Urteil vom Verwaltungsgericht Hannover (11. Kammer) - 11 A 3360/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt im Rahmen der Betriebsprämienregelung die Zuweisung von Zahlungsansprüchen mit OGS-Genehmigung aus der nationalen Reserve.
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Der Kläger bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Gemüseanbau in D.. Er stellte unter dem 25.04.2005, eingegangen bei der damaligen Landwirtschaftskammer Hannover am 06.05.2005, einen "Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen sowie Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2005". Unter Ziffer II.4.1. beantragte er die Festsetzung von Zahlungsansprüchen einschließlich der betriebindividuellen Beträge. Unter Ziffer II.4.6 "Zuweisung von Zahlungsansprüchen bzw. betriebsindividuellen Beträgen und OGS-Genehmigungen aus der nationalen Reserve wegen Pacht oder Kauf von Betrieben oder Betriebsteilen zwischen dem 01.01.2003 (nur bei Pacht) und dem 15.05.2004" gem. Art. 22 VO (EG) Nr. 795/2004 setzte der Kläger ebenfalls ein Kreuz. In dem Formular heißt es unter Ziffer II.4.6 weiter: "Der/Die entsprechende/n Antrag/Anträge ist/sind beigefügt. Die Vordrucke sind bei den Dienststellen der Landwirtschaftskammer erhältlich". Unter Ziffer II.6 beantragte der Kläger schließlich die "Zuweisung von Genehmigungen zur Aktivierung von Zahlungsansprüchen auf mit Obst, Gemüse (ausgenommen Dauerkulturen) und anderen Kartoffeln als Stärkekartoffeln (im weiteren OGS-Genehmigungen) bestellten Flächen im Umfang der nachgewiesenen Anbauflächen, die 2003 bzw. 2004 mit OGS als Hauptkultur bestellt waren".
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Der Kläger reichte mit dem Antragsformular die Ablichtung des ersten Blattes einer an ihn adressierten Mitteilung des Amtsgerichts E., Grundbuchamt, vom 29.10.2004 ein, aus dem sich ergibt, dass Eintragungen in dem Grundbuch D., Bl. 3106-3, Eigentümer: F. G., D., vorgenommen worden seien. Handschriftlich findet sich auf der Ablichtung der Vermerk: „ca. 0,7141 ha“. Außerdem reichte der Kläger die Ablichtung des ersten Blattes der Verhandlungsniederschrift des GLL - Amts für Landentwicklung - Flurbereinigung H., über die Zustimmung zur Abfindung in Geld statt in Land für die Grundstücke in der Gemarkung D., Flur 6, Flurstück 94 zur Größe von 0,3123 ha und Flur 7, Flurstück 8 zur Größe von 0,7225 ha ein. Ausweislich der Verhandlungsniederschrift war der Kläger nicht Eigentümer der Grundstücke, sollte aber die Landabfindung erhalten. Auf der Kopie findet sich ebenfalls handschriftlich der Vermerk „Kauf am 30.03.05, Besitzübergang 01.10.2005“.
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Mit Bescheid vom 07.04.2006 setze die Beklagte für den Kläger 5,93 normale Zahlungsansprüche ohne OGS-Genehmigung, 53,34 normale Zahlungsansprüche mit OGS-Genehmigung sowie 4,70 Stilllegungs-Zahlungsansprüche ohne OGS-Genehmigung zum Wert von jeweils 255,12 Euro fest. Die Anzahl der Zahlungsansprüche mit OGS-Genehmigung beruht ausweislich Anlage 5 zum Bescheid auf einer im Antragsjahr 2003 beantragten OGS-Anbaufläche von 64,42 ha unter Berücksichtigung des Kürzungskoeffizienten aufgrund der Überschreitung des niedersächsischen OGS-Plafonds von 0,8338. Aus Anlage 5 ergibt sich weiter, dass die Beklagte keine zusätzliche OGS-Anbaufläche aufgrund von Härtefallanträgen oder Anträgen für Betriebe in besonderer Lage anerkannte.
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Der Kläger hat am 18.05.2006 "Widerspruch" gegen einen Bescheid vom 20.04.2006 erhoben. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schriftsatz vom 24.05.2006 die Klage "konkretisiert" und gegen Ablehnungsbescheide vom 07.04. und 20.04.2006 gerichtet.
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Der Kläger macht geltend, er habe keine Kenntnis von dem Vordruck zum Antrag auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen mit OGS-Genehmigung aus der nationalen Reserve gehabt und diesen daher nicht verwenden können. Erst aus den Erläuterungen zum Bescheid im Schreiben der Beklagten vom 10.05.2006 habe er davon erfahren, dass die Verwendung eines amtlichen Vordrucks erforderlich sei. Ihm sei folglich jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Weiterhin habe er verfassungsgerichtliche Bedenken gegen das OGS-Genehmigungsverfahren. Dieses verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Betriebe, die in anderen Bundesländern wie etwa in Sachsen oder Hessen ansässig seien und den gleichen Gemüseanbau wie er selbst betrieben, erhielten höhere Agrarförderungen, obwohl sie die gleichen betrieblichen Voraussetzungen erfüllten. Auch liege ein Verfassungsverstoß darin, dass Zahlungsansprüche für Flächen, die nicht mit OGS-Genehmigungen versehen seien, nach drei Jahren verfielen, sofern sie für den Gemüseanbau genutzt würden. Damit werde eine Verpachtung an einen Gemüseanbaubetrieb für den Verpächter wegen des Verlusts der Zahlungsansprüche wirtschaftlich unattraktiv.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, ihm weitere 1,41 Zahlungsansprüche mit OGS-Genehmigung auf der Grundlage eines Anbaus von 1,7495 Hektar mit OGS-Kulturen aus der nationalen Reserve zu gewähren und den Bescheid vom 07.04.2006 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt im Wesentlichen vor, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen mit OGS-Genehmigung, weil er keinen Härtefallantrag gestellt habe. Die Vorlage des ausgefüllten Vordrucks zum Antrag mit weitergehenden Angaben zu Pacht oder Kauf (Ziff. II.4.6 des Antragsformulars) sei Obliegenheit des Klägers gewesen. Dieser hätte dem Antragsformular unter Ziff. II.4.6 entnehmen können, dass es einen Vordruck für weitere Angaben gegeben habe.
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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig.
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Der am 18.05.2006 beim Verwaltungsgericht eingegangene "Widerspruch" des Klägers ist als Klage auszulegen und richtet sich erkennbar gegen den am 07.04.2006 und nach Angaben des Klägers am 20.04.2006 zugegangenen Bescheid über die Festsetzung von Zahlungsansprüchen. Die Klage ist auch nicht dadurch unzulässig geworden, dass die Beklagte nach eigenen Angaben mit Bescheid vom 17.07.2007 den Bescheid vom 07.04.2006 aufgehoben und die Zahlungsansprüche des Klägers unter Berücksichtigung der weiteren Kürzung des OGS-Genehmigungen aufgrund der Überschreitung des niedersächsischen Plafonds festgesetzt hat. Den Zugang des Bescheides, den der Kläger bestritten hat, konnte die Beklagte nicht nachweisen, da sie nach eigenen Angaben diesen Bescheid formlos zugestellt hat. Auch hat der Bescheid, der von der Beklagten mit Schreiben vom 25.03.2008 zur Akte gereicht wurde, den Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung erreicht.
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Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen mit OGS-Genehmigung für die nach eigenen Angaben vor dem Ablauf der Antragsfrist nach § 11 Abs. 1 InVeKosV erworbenen drei Teilflächen zu einer Gesamtgröße von 1,7495 Hektar; der Bescheid vom 07.04.2006 ist insoweit rechtmäßig (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
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Rechtsgrundlagen für die Festsetzung von Zahlungsansprüchen nach der erstmals für das Jahr 2005 geltenden Betriebsprämienregelung sind die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. L 270 v. 21.10.2003, S. 1) mit den Durchführungsverordnungen der Kommission zur Betriebsprämienregelung in der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 vom 21. April 2004 (ABl. L 141 v. 30.04.2004, S. 1) und zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem in der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 vom 21. April 2004 (ABl. L 141 v. 30.04.2004, S. 18). Auf nationaler Ebene sind die Verordnungen durch das Gesetz zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsgesetz - BetrPrämDurchfG) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1763) in der nunmehr geltenden Fassung vom 30. Mai 2006 (BGBl. I S. 1298), die Verordnung zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsverordnung - BetrPrämDurchfV) vom 3. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3204), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 4. April 2007 (BGBl. I S. 489), und die Verordnung über die Durchführung von Stützungsregelungen und gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 im Rahmen des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems - InVeKoSV - vom 3. Dezember 2004 (BGBl I S. 3194), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 4. April 2007 (BGBl. I S. 489), umgesetzt und konkretisiert.
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Nach Art. 33 Abs. 1 Buchstabe a VO (EG) Nr. 1782/2003 in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (zur Anwendbarkeit dieser Fassung vgl. Urt. d. Kammer v. 27.02.2008 - 11 A 2954/06 -) können Betriebsinhaber die Betriebsprämienregelung in Anspruch nehmen, wenn ihnen im Bezugszeitraum nach Art. 38 der Verordnung - den Kalenderjahren 2000 bis 2002 - im Rahmen von mindestens einer der Direktzahlungen gemäß Anhang VI der Verordnung eine Zahlung gewährt wurde. Die Beihilfen im Rahmen der Betriebsprämienregelung werden gemäß Art. 36 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 auf der Grundlage zugeteilter Zahlungsansprüche für eine entsprechende Hektarzahl beihilfefähiger Flächengezahlt.
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Nach der bis zum 31.12.2007 gültigen Fassung der VO (EG) Nr. 1782/2003 können Zahlungsansprüche auf Antrag auch mit sogenannten OGS-Genehmigungen zugewiesen werden. Macht ein Mitgliedsstaat wie die Bundesrepublik Deutschland von der Möglichkeit des Art. 59 VO (EG) Nr. 1782/2003 Gebrauch, den Gesamtbetrag der regionalen Obergrenze nach Art. 58 VO (EG) Nr. 1782/2003 teilweise auf alle Betreiber der jeweiligen Region aufzuteilen, so können die Betriebsinhaber nach Art. 60 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 abweichend von Art. 51 der Verordnung in der ursprünglichen Fassung nach Maßgabe des Art. 60 auch die gemäß Art. 44 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1782/2003 angemeldeten Parzellen für die Produktion von Obst, Gemüse, Speisekartoffeln (OGS) auf der von dem Mitgliedsstaat auf nationaler und regionaler Ebene festgelegten Hektarzahl nutzen. Im Rahmen der für die Region festgelegten Obergrenze wird einem Betriebsinhaber gemäß Art. 60 Abs. 3 Buchstabe a VO (EG) Nr. 1782/2003 gestattet, die Möglichkeit des Absatzes 1 innerhalb der Obergrenze der Hektarzahl, die er für die Produktion der dort genannten Erzeugnisse im Jahr 2003 genutzt hat, in Anspruch zu nehmen. Nach Art. 60 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1782/2003 wird die Genehmigung innerhalb der betreffenden Region zusammen mit dem entsprechenden Zahlungsanspruch verwendet. Die OGS-Genehmigungen werden mit Zahlungsansprüchen eines Betriebes derart verbunden, dass ein Zahlungsanspruch nur mit einer OGS-Genehmigung aktiviert werden kann und bei der Übertragung von Zahlungsansprüchen die mit dem Zahlungsanspruch verbundene OGS-Genehmigung mit übertragen wird (vgl. Art. 41 VO (EG) 795/2004).
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Abweichend von Art. 60 Abs. 3 Buchstabe a VO (EG) Nr. 1782/2003, der auf die Nutzung der Flächen für den OGS-Anbau durch den Betriebsinhaber im Jahr 2003 abstellt, sieht Art. 22 VO (EG) Nr. 795/2004 i.V.m. §§ 16 Abs. 5, 14 Abs. 9 BetrPrämDurchfV vor, dass in den Fällen der Pacht oder des Kaufs eines Betriebs oder Betriebsteiles zwischen dem Ende des Bezugszeitraums - hier dem Jahr 2003 - und dem 15. Mai 2004 bei der Beantragung von OGS-Genehmigungen im Rahmen des Antrags auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen 2005 OGS-Genehmigungen aus der nationalen Reserve zugewiesen werden.
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Voraussetzung hierfür ist zunächst gem. §§ 16 Abs. 5, 14 Abs. 9 BetrPrämDurchfV i.V.m. § 13 Abs. 3 InVeKosV ein schriftlicher Antrag auf Zuweisung von OGS-Genehmigungen bis zum 15.05.2005. Die Frist der §§ 16 Abs. 5, 14 Abs. 8 BetrPrämDurchfV i.V.m. § 13 Abs. 3 InVeKosV, nach denen der Antrag jährlich - mithin nicht nur im Jahr 2005 - bis zum 15. Mai, der auf die Übernahme eines gepachteten oder gekauften Betriebsteils folgt, gestellt werden kann, gilt nach Auffassung des Gerichts nicht für weitere OGS-Genehmigungen, sondern nur für die Erhöhung des betriebsindividuellen Betrages. Dies ergibt sich zum einen aus der systematischen Stellung des § 14 Abs. 9 BetrPrämDurchfV, zum anderen aus dem Wortlaut der Vorschrift, der ausdrücklich auf das Antragsverfahren 2005 verweist. Grundlage für die Berechnung der aus der nationalen Reserve zuzuweisenden OGS-Genehmigungen sind nach §§ 16 Abs. 5, 14 Abs. 9 BetrPrämDurchfV die Anbauflächen in dem nach Art. 22 VO (EG) Nr. 795/2004 gepachteten oder gekauften Betrieb(steil) im Jahr vor der Pacht oder dem Kauf. Allerdings werden zusätzliche OGS-Genehmigungen nach §§ 16 Abs. 5, 14 Abs. 9 Satz 2 BetrPrämDurchfV nur gewährt, wenn sich die Hektarzahl, für die dem Betriebsinhaber eine Genehmigung erteilt wird, entweder um mindestens 5 %, mindestens jedoch um zwei, oder mindestens um 20 erhöht.
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
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Abgesehen davon, dass die vom Kläger geltend gemachten Flächen zur Gesamtgröße von 1,7495 Hektar die Mindestgröße der berücksichtigungsfähigen OGS-Flächen gem. §§ 16 Abs. 5, 14 Abs. 9 Satz 2 BetrPrämDurchfV unterschreiten und schon aus diesem Grund nicht berücksichtigungsfähig sind, fehlt es vorliegend an einem wirksamen Antrag auf Zuweisung von OGS-Genehmigungen als Betriebsinhaber in besonderer Lage wegen Pacht oder Kauf i.S.d. Art. 22 VO (EG) Nr. 795/2004.
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Gemäß § 5 Abs. 2 InVeKoSV sind in den Fällen, in denen die zuständigen Stellen Muster bekannt geben oder Vordrucke oder Formulare bereithalten, diese zu verwenden. Diese vorgeschriebene Benutzung von Vordrucken ist eine Wirksamkeitsvoraussetzung des Antrags; denn es handelt sich hierbei nicht nur um eine nichtverbindliche Ordnungsvorschrift, sondern um eine zwingende Formvorschrift, durch welche die Antragstellung nicht unzumutbar erschwert wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.10.2001 - 10 S 519/00 - Juris, zur vergleichbaren Regelung § 3 Abs. 1 Satz 2 Rind/SchafPrV). Schon aus dem Wortlaut der Regelung ergibt sich das Gebot der Verwendung der amtlichen Vordrucke. Die strenge Förmlichkeit des Verfahrens dient zum einen der Verwaltungsvereinfachung (vgl. Erwägungsgrund 17 zur VO (EG) Nr. 796/2004) und zum anderen der effektiven Verwaltungskontrolle. Letzterem Gesichtspunkt kommt aufgrund des Umstands, dass es sich bei den Zahlungsansprüchen um die Grundlage für die Gewährung gemeinschaftsrechtlicher Beihilfen handelt, bei der Auslegung des § 5 Abs. 2 InVeKosV besondere Bedeutung zu. Die strenge Förmlichkeit steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem gemeinschaftsrechtlichen Gebot der Kontrolle zur Vermeidung von Unregelmäßigkeiten und Betrugsfällen bzw. deren Ahndung, das in Titel II, Kapitel 4 der VO (EG) Nr. 1782/2003 "Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem" sowie in der VO (EG) Nr. 796/2004 eine spezifische Regelung gefunden hat. Zur Gewährleistung der Effektivität der Verwaltungskontrolle schreiben Art. 34 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 und Art. 12 VO (EG) Nr. 795/2004 die Verwendung eines Antragsvordrucks für den Antrag auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen vor; nach Art. 12 Abs. 4 VO (EG) Nr. 795/2004 erfolgt die Festsetzung der im ersten Anwendungsjahr der Betriebsprämienregelung zuzuweisenden Zahlungsansprüche auf Basis dieses Antrags. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es ganz offenkundig, vom Antragsteller zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt (Tag des Eingangs) eine endgültige und abschließende Erklärung über alle für die Prämiengewährung erforderlichen Angaben zu fordern.
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Der Kläger hat zwar durch Ankreuzen von Ziff. II.4.6. im Antragsformular auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen die Zuweisung von OGS-Genehmigungen aus der nationalen Reserve beantragt. Sein Antrag ist allerdings unvollständig und damit als nicht gestellt zu werten, weil er den weiteren Antragsvordruck nicht nutzte, den die Beklagte ausweislich des Hinweises im Antragsformular unter Ziff. II.4.6. vorgehalten hat.
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Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger zusammen mit dem Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen und Sammelantrag 2005 eingereichten Ablichtungen der jeweils ersten Seite von Dokumenten, die den Kauf der drei streitgegenständlichen Flächen betreffen, auch deshalb den Anforderungen an einen wirksamen Antrag nicht genügen, weil sie in mehrfacher Hinsicht die für die Antragsbearbeitung erforderlichen Angaben nicht enthalten. So ergibt sich aus der Ablichtung der ersten Seite der Mitteilung des Grundbuchamts E. weder die Flurbezeichnung des Grundstücks noch dessen Größe, noch das Datum des Eigentumsübergangs, noch der Name des Käufers. Aus der Ablichtung der ersten Seite des Protokolls über das Flurbereinigungsverfahren ergibt sich wiederum nicht, wann und ob die bezeichneten Grundstücke in das Eigentum des Klägers übergegangen sind, und ob das Protokoll ordnungsgemäß unterschrieben wurde.
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Demgegenüber kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass er zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen am 06.05.2006 von der Existenz des erforderlichen Vordrucks keine Kenntnis gehabt habe. Im Rahmen seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vorgetragen, ein Mitarbeiter der Beklagten habe das Antragsformular nach den "Kreuzchen" durchgesehen und jede Seite abgestempelt; er sei aufgrund dessen davon ausgegangen, dass der Antrag vollständig sei.
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Zunächst kommt es auf ein Verschulden des Klägers bei der Nichteinhaltung der Antragsfrist nicht an. Denn die Überschreitung der Antragsfrist stellt keine Unregelmäßigkeit im Sinne des Gemeinschaftsrechts dar, sondern ist die gewöhnliche Folge des Ablaufs einer zwingenden Frist und damit ein präventives Druckmittel (vgl. Erwägungsgrund 27 zur VO (EG) Nr. 796/2004). Deshalb ist es für den Eintritt der Rechtsfolge grundsätzlich unerheblich, ob dem Kläger ein Verschulden angelastet werden kann.
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Dem Kläger hat auch keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 32 VwVfG. Nach § 32 Abs. 5 VwVfG ist die Wiedereinsetzung unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Dies ist der Fall bei einer Ausschlussfrist, deren Versäumung zur Folge hat, dass der Betreffende seine materielle Rechtsposition verliert, auch wenn ihn insoweit kein Verschulden trifft. Eine Ausschlussfrist in diesem Sinne liegt vor, wenn entweder der Ausschluss der Wiedereinsetzung ausdrücklich in der gesetzlichen Fristenregelung bestimmt ist oder deren Auslegung nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte, Gesetzesmaterialien und Sinn und Zweck der Regelung unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen - einerseits dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Frist, andererseits dem Interesse des Einzelnen an ihrer nachträglichen Wiedereröffnung bei unverschuldeter Fristversäumung - ergibt, dass der materielle Anspruch mit der Einhaltung der Frist “steht und fällt“, ein verspäteter Antragsteller also materiellrechtlich seine Anspruchsberechtigung endgültig verlieren soll (BVerwG, Urt. v. 18.04.1997 - 8 C 38.95 -, NJW 1997, 2966, 2967 f.; Nds. OVG, Urt. v. 14.03.2007 - 4 LC 16/05, Juris). Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Frist des Art. 34 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 InVeKosV ist keine Verfahrensfrist, sondern eine materielle Frist. Sie soll nicht lediglich das Verwaltungsverfahren ordnen, sondern stellt eine Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen im Rahmen der einheitlichen Betriebsprämienregelung dar. Nach Art. 21 a VO (EG) 796/2004 verringert sich - außer in Fällen höherer Gewalt und außergewöhnlicher Umstände - bei verspäteter Einreichung des Antrags auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen und Sammelantrag 2005 die Betriebsprämie für das Jahr 2005 um 4 % je Arbeitstag Verspätung. Beträgt die Terminüberschreitung mehr als 25 Kalendertage, ist der Antrag auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen als unzulässig anzusehen und abzulehnen. Die Einhaltung der Antragsfrist ist demnach Voraussetzung für das Bestehen des Anspruchs auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen.
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Ausnahmen von der Unzulässigkeit des Antrags wegen Fristversäumung können sich nur aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben. Dieses sieht regelmäßig nur die Ausnahmen der höheren Gewalt und der außergewöhnlichen Umstände vor; andere Ausnahmen - etwa die Möglichkeit der Wiedereinsetzung - kennt es daneben nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.2004 - 3 C 27.03 - BVerwGE 121, 10, 12). Nach Art. 21a Abs. 1 Unterabsatz 2 i.V.m. Art. 72 VO (EG) Nr. 796/2004 bleibt ein die Antragsfrist des 17.05.2005 um mehr als 25 Kalendertage überschreitender Antrag ausnahmsweise dann zulässig, wenn ein Fall von höherer Gewalt oder außergewöhnlichen Umständen vorliegt und dies der zuständigen Behörde mit den von ihr anerkannten Nachweisen innerhalb von 10 Arbeitstagen nach dem Zeitpunkt, ab dem der Betriebsinhaber hierzu in der Lage ist, schriftlich mitgeteilt wird.
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Auf höhere Gewalt kann sich der Kläger indes nicht berufen. Der Begriff der höheren Gewalt ist ein allgemeiner Begriff des Gemeinschaftsrechts, dessen Funktion es ist, Härten aus der Anwendung von Präklusions- und Sanktionsvorschriften in besonders gelagerten Fällen zu vermeiden und damit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall zu entsprechen. Er setzt voraus, dass der Nichteintritt der fraglichen Tatsache auf Umständen beruht, die vom Willen desjenigen, der sich hierauf beruft, unabhängig, ungewöhnlich und unvorhersehbar sind und deren Folgen trotz aller Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können (vgl. statt vieler BVerwGE 121, 10, 12 ff., m.w.N., und EuGH, Urt. v. 18.03.1993, Rs. C-50/92 - Molkerei-Zentrale Süd, Slg. 1993, I-1053, Rz. 13f.)
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Zwar kann - jedenfalls nach innerstaatlichem Recht - höhere Gewalt in besonders gelagerten Fällen auch in einer irreführenden Anregung oder Auskunft einer Behörde zu sehen sein. So hat das Bundesverwaltungsgericht zum Begriff der "höheren Gewalt" im Sinne von § 27 Abs. 3 SGB X, der § 32 Abs. 3 VwVfG entspricht, entschieden, dass eine objektiv unrichtige rechtswidrige behördliche Belehrung, die eine Versäumung der Antragsfrist verursacht, als unabwendbarer Zufall und damit - auch aus verfassungsrechtlichen Gründen - als ein Ereignis aus dem Bereich der höheren Gewalt im Sinne der Wiedereinsetzungsvorschriften anzusehen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.04.1997 - 8 C 38/95 -, NJW 1997, Seite 2966, 2969). Diese Rechtsprechung ist nach Auffassung des Gerichts auf das Gemeinschaftsrecht übertragbar. Auch der EuGH geht nämlich davon aus, dass Regelwidrigkeiten im Bereich der staatlichen Verwaltung generell unvorhersehbar und ungewöhnlich sind (EuGH, a.a.O.).
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Der Annahme höherer Gewalt steht vorliegend indes entgegen, dass die Beklagte in ihrem eigenen Formblatt zum Antrag auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen und Sammelantrag 2005 unter Ziff. II.4.6. auf die weiteren Antragsvordrucke hingewiesen hat und insofern der Kläger bei sorgfältigem Studium der Antragsunterlagen hätte erkennen können, dass es eines weiteren Vordrucks bedurfte. Demgegenüber hat die Beklagte nach dem eigenen Vortrag des Klägers nur das Formular Antrag auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen und Sammelantrag 2005 durchgesehen und eine weitergehende Beratung im Hinblick auf die Anlagen nicht vorgenommen. Wäre dies der Fall gewesen, wären auch die nicht vom Kläger dem Antrag beigefügten, für sich genommen nicht aussagekräftigen Ablichtungen aufgefallen. Im Übrigen hat der Kläger im Rahmen seiner informatorischen Anhörung die Einschätzung geäußert, die Mitarbeiter der Beklagten seien von dem Verfahren der einheitlichen Betriebsprämienregelung im ersten Anwendungsjahr 2005 überfordert gewesen, so dass schon fraglich ist, ob er sich billigerweise nach seinem eigenen Eindruck auf die Überprüfung der Vollständigkeit seiner Unterlagen - sofern sich diese auch auf weitere Vordrucke und nicht nur auf die Angaben im Antragsformular selbst bezog - verlassen konnte.
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Der Kläger kann sich auch nicht auf das Vorliegen sonstiger außergewöhnlicher Umstände i.S.d. Art. 21 a VO (EG) Nr. 796/2004 berufen. Neben der vorgeblichen Falschberatung hat der Kläger sich lediglich darauf berufen, bis zu dem Schreiben der Beklagten vom 10.05.2006 keine Kenntnis von weiteren Vordrucken gehabt zu haben. Darin kann indes wegen des ausdrücklichen Hinweises unter Ziff. II.4.6. des Antragsformulars kein außergewöhnlicher Umstand, der in seiner Qualität der höheren Gewalt entsprechen muss, liegen.
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Der Kläger kann sich schließlich auch nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Zuweisung von Zahlungsansprüchen mit OGS-Genehmigung berufen. Diese Bedenken sind nach Überzeugung des Gerichts nicht begründet. Es mag zwar zutreffen, dass die niedersächsischen und bremischen Landwirte in höherem Maße als Landwirte aus anderen Bundesländern von der Kürzung der Genehmigungen aufgrund der Überschreitung des für die jeweilige Region i.S.d. Art. 58 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 i.V.m. § 2 Abs. 2 BetrPrämDurchfG festgelegten Plafonds betroffen sind. Diese Ungleichbehandlung ist vom Gesetzgeber indes nicht gewollt; denn § 10 BetrPrämDurchfG stellt nur die Rechtsgrundlage für die Kürzung dar. Danach wird die Hektarzahl, für die je Betriebsinhaber die Genehmigung erteilt wird, anteilsmäßig gekürzt, wenn die bewilligungsfähige Hektarzahl nach Art. 60 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1782/2003 die regionale Obergrenze nach Art. 60 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 übersteigt. Die Notwendigkeit einer Kürzung hat ihre Ursache vielmehr in der verwaltungstechnischen Erfassung aller Flächen, auf denen in der betreffenden Region im Referenzjahr 2003 OGS-Kulturen angebaut wurden. Hier war insbesondere das Land Niedersachsen der Schwierigkeit ausgesetzt, Flächen - etwa für den Spargelanbau - zu erfassen, für die die betreffenden Gemüsebauern im Jahr 2003 mangels Förderfähigkeit keinen Förderantrag gestellt hatten.
- 36
Auch liegt kein Verfassungsverstoß darin, dass Zahlungsansprüche für Flächen, die nicht mit OGS-Genehmigungen versehen sind, nach drei Jahren verfallen, sofern sie für den Gemüseanbau genutzt werden. Die Regelung des Art. 45 VO (EG) Nr. 1782/2003 mag in der Tat in der Vergangenheit dazu geführt haben, dass einzelne Betriebsinhaber - wie etwa der Kläger - Flächen nicht zum Gemüseanbau pachten konnten, für die der Verpächter keine OGS-Genehmigungen hatte, weil der Verpächter den Verfall der mit den Flächen verbundenen Zahlungsansprüchen fürchten musste. Diese für alle Zahlungsansprüche geltende Regelung gilt indes seit dem 01.01.2008 gerade für Zahlungsansprüche mit OGS-Genehmigung nicht mehr (vgl. Art. 45 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1782/2003, eingefügt durch Art. 52 Unterabsatz 7 VO (EG) Nr. 1182/2007 des Rates vom 26. September 2007 mit besonderen Vorschriften für den Obst- und Gemüsesektor, ABl. L 273 v. 17.10.2007, S. 1). Hintergrund ist die Änderung des Rechtswirkung der OGS-Genehmigung mit Wirkung zum 01.01.2008 durch die genannte VO (EG) Nr. 1182/2007 zu einer Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt. Deutschland hat von der nach Art. 51 Satz 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 in der seit dem 01.01.2008 geltenden Fassung eingeräumten Option keinen Gebrauch gemacht, bis zum 01.11.2007 zu beschließen, dass die Parzellen weiterhin nicht für die OGS-Produktion und den Betrieb von Reb- und Baumschulen genutzt werden dürfen. Damit bedarf es nach der Neuregelung keiner OGS-Genehmigungen und keiner entsprechenden Anträge mehr, wie Art. 60 Abs. 8 Satz 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 n. F. ausdrücklich klarstellt. Im Übrigen liegt auch für die Jahre 2005 bis 2007 kein verfassungsrechtlich relevanter Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit oder in das Eigentumsrecht des Klägers vor, weil es dem Kläger möglich gewesen wäre, Zahlungsansprüche mit OGS-Genehmigung zu erwerben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
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