Urteil vom Verwaltungsgericht Hannover (2. Kammer) - 2 A 5216/06
Tatbestand
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Die als Sonderschullehrerin im Dienst des Landes stehende Klägerin brachte am 22.05.2006 ihre Tochter B. zur Welt. Die Zeit des der Klägerin zustehenden Mutterschutzes war am 20.07.2006 zu Ende. An diesem Tage begannen im Lande Niedersachsen die Sommerferien, letzter Ferientag war der 30.08.2006.
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Mit Antrag vom 27.06.2006 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elternzeit ohne Bezüge für die Zeit vom 28.08.2006 bis zum 06.07.2007. Die auf dem Originalantragsformular enthaltene Alternative „Elternzeit im Anschluss an den Ablauf der Mutterschutzfrist“ wurde nicht von der Klägerin sondern anlässlich der Sachbearbeitung durch die Beklagte angekreuzt. Mit Bescheid vom 06.07.2006 gewährte die Beklagte der Klägerin Elternzeit vom 21.07.2006 bis zum 06.07.2007 unter völliger Freistellung vom Dienst. Die Klägerin rügte insoweit die Abweichung von dem von ihr beantragten Zeitraum ohne nähere Begründung und wiederholte ihren ursprünglichen Antrag. Dieses Begehren wies die Beklagte mit Bescheid vom 03.08.2006 zurück. Zur Begründung heißt es dort, eine Unterbrechung zwischen Mutterschutz und Elternzeit sei nur möglich, wenn während der Zeit auch eine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht werde. Eine Unterbrechung nur für die Dauer der Ferien sei als unzulässig und rechtsmissbräuchlich anzusehen.
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Die Klägerin hat am 28.08.2006 Klage erhoben, mit der sie ihr ursprüngliches Begehren weiterverfolgt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie einen Antrag auf Gewährung von Elternzeit für den bewilligten Zeitraum hilfsweise gestellt. Die Klägerin bringt vor, von einem gezielten Aussparen der Ferienzeit könne bei ihrem Antrag nicht gesprochen werden. Sie habe den Antrag für einen durchgehenden Zeitraum gestellt, der keine Unterbrechungen aufweise. Auch sei es für sie tatsächlich unmöglich, vom 21.07. bis zum 28.08.2006 tatsächliche Arbeitsleistungen zu erbringen. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften enthielten keine Vorgaben für die von Müttern zu beantragenden Zeiträume, sondern überließen ihr das Bestimmungsrecht für die Zeiten des Mutterschutzes.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 06.07.2006 in der Fassung des Bescheides vom 03.08.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr Elternzeit für den Zeitraum vom 28.08.2006 bis zum 06.07.2007 zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen
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und erwidert: Das die Sommerferien aussparende Antragsbegehren der Klägerin stelle sich als rechtsmissbräuchlich dar. Der Klägerin ginge es darum, als Lehrerin mit ungleichmäßiger Arbeitszeitverteilung Vorteile in Anspruch zu nehmen, die andere Beamte nicht hätten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage muss in der Sache ohne Erfolg bleiben. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Kammer die Beklagte verpflichtet, ihr gemäß ihrem Antrag einen am 28.08.2006 beginnenden Erziehungsurlaub zu gewähren. Der abweichend vom Hauptantrag der Klägerin die Elternzeit für den Zeitraum vom 21.07.2006 bis zum 06.07.2007 bewilligende Bescheid der Beklagte erweist sich als rechtmäßig, weil der dort genannte Bewilligungszeitraum jedenfalls von dem im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer gestellten Hilfsbegehren gedeckt ist.
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Die Klägerin erfüllt offensichtlich die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung des Erziehungsurlaubes. Dieser steht ihr nach Maßgabe des § 88 Abs. 1 NBG i. V. m. den für Bundesbeamte geltenden Rechtsvorschriften über die Elternzeit zu. Damit ist die Elternzeitverordnung des Bundes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.11.2004 (BGBl. 1 S. 2841) in Bezug genommen, deren § 1 Abs. 2 Elternzeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes ermöglicht. § 2 EltZVO sieht vor, dass die Inanspruchnahme der Elternzeit schriftlich zu erklären und dabei anzugeben ist, für welche Zeiträume innerhalb von zwei Jahren sie genommen wird. Diese Erklärung der Klägerin hat die Beklagte als Antrag gewertet und - teilweise abweichend - beschieden. Bedenken gegen dieses Verfahren sieht die Kammer nicht. Die Verordnung geht zwar, anders als noch die vorangegangene Regelung in der Erziehungsurlaubsverordnung, davon aus, dass auch eine Beamtin durch einseitige schriftliche Erklärung der Inanspruchnahme der Elternzeit ihre Rechte geltend machen kann. Dieses Verfahren ist aber angesichts der im Lande Niedersachsen für Beamtinnen nur entsprechend anwendbaren (vgl. § 88 Abs. 1 NBG) Regelungen dahin zu modifizieren, dass entsprechend der Eigenart des öffentlichen Dienstrechtes Veränderungen der Rechte und Pflichten an einen gegebenenfalls zu beantragenden Verwaltungsakt des Dienstherrn anknüpfen, soweit diese nicht unmittelbar Kraft Gesetzes eintreten. Letzteres ist hier nicht ersichtlich.
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Das Verlangen der Klägerin, Erziehungsurlaub in der Weise in Anspruch zu nehmen, dass sie die nach Ablauf der Mutterschutzfrist beginnenden Sommerferien bei ihrer Antragstellung ausspart und die Elternzeit erst am 28.08.2006 gewährt wissen will, erweist sich als rechtsmissbräuchlich, § 242 BGB.
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Die Sommerzeit eines Lehrers ist nur zu einem Teil, nämlich hinsichtlich der eigentlichen Unterrichtsstunden, exakt messbar, während die Arbeitszeit im Übrigen entsprechend ihrer pädagogischen Aufgabe wegen der erforderlichen Unterrichtsvorbereitung, der Korrekturen, Elternbesprechungen und dergleichen nicht im Einzelnen in messbarer und überprüfbarer Form bestimmt, sondern nur grob pauschalierend angesetzt werden kann. In diesem Rahmen konkretisiert der Dienstherr durch die sogenannte Pflichtstundenregelung die für Lehrer geltende durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit nach Schulformen differenziert (vgl. BVerwG, U. v. 01.06.1978, ZBR 1978, 373; U. v. 29.01.1992, ZBR 1992, 154). Diese Grundsätze gelten auch im Lande Niedersachsen und sind durch die Urteile in Normenkontrollverfahren gegen die Arbeitszeitverordnung für Lehrer vom Nds. OVG (vgl. z. B. 2 OVG C 3/80, 1/81 und 6/82) geklärt. Für Lehrkräfte an Förderschulen ist in § 3 Abs. 2 ArbZVO-Lehr eine Regelstundenzahl von 26,5 Unterrichtsstunden vorgesehen. Ferien für Schüler haben für einen Lehrer Mischcharakter. Sie dienen einmal der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, soweit diese nicht während der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit außerhalb der Schulferien unter Berücksichtigung der Pflichtstunden möglich sind, zum anderen aber auch der Gewährung des Erholungsurlaubes. Deshalb bestimmt § 2 Abs. 3 der NEUrlVO, dass Lehrkräfte an öffentlichen Schulen den ihnen zustehenden Erholungsurlaub während der Schulferien erhalten. Auch Lehrkräfte haben also einen grundsätzlichen Urlaubsanspruch von 29 Arbeitstagen (bis zum vollendeten 40. Lebensjahr), der aber durch die Schulferien als abgegolten gilt. Vor diesem Hintergrund erweist sich das Elternzeitverlangen der Klägerin aus folgenden Erwägungen für rechtsmissbräuchlich:
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Grundsätzlich ist nicht ausgeschlossen, dass die Mutter die Elternzeit im Anschluss an einen auf die Mutterschutzfrist folgenden Erholungsurlaub nimmt. Dieser Fall ist in § 2 Abs. 1 Satz 4 EltZV ausdrücklich angesprochen. Allein der Umstand, dass vor der von der Klägerin beantragten Elternzeit Ferientage liegen, die ihren Urlaubsanspruch mit abdecken, kann also das Verlangen noch nicht rechtsmissbräuchlich machen.
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Bei Hinzutreten weiterer Umstände kann der Dienstherr dem Lehrer jedoch den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen halten. Dies gilt auch für das niedersächsische Recht. Die Beklagte beruft sich für ihren Rechtsstandpunkt auf Entscheidungen des OVG Münster (NVwZ-RR 2004, 126; DÖD 2007, 88), die aber zu der Rechtslage im Lande Nordrhein-Westfalen ergangen sind. Dort gibt es eine ausdrückliche Regelung im Verordnungsrange, wonach bei Beamtinnen mit Lehraufgaben im Schuldienst Unterbrechungen des Erziehungsurlaubs, die überwiegend auf die Schulferien entfallen, nicht zulässig sind und bei der Wahl von Beginn und Ende des Erziehungsurlaubs Schulferien nicht ausgespart werden dürfen. Das Fehlen einer solchen speziellen Regelung im Lande Niedersachsen führt aber nicht dazu, dass der allgemein geltende Rechtsgedanke des Rechtsmissbrauchs im Einzelfall der Antragstellung einer Lehrerin entgegen gehalten werden kann (vgl. auch Plog-Wiedow-Lemhöfer, § 80 BBG, Rdnr. 11 a). Ein solcher Missbrauchsfall ist insbesondere darin zu sehen, dass durch die besondere Ausgestaltung des Anfangs- oder Endtermins des Erziehungsurlaubs im Ergebnis ein über den etwaigen anteiligen Erholungsurlaub weit hinausgehender Erholungsurlaub erzielt würde. So liegt es hier im Fall der Klägerin. Gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 der NEUrlVO wird der der Klägerin zustehende Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat eines Urlaubs ohne Bezüge um 1/12 gekürzt. Anders als die Zeiten des Mutterschutzes sind Elternzeiten Zeiten eines Urlaubs ohne Bezüge oder diesen jedenfalls gleichzustellen, wie sich aus § 1 Abs. 1 EltZV ergibt. Bei dem Zeitraum, wie er von der Klägerin beantragt wurde, wäre folglich ihr Erholungsurlaub um 4/12 zu kürzen. Der dann verbleibende Erholungsurlaub umfasste aber einen weit geringeren Zeitraum als die während der Sommerferien liegenden Werktage es darstellen. Der der Klägerin zustehende (anteilige) Erholungsurlaub für das Jahr 2006 wird auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung auch nicht beschnitten. Die hier zu Beginn der Sommerferien liegenden Ferientage haben nämlich den der Klägerin zustehenden Erholungsurlaub bereits mit abgegolten. Dies gilt auch dann, wenn sie entsprechend ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung dort dienstliche Verrichtungen in Form von Expertisen geleistet hat.
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Hinzu tritt im vorliegenden Fall, dass während der Zeit vom 21.07. bis zum 27.08.2006 für die Klägerin wegen der Schulferien und der vorangegangenen Mutterschutzzeiten eine Nachbereitung von Unterricht von vornherein überhaupt nicht in Betracht kommen konnte. Sie war nämlich in der Zeit des Beschäftigungsverbotes für werdende Mütter in den letzten sechs Wochen vor ihrer Niederkunft und in den ersten acht Wochen nach Geburt des Kindes vom Dienst befreit. Auch für die Vorbereitung des Unterrichts im neuen Schuljahr benötigte die Klägerin die von der Bewilligung abweichende beantragte Zeit nicht, da anschließend wegen der zu gewährenden Elternzeit Unterrichtsverpflichtungen nicht anfielen.
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Das hier gefundene Ergebnis stellt sich für die Klägerin auch nicht als unzumutbare Härte dar, da gesetzlich sichergestellt ist, dass die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub nicht zum Verfall des Erholungsurlaubs führt. Für den Fall, dass die Beamtin den ihr zustehenden Erholungsurlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten hat, regelt § 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 NEUrlVO die Übertragung des Resturlaubes über den regelmäßigen Verfall des Vorjahresurlaubes nach Ablauf der ersten neun Monate des folgenden Urlaubsjahres hinaus.
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Auch die Gewährung der Elternzeit durch die angefochtenen Bescheide abweichend vom ursprünglichen Begehren der Klägerin erweist sich als rechtmäßig. Die Kammer überzeugt die Rechtsauffassung des OVG Münster (a. a. O.) nicht, dass es sich bei dem von der Mutter erklärten Zeitraum um einen rechtlich unteilbaren Zeitraum handelt mit der Folge, dass dem Begehren vom Dienstherrn nur uneingeschränkt stattgegeben oder es insgesamt abgelehnt werden könnte. Da das Landesrecht nur eine entsprechende Anwendbarkeit der EltZV für Beamtinnen vorsieht und damit - wie ausgeführt - eine einseitige öffentlich-rechtliche Erklärung der Beamtin durch einen Antrag und eine Antragsbewilligung des Dienstherrn ersetzt wird, erscheint aus Rechtsgründen auch eine teilweise Stattgabe des Antrags, soweit er denn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt und sich nicht als rechtsmissbräuchlich erweist, statthaft. Um die für die Klägerin bestehende Rechtsunsicherheit auszuschließen, hat sie auf Anregung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung jedenfalls hilfsweise Elternzeit für den Zeitraum beantragt, den der Bescheid der Beklagten ihr zuspricht. Müsste auf der Grundlage der Rechtsauffassung des OVG Münster der Bewilligungsbescheid insgesamt aufgehoben werden, so wäre die Klägerin - jedenfalls tatbestandsmäßig - unerlaubt dem Dienst ferngeblieben. Auch diese Rechtsfolge kann vom Gesetzgeber nicht ernsthaft gewollt sein.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 167 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung bemisst sich nach § 52 Abs. 2 GKG.
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