Urteil vom Verwaltungsgericht Hannover (2. Kammer) - 2 A 3872/05

Tatbestand

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Am C. zeigte der Kläger den Verlust von zwei Barverwarnblöcke und 350,00 € Bargeld an. Er erklärte, er habe die Verwarngeldblöcke am D. gegen 19.15 Uhr noch gesehen, als er eine Barverwarnung getätigt habe. Nach Beendigung der Kontrolle habe er den Funkstreifenwagen in der Bereitschaftspolizei betankt und seinen Parka anschließend auf der Dienststelle in dem Glauben in seinem Kleiderschrank verschlossen, dass darin die Verwarngeldblöcke und das Bargeld seien. Als er am folgenden Morgen gegen 9 Uhr das Bargeld habe abrechnen wollen, habe er den Verlust festgestellt. Die sofortige Absuche seines Schrankes, des Funkstreifenwagens, der Kontrollstelle des Vorabends und der Tankstelle der Bereitschaftspolizei sei ebenso erfolglos verlaufen wie die Befragung des Wachdienstes in der Unterkunft.

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Die daraufhin von der Beklagten durchgeführten Ermittlungen ergaben, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Verlustes Verwarngelder in Höhe von 315,- € besessen hat. Die Beklagte zog ihn mit Leistungsbescheid vom B. zur Zahlung dieses Betrages heran und führte aus, da die Umstände des Verlustes des Verwarngeldes ungeklärt seien, könne dem Kläger das Abhandenkommen an sich nicht vorgeworfen werden. Der Kläger habe aber pflichtwidrig die 315,- € nicht abgerechnet. Nach den Vorschriften zum Umgang mit Verwarngeldern seien diese unverzüglich, spätestens nach Annahme von 150,- € und mindestens einmal im Monat, abzurechnen. Der Kläger habe am D. bei der Ausgabe des neuen Verwarngeldblocks auch angekündigt, dass er am nächsten Tag abrechne. Es handele sich um einen schweren Pflichtenverstoß, weil die Pflicht zur zeitnahen Abrechnung gerade eingeführt worden sei, um die Gefahr eines Verlusts von Geld auf ein geringes Maß zu beschränken.

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Am 01.07.2005 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben. Er trägt vor, normalerweise versehe er seinen Dienst beim zentralen Verkehrsdienst und befasse sich schwerpunktmäßig mit LKW-Kontrollen, bei denen nur selten Verwarngelder einzunehmen seien. Eine Ausnahme bilde die Zeit, in der er zur Verkehrsausbildung herangezogen werde. Im Rahmen einer solchen Verkehrsausbildung habe er vom 20.10. bis zum D. Verkehrskontrollen durchgeführt. Zur Einnahme von Verwarngeldern stehe dabei ein sog. Verwarngeldblock zur Verfügung, in den der Verstoß und das verhängte Verwarngeld eingetragen werde. Am E. habe eine Besprechung mit den Ausbildern im Dienstgebäude Am Welfenplatz 1 stattgefunden. Dabei seien alle Teilnehmer an der Geschwindigkeitsmessung zu pünktlichem Erscheinen an der Messstelle aufgefordert worden, weil an diesem Tag das Kamerateam eines Fernsehsenders anwesend sei. Die Besprechung habe gegen 13 Uhr geendet und sei mit dem Beginn der Verkehrsausbildung zusammengefallen. Da bei einer Geschwindigkeitsmessung mit einer Vielzahl von Barverwarnungen zu rechnen sei, die nur die Anleiter ausstellen könnten, und ihm bekannt gewesen sei, dass sich auf seinem Block nur noch eine Verwarnungsquittung befinde, habe er sich zu B. im 1. Stock des Gebäudes Am Welfenplatz 1 begeben, der für die Entgegennahme PK des Geldes und die Ausgabe neuer Verwarngeldblöcke zuständig gewesen sei. F. habe die Ausgabe des zweiten Verwarngeldblockes nicht von der vorherigen Abrechnung des noch bei ihm befindlichen abhängig gemacht. Dies sei seinerzeit ohne weiteres üblich gewesen. Er habe diesem gegenüber auch nicht angekündigt, das Verwarngeld am nächsten Tag abzurechnen. Er habe an sich gleich abrechnen wollen, den alten Verwarngeldblock und das eingenommene Verwarngeld zu diesem Zeitpunkt aber nicht bei sich geführt. Er habe es in seinem Schrank in den Diensträumen Am Welfenplatz 1 a deponiert gehabt. Als er dort angekommen sei, hätten die Praktikanten schon fertig umgezogen auf ihn gewartet. Da er noch nicht umgezogen gewesen sei, habe er sich seine Uniform angezogen. In Ansehung der ungeduldig wartenden Praktikanten habe er dann im Stress und unter Zeitdruck vergessen, noch sein Verwarngeld abzurechnen und sei mit den Praktikanten zur Messstelle gefahren. Er habe den Verwarngeldblock in einer speziellen Mappe in Brieftaschenformat aufbewahrt, in der sich außer dem Verwarngeldblock noch sein Merkheft und ein Fach für das vereinnahmte Bargeld befinde. Wegen des Verlusts der Verwarngeldblöcke und des Bargelds sei gegen ihn eine Missbilligung ausgesprochen worden, die er akzeptiert habe. Er habe auch deshalb nicht grob fahrlässig gehandelt, weil er beabsichtigt habe, das vereinnahmte Verwarnungsgeld ordnungsgemäß einzuzahlen. Dies sei nur daran gescheitert, dass die Einzahlung nicht möglich gewesen sei. In der Woche der Teilnahme an der Verkehrsausbildung habe er mehrfach vergeblich versucht, die eingenommenen Verwarngelder einzuzahlen. Die für die Annahme zuständigen Mitarbeiter seien jeweils nicht an ihrem Platz gewesen oder hätten schon Feierabend gemacht. Ein Mitverschulden habe die Beklagte gewissermaßen dadurch eingeräumt, dass sie die Annahmemodalitäten inzwischen so verändert habe, dass die Verwarngelder unmittelbar beim Vorgesetzten abgerechnet werden könnten. Dadurch sei eine Abrechnung fast immer möglich. Die Dienstanweisung, auf die sich die Beklagte berufe, verhindere nur den Verlust größerer Summen als 150,- €, so dass selbst bei Beachtung dieser Dienstanweisung ein Schaden in Höhe von 150,- € entstehen könne.

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Der Kläger beantragt,

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den Leistungsbescheid der Beklagten vom B. aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie trägt vor, der Kläger habe die sich aus dem Erlass des MI vom 22.08.1990 und der Verfügung des Direktors der Polizei vom G. ergebenden Dienstpflichten verletzt. Danach dürften größere Bargeldsummen ab 150,- €, nicht über einen längeren Zeitraum bei den Beamten verbleiben. Die letzte Abrechnung des Klägers sei am H. mit einem Betrag von 600,- € erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt sei u. a. der Verwarngeldblock Nr. I. teilweise abgerechnet worden. Als ihm am D. ein neuer Verwarngeldblock ausgehändigt worden sei, sei eine weitere Abrechnung des Verwarngeldblocks I. nicht erfolgt. Der Kläger habe unabhängig von dem vorgetragenen zeitlichen Druck zumindest am D. die Möglichkeit gehabt, die 315,- € einzuzahlen. Er sei verpflichtet gewesen, den organisatorischen Ablauf an diesem Tag so einzurichten, dass genügend Zeit zur Einzahlung verbleibe. Er habe sich bereits im Vorfeld und unabhängig von der Besprechung um die Einzahlung kümmern müssen. Statt dessen habe er sich bewusst gegen seine Einzahlungsverpflichtung entschieden. Eine andere rechtlichen Beurteilung ergäbe sich auch nicht, wenn er bei Aushändigung des zweiten Blocks nicht zur Rückgabe des alten aufgefordert worden wäre. Der Kläger trage selbst vor, dass ihm die Nichterfüllung der Dienstpflicht bewusst gewesen sei, er sich aufgrund der zeitlichen Umstände nur nicht dazu in der Lage gesehen habe. Indem er am D. die Abrechnung der vereinnahmten Beträge unterlassen habe, habe er die erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße nicht beachtet. Die Dienstpflichtverletzung beziehe sich dabei auf den gesamten Betrag, denn er sei bei einer Einzahlung nicht zur Zurückhaltung von 150,- € berechtigt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem der Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 VwGO übertragen wurde.

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Die zulässige Klage ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Leistungsbescheids der Beklagten vom B., weil dieser rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.

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Die von der Beklagten geltend gemachte Schadensersatzforderung setzt nach § 86 Abs. 1 NBG, den auch die Beteiligten ihrer Prüfung zugrunde legen, voraus, dass der Kläger die ihm obliegenden Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat und seinem Dienstherrn dadurch ein Schaden entstanden ist.

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Ein Schaden ist bei der Beklagten hier in Höhe des mit dem angefochtenen Leistungsbescheid geltend gemachten Betrages entstanden, denn sie hatte Anspruch auf Ablieferung der vom Kläger vereinnahmten Bargeldverwarnungen, deren Höhe sich aus den von ihr durchgeführten Ermittlungen (vgl. Vermerk vom J. - Bl. 27.1 f BA) ergibt, deren Ergebnis auch der Kläger nicht beanstandet. Dadurch dass der vom Kläger vereinnahmte Betrag von insgesamt 315,- € auf nicht mehr feststellbare Weise abhanden gekommen ist, konnte der Kläger ihn nicht ordnungsgemäß abrechnen und schmälerte in diesem Umfang das Vermögen der Beklagten.

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Der Kläger hat auch schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, wie es § 86 Abs. 1 NBG weiter voraussetzt. Zutreffend stellt die Beklagten insoweit ab auf die mit Erlass des MI vom 22.08.1990 und Dienstanweisung vom G. hinsichtlich der Beschaffung und des Nachweises von Verwarnvordrucken sowie des Verfahrens zur Abrechnung von Verwarngeldern getroffene Regelung. Danach besteht für die Bediensteten der Beklagten die grundsätzliche Verpflichtung zur unverzüglichen Abrechnung eingenommener Verwarngelder. Wenn dies unzweckmäßig ist, muss die Abrechnung jedenfalls nach Annahme von 300 DM = 150 €, jedoch mindestens einmal im Monat erfolgen. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen gemäß Vermerk vom J. hatte der Kläger zum Zeitpunkt des Abhandenkommens der Verwarngelder und des Verwarngeldblockes in der Zeit vom K. bis zum D. insgesamt vereinnahmte 315,- € in Besitz. Ein Verstoß gegen die Dienstpflicht aus der vorstehenden Regelungen lag spätestens seit L. vor, denn der Kläger hatte am K. viermal 35,- € Verwarngeld (= 140,- €) vereinnahmt und am L. noch einmal 35,- €, so dass bei Dienstende am L. die Grenze von 150,- € überschritten war. Indem der Kläger in der Folgezeit die Verwarngelder gleichwohl nicht abgerechnet hat, hat er seine Dienstpflichten verletzt. Dies ist auch Grundlage der gegen ihn ausgesprochenen Missbilligung.

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Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 86 Abs. 1 NBG weiter ergibt, ist ein Beamter aber nur zum Ersatz des aus der Dienstpflichtverletzung entstehenden Schadens verpflichtet, d. h. des Schadens, der ursächlich auf dem Pflichtenverstoß beruht. Daher war die Beklagte insoweit nur berechtigt, vom Kläger den Betrag von 280,- € zu verlangen. Nach dem bekannten Sachverhalt befanden sich vereinnahmte Verwarngelder zum maßgeblichen Zeitpunkt, am D. mittags, nämlich nur in dieser Höhe in seinem Besitz. Denn bis dahin waren zu den vorstehend beschriebenen, bis einschließlich L. eingenommenen 175,- € weitere 35,- € am 25.10.2003 und noch zweimal 35,- € am 26.10.2003 hinzugekommen. Für das Abhandenkommen der am D. - nach den Angaben des Klägers gegen 19.15 Uhr - weiter vereinnahmten 35,- € war der Verstoß des Klägers gegen den Erlass vom 22.08.1990 und die Dienstanweisung vom G. dagegen nicht mehr kausal, weil er diesen Betrag am selben Tag gegen 13.00 Uhr noch gar nicht abrechnen und dadurch vor Verlust schützen konnte.

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Die Schadensersatzforderung wird zu Unrecht aber auch hinsichtlich des Betrages von 280-, € erhoben, denn der Kläger hat die Dienstpflichtverletzung nicht in der von § 86 Abs. 1 NBG vorausgesetzten qualifizierten Verschuldensform, d. h. vorsätzlich oder grob fahrlässig, begangen. Grob fahrlässig handelt, wer die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Das ist der Fall, wenn schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Der Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens setzt dabei - anders als der einer normalen, leichten Fahrlässigkeit - nicht nur objektiv eine schwerwiegende Sorgfaltspflichtverletzung voraus, deren Vorliegen sich nach den typischen Kenntnissen und Fähigkeiten eines Angehörigen der vom Schädiger vertretenen Berufs- oder Personengruppe beurteilt, sondern hat darüber hinaus zur Voraussetzung, dass es sich auch in subjektiver Sicht, d. h. von der Person des Schädigers aus gesehen, um ein schlechthin unentschuldbares Verhalten handelt, welches das gewöhnliche Maß erheblich übersteigt. Ein derartiges Maß an fahrlässigem Verhalten kann dem Kläger hinsichtlich des hier zugrundeliegenden Sachverhalts zur Überzeugung des Gerichts nicht vorgeworfen werden. Dabei wurde besonders berücksichtigt, wie die in dem Erlass vom 22.08.1990 und der Dienstanweisung vom G. getroffene Regelung nach dem im Rahmen dieses Verfahrens bekannt gewordenen Sachverhalt in der Praxis tatsächlich gehandhabt wurde. Denn es kann einem Beamten im allgemeinen nicht ein solches Verhalten als grob fahrlässige Pflichtverletzung angelastet werden, das in der Behördenpraxis üblich ist und von den vorgesetzten oder zuständigen Kollegen toleriert wird.

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Bereits nach dem Wortlaut des Erlasses vom 22.08.1990 und der Dienstanweisung vom G. ist eine Regelung für den Fall nicht getroffen, dass Polizeibeamte Verwarngelder vereinnahmt haben, deren Höhe unter 150,- € liegt. Es ist deshalb mit dieser Dienstanweisung vereinbar, wenn die Beamten diese Gelder - jedenfalls bis zur Dauer von einem Monat - bei sich behalten. Andererseits ist aber offenbar nicht im einzelnen geregelt, wie in dieser Zeit mit den eingenommenen Verwarngeldern zu verfahren ist. Der Kläger hat hierzu geschildert, dass er solche Gelder weder mit seinem eigenen Barvermögen vermischen noch mit nach Hause nehmen dürfe. Er habe wie andere Kollegen auch die eingenommenen Verwarngelder deshalb in seinem Dienstparka in seinen Schrank hängt, der mit einem ganz normalen Schloss gesichert sei und für den in der Verwaltung weitere Schlüssel existierten. Trotz danach bestehender Sicherheitslücken kommt es, wie der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, praktisch kaum zum Abhandenkommen vereinnahmter Verwarnungsgelder. Es hat seit 2003 höchstens vier solcher Fälle gegeben. Dies deutet zugleich darauf hin, dass sich eine gewisse Sorglosigkeit im Umgang mit den vereinnahmten Verwarngeldern eingeschliffen haben dürfte, die sich auf das Maß der dem Einzelnen abzuverlangenden Sorgfalt auswirkt.

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Soweit der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung weiter vorgetragen hat, die Abrechnungsgrenze von 150,- € werde fast immer eingehalten, bestehen hieran nach dem in diesem Verfahren bekannt gewordenen Sachverhalt erhebliche Zweifel. Vor den hier streitigen Vorgängen gegen Ende Oktober 2003 hat der Kläger nämlich letztmalig am H. Verwarngelder abgerechnet und zwar in Höhe von 600,- €. Da er diese nicht allein am H. vereinnahmt haben wird - er trägt vielmehr vor, nur selten Tätigkeiten auszuüben, bei denen Verwarngelder anfielen - hat man ihn offenbar auch in erlasswidriger Weise verfahren lassen, ohne ihn auch nur zur künftigen Einhaltung der 150,-€-Grenze zu ermahnen. Jedenfalls nach seiner subjektiven Wahrnehmung durfte der Kläger deshalb, weil selbst eine so deutliche Überschreitung des Höchstbetrages um 400% im Mai 2003 zu keinerlei Ahndung führte, annehmen, dass auch künftig ein Ansammeln größerer Beträge toleriert werde. Er mag zu seiner gegen die Erlassregelung verstoßenden Vorgehensweisen zusätzlich auch dadurch verleitet worden sein, dass er nur selten mit Verwarngeldern zu tun hatte und bei Beachtung der Dienstanweisung regelmäßig kleinere monatliche Beträge hätte abrechnen müssen.

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Der Kläger hat weiter vorgetragen, gerade auch im hier streitigen Zeitraum vom 20.10. bis zum D., in dem die Verkehrsausbildung stattgefunden hat, mehrfach vergeblich versucht zu haben, eingenommene Verwarngelder einzuzahlen. Träfe dies zu, könnte ihm ein Verstoß gegen die Dienstpflicht der Ablieferung wohl nicht einmal als fahrlässig vorgeworfen werden, denn eine auf ein unmögliches Verhalten gerichtete Verpflichtung kann ein Beamter nicht erfüllen. Der diesbezügliche Sachverhalt lässt sich indes nicht abschließend aufklären. Während nämlich der Vertreter der Beklagten erklärt hat, dass mindestens seit 1987 eingenommene Verwarngelder bei den Dienstabteilungsleitern in der Wache und im Geschäftszimmer des ZVD abgegeben werden könnten, hat der Kläger dies bestritten und erklärt, diese Regelung sei erst nach dem Verlust des Geldes eingeführt worden. Zudem seien auch die Dienstabteilungsleiter manchmal nur bis 20.00 oder 21.00 Uhr anwesend, so dass eine Abrechnung nach Schichtende schwierig werden könne. Diese Diskrepanz kann zwar nicht abschließend aufgeklärt werden. Es spricht aber einiges für die Richtigkeit der Darstellung des Klägers, denn selbst aus den zugrundeliegenden Dienstanweisungen ergeben sich Anhaltspunkte für die Richtigkeit seiner Darstellung. Im - erst nach 1987 gefassten! - Erlass vom 22.08.1990, Ziffer 1, heißt es hierzu, dass nicht die Dienstabteilungsführer in den Polizeidienststellen, sondern Bedienstete des Innendienstes verantwortlich mit der Verwaltung der Verwarnungsvordrucke einschließlich der Annahme und dem Abführen der Verwarnungsgelder beauftragt werden sollen. Dort wird unter Ziffer 3 auch ausdrücklich eingeräumt, dass die vorgeschriebene Ablieferung des Verwaltungsgeldes bei Dienstende sich nicht in allen Fällen als durchführbar gezeigt habe. Auch in den Richtlinien über die Beschaffung und den Nachweis von Verwarnungsvordrucken Pol.N. 166 sowie das Verfahren zur Abrechnung von Verwarngeldern heißt es unter Ziffer 1.5 „Bei den Polizeidienststellen sind Bedienstete verantwortlich mit der Verwaltung der Verwarnungsvordrucken und der Annahme sowie Abführung der Verwarnungsgelder zu beauftragen. Diese Bediensteten sollen dem Innendienst zugeordnet sein. Schließlich findet sich dieser Hinweis auch in der Dienstanweisung vom G. indem es dort heißt „...unverzügliche Abrechnung mit dem/der hiermit beauftragten Bediensteten des Innendienstes...“. Aus organisatorischen Gründen erscheint eine solche zentrale Organisation der Ausgabe von Verwarngeldblöcken und der Abrechnung der vereinnahmten Verwarnungsgelder auch ohne weiteres zweckmäßig.

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Nach dem in diesem Verfahren bekannt gewordenen Sachverhalt werden die Regelungen des Erlasses vom 22.08.1990 und der Dienstanweisung vom G. auch im übrigen offensichtlich nicht vollständig eingehalten, zumindest nicht hinsichtlich der Prüfpflicht gem. Ziffer 2.5 des Erlasses. Danach sollen die Dienstvorgesetzten vierteljährlich die ordnungsgemäße Abrechnung überprüfen. Hinsichtlich des Klägers lässt sich hierzu aus dem Vermerk der Beklagten vom M. entnehmen, dass am 05.05.2003 letztmalig durch den Dienstabteilungsleiter die Vollzähligkeit von Gebühren und Bargeld kontrolliert wurde, und in der Dienststelle die vierteljährliche Prüfung der ordnungsgemäßen Verwaltung und Aufbewahrung von Verwarnungsvordrucken und die Ablieferung und Abrechnung des Bargeldes durch die Vorgesetzten versäumt wurde. Entsprechend wurde am 14.11.2003 auch u. a. an den Polizeipräsidenten berichtet, dass Nachregelungsbedarf festgestellt worden sei. Die Prüfpflicht ist hinsichtlich des Klägers offensichtlich auch wiederholt nicht beachtet worden, denn seine Abrechnung vom H. über 600,- € bezog sich auf einen Verwarngeldblock, den er am N. und damit bereits rund 8 Monate vorher erhalten hatte, so dass mindestens zwei Kontrolltermine ohne Prüfung verstrichen sind. Nach der Dienstanweisung hätte der Kläger spätestens einmal im Monat über vereinnahmte Barbeträge abrechnen müssen. Dies hat er offenkundig vom N. bis zum H. und auch zwischen dem H. und dem C. nicht getan. Es hat auch weder eine Prüfung gemäß Ziffer 2.5 des Erlasses noch eine Sanktion - ggf. auch in der Form einer Belehrung - gegeben, nachdem der Verstoß bekannt geworden war. Auch wenn die Nichtdurchführung der vorgeschriebenen Prüfungen durch die Dienstvorgesetzten allein noch nicht ohne weiteres zu einer Verneinung der Pflichtwidrigkeit des Klägers führt, trägt die Verwaltungspraxis der Beklagten auch hinsichtlich der Überprüfungspflicht doch dazu bei, dass der Verstoß des Klägers nicht als besonders leichtsinnig und unentschuldbar und damit grob fahrlässig qualifiziert werden kann.

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Dies ergibt sich schließlich auch aus den Vorgängen vom D., soweit die Beklagte dem Kläger entgegenhält, wenn er niemanden in der Abrechnungsstelle angetroffen habe, hätte er wenigstens an diesem Tage beim Abholen des neuen Verwarngeldblockes die bei ihm vorhandenen Gelder abrechnen können. Der Kläger beruft sich hierzu darauf, dass er an diesem Tag in besonderer Eile gewesen sei, weil er bis 13.00 Uhr an einer Dienstbesprechung und ab 13.00 Uhr an der Verkehrsausbildung teilgenommen habe. Er gibt an, bei der Entgegennahme des neuen Verwarngeldblockes das schon vereinnahmte Verwarngeld nicht bei sich gehabt zu haben, sondern in seinem Schrank im benachbarten Dienstgebäude. Dort habe er die schon umgezogenen Praktikanten getroffen, die auf ihn gewartet hätten. Er habe sich noch umziehen müssen und sei wegen des angekündigten Kamerateams eines Fernsehsenders und der bei der Dienstbesprechung erbetenen Pünktlichkeit an der Messstelle in Stress und Zeitdruck geraten und habe dadurch die Abrechnung vergessen. Diese Situation ist nachvollziehbar und lässt nicht die Beurteilung zu, der Kläger habe schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und seine Sorgfaltspflichten in besonders schwerem Maße verletzt. Vielmehr hat auch der Beamte, der dem Kläger an diesem Tag den neuen Verwarngeldblock ausgehändigt hat, nach seiner schriftlichen Erklärung vom O. (Bl. 14 d. BA) den Kläger bei dieser Gelegenheit nicht zur Vorlage des alten Verwarngeldblockes aufgefordert. Er ergänzt sogar noch, dazu habe auch keine Veranlassung bestanden. Auch dieser Vorgang spricht mithin für eine Praxis im Umgang mit der Dienstanweisung, die einen gewissen Spielraum zulässt und nicht durch strenge Beachtung und unverzügliche Ahndung von Verstößen gekennzeichnet ist. Dies gilt hinsichtlich der Vorgänge am D. besonders auch deshalb, weil der Kläger selbst darauf hingewiesen hat, dass er auf seinem alten Verwarngeldblock nur noch 2 Quittungen habe. Da dies damit zugleich ein deutlicher Hinweis auf bei ihm schon aktuell vorhandene Einnahmen war, hätte eine Aufforderung zur Abrechnung dieser Verwarnungsgelder besonders nahe gelegen. Dem Kläger kann daher nach allem eine grob fahrlässige Verletzung seiner Dienstpflichten nicht vorgeworfen werden, so dass gegen ihn auch kein Anspruch auf Ersatz des Schadens besteht.

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Die Klage hat deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO Erfolg. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO i. V. m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 


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