe. Infolge dessen sei ihre Leistungsfähigkeit während der Anfertigung der Hausarbeiten stark eingeschränkt gewesen, sie habe unter permanenter Übermüdung, Kreislaufproblemen und Erkältungssymptomen gelitten. Um sich wieder erholen und ihre Arbeiten zufriedenstellend abschließen zu können, habe sie sich krankschreiben lassen. Die Hausarbeit von Herrn D. habe sie bereits fertig gestellt, die Arbeiten von Herrn F. und Herrn E. würde sie allerdings gern im Anschluss an den Zeitraum ihrer Krankschreibung noch einmal überarbeiten, da sie sich zuletzt kaum noch habe konzentrieren können. Sie bitte deshalb um eine Verlängerung der Bearbeitungszeit, so dass sie ihre Arbeiten am 26. April 2007 einreichen könne. Die von der Klägerin unterschriebene Ausfertigung ihres Schreiben vom 14. März 2007 ging bei der Beklagten am 16. März 2007 ein. Beigefügt waren zwei am 13. März 2007 ausgestellte ärztliche Bescheinigungen über Prüfungsunfähigkeit, die sich auf den 16. Februar 2007 sowie auf den Zeitraum vom 13. März bis 20. März 2007 bezogen.

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Daraufhin verlängerte die Beklagte die Frist zur Abgabe der Hausarbeiten in den Modulen „IV Vertiefung in Fachwissenschaft und Fachdidaktik“ und „V Spezielle Formen des Lehrens und Lernens“ mit Bescheid vom 20. März 2007 bis zum 26. März 2007. Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 22. März 2007 unter Vorlage einer Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit bis zum 29. März 2007 um eine weitere Verlängerung der Bearbeitungszeit gebeten hatte, gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 27. März 2007 eine nochmalige Verlängerung für die Abgabe dieser beiden Hausarbeiten bis zum 2. April 2007. In einem der Klägerin zeitgleich zugestellten Bescheid vom selben Tag teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie die Prüfung im Modul „II Spezielle Fachdidaktik“ wegen eines unentschuldigten Rücktritts im zweiten Versuch und damit endgültig nicht bestanden habe.

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Gegen den zuletzt genannten Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 31. März 2007 Einwendungen. Sie legte eine Bescheinigung über ihre Prüfungsunfähigkeit für die Zeit vom 30. März bis 9. April 2007 vor und führte aus, die Nichtgewährung einer Verlängerung der Bearbeitungszeit für die Hausarbeit bei Herrn D. beruhe auf einem Missverständnis. Wenn sie in ihrem Schreiben vom 14. März 2007 mitgeteilte habe, dass die Hausarbeit von Herrn D. bereits fertiggestellt habe, habe sie die Beklagte damit nur über den Stand der Arbeiten informieren wollen. Das diesbezügliche Schreiben sie von ihrer Mutter formuliert worden, weil es ihr sehr schlecht gegangen sei. Dass ihr am 20. März 2007 nur eine Fristverlängerung für die beiden anderen Hausarbeiten gewährt worden sei, habe sie zunächst nicht bemerkt, da ihre Mutter den Bescheid für sie gelesen habe. Sie bitte daher, die Prüfungsentscheidung aufzuheben, damit sie nicht wegen einer komplett fertiggestellten Hausarbeit, die nur noch auf das Korrekturlesen warte, durchgefallen sei.

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Am 13. April 2007 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid über das endgültige Nichtbestehen der Masterprüfung im Modul „II Spezielle Fachdidaktik“. Hierin wiederholte sie ihr Vorbringen aus dem Schreiben vom 31. März 2007. Ergänzend teilte sie mit, dass sie alle drei Hausarbeiten inzwischen vorgelegt habe. Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass diese Mitteilung der Klägerin unzutreffend war, entschied der Vorsitzende des Prüfungsausschusses „in Eilkompetenz“, den Widerspruch zurückzuweisen. Diese Entscheidung führte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2007 aus.

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Die Klägerin hat am 11. Juli 2007 Klage erhoben.

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Zur Klagebegründung trägt sie vor, dass sie aufgrund der widersprüchlichen Entscheidungen der Beklagten vom 27. März 2007 erneut in eine depressive Phase gefallen sei. Aus diesem Grund habe sie die Hausarbeiten noch nicht abgegeben. Sie befinde sich in regelmäßiger nervenärztlicher Behandlung bei dem Facharzt Dr. med. G.. Insoweit verweist die Klägerin auf eine gutachterliche Stellungnahme des Facharztes vom 17. August 2007, in der ausgeführt wird, dass es der Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung phasenweise nicht möglich sei, vereinbarte Termine einzuhalten oder adäquat zu arbeiten. Eine rechtzeitige Abgabe der Hausarbeiten sei unter diesen Bedingungen nicht möglich gewesen.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 27. März 2007 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 5. Juni 2007 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte trägt vor, der Prüfungsausschuss für den Studiengang Master of Science in Technical Education habe am 12. Juli 2007 festgelegt, dass sein Vorsitzender in Eilkompetenz handeln könne und dessen Entscheidung in der nächsten Sitzung des Ausschusses bestätigt werden müsse. Im Übrigen vertritt die Beklagte die Auffassung, dass die Klägerin den Termin zur Vorlage der Hausarbeit im Modul „II Spezielle Fachdidaktik“ schuldhaft versäumt habe, was zur Bewertung der Arbeit mit der Note „nicht bestanden“ führe. Die Klägerin habe mit ihrem Schreiben vom 14. März 2007 nur für zwei Hausarbeiten eine Verlängerung der Bearbeitungszeiten beantragt. Dass sie den Bescheid vom 20. März 2007 nicht selbst gelesen habe sondern sich dessen Inhalt durch ihre Mutter habe mitteilen lassen, müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Im Übrigen hätte die Klägerin die Hausarbeit im Modul „II Spezielle Fachdidaktik“ auch nicht mehr fristgerecht einreichen könne, wenn sie den Bescheid vom 20. März 2007 persönlich zur Kenntnis genommen hätte.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist nur begründet, soweit sie sich gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 5. Juni 2007 richtet.

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Der Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2007 muss gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgehoben werden, weil er verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist und die Klägerin insoweit im Sinne einer erstmaligen Beschwer (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) in ihrem Recht auf eine den verfahrensrechtlichen Vorgaben entsprechende Rechtsbehelfsentscheidung verletzt.

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Die Beklagte hat das Prüfungsverfahren in § 19 Abs. 2 ihrer Prüfungsordnung für den Studiengang Master of Science in Technical Education - PO - dergestalt geregelt, dass der nach § 4 PO gebildete Prüfungsausschuss über den Widerspruch gegen belastende Verwaltungsakte, die nach dieser Prüfungsordnung getroffen werden, entscheidet. Zu den belastenden Verwaltungsakten zählt auch die mit unmittelbarer Rechtsfolge für das Bestehen der Masterprüfung (vgl. § 20 Abs. 1 PO) zu treffende Entscheidung über das Nichtbestehen einer Modulprüfung. Im Fall der Klägerin hat die von dem akademischen Prüfungsamt mit dem Widerspruchsbescheid ausgeführte materielle Widerspruchsentscheidung nicht der Prüfungsausschuss in der ihm eigenen Entscheidungsform des Mehrheitsbeschlusses (§ 4 Abs. 3 PO), sondern dessen Vorsitzender allein getroffen, was sich mit der Zuständigkeitsregelung des § 19 Abs. 2 PO nicht vereinbaren lässt. Da es einen höherrangigen, allgemeinen Rechtssatz, der dem Vorsitzenden eines (Hochschul-) Prüfungsausschusses eine Notkompetenz für eilbedürftige Widerspruchsentscheidungen einräumt, nicht gibt, ist die unter Verstoß gegen die Bestimmung des § 19 Abs. 2 PO von dem Ausschussvorsitzenden allein getroffene Widerspruchsentscheidung rechtswidrig.

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Die Beklagte hat trotz eines hierauf gerichteten gerichtlichen Hinweises nicht dargelegt, dass der Prüfungsausschuss für den Studiengang Master of Science in Technical Education im Widerspruchsverfahren der Klägerin von der ihm in § 4 Abs. 6 Satz 1 PO vorgesehenen Delegationsbefugnis Gebrauch gemacht und seinem Vorsitzenden die Zuständigkeit für die Widerspruchsentscheidung übertragen hätte. Die in der Ausschusssitzung vom 12. Juli 2007 unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ getroffene Vereinbarung beinhaltet nur, dass Entscheidungen, „die der Vorsitzende in Eilkompetenz herbeiführt, in der nächsten Sitzung vom Prüfungsausschuss im Rahmen der Tagesordnung bestätigt werden.“ Sie weist damit keinen inneren Bezug zur Entscheidung über den Rechtsbehelf der Klägerin auf und stellt abweichend von der Rechtsauffassung der Beklagten auch keine generelle widerrufliche Übertragung von Befugnissen auf den Ausschussvorsitzenden dar. Vielmehr wird in der Vereinbarung nur unterstellt, dass dem Prüfungsausschussvorsitzenden eine „Eilkompetenz“ zustünde, was aber unzutreffend ist. Im Übrigen fehlt es der Vereinbarung auch an einer konkretisierenden Beschreibung der Sachverhalte, die in sachlicher und zeitlicher Hinsicht eine „Eilkompetenz“ des Vorsitzenden auslösen sollten.

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Unter diesen Umständen braucht auf die weiteren Fragen, nämlich ob die Delegationsbefugnis des § 4 Abs. 6 Satz 1 PO auch die spezielle Kompetenzzuweisung für die Widerspruchsentscheidung in § 19 Abs. 2 PO erfasst und mit welchen Argumenten sich im Fall der Klägerin eine Eilbedürftigkeit der Widerspruchsentscheidung begründen ließe, nicht mehr eingegangen zu werden.

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Soweit sich die Klage im Übrigen gegen den (Ausgangs-) Bescheid der Beklagten vom 27. März 2007 richtet, ist sie unbegründet. Die in diesem Bescheid getroffene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.

 


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