Beschluss vom Verwaltungsgericht Hannover (8. Kammer) - 8 C 4505/07
Tenor
Die Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 26. September 2007 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.
Gründe
I.
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Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers stellte für diesen am 14. September 2007 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Teilnahme an einem Verteilungsverfahren zur Vergabe freier Studienplätze im Studiengang Humanmedizin, den er mit einem am 17. September 2007 vorab als Telefax bei dem Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz zurücknahm. Mit Beschluss vom 18. September 2007 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein, es gab dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auf und setzte den Streitwert auf 5.000,00 Euro fest. Der Beschluss sowie die dem am selben Tag bei Gericht eingegangene Abschrift des Rücknahmeschriftsatzes wurden am 19. September 2007 an die Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin zum Zweck der Zustellung abgesandt. Ebenfalls am 19. September 2007 ging der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin, der das Datum des 18. September 2007 trägt und den Sachantrag auf Ablehnung des Eilantrages enthält, bei dem Verwaltungsgericht ein.
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Auf Antrag der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin setzte der Urkundsbeamte die von dem Antragsteller der Gegenseite zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 26. September 2007 auf 489,45 Euro fest.
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Hiergegen richtet sich die von dem Antragsteller eingelegte Erinnerung, zu deren Begründung er geltend macht, die festgesetzte Verfahrensgebühr der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin sei nicht entstanden, weil der Schriftsatz der Rechtsanwältin vom 18. September 2007 erst eingereicht worden sei, nachdem sein Prozessbevollmächtigter den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgenommen habe.
II.
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Der gemäß § 165 i.V.m. § 151 VwGO zulässige Antrag auf Entscheidung des Gerichts (Erinnerung) ist nicht begründet.
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Dem Einstellungsbeschluss vom 18. September 2007 zufolge hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu tragen, und für die gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO erstattungsfähigen Gebühren der Rechtsanwältin der Antragsgegnerin ist der in dem Beschluss festgesetzte Streitwert von 5.000 Euro maßgebend (§ 32 Abs. 1 RVG). Auf dieser Grundlage hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die der Antragsgegnerin von dem Antragsteller zu erstattenden Kosten im angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss nach Maßgabe des Vergütungsrechts und rechnerisch zutreffend mit 489,45 Euro festgesetzt.
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Dem dagegen erhobenen Einwand des Antragstellers folgt das Verwaltungsgericht nicht. Zu den für die zweckentsprechende Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen eines Beteiligten zählen nach der ausdrücklichen Regelung des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO im Regelfall auch die Gebühren und Auslagen, die einer Hochschule im gerichtlichen Streit um die Vergabe außerkapazitärer Studienplätze durch Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Prozessführung entstanden sind. Dies gilt nicht nur für den individuellen Streit um einen Studienplatz in einem örtlich zulassungsbeschränkten Studiengang, sondern auch für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung eines außerkapazitären Studienplatzes in einem ZVS-Studiengang, über den das Verwaltungsgericht durch Sammelbeschluss (sog. „Massenverfahren“) entscheidet. Insoweit folgt das Verwaltungsgericht in seiner bisherigen Praxis der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, die zutreffend darauf abstellt, dass die Hochschule im Fall ihres Obsiegens auch in Verfahren dieser Art regelmäßig die Erstattung der Aufwendungen für einen von ihr mit der Prozessführung beauftragten Rechtsanwalt verlangen kann (Beschluss vom 15.8.2003 - 2 OA 117/03 -, NVwZ-RR 2004 S. 155 f.; ebenso: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.08.2006 - NC 9 S 76/06 -, NVwZ 2006 S. 1300 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01.02.2006 - 1 K 72.05 -, NVwZ 2006 S. 713 ff.).
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Zutreffend ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle auch davon ausgegangen, dass die von der Antragsgegner ausweislich einer bei dem Verwaltungsgericht hinterlegten Generalvollmacht für alle Gerichtsverfahren des betreffenden Wintersemesters beauftragte Rechtsanwältin für ihre Tätigkeit Anspruch auf den in VV 3100 RVG festgelegten 1,3fachen Satz der Verfahrensgebühr nach § 13 RVG hat. Dieser Anspruch ist aufgrund des ihr zuvor erteilten Auftrags der Antragsgegnerin nach Zustellung der Antragsschrift spätestens entstanden, als die Rechtsanwältin den Schriftsatz mit der Vertretungsanzeige und dem erwidernden Sachantrag vom 18. September 2007 fertigte. Zwar war am 18. September 2007 objektiv kein gerichtliches Verfahren in dieser Sache mehr anhängig, weil die Antragsrücknahme bereits am Vortag bei dem Verwaltungsgericht per Telefax eingegangen war und das Verfahren unmittelbar beendet hatte. Entscheidend für das Entstehen der Verfahrensgebühr ist aber nur, dass ein mit der Prozessführung bevollmächtigter Rechtsanwalt vor oder nach Prozessbeginn eine Tätigkeit zur Durchführung des prozessbezogenen Auftrags vorgenommen hat. Nur in den Fällen, in denen der Rechtsanwalt oder die von ihm vertretene Partei Kenntnis davon haben oder haben müssen, dass prozessbezogene Tätigkeiten objektiv noch nicht erforderlich sind. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Gegenseite die Rücknahme ihres gerichtlichen Rechtsbehelfs angekündigt oder in Aussicht gestellt hat, dürfte die Geltendmachung der Verfahrensgebühr angesichts der Beschränkung der Kostenerstattung auf das Notwendige (§ 162 Abs. 1 VwGO) ausscheiden. Eine solche Sachlage ist vorliegend nicht gegeben. Dafür, dass der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers die Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin von der Tatsache oder zumindest der Absicht einer Antragsrücknahme bis zum 18. September 2007 in Kenntnis gesetzt hätte, lässt sich dem Vorbringen der Beteiligten nichts entnehmen.
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Die Verfahrensgebühr der für die Antragsgegnerin tätig gewordenen Rechtsanwältin ermäßigt sich auch nicht nach VV 1301 RVG auf den 0,8fachen Satz der Gebühr nach § 13 RVG, denn die Antragsrücknahme war der Antragsgegnerin und der Rechtsanwältin noch nicht bekannt, als diese am 19. September 2007 die Antragserwiderung bei dem Verwaltungsgericht einreichte. Wird eine Klage oder ein Antrag auf einstweiliger Rechtsschutz zurückgenommen, endet der Auftrag des Rechtsanwalts des Beklagten oder Antragsgegners zur Rechtverteidigung nach zutreffender Rechtsauffassung erst, wenn dieser oder seine Partei wissen müssen, dass der Rechtsbehelf zurückgenommen worden ist (Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., VV 3101 Rdnr. 33, m.w.N.; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt u.a., RVG, 16. Aufl., VV 3100 Rnr. 181 f.). Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Auftraggeber von dem Rechtsanwalt verlangen, dass dieser alles unternimmt, um den Auftrag gewissenhaft auszuführen. Daraus folgt, dass sich der mit der Prozessführung für den Beklagten oder Antragsgegner beauftragte Rechtsanwalt, der in Unkenntnis der zuvor erfolgten Rücknahme des Rechtsbehelfs einen Schriftsatz mit dem Sachantrag zur Abweisung der Klage oder Ablehnung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht einreicht, nicht auf den verminderten Gebührensatz des VV 3101 Nr. 1 RVG verweisen lassen muss.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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