Beschluss vom Verwaltungsgericht Hannover (11. Kammer) - 11 B 5107/09

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die unter Androhung eines Zwangsgeldes ausgesprochene Untersagung des Ankaufs von Edelmetallen im Reisegewerbe im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners.

2

Die Antragstellerin, eine im Handelsregister des Amtsgerichts D. eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in der E. 2 in F. G., befasst sich mit dem Ankauf von Edelmetallen und unterhält nach eigenen Angaben in der Bundesrepublik Deutschland ein Netz von über 700 Agenturen, in denen von Zeit zu Zeit sogenannte "Goldschmiedaktionen" durchgeführt werden. In der Zeitung "Aktuelle Woche" vom 29.07.2009 warb die Antragstellerin im Auftrag ihrer autorisierten Goldverwertungsagentur H. Shop I., J. Straße 17 in 31848 Bad Münder, mit dem Barankauf von Gold und Silber mit dem Hinweis "Der Goldschmied ist da! Nur vom 03. bis 05. August". Eine vergleichbare Aktion wurde für den 15. bis 16. Oktober beworben. K. I. ist seit dem 17.07.2008 neben dem H. Shop mit Eigenhandel mit dem Ankauf von Altedelmetallen in eigenem Namen und auf Rechnung der Antragstellerin gewerblich gemeldet.

3

Nach vorheriger Anhörung mit Schreiben vom 02.09.2009 untersagte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Verfügung vom 13.10.2009 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,00 Euro den Ankauf von Edelmetallen und edelmetallhaltigen Legierungen in jeder Form sowie Waren mit Edelmetallauflagen im Reisegewerbe in seinem gesamten Zuständigkeitsbereich und forderte die Antragstellerin auf, die Tätigkeit unverzüglich einzustellen. Mit Bescheid vom selben Tage wurden die Kosten auf insgesamt 212,00 Euro festgesetzt.

4

Zur Begründung wurde ausgeführt, das Feilbieten und der Ankauf von Edelmetallen im Reisegewerbe seien verboten. Bei der aus Anlass der Anzeige in der der Zeitung "Aktuelle Woche" vom 29.07.2009 am 01.09.2009 durchgeführten Überprüfung des H. Shop I. habe sich durch Befragung der Ehefrau des K. I. und durch Einsicht in die Unterlagen über den Ankauf von Edelmetallen herausgestellt, dass die Beratung und sämtliche Ankaufvorgänge durch den Goldschmied der Antragstellerin im Namen der Antragstellerin durchgeführt worden seien. Der Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts folgend sei die Antragstellerin außerhalb ihrer gewerblichen Niederlassung in G. tätig geworden. Ihre gewerbliche Tätigkeit beruhe nicht auf einer vorherigen Bestellung der Kunden und unterscheide sich nicht von der eines sonstigen Händlers, der seine temporäre An- oder Verkaufsstelle außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung öffentlich und allgemein bekannt mache. Die Antragstellerin übe somit entgegen den gesetzlichen Vorgaben ein Reisegewerbe aus, ohne im Besitz einer Ausnahmebewilligung zu sein. In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens könne der Antragstellerin die weitere Ausübung des unerlaubten Reisegewerbes untersagt werden.

5

Bei der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung und dem privaten Interesse der Antragstellerin überwiege das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des gewerblichen Verbotes des Ankaufs von Edelmetallen zum Zwecke des Verbraucherschutzes. Es könne nicht hingenommen werden, dass bei der für den 15. und 16.10.2009 angekündigten Aktion erneut gegen die im Reisegewerbe verbotene Tätigkeit verstoßen werde.

6

Die Androhung des Zwangsgeldes sei geeignet, die weitere Ausübung des unerlaubten Reisegewerbes zu verhindern und entspreche im Hinblick auf die zu schützenden Rechtsgüter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Höhe des Zwangsgeldes richte sich nach dem ordnungsbehördlichen Zweck und dem der Antragstellerin aus der Nichtbefolgung der angeordneten Maßnahme möglicherweise erwachsenden Vorteil.

7

Die Antragsstellerin hat am 21.10.2009 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und gleichzeitig Klage erhoben (Az. 11 A 5129/09).

8

Sie macht geltend, der Antragsgegner verkenne, dass kein Reisegewerbe vorliege. Die Kunden kämen auf ihren eigenen Wunsch in die gewerblich genutzten Räumlichkeiten. Es fehle auch nicht an einer gewerblichen Niederlassung. Ihr Agenturpartner kaufe dort ganzjährig für sie als Kommissionär selbständig im eignen Namen auf ihre Rechnung Altedelmetalle an und erhalte dafür von ihr eine entsprechende Provision. An einzelnen Aktionstagen im Jahr komme ein Goldschmied in die jeweilige Agentur, der den Agenturpartner lediglich unterstütze. Der Goldschmied übernehme an diesen Tagen nur die Beratung und Bewertung vor dem Ankauf der Edelmetalle durch den Agenturpartner. Darüber hinaus habe der Antragsgegner den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht beachtet, weil er als milderes Mittel nicht die Festsetzung eines Bußgeldbescheides anstelle des Erlasses der Ordnungsverfügung erwogen habe. Es sei zudem nicht hinreichend dargetan, weshalb ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung des Antragsgegners bestehe. Vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides habe sie keine Möglichkeit gehabt, rechtliche Maßnahmen zu ergreifen.

9

Die Antragsstellerin beantragt,

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die aufschiebende Wirkung der Klage (Az.: 11 A 5129/09) gegen die Unterlassungsanordnung des Antragsgegners vom 13.10.2009 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.

11

Der Antragsgegner beantragt,

12

den Antrag abzulehnen,

13

und vertieft ihr Vorbringen und bezieht sich auf die dazu ergangene Rechtsprechung. Mit der Ordnungsverfügung sei vorrangig das Ziel verfolgt worden, verbotene Tätigkeiten der Antragstellerin in der Zukunft zu verhindern. Die Ahndung von in der Vergangenheit liegenden Ordnungswidrigkeiten sei zur Erreichung dieses Ziel ungeeignet.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

II.

15

Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Soweit sich die Antragstellerin gegen die Untersagungsverfügung des Antragsgegners wendet, entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 4 VwGO und hinsichtlich der Androhung des Zwangsmittels gemäß § 80 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO i. V. m. § 64 Abs. 4 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG).

16

Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichend begründet und unterscheidet sich insofern von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Magdeburg (Beschl. v. 05.11.2009 - 3 B 91/09 -).

17

Der Antrag bleibt indes in der Sache ohne Erfolg.

18

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der unter Androhung eines Zwangsgeldes ausgesprochenen Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 13.10.2009 überwiegt das besondere Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer hiergegen gerichteten Klage vom 21.10.2009 (Az. 11 A 5129/09). Bei summarischer Prüfung erweist sich die angegriffene Verfügung als offensichtlich rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.

19

Die Entscheidung des Antragsgegners, der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,00 Euro den Ankauf von Edelmetallen und edelmetallhaltigen Legierungen in jeder Form sowie Waren mit Edelmetallauflagen im Reisegewerbe im seinem gesamten Zuständigkeitsbereich zu untersagen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

20

Die Verfügung des Antragsgegners vom 13.10.2009 ist nicht unter formellen Gesichtspunkten rechtswidrig. Vor Erlass der Verfügung ist die Antragstellerin nach § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) mit dem an sie adressierten Schreiben des Antragsgegners vom 02.09.2009 zu allen beabsichtigten Regelungen angehört worden. Der Anhörungspflicht ist damit in ausreichendem Maße genügt worden. Die daraufhin vorgebrachten Argumente hat der Antragsgegner bei seiner Entscheidung berücksichtigt.

21

Auch die Einwendungen und Darlegungen der Antragstellerin zur materiellen Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung des Antragsgegners können dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen.

22

Nach § 60 d der Gewerbeordnung (GewO) kann unter anderem die Ausübung des Reisegewerbes entgegen § 55 Abs. 2 GewO und § 56 Abs. 1 GewO von der zuständigen Behörde verhindert werden. Nach § 55 Abs. 2 GewO bedarf derjenige, der ein Reisegewerbe betreiben will, einer Erlaubnis. Nach 56 Abs. 1 Ziffer 2 a GewO sind das Feilbieten und der Ankauf von Edelmetallen (Gold, Silber, Platin und Platinbeimetallen) und edelmetallhaltigen Legierungen in jeder Form sowie Waren mit Edelmetallauflagen mit Ausnahme von Silberschmuck bis zu einem Verkaufspreis von 40 Euro und Waren mit Silberauflagen im Reisegewerbe verboten.

23

Die Antragstellerin ist der richtige Adressat der an sie vom Antragsgegner gerichtete Untersagungsverfügung vom 13.10.2009. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei dem Ankauf von Edelmetallen in der von der Antragstellerin praktizierten Form nicht um ein Geschäft des Agenturpartners K. I. aus Bad Münder. Dieser wird nach dem Vorbringen der Antragstellerin als Kommissionär für sie im eigenen Namen für fremde Rechnung tätig. Es kann dahingesellt bleiben, ob ein solcher Fall der mittelbaren Stellvertretung als Geschäft der Antragstellerin anzusehen ist. Jedenfalls sprechen zahlreiche Anhaltspunkte im vorliegenden Verfahren dafür, dass die Ankäufe von Edelmetallen im Rahmen der auf wenige Tage im Jahr beschränkten "Goldschmiedaktion" in den Geschäftsräumen des H. Shop I. in Bad Münder ausschließlich der Antragstellerin zuzurechnen sind. Die darüber hinaus ganzjährig außerhalb der "Aktionstage" durch den Agenturpartner K. I. getätigten Ankäufe von Edelmetallen sind indes nicht Gegenstand der angegriffenen Verfügung.

24

Bereits die nach dem Agenturvertrag der Antragsgegnerin vorbehaltene Werbung suggeriert dem potentiellen Kunden durch ihre Gestaltung den Ankauf von Altedelmetallen durch die Antragstellerin selbst. In dem begleitenden Anzeigentext wirbt die Antragstellerin in der deutlich in Fettdruck hervorgehobenen Überschrift mit ihrem Namen für "Qualitätsservice Made in Germany" als Ergebnis der verpflichtenden L. er Goldschmiede-Tradition für die jeweils auf zwei bis drei Tage begrenzte Goldschmiedaktion. Im nachfolgenden Text wird im Zusammenhang mit dem Namen der Antragstellerin und dem Goldschmied der Antragstellerin auf Tradition, solide Wertarbeit, fundiertes Fachwissen, fachkundige Beratung, zuverlässigen Service und Vertrauen verwiesen. Der Hinweis, dass über 700 qualifizierte Verkaufsstellen der Antragstellerin im gesamten Bundesgebiet an ein dichtes Netz an kompetenten Partnern in allen Fragen des Goldankaufs anknüpfen, vermittelt dem Leser im Zusammenhang mit den nachfolgenden Ausführungen auf die fachkundige Beratung bis zum Bar-Ankauf durch den Goldschmied der Antragsgegnerin den Eindruck, der kompetente Partner sei die Antragsgegnerin selbst bzw. ihr Goldschmied aus G.. Die autorisierte Goldverwertungs-Agentur wird damit trotz des kleingedruckten Zusatzes "i.A." im Bewusstsein der Leser auf den Ort reduziert, an dem der Goldschmied der Antragsgegnerin "seinen Kunden" während der Aktionstage zur Verfügung steht.

25

Diese Erkenntnis deckt sich mit den Feststellungen des Antragsgegners bei den am 01.09.2009 und am 16.10.2009 gegen Mittag im H. Shop I. durchgeführten Überprüfungen. Dabei ist der Antragsgegner durch Befragung der im H. -Shop angetroffenen Ehefrau des K. I. und durch Einsicht in die Unterlagen über den Ankauf von Edelmetallen zu der Erkenntnis gelangt, dass die Beratung und sämtliche Ankaufvorgänge an den Aktionstagen durch den Goldschmied der Antragstellerin im Namen der Antragstellerin durchgeführt worden sind. Auch die bei den Aktionen ausgegebene Visitenkarte lässt den Edelmetallankauf ausschließlich als ein durch den Goldschmied vermitteltes Geschäft der Antragstellerin erkennen. Allein die Antragstellerin ist mit vollem Namen, Anschrift, Telefon- und Faxnummer sowie Internetadresse aufgeführt. Daneben erscheint der Goldschmied nur mit Namen und Handynummer. In welchem Verhältnis der zum jeweiligen Agenturpartner entsandte Goldschmied zur Antragstellerin steht, ist nicht erkennbar und rechtlich für die Zurechnung der Geschäfte unerheblich.

26

Die eidesstattliche Versicherung der Goldschmiedin M. N. aus O. vom 31.10.2009 ist insofern unergiebig. Das gilt auch für ihre Aussage, sie sei am 16.10.2009 in der Agentur des K. I. zu seiner Unterstützung als sachverständige Goldschmiedin vor Ort gewesen. Die Aussage entspricht insoweit der Formulierung im zweiten Absatz der Zusatzvereinbarung zum Agenturvertrag vom 06.02.2009 und lässt die konkrete Ausgestaltung der getätigten Geschäfte nicht erkennen. Dass Herr I. die Kaufverträge an jenem Tag noch unterzeichnen sollte, sieht das nach dem Agenturvertrag ausschließlich zu verwendende vorgedruckte Quittungsformular der Antragstellerin zwar formal vor, die eidesstattlich versicherte Aussage der Goldschmiedin M. N., Herr I. sei zum Zeitpunkt der Ankäufe noch nicht im Objekt gewesen, spricht jedoch dafür, dass der Agenturpartner während der Goldschmiedaktion tatsächlich nicht vor Ort gewesen ist und die Ankäufe nicht selbst durchgeführt hat. Auch die eidesstattliche Versicherung des K. I. vom 12.11.2009 wiederholt lediglich einige Formulierungen aus dem Agenturvertrag und der Zusatzvereinbarung, ohne einen konkreten Anhaltspunkt für die tatsächliche Abwicklung der Geschäfte zu vermitteln. Zudem lassen die vorgelegten Abrechnungen und der handschriftliche Zusatz auf dem Agenturvertrag "vorerst nur Aktionen mit 7,5 % Provision" darauf schließen, dass Ankäufe von Edelmetallen in den Geschäfträumen des H. Shop I. in Bad Münder in dem belegten Zeitraum nur während der auf wenige Tage begrenzten Aktionstage alle ein bis zwei Monate stattgefunden haben. Die durch das vorgelegte Schulungsprotokoll vom 30.07.2007 vermittelte unzureichende Ausbildung des Inhaber des H. Shop I. und die ihm ausgehändigten Gerätschaften lassen die durch die Werbung der Antragstellerin vermittelte kompetente und fachkundige Beratung mit zuverlässigen Service jedenfalls nicht erwarten.

27

Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Edelmetallankäufe tatsächlich durch den von der Antragstellerin entsandten Goldschmied für diese durchgeführt werden und sie daher der zutreffende Adressat der Verfügung des Antragsgegners ist, während der Inhaber des H. Shop I. nur seine gewerbliche Niederlassung für die vereinbarte Provision als "Strohmann" zur Verfügung stellt, um die reisegewerblichen Bestimmungen zu umgehen.

28

Die Antragstellerin übt mit dem Ankauf der Edelmetalle ein Reisegewerbe ohne die nach § 55 Abs. 2 GewO erforderliche Erlaubnis in Gestalt einer Reisegewerbekarte aus und verstößt zugleich gegen das Verbot des § 56 Abs. 1 Ziffer 2 a GewO.

29

Ein Reisegewerbe betreibt nach § 55 Abs. 1 Ziffer 1 GewO in der im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblichen Fassung, wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung oder ohne eine solche zu haben Waren feilbietet oder Bestellungen aufsucht oder ankauft, Leistungen anbietet oder Bestellungen auf Leistungen aufsucht.

30

Die Antragstellerin kauft bei der von ihr geübten Geschäftspraxis Edelmetalle außerhalb ihrer gewerblichen Niederlassung in G. an.

31

Nach § 42 Abs. 2 GewO in der im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblichen Fassung besteht eine Niederlassung, wenn der Gewerbetreibende eine zum dauernden Gebrauch eingerichteten, ständig oder in regelmäßiger Wiederkehr von ihm benutzen Raum für den Betrieb seines Gewerbes besitzt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die auch außerhalb der "Aktionstage" abgewickelten Ankäufe der Antragstellerin zuzurechnen und damit geeignet sind, eine Niederlassung im gewerberechtlichen Sinne auch in den dafür genutzten Räumlichkeiten zu begründen (so: VG Stade, Beschl. v. 25.03.2010 - 6 B 285/10 -). Für die Antragstellerin als Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist die Niederlassung nach § 29 des Handelsgesetzbuches (HGB) aus der Eintragung im Handelsregister bei dem Gericht ersichtlich, in dessen Bezirk sich die Niederlassung befindet. Nach der Eintragung im Handelsregister des Amtsgerichts P. (HRB 505463) hat die Antragstellerin ihren Sitz in der E. 2 in F. L.. Die Errichtung einer Zweigniederlassung erfordert nach § 13 HGB bei einer Handelsgesellschaft die Anmeldung zur Eintragung bei dem Gericht des Sitzes der Gesellschaft unter Angabe des Ortes und der inländischen Geschäftsanschrift er Zweigniederlassung. Dafür sind keine Anhaltspunkte aus dem vorliegenden Handelsregisterauszug ersichtlich und vorgetragen.

32

Die Antragstellerin ist auch nicht auf Bestellung ihrer Kunden tätig geworden und hat ihre Kunden nicht aufgesucht. Vielmehr hat sie in Zeitungsanzeigen in der Lokalpresse für eine einzelne zwei- bis dreitägige Aktion mit dem Barankauf von Gold und Silber unter Hinweis auf die Anwesenheit ihres Goldschmiedes geworben. Auch wenn die Kunden daraufhin die Ankaufstelle im H. Shop I. in Bad Münder aufsuchen, beruht die gewerbliche Tätigkeit der Antragstellerin nicht auf einer vorherigen Bestellung der Kunden und unterscheidet sich hinsichtlich der gewerberechtlichen Einordnung nicht von der eines sonstigen Händlers, der seine temporäre An- oder Verkaufsstelle außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung öffentlich und allgemein bekanntmacht. Insbesondere wird nicht zeitweise eine gewerbliche Niederlassung gegründet, sondern die typische Tätigkeit eines Reisegewerbes ausgeübt (vgl.: OVG Hamburg, Beschl. v. 17.10.2006 - 1 Bs 306/06 - GewArch 2007, 84; OVG Lüneburg, Beschl. v. 31.07.2009 - 7 ME 73/09 - GewArch 2009, 415; OVG Berlin, Beschl. v. 27.11.2009 - 1 S 239.09 - GewArch 2010, 248; insofern offen: VG Magdeburg, Beschl. v. 05.11.2009 - 3 B 91/09 -; VG Stade, Beschl. v. 25.03.2010 - 6 B 285/10 -; OVG NRW, Beschl. v. 17.05.2010 - 4 B 1693/09 -; a.A.: LG Kassel, Urt. v. 03.04.2009 - 12 O 4197/08 - nach juris; VG Köln, Beschl. v. 25.02.2010 - 1 L 7/10 -).

33

Im Gegensatz zu dem vom Verwaltungsgericht Köln (Beschl. v. 25.02.2010 - 1 L 7/10 -) entschiedenen Verfahren ist die Werbung im vorliegenden Verfahren gerade nicht darauf gerichtet, dass die Antragstellerin ganzjährig in den Räumlichkeiten des Agenturpartners Edelmetalle ankauft. Vorliegend informiert der Gewerbetreibende mit der Anzeige im lokalen Wochenblatt vielmehr seine potentiellen Kunden über eine unmittelbar bevorstehende auf einen kurzen Zeitraum beschränkte Ankaufaktion an einem bestimmten Ort und ermöglicht ihnen damit den Vertragsabschluss. In einer solchen für das Reisegewerbe typischen Situation ist die Initiative zum Ansprechen des Kunden dem Gewerbetreibenden schwerpunktmäßig - vergleichbar der Tätigkeit von Straßenhändlern, Schaustellern und Markthändlern - zuzurechnen. Die Kammer folgt nicht der abweichenden Auffassung des Landgerichts Kassel, in einer vergleichbaren Konstellation sei der von den §§ 55 ff. GewO bezweckte Schutz der Kunden vor "Überrumpelung" nicht erforderlich (LG Kassel, Urt. v. 03.04.2009 - 12 O 4197/08 - nach juris; ähnlich, aber im Ergebnis offen: OVG NRW, Beschl. v. 17.05.2010 - 4 B 1693/09 -). Der Kunde kann zwar einen möglichen Verkaufstermin frei an zwei bis drei Tagen wählen und in dieser Zeit Informationen und Vergleichsangebote einholen. Die nur kurzfristige Mitnutzung der fremden Geschäftsräume durch die Antragstellerin führt aber dazu, dass der Zugriff des Kunden auf die Antragstellerin als seine Vertragspartnerin zeitlich und räumlich nur eingeschränkt möglich ist und der im § 56 GewO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung entsprechend dem Handel mit wertvollen Edelmetallen im Reisegewerbe wegen der damit verbundenen Gefahren vorgebeugt werden soll (vgl. auch: OVG Berlin, Beschl. v. 27.11.2009 - 1 S 239.09 - GewArch 2010, 248).

34

Es ist auch nicht erkennbar, dass der Antraggegner das ihm nach § 60 d GewO eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Er hat dabei berücksichtigt, dass die Ankaufsveranstaltung der Antragstellerin in dem beworbenen und durchgeführten Umfang gemäß § 56 Abs. 1 Ziffer 2 a GewO verboten ist und die Antragstellerin nicht über eine Ausnahmebewilligung gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 GewO verfügt.

35

Die Antragstellerin kann nicht einwenden, der Antragsgegner habe den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht beachtet, weil er als milderes Mittel nicht die Festsetzung eines Bußgeldbescheides erwogen habe. In Ergänzung seiner Ermessenserwägungen hat der Antragsgegner zutreffend darauf hingewiesen, dass mit der Ordnungsverfügung vorrangig das Ziel verfolgt werde, verbotene Tätigkeiten in der Zukunft zu verhindern, und die Ahndung von in der Vergangenheit liegenden Ordnungswidrigkeiten zur Erreichung dieses Ziel ungeeignet sei.

36

Darüber hinaus bleibt es der Antragstellerin unbenommen, bei der Antragsgegnerin eine Reisegewerbekarte gemäß § 55 Abs. 2 GewO und eine Ausnahmebewilligung gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 GewO zu beantragen. Solange eine solche Genehmigung nicht erteilt ist, stellt sich die angefochtene Verfügung des Antragsgegners insoweit als rechtmäßig dar.

37

Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehungist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner ist insofern zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Untersagung und dem privaten Interesse der Antragstellerin das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des gewerberechtlichen Verbotes gemäß § 56 Abs. 1 Ziffer 2 a 2 GewO zum Zwecke des Verbraucherschutzes überwiegt und dass im Hinblick auf die seinerzeit für den 15. und 16.10.2009 angekündigte weitere Aktion ein erneuter Verstoß gegen die im Reisegewerbe verbotene Tätigkeit nicht hingenommen werden kann. Abgesehen von dem geltend gemachten wirtschaftlichen Interesse an der Fortsetzung der während der zeitlich begrenzten "Goldschmiedaktionen" getätigten guten Geschäfte hat die Antragstellerin nicht dargetan, worin ihr besonderes privates Interesse besteht, ohne die erforderliche Reisegewerbekarte und ohne die erforderliche Ausnahmebewilligung ihr verbotenes Tun fortzusetzen.

38

Die Androhung des Zwangsgeldes lässt ebenfalls keine Ermessensfehler erkennen.

39

Der Kostenfestsetzungsbescheid des Antragsgegners vom 13.10.2009 ist von der Antragstellerin nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.

40

Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

41

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG (n.F.) in Anlehnung an den Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (GewArch. 2005 S. 67). Nach Ziffer 54.2 ist in Streitigkeiten der vorliegenden Art von einem Mindeststreitwert von 15.000,00 Euro auszugehen. Die Androhung des Zwangsmittels bleibt gemäß Ziffer 1.6.2 für die Streitwertfestsetzung außer Betracht. Wegen der Vorwegnahme der Hauptsache ist eine Reduzierung des Streitwertes vorliegend nicht gerechtfertigt.

 


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