Beschluss vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 2 K 1190/07

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf EUR 7.500 festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin ist eine juristische Person nach tschechischem Recht. Sie ist Inhaberin einer von der Stadt ... ausgestellten „Registration zum Betreiben einer Fahrschule“. Unter Hinweis auf diese „Registration“ nahm die Antragstellerin im Mai 2006 den Betrieb einer Fahrschule in ... auf. Mit Bescheid vom 27.02.2007 untersagte der Antragsgegner den Fahrschulbetrieb und ordnete die sofortige Vollziehung an. Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 08.03.2007 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27.02.2007 wiederherzustellen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid vom 27.02.2007 ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung entsprechend § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ordnungsgemäß begründet worden. Der Antragsgegner hat am betroffenen Einzelfall orientierte Gründe für den Sofortvollzug angegeben. Ob diese Gründe in der Sache zutreffend sind, ist für die formelle Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung unerheblich.
Die im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten eines Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt vorliegend zugunsten des Antragsgegners aus. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 27.02.2007 überwiegt das Interesse der Antragstellerin, vorläufig von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben. Der Widerspruch gegen den Bescheid wird aller Voraussicht nach zurückzuweisen sein (1.). Darüber hinaus besteht nach Auffassung der Kammer auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung (2.).
1. Die auf § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO gestützte Untersagung des Fahrschulbetriebs in ... ist aller Voraussicht nach rechtmäßig. Nach dieser Bestimmung kann, wenn ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben wird, die Fortsetzung des Betriebes verhindert werden.
Aufgrund dieser Bestimmung darf der Betrieb einer Fahrschule untersagt werden. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat insoweit in seinem Beschluss vom 21.10.2003 (9 S 2037/03) ausgeführt: „Das Fahrlehrergesetz vom 25. August 1969 (BGBl. I S. 1336, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.12.2001, BGBl. I S. 3762) enthält, anders als die Gewerbeordnung (dort § 15 Abs. 2 GewO), keine Regelungen über die Schließung von Betriebsstätten oder von Unterrichtsräumen. Es begnügt sich mit Regelungen über die Rücknahme und den Widerruf der Fahrschulerlaubnis und des Widerrufs der Zweigstellenerlaubnis (§ 21 FahrlG), sowie dem Ruhen und Erlöschen der Fahrschulerlaubnis (§ 20 FahrlG). Dies schließt indes einen Rückgriff auf Regelungen, die allgemein für gewerbliche Betätigungen gelten, nicht aus (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 1.12.1992 - 14 S 2038/91 - DÖV 1993, 203). Das Gewerberecht enthält in § 15 GewO den allgemeinen gewerberechtlichen Grundsatz, dass die zuständige Behörde die Befugnis hat, ein Gewerbe zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung erforderlich ist, zu verhindern, wenn es ohne diese Zulassung betrieben wird (vgl. auch OVG Thüringen, Beschluss vom 06.06.2002 - 2 EO 80/01- DÖV 2003, 87). Demgemäß (§ 15 Abs. 2 Satz 1 GewO) kann die zuständige Behörde jemandem, der ohne die erforderliche Fahrschulerlaubnis (§ 10 Abs. 1 FahrlG) eine Fahrschule betreibt, den Betrieb untersagen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.11.1982 - 5 B 62/82 - DÖV 1983, 735).“
Die tatbestandlichen Voraussetzung dieser Bestimmung, der Betrieb eines Gewerbes ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis, dürfte erfüllt sein. Die Antragstellerin hat zwar eine tschechische „Registration zum Betreiben einer Fahrschule“ vorgelegt, doch dürfte diese ihre Tätigkeit in ... nicht abdecken.
Diese „Registration zum Betreiben einer Fahrschule“ dürfte schon in der tschechischen Republik räumlich begrenzt sein. Auf jeden Fall aber dürfte sie nicht den Betrieb einer Zweigstelle in ... rechtfertigen.
10 
Nach der vorliegenden beglaubigten Übersetzung ist die Antragstellerin Inhaberin einer „Registration zum Betreiben einer Fahrschule“ (Hervorhebung durch das Gericht). Es ist an keiner Stelle die Rede davon, dass die Antragstellerin Inhaberin einer Registration zum Betreiben allgemein von Fahrschulen ist. Im Gegenteil: Die „Registration“ wurde für eine bestimmte Betriebsstelle, nämlich unter der Anschrift der Antragstellerin in ... erteilt. Weiterhin heißt es dort: „Die Registration zum Betreiben der Fahrschule wurde für den Betreiber der Fahrschule als Dauereinwilligung (…) ausgegeben.“ (Hervorhebungen wiederum durch das Gericht). Unter den „weiteren Bedingungen zum Betreiben der Fahrschule“ wird unter der Rubrik „Fahrübungsplatz oder Übungsfläche“ auf einen umzäunten Bereich eines Parkplatzes in ..., unter der Rubrik „Lehrfahrzeug“ auf eine nicht vorgelegte Anlage und unter der Rubrik „Unterrichts- und Fahrlehrer“ gleichfalls auf eine nicht vorgelegte Anlage verwiesen. Alle diese Bedingungen wären überflüssig, wenn es sich um eine allgemeine Genehmigung zum Betreiben von Fahrschulen handeln würde.
11 
Für die Auffassung, dass die „Registration“ keinesfalls die von der Antragstellerin ihr beigemessene Reichweite hat, spricht auch die von dem Antragsgegner eingeholte Auskunft, dass eine tschechische Fahrschulerlaubnis nur Geltung innerhalb einer von insgesamt 205 Erlaubnisregionen habe und nur die Führung von maximal fünf Zweigstellen erlaube.
12 
Auch wenn die „Registration zum Betreiben einer Fahrschule“ die ihr von der Antragstellerin behauptete Reichweite hätte, würde diese dennoch nicht zum Betrieb einer Fahrschule in ... ermächtigen. Art. 43 EG i.V.m. Art. 48 EG, auf die sich die Antragstellerin beruft, dürften dem Erfordernis, eine Genehmigung, sei es - wofür angesichts des offensichtlichen Bestehens einer tschechischen Fahrschulerlaubnis einiges spricht - nur in Form einer Zweigstellenerlaubnis, sei es in Form einer Fahrschulerlaubnis, hierfür einholen zu müssen, nicht entgegenstehen.
13 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs umfasst die Niederlassungsfreiheit auch die Möglichkeit, unter Beachtung der Berufsregelungen im Gebiet der Gemeinschaft mehr als eine Stätte für die Ausübung einer Tätigkeit einzurichten und beizubehalten (Beschl. v. 02.12.2005 - C-11/705 -, „Seidl“, Rn. 12).
14 
Ausgehend hiervon ist es schon fraglich, ob überhaupt von einer Beschränkung der Niederlassungserlaubnis die Rede sein kann. Denn nach dieser Rechtsprechung sind bei Ausübung der Niederlassungsfreiheit die „Berufsregelungen“ zu beachten. Nach den deutschen Regelungen setzt aber der Betrieb einer Fahrschule eine Fahrschulerlaubnis (§§ 10 ff. FahrlG) und der Betrieb einer Zweigstelle eine Zweigstellenerlaubnis (§ 14 FahrlG) voraus. Dies gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Antragstellers bzw. der Herkunft einer juristischen Person.
15 
Doch selbst wenn eine Beschränkung vorliegen würde, wäre diese nach Auffassung des Gerichts gerechtfertigt. Denn mit dem Erfordernis einer Fahrschulerlaubnis bzw. einer Zweigstellenerlaubnis wird ein berechtigter Zweck verfolgt, der mit dem Vertrag vereinbar und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, und nicht über das hinausgeht, was zur Verwirklichung dieses Zweckes erforderlich ist (vgl. zu diesen Anforderungen EuGH, Beschl. v. 02.12.2005 - C-11/705 -, „Seidl“, Rn. 14). Zunächst ist festzuhalten, dass die Erlaubnisse jeweils aufgrund einer rechtlich gebundenen Entscheidung ergehen („wird erteilt“, siehe § 11 Abs. 1, 2, § 14 Abs. 2 FahrlG). Die zuständigen Behörden haben also bei der Erteilung der Erlaubnis keinerlei Ermessensspielraum; Erwägungen wie der Schutz bestehender Fahrschulen vor Konkurrenz dürfen deshalb bei der behördlichen Entscheidungsfindung keine Rolle spielen. Die jeweiligen Anforderungen sind weiterhin unerlässlich für einen geordneten Fahrschulbetrieb, insbesondere einen qualitativ hochwertigen, den zunehmenden Anforderungen im Straßenverkehr gerecht werdenden theoretischen und praktischen Unterricht. Es ist insbesondere eine Selbstverständlichkeit, dass geeignete Unterrichtsräume, Lernmittel und Lehrfahrzeuge zur Verfügung stehen müssen (§ 11 Abs. 1 Nr. 6, § 14 Abs. 2 FahrlG). Es versteht sich weiterhin von selbst, dass der Inhaber einer Fahrschule bzw. der Leiter des Ausbildungsbetriebs etwa zuverlässig sein und die Fahrlehrererlaubnis besitzen muss. Hiervon geht ersichtlich auch die Antragstellerin aus.
16 
Durch das Erfordernis einer vorherigen Erlaubnis (sog. präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl., § 9 Rn. 51 ff.) wird die Überwachung eines geordneten Fahrschulbetriebs durch die zuständigen Behörden ermöglicht. Das Durchlaufen dieses Verfahrens ist auch dem Niederlassungswilligen zumutbar. Randelzhofer/Forsthoff (in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, Band II, Art. 43 EGV Rn. 95) führen insofern zu Recht aus: „Eine Niederlassung ist auf die dauerhafte Integration in eine Volkswirtschaft gerichtet. Anders als bei der nur temporären Erbringung von Dienstleistungen, die für die Erfüllung solcher Erfordernisse ungleich schwerer wiegt, gewinnen die staatlichen Interessen an einer homogenen Geltung insbesondere des Wirtschaftsaufsichtsrechts an Bedeutung. Die Erfüllung jener Vorschriften, die im Wesentlichen bloß einen gewissen Verwaltungsaufwand verursacht, kann dem Niederlassungswilligen als die von ihm zu erbringende Integrationslast zugemutet werden.“
17 
Auch der Beschluss des Europäischen Gerichtshofs vom 2.12.2005, auf den die Antragstellerin besonders hinweist, spricht nicht gegen die hier vertretene Auffassung. Der Leitsatz dieses Beschlusses lautet: „Art. 43 EG ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach denen es untersagt ist, Personen, die bereits eine Bewilligung für eine Fahrschule besitzen, eine weitere derartige Bewilligung zu erteilen.“ Diese Entscheidung spricht gerade gegen die von der Antragstellerin vertretene Auffassung. Denn sie betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine „weitere Bewilligung“ erteilt werden kann. In der Entscheidung wird somit stillschweigend vorausgesetzt, dass der Betrieb einer Fahrschule in einem anderen Mitgliedstaat von einer „weiteren Bewilligung“ abhängig gemacht werden darf.
18 
Auf die sog. Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. EU Nr. L 376/36) kann sich die Antragstellerin schon deshalb nicht berufen, weil diese erst bis zum 28.12.2009 in nationales Recht umzusetzen ist (Art. 44 Abs. 1). Darüber hinaus ist fraglich, ob das Betreiben von Fahrschulen überhaupt in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt. Denn nach deren Art. 2 Abs. 2 lit. d findet die Richtlinie keine Anwendung auf „Verkehrsdienstleistungen einschließlich Hafendienste, die in den Anwendungsbereich von Titel V des Vertrages fallen". Schließlich lässt die Richtlinie in ihrem Art. 9 auch zu, dass die Aufnahme und Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit einer Genehmigungsregelung unterworfen wird. Die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie genannten Voraussetzungen entsprechen dabei genau denjenigen, die hier schon im Rahmen der Prüfung des Art. 43 EG i.V.m. Art. 48 EG aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs herangezogen worden sind (vgl. dazu auch Erwägungsgrund 40 der Richtlinie).
19 
Der Schluss aus der wechselseitigen Anerkennung von Führerscheinen auf die gemeinschaftsweite Geltung von Fahrschulerlaubnissen ist im Übrigen nicht gerechtfertigt. Die Anerkennung von Fahrerlaubnissen dient dem gemeinschaftsweiten Personenverkehr, während die Geltung von Fahrschulerlaubnissen die Niederlassungsfreiheit betreffen würde. Somit besteht schon im Ansatz ein grundlegender Unterschied. Des Weiteren besteht für Fahrerlaubnisse eine ausdrückliche gemeinschaftliche Regelung, während eine solche für Fahrschulerlaubnisse fehlt.
20 
Der Antragsgegner dürfte auch ermessensfehlerfrei gehandelt haben. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ermessensfehlern, auf die sich die Prüfung des Gerichts zu beschränken hat, sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Da die Antragstellerin trotz des Hinweises der Antragsgegnerin auf das Erfordernis einer Erlaubnis keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, kann nicht entscheidend sein, dass die Antragstellerin das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen einer Zweigstellenerlaubnis behauptet, Gerade dies muss von der Behörde geprüft werden können.
21 
2. Es besteht nach Auffassung des Gerichts auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Der Schutz der zumeist jungen Fahrerlaubnisbewerber davor, von einer Fahrschule ausgebildet zu werden, die nicht die erforderliche behördliche Erlaubnis besitzt, ist ein besonders wichtiger Belang. Mittelbar wird auch die gleichfalls besonders hoch anzusehende Verkehrssicherheit erhöht, da das Bestehen der theoretischen und der praktischen Prüfung allein noch nicht gewährleisten kann, dass ein Verkehrsteilnehmer die erforderlichen Fähigkeiten aufweist. Hierzu bedarf es weiterhin eines qualifizierten und alle Bereiche und Situationen umfassenden theoretischen und praktischen Unterrichts. Insofern ist auch der Vortrag, Fahrschüler hätten die entsprechenden Prüfungen mit Erfolg absolviert, nicht von Bedeutung. Somit streiten für das besondere öffentliche Interesse auch das Leben, die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum der anderen Verkehrsteilnehmer, im Übrigen auch während des praktischen Fahrschulbetriebs, sowie derjenigen Personen, die von einem Fehlverhalten im Straßenverkehr betroffen sein können.
III.
22 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf Nrn. 54.1, 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 2004, 1525).

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