Urteil vom Verwaltungsgericht Hannover (9. Kammer) - 9 A 2230/08

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 31.03.2008 wird aufgehoben, soweit damit für den Zeitraum von 10/2006 bis 09/2007 geleistete Ausbildungsförderung in Höhe von 1.752,00 Euro von der Klägerin zurückgefordert wird.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Förderleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (- BAföG -) in Höhe von 1.752,00 Euro.

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Sie nahm zum Wintersemester 2005/2006 das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hannover auf und beantragte hierfür am 24.10.2005 die Gewährung von Ausbildungsförderung. In dem Antrag ist u. a. angegeben, ihr Bruder D. studiere im Wintersemester 2005/2006 im 4. Fachsemester Wirtschaftspädagogik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Mit Bescheid vom 30.11. 2005 bewilligte die Beklagte ihr für die Zeit von 10/2005 bis 09/2006 monatlich 188,00 Euro. Auf den Antrag der Klägerin vom 14.07.2006 gewährte die Beklagte ihr für den Bewilligungszeitraum von 10/2006 bis 09/2007 monatlich 146,00 Euro. Zum Wintersemester 2007/08 wechselte die Klägerin zum Studium der Betriebswirtschaftslehre an die Fachhochschule Hannover. Für die Zeit von 10/2007 bis 09/2008 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Ausbildungsförderung ab, weil das anzurechnende Einkommen oder Vermögen den Gesamtbedarf der Klägerin übersteige.

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Mit Bescheiden vom 31.03.2008 setzte die Beklagte den monatlichen Förderungsbetrag für die Zeit von 04/2006 bis 09/2006 und für die Zeit von 10/2006 bis 09/2007 auf jeweils 0,00 Euro fest und forderte von der Klägerin 2.880,00 Euro zurück, weil ihr Bruder sein Studium zum 26.03.2006 abgebrochen habe und damit der Freibetrag für ihn ab 04/2006 wegfalle. Auf Antrag der Klägerin stundete die Beklagte mit Bescheid vom 11.07.2008 hiervon einen Teilbetrag von 1.128,00 Euro unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs bis zum 30.09.2009 und setzte monatliche Raten von 30,00 Euro ab Juli 2008 fest.

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Am 18.04.2008 hat die Klägerin Klage erhoben, soweit von ihr für die Zeit von 10/2006 bis 09/2007 ein Betrag in Höhe von 1.752,00 Euro zurückgefordert wird. Sie trägt vor, sie habe der Beklagten den Studienabbruch ihres Bruders zunächst versehentlich nicht mitgeteilt und akzeptiere deshalb das Rückforderungsbegehren für die Zeit von 04/2006 bis 09/2006 in Höhe von 1.128,00 Euro. Die Rückforderung für die Zeit ab 10/2006 sei jedoch rechtswidrig. Denn mit dem Antrag vom 14.07.2008 sei ihr Bruder in der beigefügten Elternerklärung ausdrücklich nicht mehr als berücksichtigungsfähiges Kind angegeben worden. Damit habe sie die erforderlichen Angaben vollständig und rechtzeitig gemacht und auf den Bestand der bewilligten Ausbildungsförderung vertraut. Dieses Vertrauen sei auch schutzwürdig, da sie insbesondere die Ausbildungsförderung inzwischen verbraucht habe. Die Beklagte habe die zur Entscheidung über den Antrag erforderlichen Feststellungen zu treffen und sei daher verpflichtet, bei ggf. bestehenden Zweifeln bei ihr oder ihren Eltern nachzufragen, wie dies dann viel später auch geschehen sei. Sie habe jedenfalls davon ausgehen dürfen, dass der Bewilligungsbescheid richtig und sie nicht zu dessen Überprüfung verpflichtet gewesen sei. Es sei für einen Laien schon von vorneherein schwierig, den rein formalisierten Bewilligungsbescheid auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Hierzu seien die erforderlichen Fachkräfte gerade auf der Seite der Beklagten vorhanden. Es erweise sich auch als rechtsmissbräuchlich und unverhältnismäßig, dass die Beklagte ihr Pflichtverletzungen vorwerfe, andererseits den ihr selbst obliegenden Pflichten aber nicht hinreichend nachkomme. Darüber hinaus sei gem. § 24 Abs. 1 BAföG für die Bewilligung der Ausbildungsförderung das Einkommen der Eltern im vorletzten Kalenderjahr, hier also im Jahre 2004, maßgeblich, in dem ihr Bruder sein Studium noch nicht beendet gehabt habe, so dass der Geschwisterfreibetrag habe in Anspruch genommen werden können. Die Überlegung der Beklagten treffe aber zu, dass eine Ersatzpflicht ihrer Eltern ausgeschlossen sei, da diese keine falschen oder unvollständigen Angaben gemacht hätten. Damit müsse das aber auch für sie gelten. Sie habe auf dem Bescheid auch keine Fehler oder eine Überzahlung feststellen können.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 31.03.2008 aufzuheben, soweit damit für den Zeitraum von 10/2006 bis 09/2007 ein Betrag in Höhe von 1.752,00 Euro von ihr zurückgefordert wird.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und führt aus, ihr Bescheid sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin sei zur Erstattung der gesamten 2.880,00 Euro verpflichtet. Sie habe ihr nicht unverzüglich mitgeteilt, dass ihr Bruder sein Studium zum 26.03.2006 abgebrochen habe, obwohl sie zur Mitteilung jeder Änderung ihrer wirtschaftlichen Lage oder der Familien- und Ausbildungsverhältnisse, über die im Rahmen des Antrags Erklärungen abgegeben worden seien, verpflichtet sei. Die Eltern hätten lediglich ab dem Bewilligungszeitraum 10/2006 bis 09/2007 im Formblatt 3 keine Kinder mehr angegeben, die von Ihnen unterhalten würden, sich in der Ausbildung befänden oder in ihrem Haushalt aufgenommen worden seien. Ein Nachweis über die Exmatrikulation des Bruders vom 26.03.2006 sei dagegen erst auf Aufforderung durch das Studentenwerk am 20.02.2008 vorgelegt worden. Der Geschwisterfreibetrag für den Bruder der Klägerin sei im Bewilligungszeitraum 10/2006 bis 09/2007 versehentlich weiter gewährt worden. Dies ändere an der Berechtigung der Rückforderung der in diesem Zeitraum zu Unrecht geleisteten Ausbildungsförderung in Höhe von 1.752,00 Euro aber nichts. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, den Bewilligungsbescheid vom 31.10.2006 auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Der Bescheid enthalte auf der Rückseite ausdrücklich den Hinweis, dass ihm ein Blatt mit Erläuterungen zu den einzelnen Bescheidfeldern beiliege. Auszubildende seien verpflichtet, Bewilligungsbescheide zu prüfen und ggf. auf Überzahlungen zu achten. Diese Prüfungspflicht sei verletzt, wenn der Auszubildende gewusst oder infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst habe, dass die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung dem Grunde oder der Höhe nach nicht erfüllt gewesen seien. Diese Überprüfungspflicht des Bescheides auf seine Richtigkeit erstrecke sich auch auf die erläuterten Schlüsselzahlen, insbesondere ein versehentliches Beibehalten von Geschwisterfreibeträgen trotz angezeigten Ausbildungsendes. Es sei für den Bewilligungszeitraum 10/2006 bis 09/2007 unerheblich, dass der Bruder der Kläger im Jahr 2004 noch studiert habe, da gem. § 11 Abs. 4 BAföG jeweils die aktuelle Ausbildung von Geschwistern im Bewilligungszeitraum zu berücksichtigen sei. Gegenüber den Eltern könne keine Ersatzpflicht geltend gemacht werden, da sie keine falschen bzw. unvollständigen Angaben gemacht hätten.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem der Rechtsstreit gem. § 6 Abs. 1 VwGO übertragen wurde.

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Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 31.03.2008 ist rechtswidrig, soweit damit von der Klägerin im Bewilligungszeitraum 10/2006 bis 09/2007 geleistete Ausbildungsförderung in der Höhe von 1.752,00 Euro zurückgefordert wird. Im übrigen, d. h. soweit die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 31.03.2008 darüber hinaus weitere 1.128,00 Euro von der Klägerin zurückfordert, die sie in der Zeit von 04/2006 bis 09/2006 als Ausbildungsförderung erhalten hat, hat der Bescheid schon deshalb Bestand, weil er von der Klägerin insoweit nicht angefochten wurde.

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Die Rückforderung der der Klägerin im Bewilligungszeitraum 10/2006 bis 09/2007 geleisteten Ausbildungsförderung ist rechtswidrig, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Rückforderung nicht vorliegen. Für die Klägerin besteht keine Rückzahlungspflicht nach § 20 Abs. 1 BAföG. Dieser setzt nämlich für den Anspruch auf Erstattung der Leistungen, für die die gesetzlichen Förderungsvoraussetzungen nicht vorgelegen haben, voraus, dass entweder der Auszubildende Einkommen im Sinne des § 21 BAföG erzielt hat, das bei der Bewilligung der Ausbildungsförderung nicht berücksichtigt wurde (Nr. 3), oder die Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet wurde (Nr. 4). Der bekannte Sachverhalt bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in dem hier betroffenen Zeitraum überhaupt Einkünfte im Sinne des § 21 erzielt hat. Auch die Beklagte hält ihr dies nicht vor. Die Ausbildungsförderung wurde der Klägerin im Bewilligungszeitraum 10/2006 bis 09/2007 auch nicht unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet. Vielmehr wurde mit dem Bewilligungsbescheid vom 31.10.2006 der in dem für denselben Bewilligungszeitraum ergangenen Bescheid vom 29.09.2006 noch enthaltene Rückforderungsvorbehalt ausdrücklich nicht mehr aufrecht erhalten, sondern abschließend über die Ausbildungsförderung für diesen Zeitraum entschieden.

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Auch im übrigen liegen die Voraussetzungen eines Rückforderungsanspruchs der Beklagten nicht vor. Die Erstattungspflicht nach § 20 Abs. 1 BAföG ist unter den dort genannten Voraussetzungen "außer in den Fällen der §§ 44 bis 50 SGB X" gegeben. Aus diesem durch die Streichung der früheren Nrn. 1 und 2 des § 20 Abs. 1 BAföG veranlassten Hinweis folgt, dass in den wie hier nicht von Nr. 3 und 4 erfassten Fällen die Aufhebung des Förderungsbescheides sich nach den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der allgemeinen Vorschriften des SGB X richten soll. Vorliegend kommt insoweit für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 31.10.2006 § 45 SGB X und für die Erstattungspflicht § 50 SGB X in Betracht. Auch wenn aus dem angefochtenen Bescheid vom 31.03. 2008 selbst nicht zu ersehen ist, auf welche Anspruchsgrundlage ihn die Beklagte stützt, ergibt sich jedenfalls aus deren Aktenvermerk vom 05.05.2008, dass er aus ihrer Sicht wohl in den §§ 45, 50 SGB X seine rechtliche Grundlage hat.

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Die Beklagte fordert die im Bewilligungszeitraum 10/2006 bis 09/2007 geleistete Ausbildungsförderung auch danach aber nicht zu recht von der Klägerin zurück. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist unter den in den Absätzen 2 bis 4 aufgeführten Einschränkungen ganz oder teilweise mit Wirkung auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Wie sich aus der gesetzlichen Formulierung "darf…nur" ergibt, eröffnet die Regelung der Behörde einen Ermessensspielraum dafür, ob der Bescheid zurückgenommen werden soll. Hieran ändert auch die Verweisung in § 20 Abs. 1 BAföG nichts, nach dem die Entscheidung der Verwaltung gebunden ist ("so ist…aufzuheben und …zu erstatten"). Aus der dortige Bezugnahme auf die §§ 44 bis 50 SGB X folgt insbesondere nicht, dass an die Stelle des durch § 45 SGB X eröffneten Rücknahmeermessens ein Zwang zur Rücknahme des rechtswidrigen Bewilligungsbescheides träte. Nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers liegt vielmehr ein Fall des sogenannten intendierten Ermessens vor. Das Ermessen ist mithin im Regelfall dahin auszuüben, den rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt zurückzunehmen. Auch im Rahmen des folglich nur erforderlichen geringeren Begründungsaufwandes muss dabei nicht nur zu erkennen sein, dass die Behörde eine Ermessensentscheidung treffen wollte und getroffen hat, sondern gemäß § 35 Abs. 1 S. 3 SGB X auch die Gesichtspunkte, die die Behörde bei der Ermessensausübung geleitet haben. Ob beim Vorliegen einer der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 bis 3 SGB X die Ermessensbetätigung der Behörde im Normalfall zur Rückgängigmachung des Verwaltungsaktes führen wird, kann demgegenüber hier dahinstehen, weil diese Voraussetzungen nicht gegeben sind. Der Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 31.03.2008 ist mithin bereits deshalb rechtswidrig, weil er keine Anhaltspunkte dafür enthält, dass die Beklagte bewusst eine Ermessensentscheidung getroffen hat und welche Überlegungen dabei für sie maßgeblich waren. Der Bescheid enthält vielmehr lediglich die Berechnung, die für den Bewilligungszeitraum 10/2006 bis 09/2007 zu einem Förderungsbetrag von 0,00 Euro führt, im Feld 52 einen ausgewiesenen Rückforderungsbetrag von 2.880,00 Euro und die Sätze "Ausbildungsförderung wird nicht bewilligt, weil der Betrag des anzurechnenden Einkommens und/oder Vermögens den Gesamtbedarf des Auszubildenden (Feld 28) übersteigt. Dieser Bescheid ergeht, weil ihr Bruder sein Studium zum 26.03. 2006 abgebrochen hat und somit der Freibetrag für Ihren Bruder ab 04/2006 wegfällt." Diese Formulierungen sind nur so zu verstehen, dass die Beklagte von einer Verpflichtung zur Rückforderung der Überzahlung ohne Entscheidungsspielraum ausgegangen ist. Die Beklagte konnte die fehlenden Ermessenserwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch nicht mehr nach § 114 S. 2 VwGO nachholen. Denn § 114 S. 2 VwGO schafft die prozessualen Voraussetzungen lediglich dafür, defizitäre Ermessenserwägungen im Verwaltungsgerichtsverfahren zu ergänzen, nicht hingegen dafür, das ihr eröffnete Ermessen nachträglich erstmals auszuüben.

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Auch ungeachtet dessen durfte die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 31.10. 2006 aber nicht gemäß § 45 SGB X zurücknehmen. Denn nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Dabei ist das Vertrauen u. a. in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte die erbrachten Leistungen verbraucht hat. Davon kann vorliegend im Hinblick auf den Zweck, nämlich der Klägerin während ihres Studiums den Lebensunterhalt zu sichern, die Höhe der monatlichen Leistungen von 146,00 Euro sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin im übrigen ohne weiteres ausgegangen werden. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte allerdings bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 bis 3 SGB X nicht berufen. Diese sind hier indes nicht gegeben. Auch die Beklagte hält der Klägerin nicht vor, den Bewilligungsbescheid durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt zu haben (Nr. 1).

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Die Klägerin hat aber auch nicht im Sinne der Nr. 2 vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht, die zum Erlass des Bewilligungsbescheides geführt haben. Zwar hat sie der Beklagten die Exmatrikulation ihres Bruders D. am 26.03.2006 nicht unverzüglich mitgeteilt, wozu sie verpflichtet gewesen wäre. Denn dies ist ein für die Berechnung der Ausbildungsförderung erheblicher Umstand, weil das Einkommen der Eltern nach § 11 Abs. 4 BAföG außer auf den Bedarf des jeweiligen Antragstellers, hier der Klägerin, auch auf den anderer Auszubildender zu gleichen Teilen anzurechnen ist, die in einer nach dem BAföG förderungsfähigen Ausbildung stehen. Dass es sich bei dieser Frage um einen für die Bewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen nach dem BAföG maßgeblichen Umstand handelt, war für die Klägerin auch ohne weiteres erkennbar, zumal in der zu dem Antrag auf die Bewilligung von Leistungen nach dem BAföG auf einem gesonderten Formblatt abzugebenden Erklärung des Einkommensbeziehers ausdrücklich auch weitere Kinder zu benennen sind, die von diesem unterhalten werden, sich in Ausbildung befinden oder in den Haushalt aufgenommen wurden. Der Vater der Klägerin hat auf seiner Erklärung hierzu vom 24.10.2005 auch ihren Bruder D. und das von ihm seinerzeit im 4. Fachsemester betriebene Studium der Wirtschaftspädagogik angegeben. Da die Klägerin daher für die Zeit ab 04/2006 wohl grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unvollständige Angaben gemacht hat, dürften die Voraussetzungen für die teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 30.11. 2005 nach § 45 SGB X vorgelegen haben. Dies hat die Klägerin indes für den mit dem September 2006 endenden Bewilligungszeitraum auch anerkannt, indem sie die Rückforderung nicht angefochten, sondern hinsichtlich des auf diesen Zeitraum entfallenden Teilerstattungsbetrages von insgesamt 1.128,00 Euro am 30.04.2008 die Rückzahlung in monatlichen Raten von 30,00 Euro beantragt hat, die mit Bescheid vom 11.07.2008 von der Beklagten auch eingeräumt wurde.

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Darauf, ob die Klägerin und/oder ihre Eltern zudem verpflichtet gewesen sind, unaufgefordert einen Nachweis über die Exmatrikulation ihres Bruders vorzulegen, kommt es daher nicht mehr an. Insoweit sind zwar nach § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB I Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Nach dessen Nr. 3 sind Beweisurkunden aber erst auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers vorzulegen.

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Für die Rückforderung der der Klägerin im Bewilligungszeitraum von 10/2006 bis 09/2007 gezahlten Ausbildungsförderung, über die in diesem Verwaltungsstreitverfahren allein zu entscheiden ist, kann demgegenüber nicht festgestellt werden, dass die Klägerin oder ihre Eltern in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben im Sinne des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X gemacht haben. Vielmehr hat ihr Vater mit der Erklärung auf dem Formblatt 3 zum Antrag vom 14.07.2006 zutreffend unter den Ziffern 12 ff. keine Kinder - ohne die Antragstellerin - angegeben, die von ihm unterhalten werden, sich in Ausbildung befinden oder in seinen Haushalt aufgenommen wurden. Es bestand insoweit auch keine Verpflichtung der Klägerin, etwa im Sinne eines 'Warnhinweises' gesondert zu erklären, dass ihr Bruder sein Studium jetzt nicht mehr betreibt. Die formularmäßige Antragstellung dient ja gerade dem Zweck, eine einfache Bearbeitung ohne Abgabe zusätzlicher formloser Erklärungen in dem Massengeschäft der Bearbeitung von Anträgen auf Bewilligung von Leistungen nach dem BAföG zu ermöglichen.

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Hinsichtlich der Rückforderung der im Bewilligungszeitraum von 10/2006 bis 09/2007 geleisteten Ausbildungsförderung liegt zum Nachteil der Klägerin auch nicht eine die Berufung auf den Vertrauensschutz ausschließende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides vom 31.10.2006 im Sinne des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X vor. Allerdings trifft die in diesem Zusammenhang von der Beklagten vertretene Auffassung im Grundsatz zu, dass die Klägerin dazu verpflichtet war, zur Vermeidung rechtswidriger Leistungen an sie beizutragen und daher den Bewilligungsbescheid zu prüfen und auf Überzahlungen zu achten. Der Auszubildende verletzt seine Sorgfaltspflicht insoweit aber erst dann in besonders schwerem Maße, nämlich mindestens grob fahrlässig, wenn sich ihm die Rechtswidrigkeit des Bescheides aufgrund offensichtlicher Mängel aufdrängen musste, er insbesondere schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt hat (vgl. Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, Kommentar, LsBlS, § 20 Rn. 5.3 m. w. N.). Allerdings kann für die Prüfung, ob der Auszubildende die ihm obliegende Sorgfalt beachtet hat, nicht (mehr) die Rechtssprechung des BVerwGs vom 26.10.1978 ( - 5 B 40/78 - ) - wie es die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 24.04.2008 getan hat - oder auch noch vom 21.01.1987 (BVerwG, U. v. 21.1.1987 - 5 C 54/82 -) herangezogen werden, die zur früheren Rechtslage nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 BAföG ergangen ist. Denn die zum außer Kraft getretenen Recht ergangene, teilweise sehr strenge Judikatur bezieht sich auf einen anderen Sorgfaltsmaßstab, nämlich den der einfachen Fahrlässigkeit i. S. v. § 276 Abs. 1 BGB. Grobe Fahrlässigkeit setzt demgegenüber einen schwereren Pflichtenverstoß voraus. Sie liegt vor, wenn der/die Betroffene schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Bei der Prüfung der groben Fahrlässigkeit ist auch kein ausschließlich objektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen, sondern Rücksicht zu nehmen auf individuelle Besonderheiten des/der Betroffenen, insbesondere seine/ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten, einen Fehler zu erkennen. Die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides ist deshalb nur dann grob fahrlässig nicht erkannt worden, wenn der Auszubildende die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unter Berücksichtigung seiner individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat (vgl. BVerwG, B. v. 24.07.2000 - 10 B 4/99 -). Konkret gilt dabei, dass der Empfänger einer hoheitlich gewährten Leistung verpflichtet ist, den Bewilligungsbescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Hat er - wie die Klägerin - gegenüber der Behörde in seinem Antrag zutreffende Angaben gemacht, darf er grundsätzlich auch davon ausgehen, dass die Behörde seine Angaben korrekt umsetzt. Er ist dann im Allgemeinen nicht gehalten, den Bewilligungsbescheid einer näheren Prüfung zu unterziehen. Besteht jedoch offensichtlich Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit des Bewilligungsbescheides, etwa weil der bewilligte Betrag ungewöhnlich hoch ist (vgl. hierzu etwa VGH Ba-Wü, U. v. 27.11.1989 - 7 S 2344/89 - zur Erhörung der bisherigen Förderung auf das Dreifache), ist der Empfänger des Bescheides zur Überprüfung des Verwaltungsaktes anhand der beigefügten Begründung und ggf. unter Verwendung zusätzlicher Erkenntnismittel verpflichtet. Drängt sich die Fehlerhaftigkeit des Bescheides auf, kann auch die Verpflichtung zur Erkundigung bei der Behörde bestehen (vgl. Nds. OVG, B. v. 10.01.2008 - 4 LB 560/07 -; Nds. OVG, B. v. 31.03.2010 - 4 LC 281/08 -).

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Bei Anlegung dieser Maßstäbe kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin nur in Folge grober Fahrlässigkeit die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides vom 31.10. 2006 nicht kannte. Es ist zunächst zu berücksichtigen, dass sie, wie bereits ausgeführt, in ihrem Antrag auf Gewährung von Ausbildungsförderung zutreffende Angaben insbesondere auch in Bezug darauf gemacht hat, dass sich ihr Bruder nicht mehr in einer nach dem BAföG förderungsfähigen Ausbildung befand. Sie durfte deshalb grundsätzlich davon ausgehen, dass die Beklagte dieses ihrer Entscheidung über die Bewilligung von Ausbildungsförderung auch zugrunde legt. Zwar befindet sich auf dem Bewilligungsbescheid vom 31.10.2006 zur Ziffer 99 "Anzahl der bei der Anwendung nach § 11 Abs. 4 zu berücksichtigenden Auszubildenden" eine "2" und zur Ziffer 92 "Anzurechnen für sonstige Auszubildende (§ 11 Abs. 4)" der Betrag von 384,17 Euro. Andererseits war unter Ziffer 75 "Freibetrag für Kinder (in Ausbildung)" kein Betrag eingetragen. Zur Überzeugung des Gerichts kann daher nicht festgestellt werden, dass insbesondere die Einkommensberechnung unter G. des Bescheides vom 31.10.2006 so offensichtlich unrichtig war, dass es der Klägerin "ins Auge springen" musste. Die Klägerin musste nicht einmal erkennen, dass die Eintragung der "2" zur "Anzahl der bei der Anwendung nach § 11 Abs. 4 zu berücksichtigenden Auszubildenden" nicht zutrifft. Denn es ist für Personen wie die Klägerin, die sich nicht von Berufs wegen mit den gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Ausbildungsförderung nach dem BAföG befassen, nicht offensichtlich erkennbar, auf welchen Zeitraum insoweit abzustellen ist. Zwar trifft die Auffassung der Beklagten zu, dass im Hinblick auf die Anrechnungsvorschrift des § 11 Abs. 4 BAföG auf die Verhältnisse im Bewilligungszeitraum abzustellen ist. Da andererseits für die Anrechnung des Elterneinkommens aber grundsätzlich die Verhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums gem. § 24 Abs. 1 BAföG maßgebend sind, musste es sich der Klägerin als Studentin der Wirtschaftswissenschaften nicht aufdrängen, dass es falsch ist, hinsichtlich der Anrechnungen auf dieses Einkommen auf einen anderen Zeitraum abzustellen, nämlich den des Bewilligungszeitraums. Die Klägerin war darüber hinaus auch deshalb nicht zu einer näheren Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 31.10.2006 verpflichtet, weil sich damit der ihr für den Bewilligungszeitraum 10/2006 bis 09/2007 monatlich bewilligte Förderungsbetrag gegenüber der Festsetzung für den vorherigen Bewilligungszeitraum um 42,00 Euro monatlich vermindert hat. Bei oberflächlicher Prüfung durfte sie daher auch annehmen, dass sich in dieser Verringerung der monatlichen Leistung der Umstand widerspiegelt, dass ihr Bruder nicht mehr studiert. Um die Rechtswidrigkeit des Bescheides zu erkennen, hätte es jedenfalls weit mehr als einer oberflächlichen Prüfung bedurft. Denn der auf einem Formblatt erteilte Bescheid ist in mehrere Kennzeichnungsnummern unterteilt und erschließt sich in seiner komplexen Aussage erst nach längerem intensiven Studium. Für denjenigen, der täglich mit diesen Formblättern arbeitet, sind deren Aussagen möglicherweise ohne weiteres nachvollziehbar und verständlich. Auch mag es fahrlässig sein, wenn ein Auszubildender, der Ausbildungsförderung bezieht, sich nicht die Mühe macht, sämtliche Details eines solches Bescheids mit Hilfe der beigefügten Erläuterungen nachzuvollziehen. Jedenfalls der Auszubildende, der wie die Klägerin selbst keine falschen Angaben gemacht hat und deshalb grundsätzlich davon ausgehen darf, dass die mit der Materie weit besser vertrauten Mitarbeiter der Beklagten die richtige Förderungssumme errechnen, handelt jedoch nicht grob fahrlässig, wenn er sich dieser Mühe nicht unterzieht (so auch VG München, U. v. 15.10.2004 - M 15 K 03.3487 -).

 


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