Urteil vom Verwaltungsgericht Hannover (7. Kammer) - 7 A 3697/07
Tenor
Es wird festgestellt, dass das von der Beklagten am 05. Juni 2007 gegen den Kläger für die Zeit vom 05. Juni 2007 bis zum 08. Juni 2007 ausgesprochene Schulbetretungsverbot rechtswidrig war.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Der 14 Jahre alte Kläger besuchte im hier streitigen Zeitraum die 6. Klasse der Kooperativen Gesamtschule in Wennigsen (im Folgenden: KGS); er begehrt die Feststellung, dass ein von der Beklagten am 05. Juni 2007 mündlich gegen ihn ausgesprochenes viertägiges Schulbetretungsverbot rechtswidrig war.
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Von April bis Juni 2007 traten in der Region Hannover zwei Häufungen von Masernerkrankungen auf, zunächst neun Fälle in Gehrden und später dreizehn Fälle in der Region und in der Stadt Hannover, davon drei in Wennigsen. Am Freitag, den 25. Mai 2007, erklärte die Beklagte den Masernausbruch in Gehrden für beendet; später, aber ebenfalls noch am gleichen Tag, erhielt die Beklagte Kenntnis von Masern bei einer 41-jährigen Mutter aus Wennigsen, die über Himmelfahrt an einer Chorfreizeit teilgenommen hatte. Am darauf folgenden Dienstag nach Pfingsten, den 29. Mai 2007, meldete der Hausarzt der 41-jährigen Mutter aus Wennigsen, dass auch ihre den Kindergarten besuchende Tochter und ihr die Grundschule in Wennigsen besuchender Sohn an Masern erkrankt seien; bei dem Sohn, der noch am Freitag vor Pfingsten die Schule besucht hatte, soll das Exanthem am Pfingstmontag ausgebrochen sein. Aufgrund von privaten Kontakten der an Masern erkrankten Familie aus Wennigsen traten in der Folge bei zehn weiteren Kindern im Stadtgebiet von Hannover Masern auf. Mit einem in den Schulen und Kindergärten von Wennigsen verteilten Informationsschreiben vom 31. Mai 2007 wies die Beklagte darauf hin, dass Maßnahmen gegen eine Weiterverbreitung der Masern beabsichtigt seien; wegen der Einzelheiten wird auf das Merkblatt - Bl. 6 der Gerichtsakte - verwiesen.
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Am Sonntag, den 03. Juni 2007, informierte die Klassenlehrerin des Klägers in einem Telefonat dessen Mutter darüber, dass Mitarbeiter der Beklagten an den darauf folgenden Tagen auch in der KGS die Impfausweise der Schüler kontrollieren werden, weil ein Schüler der Grundschule an Masern erkrankt sei. Sofern der Kläger nicht gegen Masern geimpft sei und in der Vergangenheit noch keine Masernerkrankung durchgemacht habe, könne er - mit Einverständnis der Mutter - in der Schule geimpft werden; wenn die Mutter dies ablehne, solle sie das schriftlich mitteilen.
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Am Montag, den 04. Juni 2007, klagte der Kläger über Schwindel, Übelkeit und Beschwerden im Bauchbereich und blieb zu Hause; Fieber oder andere Anzeichen von typischen Erkältungskrankheiten hatte er nicht. Am Dienstag, den 05. Juni 2007, ging er wieder zur Schule. Die Klassenlehrerin schickte ihn in das Schulsekretariat; von dort erhielt er die Mitteilung, dass er für die Dauer von zwei Wochen oder länger die Schule nicht betreten dürfe. Die Schulsekretärin unterrichtete die Mutter des Klägers anschließend telefonisch hierüber. Auf Nachfrage wurde der Mutter des Klägers erklärt, dass die Schule mit einer Ärztin der Beklagten Rücksprache gehalten und weisungsgemäß den Kläger nach Hause geschickt habe, weil er nicht gegen Masern geimpft sei, in der Vergangenheit auch noch nicht an Masern erkrankt sei und eine sofortige Impfung vor Ort ablehne. Der Kläger wurde zuvor weder ärztlich untersucht noch zu möglichen Kontakten mit dem Masern-Indexfall an der Grundschule befragt.
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Der Kläger hatte am Donnerstag, den 07. Juni 2007, beim Verwaltungsgericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht mit dem Ziel, ihm den Schulbesuch vorläufig wieder zu gestatten - 7 B 2968/07 -. Die Beklagte erklärte in ihrer Antragserwiderung vom Freitag, den 08. Juni 2007, dass der Kläger am darauf folgenden Montag wieder zur Schule gehen könne. Die Beteiligten erklärten daraufhin das einstweilige Rechtsschutzverfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt.
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Der Kläger hat am 24. Juli 2007 Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Ein Feststellungsinteresse liege vor, da es jederzeit wieder zu infektiösen Krankheiten und diesbezüglichen Maßnahmen des Beklagten kommen könne.
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Der Unterrichtsausschluss sei nicht gerechtfertigt gewesen; entgegen der Auffassung der Beklagten sei er, der Kläger, nicht einmal ansteckungsverdächtig gewesen. Die Grundschule Wennigsen, in welcher der Masernfall aufgetreten sei, und die KGS, die er besuche, seien räumlich voneinander getrennt. Der Unterrichtsausschluss komme im Ergebnis einer Impfpflicht gleich, weil jeder nicht geimpfte Schüler damit unter Zugzwang gesetzt werde und die Folgen der Abwesenheit vom Unterricht selbst zu tragen habe. Nach dem Infektionsschutzgesetz seien Masern zwar meldepflichtig, eine Impfpflicht bestehe jedoch weder nach diesem noch nach einem anderen Gesetz. Das Vorgehen des Gesundheitsamtes, sämtliche Kinder einer anderen Schule impfen zu wollen, sei unverhältnismäßig.
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Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass das von der Beklagten am 05. Juni 2007 gegen den Kläger für die Dauer vom 05. Juni 2007 bis zum 08. Juni 2007 verhängte Schulbetretungsverbot rechtswidrig gewesen ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen
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Das gegenüber dem Kläger am 05. Juni 2007 mündlich ausgesprochene Schulbetretungsverbot sei rechtmäßig gewesen. Die Schulleitung der KGS habe auf Weisung des Fachbereichs Gesundheit allen Schülern sowie allen in der Gemeinschaftseinrichtung tätigen Personen, die nicht gegen Masern hinreichend geschützt gewesen seien und eine Impfung abgelehnt hätten, das Betreten der Schule untersagt.
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Personen, die an Masern erkrankt oder dessen verdächtig seien, dürften bereits kraft Gesetzes nicht am Schulunterricht teilnehmen; hierüber seien die Eltern in dem Brief vom 31. Mai 2007 informiert worden. Der Unterrichtsausschluss sei auf ungeschützte Personen beschränkt worden, die nach den Ermittlungen des Fachbereichs Gesundheit ansteckungsverdächtig gewesen seien.
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Nach den Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen, wo im Jahre 2006 etwa 1700 Personen an Masern erkrankt waren, gelte jeder Schüler einer Gemeinschaftseinrichtung als ansteckungsverdächtig, wenn er über keinen ausreichenden Impfschutz verfüge. Auch alle ungeimpften Schüler der KGS - und damit auch der Kläger - seien ansteckungsverdächtig gewesen, weil die Grundschule Wennigsen und die KGS funktional als eine Gemeinschaftseinrichtung anzusehen seien, auch wenn sie nicht in einem Gebäude untergebracht seien. Beide Schulen nutzten gemeinsam die Bibliothek, die Bushaltestelle und die Spielmöglichkeiten; die KGS veranstalte zudem in der Grundschule einen Kochkurs. Es finde also eine Durchmischung der Schülerpopulation beider Schulen statt.
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Rechtsgrundlage für das ausgesprochene Schulbetretungsverbot sei § 28 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz - lfSG -, der neben § 34 IfSG anwendbar sei. Die Anordnung gegenüber dem Kläger sei auch verhältnismäßig gewesen. Das Schulbetretungsverbot sei geeignet gewesen, die drohende Gefahr der Weiterverbreitung der Krankheitserreger abzuwenden, weil der Kläger als KGS-Schüler zunächst selbst als angesteckt und somit als Quelle weiterer Infektionen gegolten habe. Die Maßnahme sei auch notwendig gewesen, um eine Weiterverbreitung der Masern zu verhindern und ungeschützte Personen vor einer Ansteckung mit Masern zu schützen. Nur sofortiges konsequentes und auch restriktives Handeln könne die Infektkette unterbrechen und so die Wahrscheinlichkeit von Encephalitiden oder gar Todesfällen senken. Masern seien hoch ansteckend. Die Erreger würden durch Tröpfcheninfektion beim Husten, Niesen oder Sprechen innerhalb eines Abstandes bis zu ca. einem Meter zu einer infektiösen Person übertragen. Die Masern verbreiteten sich zudem explosionsartig‚ weil die infizierten Personen bereits ansteckend seien, ohne dass sie selbst Krankheitssymptome bemerkten oder für andere sichtbar seien. Vielfach zeigten die Masernerkrankten zunächst Symptome wie Schnupfen, Husten‚ Niesen‚ die von Erkältungskrankheiten zunächst nicht zu unterscheiden seien. Bis die Masernerkrankung erkennbar werde, könne die infizierte Person bereits eine Vielzahl von Personen angesteckt haben, ohne es zu wissen und zu wollen. Denn die Ansteckungsfähigkeit beginne bereits 5 Tage vor Auftreten des Exanthems und halte bis 4 Tage danach an; unmittelbar vor Erscheinen des Exanthems sei sie sogar am größten. Der Beklagte habe gegenüber dem Kläger den Schulbesuch nur solange untersagt wie dies zwingend notwendig gewesen sei‚ um eine weitere Verbreitung der Masern in den betroffenen Schulen sicher ausschließen zu können. Ab Montag, den 11. Juni 2007, sei nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Masern in der KGS nicht mehr zu befürchten gewesen. Weniger belastende Schutzmaßnahmen seien nicht möglich gewesen, da der Kläger nicht die einzige ungeschützte Person gewesen sei. Wäre ihm der Schulbesuch erlaubt worden, hätte auch den anderen ungeschützten Personen der Schulbesuch bzw. das Betreten der Schule erlaubt werden müssen. Damit hätte wieder die Gefahr einer Weiterverbreitung der Masern bestanden. Angesichts der Häufung von Masernerkrankungen im Zeitraum von April bis Ende Juni 2007 habe durch sofortiges konsequentes und auch restriktives Handeln eine Ausweitung der Masernerkrankung verhindert werden sollen. Dabei sei auch berücksichtigt worden, dass es sich bei der Region Hannover um einen Ballungsraum handele, so dass es bei einer räumlichen Entgrenzung des Infektionsgebietes zu einer explosionsartigen Ausweitung der Masern kommen könne. Da die Durchimpfungsquote in der Region zwischen 61,4 % und 84,15 % liege, sei die Gefahr für eine Masernepidemie so hoch, dass im Vergleich hierzu die Interessen des Einzelnen am Schulbesuch zurückstehen müssten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der KGS Wennigsen verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage gegen das dem Kläger mündlich am 05. Juni 2007 erteilte und - nachträglich - bis zum 08. Juni 2007 befristete Schulbetretungsverbot ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zulässig (1) und begründet (2).
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1) Das nachträglich auf 4 Schultage begrenzte Verbot, die KGS zu betreten, hat sich bereits vor Erhebung der Klage am 24. Juli 2007 durch Zeitablauf erledigt und ist gegenstandslos geworden, sodass der Kläger in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO lediglich noch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts begehren kann.
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Ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung ist gegeben, weil die Beklagte nach ihren zu Protokoll gegebenen Erklärungen auch in Zukunft in einem vergleichbaren Wiederholungsfall den Kläger ohne vorherige Anhörung, ohne vorherige Untersuchung und ohne vorherige Befragung zu möglichen Kontakten zu einem Indexfall mit einem Schulbetretungsverbot belegen wird.
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Die Klage gegen das mündlich ohne Rechtsbehelfsbelehrung erteilte Schulbetretungsverbot ist auch fristgerecht - nämlich innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO - erhoben worden.
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2) Das von der Beklagten am 05. Juni 2007 gegen den Kläger für die Zeit bis zum 08. Juni 2007 ausgesprochene Schulbetretungsverbot war rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 und 4 VwGO).
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Die Beklagte hat das Schulbetretungsverbot auf § 28 Abs. 1 IfSG gestützt, der die zuständige Behörde ermächtigt, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 - 31 genannten, zu treffen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.
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a) Die Kammer geht zu Gunsten der Beklagten von der formellen Rechtmäßigkeit des Schulbetretungsverbots aus.
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Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Beklagten folgt aus den §§ 16, 28 IfSG iVm § 3 Abs. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst - NGöGD - und § 9 Nr. 4 a) des Gesetzes über die Region Hannover. Nach den übereinstimmenden Erklärungen der Mutter des Klägers und der Beklagten hat die Beklagte - und nicht die Schule - das Schulbetretungsverbot erlassen und sich - zulässigerweise - der Schule als Erklärungsboten bedient. Zwar konnte nicht aufgeklärt werden, ob am 05. Juni 2007 überhaupt ein Mitarbeiter der Beklagten in der KGS war; die Schulsekretärin erklärte aber gegenüber der Mutter des Klägers in dem Telefonat am 05. Juni 2007, dass das Schulbetretungsverbot nach Rücksprache mit einer Ärztin und auf Weisung des Gesundheitsamtes der Beklagten erfolgt sei. Auch die Beklagte trägt vor, dass die Schule lediglich auf Weisung gehandelt habe und der ergangene Verwaltungsakt ihr zuzurechnen sei.
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Weder das IfSG noch das VwVfG schreiben für den streitbefangenen Verwaltungsakt die Schriftform vor, sodass dieser zulässigerweise mündlich ergehen durfte. Als bloß mündlicher Verwaltungsakt musste das Schulbetretungsverbot auch nicht begründet werden, da eine Begründungspflicht nur bei schriftlichen oder schriftlich bestätigten Verwaltungsakten erforderlich ist (§ 39 Abs. 1 S. 1 VwVfG) und der Kläger eine schriftliche Bestätigung nicht gefordert hatte. In einem solchen Fall steht bei Fehlen eines Widerspruchsverfahrens der mündliche Verwaltungsakt mit der im Verwaltungsprozess von der Behörde gegebenen Begründung zur gerichtlichen Überprüfung.
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Ob der Kläger und seine Erziehungsberechtigten ordnungsgemäß angehört worden sind, lässt die Kammer offen, weil das Schulbetretungsverbot jedenfalls materiell rechtswidrig war.
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b) Die Beklagte ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass allein die Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG vorliegend als Rechtsgrundlage für das ausgesprochene Schulbetretungsverbot in Frage kam. Allerdings enthält der 6. Abschnitt des IfSG (§§ 33 ff IfSG) zusätzliche Vorschriften für Schulen und sonstige Gemeinschaftseinrichtungen; die tatbestandlichen Voraussetzungen der dort geregelten gesetzlichen Verbote lagen jedoch nicht vor. Für Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen bestimmt § 34 Abs. 1 IfSG, dass eine Person, die an Masern erkrankt oder dessen verdächtig ist, keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstige Tätigkeiten ausüben darf, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten hat, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit nicht mehr zu befürchten ist. Gleiches gilt nach Satz 2 für die Betreuten dieser Gemeinschaftseinrichtung mit der Maßgabe, dass sie die dem Betrieb der Gemeinschaftsreinrichtung dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen dürfen. Das unmittelbar kraft Gesetzes geltende Verbot in § 34 Abs. 1 IfSG setzt damit eine (Masern-)Erkrankung oder zumindest einen Krankheitsverdacht voraus. Der Kläger war unstreitig nicht an Masern erkrankt; er war am 05. Juni 2007 auch nicht krankheitsverdächtig. Als "krankheitsverdächtig" definiert § 2 Nr. 5 IfSG eine Person, bei der Symptome bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten übertragbaren Krankheit vermuten lassen. Zwar hatte der Kläger sich am 04. Juni 2007 krank gemeldet; seine Krankheitssymptome stimmten aber nicht mit denen der Masern überein, sodass § 34 Abs. 1 Satz 2 IfSG als Rechtsgrundlage für das Schulbetretungsverbot ausscheidet. Die Kammer weist nur vorsorglich darauf hin, dass einem Verbot auf Grund eines Krankheitsverdachts in der Regel eine ärztliche Untersuchung vorausgehen muss und im Übrigen das gesetzliche Verbot auch nicht uneingeschränkt gilt, weil die Behörde nach § 34 Abs. 7 IfSG Ausnahmen zulassen kann, sofern andere Schutzmaßnahmen in Betracht kommen (vgl. Bales/Baumann/Schnitzler, IfSG, 2. Aufl., § 34 Rn. 18; Erdle, IfSG, § 34 Rn. 1).
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Auch § 34 Abs. 3 IfSG scheidet als Rechtsgrundlage für das Schulbetretungsverbot aus, weil in der Wohngemeinschaft des Klägers weder eine Masernerkrankung noch ein Masernverdacht aufgetreten waren.
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Die Beklagte hat deshalb das Schulbetretungsverbot nach ihren Ausführungen im Verwaltungsprozess ausschließlich auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG gestützt. Diese ermächtigt die zuständige Behörde zu "notwendigen Schutzmaßnahmen" auch gegen Personen, die bloß ansteckungsverdächtig sind. § 28 IfSG räumt dabei kein Entschließungs-, wohl aber ein Auswahlermessen hinsichtlich der Mittel ein, nämlich zum einen auf die "notwendigen" Schutzmaßnahmen und zum anderen im Hinblick auf zeitliche Dauer und Ausmaß auf das "erforderliche" Maß. Ansteckungsverdächtig ist nach § 2 Nr. 7 IfSG eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Umstand der Nichtimpfung sowie der nicht nachgewiesenen Masernerkrankung allein einen Ansteckungsverdacht und damit den Ausschluss dieser Personen nach § 28 IfSG aber noch nicht rechtfertigen. Hiergegen sprechen vor allem gesetzessystematische Gründe, weil der Gesetzgeber des IfSG insbesondere mit der Regelung § 34 Abs. 3 IfSG (Ausdehnung der Tätigkeits- und Betretungsverbote auf Personen, die mit kranken oder krankheitsverdächtigen Personen in einer Wohngemeinschaft leben) selbst eine unmittelbare und differenzierte Regelung dazu getroffen hat, welche Personen er als "ansteckungsverdächtig" ausschließen möchte. Eine inhaltlich vergleichbare Regelung zu § 34 Abs. 3 IfSG war auch bereits in dem Vorgängergesetz zum IfSG, dem Bundesseuchengesetz, enthalten. Diese Regelung im Bundesseuchengesetz war dem Gesetzgeber bei den Gesetzesberatungen des IfSG bekannt. In der Gesetzesbegründung des Deutschen Bundestags zum neuen IfSG heißt es ausdrücklich: "Die Vorschriften der §§ 44 ff Bundesseuchengesetz (neu: §§ 33 ff IfSG) haben sich insgesamt bewährt. Auch der Adressatenkreis dieser Normen ist sachgerecht." Der Gesetzgeber hielt es somit bei der Neufassung des IfSG ausdrücklich nicht für notwendig, das Betretungs- und Tätigkeitsverbot des § 34 Abs. 3 IfSG für Kontaktpersonen über den Kreis der Mitglieder der Wohngemeinschaft hinaus auszudehnen. Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung der Beklagten, die Vorschrift des § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG, wonach die zuständige Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen von Satz 1 Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne des § 33 IfSG schließen kann, im Wege des "erst Recht-Schlusses" heranzuziehen, weil der Gesetzgeber es bewusst unterlassen hat, alle Kinder mit fehlendem Impfstatus und ohne nachgewiesene Impfung als ansteckungsverdächtig vom Schulbesuch kraft Gesetzes auszuschließen. Die in den Schulgesetzen normierte Schulpflicht und das Nichtbestehen einer gesetzlichen Impfpflicht für Masern in Deutschland gebieten es außerdem, den Ausschluss vom Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen nur restriktiv als ultima ratio zu verhängen. Die bloße Weigerung, sich (gegen Masern) impfen zu lassen, begründet deshalb allein noch keinen Ansteckungsverdacht. Ein Ansteckungsverdacht außerhalb einer Wohngemeinschaft muss vielmehr im Einzelfall von der zuständigen Behörde festgestellt werden. Das in der Kommentierung von Bales/Baumann/Schnitzler, aaO, unter § 2 Rdnr. 13 wiedergegebene Zitat, wonach alle Personen‚ die sich selbst mit Krankheitserregern durch Kontakt mit Personen oder Gegenständen infizieren konnten, zunächst selbst als angesteckt und somit als Quelle weiterer Infektionen gelten müssten, kann nach Ansicht der Kammer nicht so verstanden werden, dass damit auch jede noch so fern liegende Möglichkeit eines Kontakts ausreicht, um Schutzmaßnahmen wie ein Schulbetretungsverbot zu rechtfertigen. Eine solche Auslegung würde dem im Grundgesetz verankerten Gebot, die Verhältnismäßigkeit zu wahren, widersprechen. Liegen allerdings konkrete Tatsachen vor, dass eine Person Krankheitserreger aufgenommen hat, kann ihr untersagt werden, eine Gemeinschaftseinrichtung zu betreten, selbst wenn in deren Wohngemeinschaft noch keine Masernerkrankung oder ein entsprechender Krankheitsverdacht aufgetreten ist.
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Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte keine konkreten Tatsachen ermittelt, die einen Ansteckungsverdacht beim Kläger hätten rechtfertigen können. Allein der Umstand, dass bei einem einzigen Schüler der Grundschule Wennigsen Masern aufgetreten waren, reicht noch nicht aus, einen Schüler einer anderen Schule als ansteckungsverdächtig anzusehen. Die Grundschule Wennigsen und die KGS sind nicht unmittelbar in einem Gebäude untergebracht, sondern mehrere Hundert Meter voneinander entfernt. Sie können deshalb entgegen der Auffassung der Beklagten schon nicht als eine Gemeinschaftseinrichtung im Sinne von § 33 IfSG angesehen werden. Mehrere Hundert Meter entfernt voneinander stehende Schulen werden auch nicht dadurch zu einer Gemeinschaftseinrichtung im Sinne von § 33 IfSG, dass beide Schulen die Bibliothek, die Bushaltestelle und die Spielmöglichkeiten gemeinsam nutzen oder ein Kochkurs der einen Schule in der anderen abgehalten wird. Dies schließt nicht aus, dass im Einzelfall ein Ansteckungsverdacht auf derartige schulische oder außerschulische Kontakte gestützt werden kann. Hierfür bedarf es dann aber tatsächlicher Feststellungen der Behörde, wobei an die Ermittlung der tatsächlichen Anhaltspunkte für einen Ansteckungsverdacht erhöhte Anforderungen zu stellen sind, wenn der Erkrankte eine andere Schule in der Gemeinde besucht als der Adressat des Betretungsverbots und auch sonst keine persönlichen Kontakte zwischen beiden Personen offensichtlich sind. Angesichts der Tatsache, dass in der KGS lediglich 9 Schüler "Impfverweigerer" waren, ist der zu fordernde Ermittlungsaufwand auch nicht als unverhältnismäßig hoch einzustufen.
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Nach alledem durfte die Beklagte den Kläger nicht ohne weitere Tatsachenfeststellungen als Ansteckungsverdächtigen einstufen. Nach den unbestrittenen Angaben der Mutter des Klägers war dieser zum damaligen Zeitpunkt weder Fahrschüler noch Teilnehmer des Kochkurses; private Kontakte zu dem Indexfall an der Grundschule bestanden ebenfalls nicht.
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Die Kammer verkennt nicht die hohe Verantwortung, die den Gesundheitsbehörden bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten obliegt; sie verkennt insbesondere nicht, dass in der Regel schnelle Maßnahmen gefordert sind, um eine Weiterverbreitung hochinfektiöser Erkrankungen zu verhindern. Gleichwohl gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nur die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Hiervon geht ersichtlich auch der im Verlauf des Verfahrens erstellte niedersächsische Leitfaden für das Management von Masernfällen (Stand: 01.10.2007) aus, der hinsichtlich der notwendigen Schutzmaßnahmen u.a. danach unterscheidet, ob ein einzelner Masernfall oder ein Masernausbruch vorliegt. Danach sollen innerhalb von Gemeinschaftseinrichtungen bei einem Einzelfall einer Masernerkrankung alle direkt ermittelbaren Personen im Umfeld der Einrichtung (z.B. Freundeskreis) des Indexfalles sowie der direkte Klassen-/Gruppenverband (incl. Projektgruppe, AGs) als Kontaktpersonen und damit als mögliche Ansteckungsverdächtige gewertet werden, während bei einem Ausbruch alle in der Einrichtung anwesenden Personen (Schüler, Lehrer, Hausmeister, etc.) im gesamten Schulkomplex (funktionale Einheit) als Kontaktpersonen gelten sollen. Die Kammer muss nicht abschließend entscheiden, ob diese Unterscheidung mit den Vorgaben des IfSG zu vereinbaren ist; unterstellt, sie wäre es, hätte die Beklagte vorliegend wohl nicht von einem Masernausbruch ausgehen dürfen, weil jedenfalls in Wennigsen lediglich eine Mutter und ihre den Kindergarten besuchende Tochter sowie ihr die Grundschule besuchender Sohn nach Beendigung des Ausbruchs "Gehrden" an Masern erkrankt waren und an allen vier Schulen in Wennigsen damit nur ein Fall von Masern aufgetreten war. In einem solche Fall spricht Überwiegendes dafür, noch nicht von einem Masernausbruch, sondern lediglich von einem Einzelfall im Sinne des Leitfadens auszugehen, der es allenfalls gerechtfertigt hätte, die Freunde und Mitschüler des Grundschulkindes als Kontaktpersonen und damit Ansteckungsverdächtige anzusehen.
- 34
Das Betretungsverbot kann schließlich nicht damit gehalten werden, den Kläger als Nichtstörer anzusehen. Zwar können nach § 28 Abs. 1 IfSG auch Schutzmaßnahmen gegen einen Nichtstörer ergriffen werden. Als solcher wurde der Kläger aber nach dem ausdrücklichen Vorbringen der Beklagten nicht in Anspruch genommen, sodass eine Ermessensentscheidung für diesen Sachverhalt schon gar nicht vorliegt. Im Übrigen ist die Inanspruchnahme eines Nichtstörers immer ultima ratio und bedarf noch höherer Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und die Ermessensbetätigung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
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Die Berufung war nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Frage, wie ein mündlicher Verwaltungsakt, der nicht nachträglich schriftlich begründet worden ist, bei Fehlen eines Widerspruchsverfahrens vom Gericht überprüft werden kann, grundsätzlich bedeutsam ist; Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob die bloße Weigerung eines Schülers, sich gegen Masern impfen zu lassen, allein schon einen Ansteckungsverdacht begründet, wenn in einer mehrere hundert Meter entfernt gelegenen Schule in der Gemeinde ein Schüler an Masern erkrankt ist.
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