Urteil vom Verwaltungsgericht Hannover (13. Kammer) - 13 A 610/10

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die nachträgliche zeitliche Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf den 20.07.2010.

2

Er ist türkischer Staatsangehöriger und hält sich zurzeit in der Türkei auf. 1985 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein und betrieb erfolglos mehrere Asylverfahren. Im Rahmen der Bleiberechtsregelung erhielt er eine befristete Aufenthaltsgenehmigung.

3

Der Kläger wurde 1998 u.a. wegen BTM-Delikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren und 2 Monaten verurteilt. Auch zuvor war er ebenfalls schon straffällig geworden (versuchter Totschlag, Diebstahl, Fahren ohne Fahrerlaubnis).

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Mit Bescheid der Beklagten vom 20.11.1998 wurde der Kläger daraufhin ausgewiesen. Am 20.07.2004 reiste der Kläger nach Verbüßung von 2/3 der Strafhaft aus und beantragte am 22.07.2004, die Wirkungen seiner Ausweisung zeitlich zu befristen.

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Mit Bescheid vom 27.05.2005 befristete die Beklagte die zeitlichen Wirkungen der Ausweisung zunächst auf 12 Jahre bis zum 20.07.16. Hiergegen erhob der Kläger Klage. Im Laufe des Klageverfahrens verringerte die Beklagte die zeitliche Befristung auf 8 Jahre bis zum 20.07.2012 und änderte den angefochtenen Bescheid entsprechend ab. Gleichwohl verfolgte der Kläger seine Klage weiter. Das Verwaltungsgericht Hannover hob mit Urteil vom 12.09.2008 auch den abgeänderten Bescheid auf und verpflichtete die Beklagte zur Neubescheidung. Die Beklagte habe nicht alle in ihre Entscheidung einzustellenden Belange ausreichend gegeneinander abgewogen.

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Mit Bescheid vom 12.01.2010 befristete die Beklagte nunmehr die zeitlichen Wirkungen der Ausweisung auf 9 ½ Jahre bis zum 20.01.2014.

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Am 21.01.2010 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben.

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Er trägt vor: Mit der neuausgesprochenen Befristung missachte die Beklagte die Entscheidung des Gerichts vom 12.09.2008 evident. Die jetzt bestimmte Frist sei sogar noch länger als die im Bescheid, der vom Gericht aufgehoben worden sei. Die bemängelten Ermessensfehler seien lediglich formelhaft in den Bescheid aufgenommen worden. Eine Entlassung nach 2/3 der Strafhaft sei keineswegs der Regelfall. Die Beklagte habe die gutachterlich belegte günstige Sozialprognose nicht in ihre Ermessenserwägungen eingestellt.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 12.01.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Wirkung seiner Ausweisung auf 6 Jahre nach erfolgter Ausreise, somit zum 20.07.2010 zu befristen,

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hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12.01.2010 zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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Sie verweist auf die Gründe des angefochtenen Bescheides. Man habe durch Verkürzung der Frist um ein halbe Jahr den Umstand der günstigen Sozialprognose nach Verbüßung von 2/3 der Strafe Rechnung getragen. Im Übrigen zeige die Statistik, dass die Haftentlassung zum 2/3-Zeitpunkt eher der Regelfall sei; bei 85 % der inhaftierten Straftäter würde der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt. Bis heute habe der Kläger auch keinen legalisierten Strafregisterauszug vorgelegt und nicht nachgewiesen, dass er seit seiner Ausreise in die Türkei dort keine Straftaten begangen hat. Die Differenz zu der früher vorgenommenen Befristung von acht Jahren ergebe sich aus der zwischenzeitlich geänderten Verwaltungsvorschrift.

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Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.

18

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitere Verkürzung der Sperrwirkung.

19

Nach § 11 Abs. 1 AufEnthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Diese Wirkungen werden jedoch nach Satz 3 der Vorschrift auf Antrag in der Regel befristet. Die Frist beginnt mit der Ausreise.

20

Da die Zeitdauer der Befristung im Ermessen der Beklagten steht und eine Ermessensreduzierung „auf Null“ auf den 20.07.2010 nach allen hier zu berücksichtigen Umständen nicht vorliegt, ist die Klage mit dem Hauptantrag schon allein deshalb abzuweisen.

21

Aber auch der Hilfsantrag, mit dem eine Neubescheidung begehrt wird, muss erfolglos bleiben. Die Ermessensentscheidung der Beklagten, die vom Gericht nur eingeschränkt auf Rechtsfehler hin überprüft werden kann (§ 114 VwGO), ist nicht zu beanstanden.

22

Zwar liegt kein Ausnahmefall iSd. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufEnthG vor, so dass der Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung hat. Eine solche Befristung hat die Beklagte aber auch vorgenommen.

23

Die Dauer der Sperrwirkung ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Die Sperrwirkung darf nur solange aufrechterhalten bleiben, wie es der ordnungsrechtliche Ausweisungszweck der Fernhaltung des Ausländers vom Bundesgebiet erfordert. Die Dauer der Sperrwirkung ist danach zu bemessen, wann der durch die jeweilige Ausweisungsverfügung vorgegebene Ausweisungszweck voraussichtlich erreicht sein wird. Bei dieser Prognose sind alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und ihrem Gewicht entsprechend unter Beachtung der gesetzlichen Grenzen des behördlichen Ermessens, insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK sachgerecht abzuwägen (vgl. schon VG Hannover, Urteil vom 12.09.2008 - 1 A 3878/05 -).

24

Die Beklagte hat sich bei ihrer Entscheidung an den ermessenslenkenden Vorschriften der Nr. 11 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz (AVwV) orientiert. Dies ist sachgerecht. Da das Gesetz einerseits den Ausländerbehörden einen weiten Ermessensspielraum einräumt, andererseits aber keine Kriterien für diese Entscheidung nennt, ist eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift nicht zu beanstanden, die auf eine möglichst einheitliche und vorhersehbare Handhabung hinwirkt. Auch inhaltlich begegnen die Regelungen in der Verwaltungsvorschrift keine Bedenken. Sie sind sachgerecht und lassen den Ausländerbehörden noch genügend Spielraum für eine auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls abgestellte individuelle Regelung.

25

Nach Ziff. 11.1.4.6.1 ist die Beklagte in zutreffender Weise von einer regelmäßigen Sperrfrist von 10 Jahren ausgegangen. Eine Herabstufung der Ausweisung selbst bleibt bei der Bemessung der Frist unberücksichtigt.

26

Die Beklagte hat alle erforderlichen Umstände und Besonderheiten des Einzelfalls in ihre Entscheidung eingestellt, insbesondere den Umstand der vorzeitigen Haftentlassung, und die 10-Jahres-Frist nach den Verwaltungsvorschriften um ein halbes Jahr gekürzt. Auch dies begegnet keinen Bedenken. Für eine Reduzierung des Ermessens dahingehend, dass die Beklagte die Dauer der Sperrwirkung weiter verringern muss, liegen keine Anhaltspunkte vor. Die frühere Entscheidung vom 03.09.2008, mit der die Frist auf acht Jahre festgesetzt wurde, wurde vom Verwaltungsgericht ersatzlos aufgehoben und entfaltet keine Bindungswirkung mehr. Auch inhaltlich kann sich der Kläger nicht darauf berufen. Grundlage der damaligen Entscheidung waren die vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschriften, die nunmehr durch die Verwaltungsvorschriften des Bundes ersetzt worden sind. Die Familieneinheit mit Ehefrau und minderjährigen Kindern kann problemlos in der Türkei hergestellt werden. Eine Aufenthaltsberechtigung für die Familienangehörigen steht dem nicht entgegen, diese sind danach zwar berechtigt, nicht jedoch verpflichtet, in der Bundesrepublik zu leben. Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, dass der Kläger auch kein legalisiertes Führungszeugnis vorgelegt hat.

27

Im Übrigen folgt das Gericht der Begründung des angefochtenen Bescheides und sieht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von der weiteren Begründung ab.

28

Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.

 


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