Beschluss vom Verwaltungsgericht Hannover (4. Kammer) - 4 A 11790/17
Tenor
Das Verwaltungsgericht Hannover ist sachlich nicht zuständig.
Der Rechtsstreit wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht verwiesen.
Gründe
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Der Rechtsstreit ist gemäß § 83 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht als sachlich (erstinstanzlich) zuständiges Gericht zu verweisen, da das Verwaltungsgericht sachlich zur Entscheidung des Rechtsstreits unzuständig ist.
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Ist gemäß § 83 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG der beschrittene Rechtsweg unzulässig, worunter auch eine erstinstanzliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts fällt, spricht das angerufene Gericht dies nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit mit für das sachlich zuständige Gericht bindender Wirkung an das zuständige Gericht.
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Vorliegend ergibt sich die von der Eingangszuständigkeit nach § 45 VwGO abweichende sachliche Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts aus § 7 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4a) des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (UmwRG) i.V.m. § 2 Abs. 7 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) i.V.m. Nr. 2.2 der Anlage 5 zum UVPG. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 UmwRG entscheidet über Rechtsbehelfe gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG oder deren Unterlassen im ersten Rechtszug das Oberverwaltungsgericht, auch wenn kein Fall des § 47 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 VwGO vorliegt.
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Diese Voraussetzung ist erfüllt. Der Klägerin begehrt die Fortschreibung eines Luftreinhalteplans. Dies ist als Entscheidung bzw. als ihr Unterlassen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a) UmwRG anzusehen (VG Hamburg, Beschluss vom 07. August 2018 – 7 K 3876/18 –, Rn. 2, juris; VG Sigmaringen, Beschluss vom 21. August 2018 – 1 K 1825/18 –, Rn. 2, juris).
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Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a) UmwRG fallen in den Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes – und sind damit Entscheidungen i.S.v. § 7 Abs. 2 Satz 1 UmwRG – Entscheidungen über die Annahme von Plänen und Programmen i.S.v. § 2 Abs. 7 UVPG, für die eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) bestehen kann, sofern nicht über ihre Annahme durch formelles Gesetz entschieden wird.
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Bei dem Luftreinhalteplan handelt es sich um einen Plan im Sinne von § 2 Abs. 7 UVPG. Die Norm umfasst bundesrechtlich oder durch Rechtsakte der Europäischen Union vorgesehene Pläne und Programme, die von einer Behörde ausgearbeitet und angenommen werden. Der streitgegenständliche Luftreinhalteplan ist bundesrechtlich nach § 47 Abs. 1 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) vorgesehen und wird infolge des Erlasses der niedersächsischen Landesregierung vom 27.03.2007 von der Beklagten unter Mitwirkung des niedersächsischen Landesministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz ausgearbeitet und durch den Rat der Beklagten beschlossen.
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Für den Luftreinhalteplan kann auch im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4a) UmwRG eine SUP-Pflicht bestehen.
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Bei welchen Plänen und Programmen eine SUP durchzuführen ist, richtet sich nach § 35 UVPG i.V.m. der Anlage 5 zum UVPG. Hiernach besteht eine SUP-Pflicht unter anderem gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 für Pläne und Programme, die in der Anlage 5 Nr. 2 zum UVPG aufgeführt sind und die für Entscheidungen über die Zulässigkeit von in der Anlage 1 aufgeführten Vorhaben einen Rahmen setzen. Luftreinhaltepläne sind in der Anlage 5 zum UVPG unter Nr. 2.2. aufgeführt.
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Die Formulierung in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG wirft zwar die Frage auf, ob diese Regelung ebenso wie die zum Vorbild genommene Vorschrift in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG dahingehend verstanden werden muss, dass die bloße Möglichkeit einer SUP-Pflicht nicht ausreicht, sondern ihr Bestehen abschließend zu klären ist (so BVerwG, Urteil vom 02. November 2017 – 7 C 25/15 –, Rn. 18, juris m.w.N. zu Nr. 1 der Vorschrift).
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Es spricht allerdings vieles dafür, dass diese Rechtsprechung auf die am 29.07.2017 in Kraft getretene Nr. 4 nicht übertragbar ist. Aus der Gesetzesbegründung ist nicht ersichtlich, dass diese mit der gewählten Formulierung einhergehende Differenzierungsmöglichkeit durch den Gesetzgeber erkannt worden ist oder gar gewünscht war (BT-Drs. 18/9526, S. 33, 42). Aus der Begründung geht vielmehr hervor, dass in Anlehnung an § 47 VwGO grundsätzlich die instanzielle Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte für Pläne und Programme aufgrund der Vergleichbarkeit mit Planungsentscheidungen unabhängig von einer konkreten SUP-Pflicht eingeführt werden sollte, sodass die unter systematischen Gesichtspunkten naheliegende enge Auslegung im Sinne der o.g. Rechtsprechung nicht vorzugswürdig erscheint.
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Auch praktische Gesichtspunkte sprechen gegen ein enges Verständnis dieses Merkmales, denn anders als in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG ergibt sich durch die Wortwahl der Verweisung in § 7 Abs. 2 Satz 1 UmwRG, dass auch ein Unterlassen der Behörde streitgegenständlich sein kann. Wird aber geltend gemacht, dass die zuständige Behörde es unterlassen hat, die zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen erforderlichen Maßnahmen in einem Luftreinhalteplan festzulegen, hätte das zur Folge, dass ein beträchtlicher Teil des materiellen Prüfungsumfanges zur Vorfrage der instanziellen Zuständigkeit des Gerichtes wird. Erst aus der Beantwortung der Frage, ob und welche Maßnahmen tatsächlich „erforderlich“ sind, wird sich nämlich ergeben, ob der Luftreinhalteplan i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 2 UVPG für eine in der Anlage 1 zum UVPG aufgeführte Anlage tatsächlich einen Rahmen setzen wird. Auch dieser Gesichtspunkt spricht daher dafür, an dieser Stelle keine konkrete SUP-Pflicht zu fordern, denn die Gesetzesbegründung zeigt, dass die Frage, ob eine SUP-Pflicht besteht und bestanden hätte, in der Begründetheit eines Rechtsbehelfs verortet bleiben soll (BT-Drs. 18/9526, S. 33).
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In systematischer Hinsicht sprechen weiterhin europarechtliche Gesichtspunkte dafür, zugunsten einer möglichst effektiven Ausgestaltung der Verbandsklage von einer weiten Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz Nr. 4 UmwRG auszugehen und die schlichte Möglichkeit der SUP-Pflicht ausreichen zu lassen. Nur bei einer solchen Auslegung wird gewährleistet, dass Rechtsbehelfe im Zusammenhang mit Luftreinhalteplänen von Umweltverbänden überhaupt zulässig sind. Andernfalls hinge die Klagebefugnis der Klägerin auch im vorliegenden Fall alleine davon ab, ob die Beklagte in Aussicht nimmt, in ihrem Luftreinhalteplan Maßnahmen festzuschreiben, die einen Rahmen für Vorhaben nach Anlage 1 zum UVPG setzen (hierzu VG Sigmaringen, Beschluss vom 21. August 2018 – 1 K 1825/18 –, Rn. 10ff, juris).
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Dies legt auch die Wortwahl der Vorschrift nahe, die gerade auf die Möglichkeit einer SUP-Pflicht abstellt. Wäre dem Gesetzgeber daran gelegen gewesen, die Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte an das tatsächliche Vorliegen einer SUP-Pflicht zu knüpfen, hätte es nähergelegen, eine entsprechende Formulierung zu wählen (so auch VG Sigmaringen, Beschluss vom 21. August 2018 – 1 K 1825/18 –, Rn. 7, juris).
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Dahingestellt bleiben kann, ob gleichwohl zumindest Anhaltspunkte dafür zu fordern sind, dass im vorliegenden Fall eine SUP-Pflicht eintreten kann, oder ob die abstrakte rechtliche Möglichkeit durch die Benennung von Luftreinhalteplänen in Ziffer 2.2. der Anlage 2 zum UVPG bereits ausreicht, um den Tatbestand zu erfüllen. Im vorliegenden Fall liegen Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer SUP-Pflicht jedenfalls vor. So enthält bereits der Luftreinhalteplan der Beklagten in seiner Fassung vom 30.05.2011 beispielsweise Maßgaben zum Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, der im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten auch Straßen- und Untergrundbahnen umfasst. Es erscheint daher in diesem Zusammenhang möglich, dass der ggf. zu verabschiedende Luftreinhalteplan damit im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 2 UVPG einen Rahmen für ein in Anlage 1 zum UVPG aufgeführtes Vorhaben setzt, weil nach der Ziffer 14.11. der Bau von Straßen- und Untergrundbahnstrecken ein solches Vorhaben darstellt.
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Schließlich handelt es sich bei der von der Klägerin eingereichten, auf eine erweiternde Änderung des Luftreinhalteplans der Beklagten von 2011 gerichteten Klage um einen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung oder ihr Unterlassen im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 UmwRG. Aus der Genese und dem Sinn und Zweck der Vorschrift lässt sich ablesen, dass die Zuständigkeit umfänglich bei den Oberverwaltungsgerichten angesiedelt werden soll, sodass auch die begehrte Änderung eines Luftreinhalteplanes, der begrifflich ein teilweises Unterlassen der für notwendig gehaltenen Maßnahmen zugrunde liegt, erfasst ist (vgl. zu dieser Frage im Detail VG Hamburg, Beschluss vom 07. August 2018 – 7 K 3876/18 –, Rn. 8ff, juris).
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Die Kostenentscheidung bleibt der durch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zu treffenden Schlussentscheidung vorbehalten.
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Die Unanfechtbarkeit dieses Beschlusses folgt aus § 83 Satz 2 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 GVG.
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