Urteil vom Verwaltungsgericht Hannover (3. Kammer) - 3 A 3879/08
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Das klagende Land hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das klagende Land kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
- § 6 Abs. 3 SGB VIII
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Soweit die Klägerin Feststellungsklagen erhoben hat, sind diese wegen Subsidiarität gegenüber der allgemeinen Leistungsklage nach § 43 Abs. 2 VwGO unzulässig. Für die Erstattung von Jugendhilfeleistungen steht die allgemeine Leistungsklage zur Verfügung.
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Die hilfsweise erhobene allgemeine Leistungsklage ist zwar zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
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Dem klagenden Land steht kein Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten zu. Als Anspruchsgrundlage kommt nur § 89c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 86d SGB VIII in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt, denn der Anspruch steht nur demjenigen zu, der - ohne originär zuständig zu sein - im Rahmen einer Verpflichtung nach § 86d SGB VIII tätig geworden ist. Eine Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden nach § 86d SGB VIII besteht aber nur dann, wenn die örtliche Zuständigkeit nicht feststeht oder der zuständige örtliche Träger nicht tätig wird. Entgegen der Auffassung des klagenden Landes lag eine Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden nach dieser Vorschrift nicht vor. Vielmehr war das klagende Land für die Jugendhilfeleistung selbst sachlich und örtlich zuständig.
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Diese originäre Zuständigkeit ergibt sich hier aus § 85 Abs. 2 Nr. 9 SGB VIII i.V.m. § 88 Abs. 1 S. 2 SGB VIII.
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Nach § 85 Abs. 2 Nr. 9 SGB VIII ist für die Gewährung von Leistungen an Deutsche im Ausland der überörtliche Träger sachlich zuständig, sofern es sich nicht um die Fortsetzung einer bereits im Inland gewährten Leistung handelt. Hier handelt es sich um eine erstmalige Hilfegewährung und damit um Hilfe für Deutsche im Ausland i.S.d. § 6 Abs. 3 SGB VIII.
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Zwar lässt sich dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht eindeutig entnehmen, dass Leistungen an Deutsche im Ausland schon dann vorliegen, wenn sich der anspruchsberechtigte Elternteil im Ausland aufhält (so aber Nds. OVG, Urteil vom 20.01.2009 - 4 LC 28/09 -). Darauf kommt es hier jedoch nicht entscheidend an, da sich sowohl die allein sorgeberechtigte Mutter als Inhaberin des Anspruchs auf Hilfe zur Erziehung als auch die Tochter in dem Zeitpunkt, in dem über die Gewährung der Hilfe zur Erziehung entschieden wurde (vgl. dazu Wiesner, SGB VIII, 3. A., § 6 Rdnr. 3), in Rumänien aufhielten. Dabei ist nicht auf die erst am 13.03.2008 erfolgte Erstellung eines Bewilligungsbescheides, sondern auf den Zeitpunkt abzustellen, in welchem die Entscheidung getroffen wurde, C. in einer Erziehungsstelle des CJD Jugendhilfeverbundes Elze unterzubringen. Ein tatsächlicher Aufenthalt des Kindes in Deutschland und damit ein Anknüpfungspunkt innerhalb Deutschlands war zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben (vgl. dazu VG des Saarlandes, Urt. vom 22.08.2008 - 11 K 90/07, juris; VG Aachen, Urt. v. 29.12.2009 - 2 K 1028/06, juris).
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Die Kammer lässt daher offen, ob sie an ihrer bisherigen Rechtsprechung festhält, wonach Leistungen an Deutsche im Ausland im Fall der Hilfe zur Erziehung nur dann vorliegen, wenn sich auch das Kind als faktischer Leistungsempfänger im Ausland aufhält (vgl. Urt. vom 20.01.2009 - 3 A 1222/08 - ).
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Die örtliche Zuständigkeit des klagenden Landes ergibt sich aus § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Danach ist das Land Berlin zuständig, wenn - wie hier - der Geburtsort des jungen Menschen im Ausland liegt.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus §§ 86ff. SGB VIII, denn diese Vorschriften setzen sämtlich einen wenigstens ansatzweise erkennbaren Anknüpfungspunkt innerhalb Deutschland voraus, der hier - wie bereits ausgeführt - nicht ersichtlich ist.
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Deshalb bedarf auch die Frage, ob es sich bei § 88 SGB VIII um eine abschließende Sonderregelung handelt, die den Rückgriff auf §§ 86 ff. SGB VIII verbietet (so Schellhorn in Schellhorn/Fischer/Mann, SGB VIII, 3. A., § 88 Rdnr. 5) oder ob die Zuständigkeitsregelungen der §§ 86 ff. SGB VIII vorrangig sind und § 88 SGB VIII erst dann zum Tragen kommt, wenn ein Anknüpfungspunkt innerhalb Deutschlands nicht vorhanden ist (so wohl die überwiegende Meinung, vgl. dazu DIJUF Rechtsgutachten, Jugendamt 2008, S. 420 ff.; VG Aachen, a.a.O.; Nds. OVG, Beschl. vom 12.05.2011 - 4 LC 28/09 -) hier keiner Entscheidung.
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Schließlich ist der Beklagte auch nicht vom Zeitpunkt der Unterbringung C.s in der Erziehungsstelle des CJD Jugendhilfeverbundes Elze an zuständig geworden.
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Entgegen der Auffassung des klagenden Landes kann die Ausübung des Wunsch- und Wahlrechts nicht dazu führen, dass entgegen der gesetzlichen Regelung statt des überörtlichen Jugendhilfeträgers bzw. hier des Landes Berlin ein örtlicher Jugendhilfeträger, in dessen Bereich die Jugendhilfeleistung tatsächlich erbracht wird, sachlich zuständig und infolgedessen kostenerstattungspflichtig wird.
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Auch auf die örtliche Zuständigkeit wirkt sich die Ausübung des Wunsch- und Wahlrechts nicht aus. Nach der Systematik des SGB VIII spielt der Ort der Leistungserbringung, der auch im Fall der Gewährung von Leistungen an Deutsche im Ausland durchaus im Inland liegen kann (vgl. dazu Wiesner, SGB VIII, 3. A., § 6 Anm. 3; VG München, Urt. vom 27.11.2002 - M 18 K 00.306 - EuG 59, 205 ff) im Rahmen der Zuständigkeitsvorschriften der §§ 85 ff. SGB VIII keine Rolle. Dies ergibt sich aus der klaren gesetzlichen Regelung in § 89e SGB VIII, wonach der Jugendhilfeträger des Ortes, an dem die Leistung erbracht wird, nicht zuständig wird (sogen. Schutz der Einrichtungsorte). Dies gilt uneingeschränkt auch für Leistungen an Deutsche im Ausland im Sinne des § 6 Abs. 3 SGB VIII. Ein Kostenerstattungsverfahren ist in diesem Fall nicht vorgesehen. Die Zuständigkeit im Sinne des § 88 SGB VIII ist so angelegt, dass damit zugleich auch die endgültige Kostentragung verbunden ist (vgl. dazu Schellhorn, a.a.O., § 6 Anm. 25).
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Als unterlegene Partei hat das klagende Land nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist nach § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO vorläufig vollstreckbar.
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