Urteil vom Verwaltungsgericht Hannover (11. Kammer) - 11 A 338/07
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger, der Landwirt ist, wendet sich gegen die Kürzung der Betriebsprämie für das Jahr 2006 als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Pflanzenschutzgesetz (Cross-Compliance).
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Am 09.06.2006 brachte der Vater des Klägers, der als Altenteiler auf dem klägerischen Anwesen wohnt und zur Mithilfe im Betrieb nicht verpflichtet ist, auf dem klägerischen Hofgrundstück entlang der Scheune sowie auf Teilbereichen des befestigten Innenhofes das Herbizid Roundup aus.
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Mit Bescheid vom 27.12.2006 gewährte die Beklagte dem Kläger die Betriebsprämie für das Jahr 2006, kürzte den auszuzahlenden Betrag jedoch um 3 %, das sind 1.197,49 Euro, wegen Verstoßes gegen das Pflanzenschutzgesetz.
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Der Kläger hat am 12.01.2007 Klage erhoben. Er macht geltend, sein Vater habe bei der Verteilung der Herbizids eigenmächtig und aus eigenem Entschluss gehandelt. Das Mittel verwahre er in einem gesonderten Raum, dessen Tür verschlossen sei. Die Handlung seines Vaters sei ihm daher nicht zuzurechnen.
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Der Kläger beantragt,
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unter Aufhebung des Bewilligungsbescheids zur Betriebsprämienregelung, Antragsjahr 2006, der Beklagten vom 27.12.2006 die Beklagte zu verpflichten, zusätzlich zu der bisher bewilligten Beihilfe weitere Beihilfe im Umfang von 1.197,49 Euro dem Kläger zu bewilligen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen
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Sie trägt vor, der Kläger sei seiner Sorgfaltspflicht in fahrlässiger Weise nicht nachgekommen, weil er ersichtlich der Herbizid Roundup nicht sicher verwahrt habe. Selbst wenn man davon ausgehe müsste, dass der Vater des Klägers das Verbot des § 6 Abs. 2 Pflanzenschutzgesetz nicht kenne, hätte der Kläger dem Missbrauch durch seinen Vater vorbeugen und diesen von dem Verbot in Kenntnis setzen müssen.
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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die weitergehende Bewilligung der Betriebsprämie für das Jahr 2006; der insoweit angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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Rechtsgrundlage für die Kürzung der Betriebsprämie ist Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29.09.2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. EG L 270 v. 21.10.2003, S. 1) i.V.m. Art. 66 Abs. 1 der Verordnung (EG) 796/2004 der Kommission vom 21.04.2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 (ABl. EG L 141 v. 30.04.2004, S. 18). Danach ist im Falle einer festgestellten Nichteinhaltung anderweitiger Verpflichtungen, die auf Fahrlässigkeit des Betriebsinhabers zurückzuführen ist, der Gesamtbetrag der Direktzahlungen nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 zu kürzen, und zwar im Regelfall um 3 %.
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Die Voraussetzungen von Art. 66 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 liegen hier vor.
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Die Beklagte hat zutreffend eine Nichteinhaltung anderweitiger Verpflichtungen festgestellt. Diese Verpflichtungen folgen aus Art. 3 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003. Danach muss der Betriebsinhaber, der Direktzahlungen bezieht, die Grundanforderungen an die Betriebsführung nach Anhang III und für die Erhaltung der Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand gemäß Art. 5 VO (EG) Nr. 1782/2003 einhalten. Aus Anhang III zur VO (EG) Nr. 1782/2003 ergibt sich, dass ab dem 01.01.2006 u.a. die RL 91/414/EWG zu beachten ist, die durch das Pflanzenschutzgesetz in der Fassung vom 14.05.1998 (BGBl. I S. 971, 1527, 3512) in deutsches Recht umgesetzt worden ist. Der Vater des Klägers hat durch die Verwendung des glyphosathaltigen Herbizids Roundup im Hofbereich des klägerischen Anwesens gegen das Verbot gem. § 6 Abs. 2 PflSchG verstoßen, Pflanzenschutzmittel außerhalb von landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Flächen zu verwenden.
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Der Verstoß gegen § 6 Abs. 2 PflSchG durch den Vater des Klägers ist diesem im Rahmen der Cross-Compliance auch zuzurechnen. Art. 65 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 bestimmt, dass im Sinne von Artikel 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2993 eine Handlung oder Unterlassung unmittelbar dem einzelnen Betriebsinhaber zuzuschreiben ist, wenn er die Nichteinhaltung begangen hat und zum Zeitpunkt der Feststellung der Nichteinhaltung für den Betrieb, die betreffende Fläche, die Produktionseinheit oder das Tier verantwortlich ist. Zwar weist der Wortlaut („begangen“) auf eine enge Bedeutung im Sinne der eigenhändigen Begehung der Nichteinhaltung durch den Betriebsinhaber hin. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt sich jedoch, dass auch die Nichteinhaltung durch Dritte erfasst sein kann. Art. 65 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 sprach nämlich zunächst von „selbst begangen“. Durch Artikel 2 Absatz 3 Verordnung (EG) Nr. 239/2005 der Kommission vom 11.02.2005 zur Änderung und Berichtigung der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 (ABl. EG L 42 v. 12.02.2005, S. 3) wurde der Wortlaut mit Wirkung vom 01.01.2005 (Artikel 3 der Verordnung) berichtigt. Im Erwägungsgrund 18 der Verordnung heißt es hierzu:
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„Hinsichtlich der Haftung im Falle der Nichteinhaltung der anderweitigen Verpflichtungen gemäß Artikel 65 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 sagen mehrere Sprachfassungen nicht eindeutig aus, ob der betreffende Betriebsinhaber im Rahmen der anwendbaren einzelstaatlichen Vorschriften haftbar gemacht werden kann, insbesondere, wenn er nicht selbst im engen Sinne tätig geworden ist. Daher sollte dieser Artikel in allen Sprachfassungen anzugleichen [sein].“
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Die Berichtigung des Wortlauts sowie der Erwägungsgrund 18 sprechen zunächst einmal dafür, dass auch ein Handeln oder Unterlassen durch Dritte dem Betriebsinhaber als eigene Nichteinhaltung zurechenbar sein kann. Zugleich sprechen der Wortlaut der Vorschrift sowie der Erwägungsgrund 18 nach Auffassung des Gerichts dafür, dass die Zurechnung begrenzt ist auf Fälle, in denen dem Betriebsinhaber (wenn auch nur neben oder nach einem Dritten) ein eigenes Handeln oder Unterlassen vorzuwerfen ist, er also einen eigenen Verursachungsbeitrag zur Nichteinhaltung gesetzt hat. Für diese Auslegung spricht auch der Vergleich mit der französischen Fassungen von Art. 65 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004. Während die englische Fassung („committed“) oder die italienische Fassung („commesso“) einen dem deutschen „begehen“ vergleichbaren Ausdruck verwenden, ist die französische Fassung aufschlussreich; hier heißt es:
„[...] une action ou une omission est directement imputable à l’agriculteur concerné qui est à l’origine d’un cas de non-conformité“.
Der Betriebsinhaber muss, so wörtlich, am Ursprung der Nichteinhaltung sein; in anderen Worten muss die Nichteinhaltung auf ihn zurückzuführen sein.
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Vorliegend hat der Kläger einen eigenen Verursachungsbeitrag zum Verstoß seines Vaters gegen § 6 Abs. 2 PflSchG geleistet, indem er in Kenntnis der Vorschriften des Pflanzenschutzgesetzes das Herbizid Roundup zwar in einem verschlossenen Raum aufbewahrt hat, seinem Vater aber gleichwohl die verbotene Benutzung des Herbizids ermöglicht hat. Von der Kenntnis der Vorschriften des Pflanzenschutzgesetzes ist schon aufgrund der Verpflichtung des Klägers als landwirtschaftlichem Betriebsinhaber zur Einhaltung der in Art. 3 VO (EG) Nr. 1782/2003 umschriebenen anderweitigen Verpflichtungen auszugehen.
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Dieser Verursachungsbeitrag zur Nichteinhaltung von § 6 Abs. 2 PflSchG ist auf Fahrlässigkeit des Klägers zurückzuführen. Von Fahrlässigkeit und nicht von Vorsatz ist die Beklagte vorliegend auch zutreffend ausgegangen, was an der Kürzung der Betriebsprämie um 3 % (gem. § 66 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004) und nicht um 20 % erkennbar ist, wie sie Art. 67 VO (EG) Nr. 796/2004 für den Fall der vorsätzlichen Nichteinhaltung vorsieht.
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Unter Fahrlässigkeit ist eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei gleichzeitiger Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des Erfolgs zu verstehen. Die objektive Sorgfaltspflicht ist vorliegend durch Art. 3 VO (EG) Nr. 1782/2003 i.V.m. den Vorschriften des Pflanzenschutzgesetzes über den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln näher ausgestaltet. Der Verstoß gegen § 6 Abs. 2 PflSchG durch seinen Vater war für den Kläger nach Auffassung des Gerichts auch subjektiv vorhersehbar. Auch wenn der Vater als Altenteiler keiner Pflichten zur Mitarbeit haben mag, entspricht es doch der Lebenserfahrung anzunehmen, dass der Vater des Klägers weiterhin freiwillig in dem Betrieb Aufgaben übernimmt. Es entspricht ebenso der Lebenserfahrung, dass Altbauern entsprechend ihrer teilweise jahrzehntelangen Übung eigenmächtig handeln; dies hat für den vorliegenden Fall der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Unter diesen Voraussetzungen war es für den Kläger vorhersehbar, dass sich sein Vater über das Verbot der Benutzung von Roundup im Hofbereich hinwegsetzen würde, wenn dem dort wachsenden Unkraut mit herkömmlichen Mitteln nicht beizukommen wäre. Dem Gericht ist bekannt, dass gerade das Herbizid Roundup unter Landwirten als Allweckwaffe gegen Unkraut bekannt ist. Die Nutzung von Roundup wäre nach Überzeugung des Gerichts auch vermeidbar gewesen. Der Kläger hätte im Rahmen der Betriebsführung, wie sie Art. 3 VO (EG) Nr. 1782/2003 verlangt, das Herbizid entweder besser sichern oder mit entsprechenden Hinweisen versehen müssen und seinen Vater auch auf das Verbot bzw. die Folgen der Nichtbeachtung für den Betrieb hinweisen müssen, um ihn von der Nichtbeachtung abzuhalten.
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Die Beklagte hat die Betriebsprämie 2006 des Klägers in Anwendung des Art. 66 Abs. 1 VO (EG) 796/2004 um 3 % gekürzt; im vorliegenden Einzelfall sprechen keine besonderen Umstände dafür, vom Regelkürzungssatz in Höhe von 3 % nach unten abzuweichen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
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